Als Ausgangspunkt der Arbeit dient eine Analyse des Kommunikationsraums Europa aus historisch-geographischer und sozialer Perspektive. Seit Jahrhunderten finden auf unserem Kontinent einmalige Entwicklungen statt, von denen manche im Laufe der Zeit die ganze Welt veränderten. Die europäischen Länder ergänzten und beeinflussten sich auch in kommunikativer Hinsicht, und das, obwohl es in Europa auf relativ engem Raum so viele kulturelle und sprachliche Unterschiede gab und gibt wie in kaum einem anderen Teil der Welt.
Auf die alles entscheidende Frage nach der Existenz einer europäischen Öffentlichkeit werden im dritten Kapitel zunächst verschiedene Antworten von Wissenschaftlern und Experten vorgestellt. Es folgen eine Klärung des Begriffs und der Beweis, dass die Entwicklung einer europäischen Öffentlichkeit unerlässlich für den Erfolg der Europäischen Union ist. Welche Probleme dabei existieren und wie man einige dieser Probleme lösen kann, wird ebenfalls beschrieben. Im vierten Kapitel werden die Besonderheiten des Internet beleuchtet. Wie können diese zur Optimierung der Online-Publikationen und damit zur Entwicklung einer europäischen Öffentlichkeit beitragen? Eine Bestandsanalyse des europäischen Online-Journalismus listet die wichtigsten Online-Publikationen mit Europabezug auf. Hierzu wurden die Informationen auf den jeweiligen Websites verwendet. Zusätzliche E-Mail-Anfragen lieferten nicht das gewünschte Ergebnis. Der Fokus richtet sich im fünften Kapitel auf eine der wichtigsten deutschsprachigen Publikationen (europa-digital), beziehungsweise deutschsprachige Teile mehrsprachiger Publikationen (cafébabel, Europolitan)mit europäischem Fokus. Alle Websites sind politisch unabhängig von der EU und arbeiten nach journalistischen Prinzipien. Als Grundlage für die Analyse dienen Leitfadengespräche, die mit Verantwortlichen der drei Publikationen geführt wurden. Im Leitfaden sind auch Fragen enthalten, die sich auf die europäische Öffentlichkeit und das Medium Internet beziehen, sodass die Ergebnisse aus den Interviews auch in den entsprechenden Kapiteln verwendet werden konnten. Abschließend werden im sechsten Kapitel Bausteine zur Konzipierung einer europäischen Online-Publikation geliefert. Die vorherige Untersuchung der bestehenden Publikationen sowie die Leitfadengespräche liefern die Basis für die dort vorgeschlagenen Maßnahmen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Thema
1.2. Vorgehen und Struktur
2. Kommunikationsraum Europa
2.1. Historisch-geographische Perspektive
2.2. Soziale Perspektive
2.3. Fazit
3. Europäische Öffentlichkeit
3.1. Die Gretchenfrage nach der Existenz europäischer Öffentlichkeit
3.2. Begriffsklärung
3.3. Notwendigkeit einer europäischen Öffentlichkeit
3.3.1. Das Demokratiedefizit der Europäischen Union
3.3.2. Der Legitimitätsbedarf der Europäischen Union
3.3.3. Politische Identität in der Europäischen Union
3.3.4. Defizite bei der EU-Berichterstattung
3.4. Entwicklung einer europäischen Öffentlichkeit: Probleme und Lösungen
3.4.1. Das Problem der Sprachenvielfalt
3.4.2. Der Problemfaktor „Europäische Union“
3.4.3. Die Rolle der Verfassung
3.4.4. Medien und EU-Öffentlichkeitsarbeit als Problemfaktoren
3.4.5. Aktionsplan Kommunikation
3.5. Fazit
4. Medium Internet und europäischer Online-Journalismus
4.1. Besonderheiten des Mediums und daraus resultierende Möglichkeiten
4.2. Bestandsaufnahme des europäischen Online-Journalismus
4.2.1. EurActiv
4.2.2. EUobserver
4.2.3. Eurozine
4.2.4. Newropeans Magazine
4.2.5. Transitions Online
4.2.6. Visegrád.info
4.2.7. EuropeanVoice
4.2.8. EU-Digest
4.2.9. Euro-Correspondent
4.2.10. Euronews
4.2.11. Weitere Online-Publikationen
4.3. Fazit
5. Ausgewählte Online-Publikationen
5.1. europa-digital
5.2. café babel
5.3. Europolitan
5.4. Fazit
6. Vorschläge für die ideale europäische Online-Publikation
6.1. Redaktion und Organisation
6.2. Markenstrategie
6.3. Finanzierung
6.4. Mehrsprachigkeit
6.5. Inhalte
6.6. Multimedialität
6.7. Interaktivität
6.8. Intermedialität
6.9. Öffentlichkeitsarbeit
6.10. Fazit
7. Fazit und Ausblick
Quellenverzeichnis
Primärquellen
Monographien, Artikel und andere Sekundärquellen
Internetquellen
Leitfadeninterviews
Sonstige Quellen
Anhang
Interviewleitfaden
Eidesstattliche Erklärung
1. Einleitung
1.1. Thema
Das vereinte Europa wächst. Inzwischen besteht die Europäische Union aus 25 Mitglieds- staaten. Rumänien und Bulgarien kommen, aller Voraussicht nach, im Jahr 2007 hinzu, und die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und Kroatien wurden bereits aufgenommen. [[1]]
Aber wächst Europa auch zusammen? Betrachtet man die bewegte Vergangenheit des Kontinents, erscheint ein wirkliches Zusammenwachsen zunächst unwahrscheinlich. Zu vielfältig sind die unterschiedlichen Kulturen, zu groß die sprachlichen Barrieren und zu stark die nationalen Identitäten.
„ Der zunehmenden ‚ Europäisierung ’ im Sinne der Errichtung gemeinsamer politischer, wirt- schaftlicher und sozialer Strukturen stehen wachsende Nationalismen und Regionalismen gegen ü ber. Nirgendwo sonst sind auf so engem Raum so viele Kulturen vorhanden, existieren so viele kleine politische Einheiten wie in Europa. “ (Kleinsteuber, Rossmann 1994: 1)
Sicher ist: Nicht nur für den wirtschaftlichen und politischen Erfolg der Europäischen Union bedarf es einer europäischen Öffentlichkeit. Der gesamte Integrationsprozess, und damit die Zukunft der Union, hängt stark davon ab, wie präsent Europa in den Köpfen seiner Bürger ist und wie gut diese an der Brüsseler Politik beteiligt werden. Doch zurzeit stoßen die EU und ihre Politik bei vielen Menschen auf Ablehnung. Aus dem ehemaligen Friedensprojekt „Europa“ ist für viele Menschen inzwischen ein Bevormundungsprojekt geworden.
„ Spätestens seit den beiden Referenden in Frankreich und den Niederlanden ist klar, dass
Br ü ssel f ü r die meisten EU-B ü rger ein fernes Raumschiff ist, das auch noch ziemlich bedrohlich wirkt “ (Reichstein 2005: 62).
Auch wenn die Entscheidung über die Verfassung bei vielen Franzosen und Niederländern vom Unmut über die nationale Politik beeinflusst wurde, hätte eine stärker ausgeprägte europäische Öffentlichkeit die negativen Ergebnisse womöglich verhindern können. Aufgrund der nun entstandenen Verzögerung im Ratifizierungsprozess gerät auch die Entwicklung einer europäischen Öffentlichkeit - zumindest was die institutionellen Voraussetzungen angeht - ins Stocken. Denn wäre die Verfassung bereits ratifiziert, könnte sie unter anderem durch diverse Reformen der EU-Institutionen entscheidend zu einer transparenteren, demokratischeren und bürgernäheren EU-Politik beitragen und somit wiederum zur Entwicklung einer europäischen Öffentlichkeit.
Ziel dieser Arbeit ist es, folgende zentrale Fragen zu beantworten: Was macht Europa, vor allem in kommunikativer Hinsicht, so besonders? Gibt es bereits eine europäische Öffentlichkeit und was versteht man darunter? Welche Rolle kann der europäische Online- Journalismus bei der Entwicklung einer europäischen Öffentlichkeit spielen? Welche online-journalistischen Angebote auf europäischer Ebene gibt es bereits und wie sähe eine europäische Online-Publikation im Idealfall aus?
1.2. Vorgehen und Struktur
Als Ausgangspunkt der Arbeit dient eine Analyse des Kommunikationsraums Europa aus historisch-geographischer und sozialer Perspektive. Seit Jahrhunderten finden auf unserem Kontinent einmalige Entwicklungen statt, von denen manche im Laufe der Zeit die ganze Welt veränderten. Die europäischen Länder ergänzten und beeinflussten sich auch in kommunikativer Hinsicht, und das, obwohl es in Europa auf relativ engem Raum so viele kulturelle und sprachliche Unterschiede gab und gibt wie in kaum einem anderen Teil der Welt.
Auf die alles entscheidende Frage nach der Existenz einer europäischen Öffentlichkeit werden im dritten Kapitel zunächst verschiedene Antworten von Wissenschaftlern und Experten vorgestellt. Es folgen eine Klärung des Begriffs und der Beweis, dass die Entwicklung einer europäischen Öffentlichkeit unerlässlich für den Erfolg der Europäischen Union ist. Welche Probleme dabei existieren und wie man einige dieser Probleme lösen kann, wird ebenfalls beschrieben.
Im vierten Kapitel werden die Besonderheiten des Internet beleuchtet. Wie können diese zur Optimierung der Online-Publikationen und damit zur Entwicklung einer europäischen Öffentlichkeit beitragen? Eine Bestandsanalyse des europäischen Online-Journalismus listet die wichtigsten Online-Publikationen mit Europabezug auf. Hierzu wurden die Informationen auf den jeweiligen Websites verwendet. Zusätzliche E-Mail-Anfragen lieferten nicht das gewünschte Ergebnis.
Der Fokus richtet sich im fünften Kapitel auf eine der wichtigsten deutschsprachigen Publikationen (europa-digital), beziehungsweise deutschsprachige Teile mehrsprachiger Publikationen (caf é babel, Europolitan) mit europäischem Fokus. Alle Websites sind politisch unabhängig von der EU und arbeiten nach journalistischen Prinzipien. Als Grundlage für die Analyse dienen Leitfadengespräche, die mit Verantwortlichen der drei Publikationen geführt wurden. Im Leitfaden sind auch Fragen enthalten, die sich auf die europäische Öffentlichkeit und das Medium Internet beziehen, sodass die Ergebnisse aus den Interviews auch in den entsprechenden Kapiteln verwendet werden konnten.
Abschließend werden im sechsten Kapitel Bausteine zur Konzipierung einer europäischen Online-Publikation geliefert. Die vorherige Untersuchung der bestehenden Publikationen sowie die Leitfadengespräche liefern die Basis für die dort vorgeschlagenen Maßnahmen.
2. Kommunikationsraum Europa
Unser Kontinent hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Unzählige Auseinandersetzungen fanden auf seinem Boden statt. Die schlimmsten Katastrophen der Menschheit, die beiden Weltkriege, hatten ihren Ursprung in Europa. Doch natürlich wurden auch viele positive Entwicklungen und Erfindungen von hier aus in die Welt getragen. Die Demokratie beispielsweise ist eines der bedeutendsten europäischen „Produkte“. Weitere Errungenschaften wie „Christentum und Kapitalismus, Naturwissenschaft und Technik [sowie] römisches Recht und Code Napoléon [[2]] “ (Habermas, Derrida 2003) veränderten nicht nur Europa, sondern auch die anderen Kontinente.
Europa ist ohne Frage ein besonderer Kontinent, der aber auch Widersprüche in sich vereint. So zählt zu seinen Stärken vor allem die kulturelle und sprachliche Vielfalt (vgl. Russ-Mohl 2004) der europäischen Völker, die in anderen Zusammenhängen gleichzeitig eine seiner Schwächen ist. Die Idee (und die Umsetzung) eines Staatenbundes wie der Europäischen Union sind weltweit einmalig. Die EU konnte wohl nur aufgrund der zahlreichen Gemeinsamkeiten entstehen, die die Europäer ohne Zweifel verbinden. Die Kommunikation untereinander, die trotz vieler unterschiedlicher Sprachen seit Jahrhunderten die Menschen in Europa verbindet, war eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung und das Bewusstwerden vieler Gemeinsamkeiten.
Das in den europäischen Staaten stark „ausgeprägte Nationalbewusstsein hat lange als Sprengsatz gewirkt“ (Habermas, Derrida 2003). Doch gerade als Reaktion darauf haben sich „Einstellungsmuster ausgebildet, die dem heutigen Europa … ein eigenes Gesicht geben (ebd.). Durch die Jahrhunderte dauernden Konflikte in Religion und Politik, die die europäische Gesellschaft immer wieder zerrissen, musste die europäische Kultur „unter Schmerzen lernen, wie Unterschiede kommuniziert, Gegensätze institutionalisiert und Spannungen stabilisiert werden können“ (ebd.). Die Anerkennung von Differenzen kann für Habermas und Derrida infolgedessen zu einem wichtigen Element einer gemeinsamen europäischen Identität werden. (vgl. ebd.)
Die Europäische Union will trotz aller Integration „den ‚Eigensinn’ der vielfältigen europäischen Kulturen nicht aufheben“ (Glotz 1995: 17). Dies wird in den bisher abgeschlossenen Verträgen und verabschiedeten Beschlüssen deutlich.
„ Die Vergemeinschaftung der Mitgliedsstaaten soll immer enger werden, bis hin zum Fernziel einer europäischen Staatlichkeit, also der Vereinigten Staaten von Europa; die in Sprache, Kultur und gemeinsamen Selbstverständlichkeiten, ‚ Sitten und Gebräuchen ’ verfestigten Identitäten aber sollen erhalten bleiben. “ (ebd.)
Allerdings ist diese angestrebte Entwicklung mit der Verankerung in Vertragswerken noch längst nicht garantiert. Glotz (vgl. ebd.: 26) selbst ist skeptisch, was das Projekt der „Vereinigten Staaten von Europa“ angeht:
„ Wer glaubt, dass er das ganze geographische Europa in ein ü bernationales Staatengebilde pressen könnte, verkennt nicht nur die Verschiedenheit, sondern auch die Abstoßungskräfte der unterschiedlichen Kommunikationsräume … Das Kunstprodukt einer Union vom Atlantik bis an den Ural d ü rfte kommunikativ … nicht zustande zu bringen sein. “ (ebd.: 26)
Für Glotz existiert also noch kein Kommunikationsraum Europa, und es bleibt für ihn abzuwarten, ob sich aus dem bereits existierenden europäischen Wirtschafts- und Touris- musraum überhaupt der zugehörige Kommunikationsraum entwickeln wird. (vgl. ebd.: 17- 26)
Im Folgenden werden unter anderem die Besonderheiten unseres Kontinents und deren Entstehung beschrieben; angefangen bei seiner oftmals schwierigen exakten - sowohl zeitlichen als auch räumlichen - Einordnung, über politische, wirtschaftliche und techni- sche Entwicklungen in Bezug auf die Medien, bis hin zu sozialen Aspekten des Kommuni- kationsraums Europa. Diesen in seiner Komplexität zu verstehen und seine Chancen und Risiken zu kennen, ist entscheidend für die späteren Untersuchungen zur europäischen Öffentlichkeit.
2.1. Historisch-geographische Perspektive
Seit wann gibt es Europa? Wo endet es geographisch? Schon beim Versuch, diese Fragen zu beantworten, gerät die Wissenschaft in Schwierigkeiten und verwickelt sich in Wider- sprüche.
Kleinsteuber und Rossmann (vgl. 1994: 44-46) zum Beispiel fällt die zeitliche Einordnung schwer. Es gibt nicht das Schlüsselereignis, das als Geburtsstunde Europas bezeichnet werden könnte. Der Entstehungsprozess erstreckte sich stattdessen über mehrere Jahrhun- derte. Sie bezeichnen Europa deswegen als „raum-zeitliches Fragezeichen“ (ebd.: 44).
Dennoch ist Europa für sie eine „unbestreitbare Tatsache“, die „seit Jahrhunderten in den Köpfen der Menschen“ (ebd.: 44) lebt.
Auch der christliche Glaube, der nicht einmal in Europa, sondern in Vorderasien entstand, ist kein eindeutiges Merkmal, um Europa abzugrenzen. Zum einen prägten neben Christen auch Juden und Moslems den Kontinent. Zum anderen ist das Land mit den meisten katholischen Einwohnern heute Brasilien.
Die geographische Einordnung wird bereits dadurch erschwert, dass Europa seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert nicht auf seine kontinentalen Grenzen beschränkt blieb. Mit der Entdeckung Amerikas und der darauf folgenden Kolonialisierung begann die
„ Auswanderung Europas in den Rest der Welt. So entstanden europäisch inspirierte Gemeinwesen von Nordamerika bis Australien, in denen europäische Traditionen oft konsequenter weiter getragen wurden als in Europa selbst … Wir schufen mit der Unterwerfung der amerikanischen Kulturen nicht nur eine ‚ Neue Welt ’ , diese wirkte vielfältig auch wieder auf Europa zur ü ck, die ‚ Alte Welt ’ entdeckte sich ü ber Amerika neu. “ (ebd.: 45f.)
Die Frage nach den Grenzen Europas bleibt also ohne klare Antwort. „Wie man es auch wendet, Europa ist als zeit-räumliche Einheit nicht zu greifen“ (ebd.: 45).
Dennoch gelang der politische, ökonomische und kulturelle Aufstieg Europas. Er ist für Kleinsteuber und Rossmann (vgl. 1994: 51-54) zu einem großen Teil die Folge von Kommunikation, sowohl innerhalb Europas, als auch, über vorhandene Grenzen hinweg, mit den Nachbarkulturen, von denen auf diesem Wege viele Innovationen übernommen wurden. Trotz der vielen verschiedenen Völker und ihren unterschiedlichen Sprachen „lag über Europa zumindest seit dem Mittelalter ein faszinierendes Netz von Kanälen des Austausches und der Information“ (ebd.: 51), so dass sich die unterschiedlichen Kulturen „gegenseitig intellektuell zu befruchten und weiterzuhelfen“ (Kleinsteuber 2004: 34) vermochten.
Dieser intensive Austausch erforderte die Produktion von Nachrichten und deren Vertei- lung über weite Strecken. Es entstand das System der Privatbriefe und später der Messrela- tionen [[3]], die als Vorläufer der ersten Zeitungen gelten. Bereits seit dem 17. Jahrhundert existierten periodische Schriften wie die Nouvelles de la R é publique des Lettres, deren Autoren versuchten, „ein Kommunikationsnetz zwischen den Gelehrten Europas zu spannen und sich untereinander mit Nachrichten zu versorgen“ (Requate, Schulze-Wessel 2002: 23). Diese Kommunikation fand zunächst also nur innerhalb eines relativ kleinen Kreises europäischer Gelehrter statt. Europäische Akademiker wie Erasmus von Rotter- dam [[4]] und Thomas More [[5]] kommunizierten untereinander in Briefwechseln über weite Strecken (vgl. auch Ribhegge 1991, zitiert nach Kleinsteuber, Rossmann 1994: 51). Sie überschritten ständig die bestehenden Grenzen und hielten somit den Kontinent wie „kommunikativer Klebstoff“ (Kleinsteuber 2004: 35) zusammen. Die Tradition des wandernden Scholaren [[6]] beispielsweise war lange vergessen und erst seit einigen Jahren versucht die Europäische Union diese im Rahmen des Erasmus-Austauschprogramms [[7]] wieder aufzunehmen (vgl. Kleinsteuber, Rossmann 1994: 51f.; Requate, Schulze-Wessel 2002: 23).
Erst langsam entstanden auch öffentliche Kommunikationsstrukturen, die von den aufkommenden Medien vermittelt wurden. Die nationale Prägung dieser Medien war dabei zunächst erstaunlich gering. Die Konzepte verschiedener Zeitungen und Zeitschriften, welche vom 17. bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts existierten, trugen „zumindest deutliche transnationale, teils europäische Züge“ (Requate, Schulze-Wessel 2002: 23), was auch die Titel dieser Publikationen zeigen. Namen wie Theatrum Europaeum, Die Europäische Fama oder der Courier de l ’ Europe lassen ohne Zweifel eine europäische Orientierung erkennen. Auch die zeitweise wichtigste deutschsprachige Zeitung, die Augsburger Allgemeine Zeitung, die schon im Jahr 1844 über 250 Korrespondenten in ganz Europa verfügte, und die französischsprachige Gazette de Leyde aus Holland „waren in ihrer Konzeption eher international als national angelegt“ (ebd.: 23). Hauptsächlich Gebildete aus aller Welt lasen die Gazette de Leyde, die Nachrichten aus ganz Europa, und darüber hinaus, enthielt.
Durch die Französische Revolution wurde Frankreich zum interessantesten Berichterstat- tungsobjekt für die europäischen Medien. In der Gazette de Leyde kamen kurz vor dem Beginn der Revolution 40 Prozent der Nachrichten aus Frankreich, und in anderen Ländern sorgte dieses Ereignis, wenn auch nur vorübergehend, sogar für journalistischen Fort- schritt. Da sich die „Journalisten und Publizisten um eine möglichst detaillierte und korrekte Berichterstattung über die Pariser Ereignisse bemühten“ (ebd.: 25), erlebten zumindest die deutschen Zeitungen einen „regelrechten Qualitätssprung“ (ebd.: 25).
Dieses Beispiel zeigt den starken Zusammenhang zwischen Großereignissen mit europäischer Tragweite und der daraus resultierenden Zunahme transnationaler Kommunikation. Auch Requate und Schulze-Wessel (vgl. 2002: 22-27) kommen, Bezug nehmend auf die Französischen Revolution, zu dem Schluss:
„ Die Bedeutung von Ereignissen f ü r die Schaffung eines europäischen Kommunikationsraumes wird hier in besonderer Weise greifbar, aber es zeigt sich auch, wie eng die Formierung einer europäischen Ö ffentlichkeit an dieses Ereignis gebunden war “ (ebd.: 24).
Sie argumentieren weiterhin, dass es „seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert bei einer Zunahme der internationalen Kommunikation zu einer Enteuropäisierung der Kommunika- tionsstrukturen gekommen ist“ (ebd.: 22). Der Grund hierfür sind ihrer Meinung nach die Staatsbildungsprozesse in ganz Europa, die dazu führten, dass sich die „Kommunikation innerhalb der Nationen verdichtete und dadurch ein kommunikatives Gefälle zu ihrer europäischen Umgebung“ (ebd.: 25) entstand. Der Unterschied zwischen den Kommunika- tionsnetzen auf nationaler und europäischer Ebene war in der Folge viel ausgeprägter als vor der Entstehung der Nationalstaaten, die medialen Strukturen wurden zunehmend nationalisiert.
Gleichzeitig gewannen Nachrichtenagenturen wie Havas, Reuters oder das Wolffsche
Telegraphenb ü ro immer mehr an Einfluss und sorgten für einen „stetigen und wachsenden Nachrichtenfluss zwischen den europäischen Staaten“ (ebd.: 26). Nationale und nicht europäische Sichtweisen standen jedoch bei den Agenturen im Vordergrund. Sie schlossen sich zu einem Kartell zusammen und teilten die Welt untereinander auf, so dass sie in den einzelnen Ländern eine Art Nachrichtenmonopol besaßen. Dieses wurde von der jeweili- gen Regierung abgesichert, die dafür auf die Kontrolle des Nachrichtenverkehrs bestehen konnten. Es kam somit zwar „rein quantitativ zu einer Zunahme des internationalen Nachrichtenverkehrs“ (ebd.: 27), allerdings konnte von einem freien Nachrichtenaustausch keine Rede sein, da die Nachrichten durch bis zu vier nationale Filter gingen, bevor sie die Leser erreichten.
Man kann konstatieren, dass Europa „in den Köpfen der miteinander kommunizierenden Bürger“ (Kleinsteuber, Rossmann 1994: 51) entstanden ist. Die „Verdichtung von Kom- munikation“ (ebd.: 50) sorgte dafür, dass die bisherigen Formen des Kommunizierens - gesprochenes und (hand)geschriebenes Wort - nicht mehr ausreichten und eine Mechani- sierung und Technisierung des Kommunikationsaustauschs benötigt wurde. Gleichzeitig stieg die Nachfrage nach effizienteren Systemen für die Verteilung von Informationen, und so entstanden mit dem Buchdruck und den ersten Zeitungen spezifische Lösungen, die vor allem in dieser Kombination anderswo zuvor nicht gesucht worden waren und die den gerade entstehenden Kommunikationsraum Europa so besonders machten. Die Entstehung der Pressefreiheit - nicht zuletzt dank des erstarkenden Bildungsbürgertums - sowie weitere industrielle Entwicklungen (Schnellpresse, industrielle Papierherstellung) sorgten, wie bereits erwähnt, vor allem im 18. und 19. Jahrhundert für eine stetige
„ Verdichtung der Kommunikation … Ohne Mechanisierung und Industrialisierung dieses
anwachsenden Kommunikationsvolumens durch die Entstehung von Massenmedien hätte die
Entwicklung des Kontinents in Stagnation ü bergehen m ü ssen. Und deshalb sind Massenmedien eine so europäische Angelegenheit. “ (ebd.: 53)
Auch die dazugehörigen Infrastrukturen wie Botensysteme, ein organisiertes Postwesen und - etwas später - ein Eisenbahn- und Telekommunikationsnetz entstanden in Europa und gewährleisteten den „räumlichen Austausch von Menschen, Gütern und Nachrich- ten“ (ebd.: 54).
Kleinsteuber und Rossmann (vgl. 1994: 54) bezeichnen diese „über Jahrhunderte entstan- dene horizontale, großräumige und gleichwohl dezentral vernetzte Kommunikationskul- tur“ als den „eigentlichen Beginn eines ‚Europas von unten’“ (ebd.: 54). In Bezug auf den Raumbegriff kommen Sie zu der Schlussfolgerung, dass „der vertraute Nahraum … durch die Erschließung neuer großer Räume durch modernste Techniken bedrängt und relati- viert“ und der „Kommunikationsraum Europa … sozusagen demokratisiert“ (ebd.: 54) wurde.
Die Grenzen des Kommunikationsraums Europa bleiben indes ungenau. Vor allem der Kolonialismus [[8]] hat deutliche Spuren hinterlassen. Hebt man auf einer Karte alle Territorien in Übersee hervor, die zu europäischen Staaten gehören, entsteht ein „globaler Fleckenteppich“ (ebd.: 46). Im 20. Jahrhundert verkomplizierten sich die Zuordnungen und Abgrenzungen noch einmal, vor allem durch die beiden Weltkriege. Nach 1945 und der Zweiteilung Europas durch die Siegermächte wurde der
„ europäische Gedanke zeitweise auf eine westeuropäische Wirtschaftsgemeinschaft reduziert. Erst mit dem Zusammenbruch der real-sozialistischen Regime Osteuropas Ende der achtziger Jahre r ü ckte das alte, uns zeitweise verloren gegangene Europa wieder in den Mittelpunkt des Interesses. “ (ebd.: 46)
Insgesamt bleibt eine gewisse Widersprüchlichkeit bestehen, und es ist und bleibt schwer, Europa historisch oder politisch abzugrenzen. Die Russen beispielsweise, deren Land zum größten Teil nicht in Europa liegt, zählen sich zum europäischen Kulturkreis. Die osteuro- päischen Staaten waren bis zum Jahr 2004 nicht in der Europäischen Union, außereuropäi- sche Gebiete dagegen schon. Die Einwohner der französischen Departements in Übersee haben sogar Wahlrecht für das Europäische Parlament. Gleichzeitig gilt das europäische Recht für Territorien innerhalb Europas (Kanalinseln, Insel Man) nur eingeschränkt. (vgl. ebd.: 46-54)
2.2. Soziale Perspektive
Auf den geographischen, realen Raum aufbauend ist das Prinzip des sozialen Raums wichtig für das Verständnis des Kommunikationsraums Europa. Dieser soziale Raum „ unterscheidet sich dadurch vom geographischen Raum, dass vorfindliche Akteure, Gruppen oder Institutionen umso mehr gemeinsame Merkmale aufweisen, je näher sie sich zueinander im Raum verhalten. Nach Bordieu (1992) koinzidieren räumliche mit sozialen Distanzen, anders als im realen Raum, in dem sich sozial fern stehende Menschen zumindest kurzfristig treffen und interagieren können. “ (Kleinsteuber, Rossmann 1994: 11)
Im sozialen Raum ist es dagegen kaum denkbar, dass beispielsweise ein Wissenschaftler und ein Krimineller miteinander in Kontakt treten. Es geht also hierbei nicht nur um ein „geographisch bestimmtes Terrain, sondern … um eine viel allgemeinere Struktur von Beziehungen“ (ebd.: 12), um eine Gesellschaft.
Ein grundlegendes Element einer jeden Gesellschaft ist die Kommunikation, die „immer in der Raum- und Zeitdimension“ (ebd.: 12) stattfindet. Es gibt verschiedene Ansätze in der Kommunikationsforschung, die jedoch alle zu dem Ergebnis führen, „dass Kommunikation nicht nur durch den Raum bedingt ist, sondern dass sie zugleich Raum stiftet und gestal- tet“ (Ronneberger 1992, zitiert nach Kleinsteuber, Rossmann 1994: 13). Die Medien tragen in hohem Maße zur Kommunikation bei und besitzen somit eine entscheidende Bedeutung bei der Entwicklung des Kommunikationsraums Europa. Insbesondere das Internet schafft heute einen offenen Kommunikationsraum mit einem freien Informationsfluss, der „politisch gesetzte oder wirtschaftlich intendierte Grenzen“ (Kleinsteuber, Rossmann 1994: 17) überwindet. (vgl. auch Kapitel 4)
Für die Übermittlung dieser Informationen in einem Kommunikationsraum sind gewisse interne Standards notwendig.
„ Der Begriff Raum suggeriert nicht nur die klare Abgrenzung nach außen, sondern auch Homogenität nach innen. Tatsächlich definiert sich ein Raum immer ü ber bestimmte Gemeinsamkeiten - die der wirtschaftlichen Akteure oder der Sprache beispielsweise. “ (ebd.: 17)
Die Sprache ist aber, anders als zum Beispiel in den Vereinigten Staaten von Amerika, in Europa bekanntlich keine Gemeinsamkeit, über die sich ein Raum definieren könnte. Aus der wirtschaftlichen Perspektive gelingt dies schon besser, denn ökonomisch ist Europa eher als einheitlicher Raum zu sehen als in kommunikativer Hinsicht. Die wirtschaftlichen Interessen der einzelnen Staaten waren in der Vergangenheit ein wichtiger Motor der europäischen Einigung. Viele Entwicklungen, nicht zuletzt die Währungsunion, waren vor allem ökonomisch motiviert.
Bisher war es vor allem der Wirtschaft und der Politik vorbehalten, Räume zu schaffen. Die bereits erwähnten Infrastrukturen (vgl. Kapitel 2.1.) verbanden bereits in der Vergan- genheit diese Politik- und Wirtschaftsräume. Außerdem unterstützten sie sowohl den Handel beim Erreichen seiner ökonomischen Ziele als auch die Wissenschaft, die kulturel- le Ziele verfolgte, bei ihrer Entwicklung. (vgl. Kleinsteuber, Rossmann 1994: 57) In den kulturellen Zielen „ hat sich vor allem das Bewusstsein einer Zusammengehörigkeit der Europäer konstituiert,
das auf der erlebbaren Erfahrung beruhte, dass auch jenseits der Grenzen Menschen mit einer im Prinzipähnlichen Lebensweise,ähnlichen Interessen und Bed ü rfnissen leben, die es wert sind, in gemeinsame, soziale Räume einbezogen zu werden. Trotz aller Absonderung ü berwindet gerade Kommunikation die gesetzten Barrieren. “ (ebd.: 57)
Es gibt in Europa keine dominierende (Kommunikations-)Kultur. Für Russ-Mohl (vgl. 2004) gibt es „allenfalls Einflusszonen: im Norden und Nordwesten die angelsächsische, im Süden und Westen die frankophon-romanische, in der Mitte die deutsche und im Osten und Südosten die slawische“. Oft machen klar bestimmbare Raumgrenzen jedoch über- haupt keinen Sinn und somit sind „in der Pluralität der Räume auch innere Unterschiede möglich“ (Kleinsteuber, Rossmann 1994: 21). In Bezug auf den Kommunikationsraum Europa bleibt festzuhalten, dass man nicht nur von dem einen Raum sprechen kann, sondern vielmehr von einer „Verschachtelung vieler unterschiedlich großer und unter- schiedlich gestalteter Räume“ (ebd.: 14).
2.3. Fazit
Der Kommunikationsraum Europa hat also eine lange Geschichte hinter sich. Europa lässt sich als „Ort kommunikativer Lernprozesse“ (Kleinsteuber, Rossmann 1994: 56) beschrei- ben. Ein europäisches Bewusstsein als „Ergebnis verdichteter Kommunikationsprozes- se“ (ebd.: 56) existiert ohne Frage. Es ist jedoch nicht sicher, ob dieses europäische Bewusstsein letztlich auch einen Einfluss auf die Entstehung einer europäischen Öffent- lichkeit hat (vgl. Kapitel 3).
Kleinsteuber und Rossmann (vgl. 56f.) kommen zu dem Ergebnis, dass Europa als ein „in geschichtlicher Dynamik geschaffener Kommunikationsraum“ (ebd.: 56) gesehen werden muss, der in „seiner historischen wie gegenwärtigen Komplexität nur in einer Pluralität von Raumkonzepten verstanden werden kann“ (ebd.: 57).
„ Ein Europa, das ü berleben will, muss mehr sein, als eine Anhäufung von sich auf alle Zeit ethnisch gegeneinander abgrenzender National-Räume. Ein nicht mehr in exklusiven Nationen, sondern in inklusiven Räumen gedachtes Europa bietet die Chance, die historische Monodimensionalität des Raumes zu verlassen und den Kontinent neu zu interpretieren: Europa zu begreifen, als das, was es - kommunikativ gesehen - schon immer war, ein Ort der Raumund Kommunikationsvielfalt. “ (ebd.: 57)
Für Requate und Schulze-Wessel (vgl. 2002: 37-39) ist vor allem die „ungebrochene Persistenz … die die nationalen Kommunikationsräume für die Sichtweise und die Beurteilung international bedeutsamer Vorgänge besitzen“ (ebd.: 37), entscheidend. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt, der für die Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit problematisch ist:
„ Zu den Fragmentierungen desöffentlichen Raums auf nationaler Ebene kommen auf europäischer Ebene die vielfältigen nationalen gesellschaftlichen und intellektuellen Prägungen und Traditionen der einzelnen Länder hinzu. Es ist nicht zu erwarten, dass sich gerade diese Fragmentierungen in absehbarer Zeit auflösen “ (ebd.: 38)
Doch das müssen sie vielleicht auch gar nicht. In der Vergangenheit wurden immer wieder transnationale Teilöffentlichkeiten mehr oder weniger mühsam hergestellt. Besonders bei bedeutenden Ereignissen auf übernationaler Ebene konnte und kann die europäische Dimension die nationalen Perspektiven durchaus überlagern. (vgl. Kapitel 3.3)
„ Im Sinne der Europäisierung Europas ist es ohne Zweifel w ü nschenswert, wenn sich nationale Perspektiven bei der Zuschreibung oder der Lösung von Problemen abschleifen und sich die transnationalen Vernetzungen und damit auch die transnationalen Perspektiven verstär- ken “ (Requate, Schulze-Wessel 2002: 38f.).
Eine europäische Öffentlichkeit erscheint also immer notwendiger, um europäische Lösungen für europäische Probleme herbeizuführen.
3. Europäische Öffentlichkeit
„ Europa hat eine Seele. Wir d ü rfen dies weder ignorieren noch vergessen. Europa muss aus dem kleinen Kreis der Eingeweihten heraustreten. Es muss wieder Gegenstand der Politik, der B ü rger, deröffentlichen Diskussionen werden. “ (Giscard d'Estaing [[9]] 2003)
Mit diesem Appell am Ende seiner Rede anlässlich der Preisverleihung des Karlspreises brachte Valéry Giscard d`Estaing bereits im Jahr 2003 die Notwendigkeit einer europäi- schen Öffentlichkeit auf den Punkt. Diese Problematik besteht natürlich schon länger. Vor allem seit den 90er-Jahren, als die europäische Einigung nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in Schwung kam, ist sie Untersuchungsgegenstand der Wissenschaft. Bislang hat sich jedoch nicht viel verändert. Die in der damaligen Literatur geschilderten Schwierig- keiten und Defizite spielen zum Teil auch heute noch eine Rolle. Die Probleme bei der Ratifizierung der europäischen Verfassung zeigen es, die Ergebnisse des aktuellen Eurobarometers [[10]] belegen es, und auch die verstärkten Aktivitäten der EU im Bereich Kommunikation verdeutlichen es: das Thema „Europäische Öffentlichkeit“ ist aktueller denn je.
3.1. Die Gretchenfrage nach der Existenz europäischer Öffentlichkeit
Gibt es bereits eine europäische Öffentlichkeit? Wenn ja, wie sieht diese aus? Oder, falls nicht, wie müsste sie aussehen?
„ Mit der Frage nach der Existenz oder Nicht-Existenz einer europäischen Ö ffentlichkeit ist relativ wenig gewonnen, da man je nach Definition das eine wie das andere begr ü nden könnte, ohne damit der Komplexität des Phänomens Rechnung zu tragen (Requate, Schulze-Wessel 2002: 37).
Requate und Schulze-Wessel haben Recht: Die Frage nach der Existenz einer europäischen Öffentlichkeit wird von Wissenschaftlern und Experten zum Teil sehr unterschiedlich beantwortet. Eine Auswahl von Meinungen soll dies zunächst belegen.
Für Kopper (vgl. 1997: 9) existiert zwar eine „neue komplexe Struktur europäischen Zuschnitts“, die in Politik und Wirtschaft unter dem „zumeist noch zu hinterfragenden Begriff ‚Informationsgesellschaft’“ (ebd.) verstanden wird, jedoch „ fehlt es an grundlegender, an zusammenfassender, an analytisch zugespitzter und nicht zuletzt an europäischer Reflexion des Wandels der alten Medienwelten und Kommunikationsperspektiven und der neuen Herausforderungen an ihre Akteure. Es fehlt eine Perspektive, die sich explizit auf die europäische Ö ffentlichkeit bezieht. “ (ebd.)
Diese europäische Öffentlichkeit wäre für ihn das entscheidende Gegenstück zu der bereits stattfindenden „Verdichtung und Harmonisierung der Strukturen der Politik, der Wirtschaft und der Kultur innerhalb der Europäischen Union“ (ebd.), doch sie „existiert faktisch bisher nicht“ (ebd.). Und genau hier sieht Kopper das Projekt Europa in Gefahr, denn weder der europäische Journalismus, noch die Informationskultur in Europa prägen die europäische Öffentlichkeit als „für ein demokratiefähiges Projekt essentiellen Bestand- teil“ so, dass sie ihrer Funktion gerecht würde, nämlich „die Verdichtungsprozesse der Politik, der Wirtschaft und der Kultur … nicht nur zu begleiten, sondern für einen europäischen, breit angelegten Diskurs aufzubereiten“ (ebd.).
Auch für Habermas (vgl. 2005) gibt es „noch … keine europäische Öffentlichkeit, keine grenzüberschreitende Bündelung von Themen, keine gemeinsame Diskussion“ (ebd.). Eine solche Öffentlichkeit auf europäischer Ebene kann für ihn „nur so entstehen, dass sich die intakt bleibenden Kommunikationskreisläufe der nationalen Arenen füreinander öff- nen“ (Habermas 2001, zitiert nach Kleinsteuber 2004: 42). Noch vor den gescheiterten Verfassungsreferenden in Frankreich und den Niederlanden wies er darauf hin, dass sich die Voten nur „in den Grenzen der jeweils eigenen nationalen Öffentlichkeit“ (Habermas 2005) bilden und bezeichnete es als gefährliche „Asymmetrie“ (ebd.), dass nationale Probleme stets im Vordergrund stünden und so die eigentlichen Probleme, die für die Abstimmung über die europäische Verfassung relevant sind, verdrängen würden. Und so forderte er im Mai 2005: „In jede unserer nationalen Öffentlichkeiten müsste auch das Für und Wider der anderen Nationen Eingang finden“ (ebd.).
Für Requate und Schulze-Wessel (vgl. 2002: 38) zeichnet sich eine funktionierende Öffentlichkeit „durch Streit auf den verschiedensten Ebenen und in den verschiedensten Teilöffentlichkeiten aus“ (ebd.). Auf europäischer Ebene sehen sie eine solche Öffentlichkeit allerdings noch nicht:
„… die Vorstellung von einer homogenen europäischen Ö ffentlichkeit, und sei sie auch nur gebildet aus den Intellektuellen, erscheint im Zusammenspiel pluralistischer Gesellschaften als illusionär “ (ebd.).
Wenn überhaupt so etwas wie eine europäische Öffentlichkeit entstehen kann, dann offenbar nur aufgrund bestimmter Ereignisse (vgl. Kapitel 3.3.4.).
[...]
[[1]] Diese Arbeit beruht auf dem politischen Stand vom November 2005.
[[2]] Code Napoléon, auch Code civil, französisches Gesetzbuch des bürgerlichen Rechtes (entstanden 1804- 1807). Die Bezeichnung Code Napoléon rührt daher, dass das Gesetz unter Kaiser Napoleon I. in Kraft trat. (vgl. Microsoft Encarta Enzyklopädie 2002)
[[3]] Seit 1588 wurden Flugschriften und Einblattdrucke, genannt „Newe (oder Neue) Zeitungen“, an den großen deutschen Handelsplätzen zu so genannten Messrelationen zusammengefasst. (vgl. Microsoft Encarta Enzyklopädie 2002)
[[4]] auch Erasmus Desiderius, (1466 oder 1469 bis 1536), niederländischer Theologe und Gelehrter, einer der bedeutendsten Humanisten (vgl. ebd.)
[[5]] More, Sir Thomas, latinisiert Morus (1478-1535), englischer Staatsmann und Humanist. (vgl. ebd.)
[[6]] Scholar (von lateinisch scola = Schule) nannte man fahrende Schüler und Studenten, akademisch gebildete Kleriker ohne Amt und feste Stellung. Auch: Vagant, Goliarde. (vgl. Wikipedia; aufgerufen am 04.11.2005)
[[7]] Das Erasmus-Programm ist ein Programm der EU mit dem Ziel, die Zusammenarbeit von Hochschulen innerhalb der EU sowie die Mobilität von Studierenden und Dozierenden zu fördern. Es ist Teil des SokratesProgramms, das neben Hochschulbildung auch Schul- und Erwachsenenbildung fördert. (vgl. ebd.)
[[8]] Kolonialismus (von lateinisch colonia: Niederlassung, Ansiedlung), Bezeichnung für ein System der wirtschaftlichen und politischen Herrschaft eines Staates über Regionen außerhalb seiner eigenen Grenzen. Kolonien entstanden aus der Landnahme durch Besetzung bzw. militärische Eroberung oder vertragliche Vereinbarungen mit den Landesautoritäten. (vgl. Microsoft Encarta Enzyklopädie 2002)
[[9]] (*1926), Staatspräsident von Frankreich (1974-1981); Präsident des Europäischen Konvents und Preisträger des „Internationalen Karlspreises zu Aachen“ im Jahr 2003
[[10]] regelmäßige Befragung der europäischen Bürger im Auftrag der „Generaldirektion Presse und Kommuni- kation“
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