Das Follow-the-money-Paradigma im Kampf gegen Al Qaida - und das bisher bescheidene Ergebnis Al Qaida seiner finanziellen Ressourcen zu berauben, hat sich als fester Bestandteil der internationalen Terrorismusbekämpfung spätestens seit den Anschlägen des 11. Septembers 2001 etabliert. Vor allem die USA und die Vereinten Nationen haben als unmittelbare Reaktion auf den 11. September darauf gedrängt, die Bekämpfung der Geldmittel Al Qaidas auf die internationale politische Agenda zu setzen. Mit dieser Form der Terrorismusbekämpfung, die von der UN, der EU und der FATF auf internationaler Ebene gefördert wird, werden zwei Ziele verfolgt: Zum einen soll durch die nachträgliche Ermittlung der finanziellen Transaktionen, die etwa zur Vorbereitung des 11. Septembers getätigt wurden, eine bessere strafrechtliche Verfolgung der Attentäter und ihrer Hintermänner ermöglicht werden; zum anderen soll die Sperrung aller ermittelten Geldkonten die finanzielle Potenz Al Qaidas erheblich schwächen, mit der Folge, dass das Terrornetzwerk in Zukunft kaum mehr in der Lage wäre, Tausende von Kämpfern auszubilden und zu unterhalten und logistisch komplexe Attentate mit großem Zerstörungspotenzial wie etwa die des 11. Septembers durchzuführen, worauf letztlich die enorme Gefährlichkeit Al Qaidas als weitweit führende transnationale Terrororganisation beruht. Die Ergebnisse, die bisher im Rahmen dieser Politik international erzielt werden konnten, sind allerdings recht bescheiden gewesen: Einerseits verkünden eine Reihe von Staaten, allen voran die USA, wie erfolgreich sie bei der Trockenlegung der Geldquellen waren, was zudem in den Reporten der Vereinten Nation bestätigt wird; zum anderen aber gilt es sich vor Augen zu halten, dass Al Qaida eine ganze Serie verheerender Anschläge auch und gerade nach dem 11. September durchführen konnte (etwa Madrid 2004, London 2005), was letztlich auf eine weiter bestehende, gut funktionierende finanzielle Ausstattung des Terrornetzwerkes schließen lässt - trotz der internationalen Bemühungen, Al Qaidas Geldquellen nachhaltig auszutrocknen. So gehen Schätzungen immer noch davon aus, dass Al Qaida einen Jahresumsatz von 20- 50 Millionen Euro erzielt. Zudem ist es dem Terrornetzwerk nach seiner Vertreibung aus Afghanistan gelungen, seine Ausgaben von jährlich 35 Millionen auf 5 -10 Millionen Euro zu verringern. [...]
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
A. Das Follow-the-money-Paradigma im Kampf gegen Al Qaida – und das bisher bescheidene Ergebnis
B. Erklärungsansätze
1) Das Problem fragiler Staatlichkeit im Kontext der Geldquellen Al Qaidas
2) Das Problem der Off-Shore-Zentren im Kontext der Geldquellen Al Qaidas
3) Der Erklärungsansatz dieser Arbeit – die Relevanz privater Akteure
4) Vorgehen
II. Die finanzielle Infrastruktur Al Qaidas
A. Die Geldquellen
1) Das Privatvermögen seiner Mitglieder
2) Einkünfte aus wirtschaftlichen Tätigkeiten
a) Legale Geschäfte
b) Illegale Geschäfte
aa) Drogenhandel
bb) Waffenhandel
cc) Diamanten- und Edelmetallschmuggel
3) Das Anwerben von privaten Spenden
a) Die Einnahmen über karitativ-religiöse Einrichtungen
b) Einnahmen über private Spender
B. Die Geldtransfermethoden
1) Die Benutzung westlicher Banksysteme durch Al Qaida
2) Die Benutzung islamischer Banksysteme durch Al Qaida
3) Das informelle Geldtransfersystem der Hawala
III. Die Bekämpfung der Geldquellen Al Qaidas in Deutschland und Saudi- Arabien
A. Deutschland
1) Die Wahl Deutschlands als Beispiel
2) Deutschlands Maßnahmen
a) Internationale Einbettung
b) Das Sicherheitspaket I
c) Das Sicherheitspaket II – das Terrorismusbekämpfungsgesetz
d) Das Geldwäschebekämpfungsgesetz
e) Das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit
3) Die Reaktion gesellschaftlicher Akteure auf die Maßnahmen der Bundesregierung
a) Reaktion der Muslime auf die Abschaffung des Religionsprivilegs
b) Reaktion der Banken auf die Verpflichtung zur Verwaltungshilfe
c) Reaktion der Bankkunden auf die Aushöhlung des Bankgeheimnisses
4) Ergebnis für Deutschland
B. Saudi-Arabien
1) Die Wahl Saudi-Arabiens als Beispiel
2) Saudi-Arabiens Maßnahmen
a) Internationale Einbettung
b) Das Bankengesetz
c) Das Gesetz zur Bekämpfung der Geldwäsche
3) Die Reaktion gesellschaftlicher Akteure auf die Maßnahmen der saudischen Regierung
a) Die Reaktion der Königsfamilie Al Saud
b) Die Reaktion der Ulama
c) Die Reaktion der Clans
4) Ergebnis für Saudi- Arabien
IV. Fazit
- A. Die Bedeutung gesellschaftlicher Akteure
- B. Konsequenzen für die Politik aus der Bedeutung gesellschaftlicher Akteure
V. Literaturverzeichnis
Die Bedeutung gesellschaftlicher Akteure bei der Bekämpfung der Geldquellen Al Qaidas am Beispiel Deutschlands und Saudi- Arabiens
I. Einleitung
A. Das Follow-the-money-Paradigma[1] im Kampf gegen Al Qaida – und das bisher bescheidene Ergebnis
Al Qaida seiner finanziellen Ressourcen zu berauben, hat sich als fester Bestandteil der internationalen Terrorismusbekämpfung spätestens seit den Anschlägen[2] des 11. Septembers 2001 etabliert. Vor allem die USA[3] und die Vereinten Nationen haben als unmittelbare Reaktion auf den 11. September darauf gedrängt, die Bekämpfung der Geldmittel Al Qaidas auf die internationale politische Agenda zu setzen. Mit dieser Form der Terrorismusbekämpfung, die von der UN, der EU und der FATF auf internationaler Ebene gefördert wird, werden zwei Ziele verfolgt: Zum einen soll durch die nachträgliche Ermittlung der finanziellen Transaktionen, die etwa zur Vorbereitung des 11. Septembers getätigt wurden, eine bessere strafrechtliche Verfolgung der Attentäter und ihrer Hintermänner ermöglicht werden; zum anderen soll die Sperrung aller ermittelten Geldkonten die finanzielle Potenz Al Qaidas erheblich schwächen, mit der Folge, dass das Terrornetzwerk in Zukunft kaum mehr in der Lage wäre, Tausende von Kämpfern auszubilden und zu unterhalten und logistisch komplexe Attentate mit großem Zerstörungspotenzial wie etwa die des 11. Septembers durchzuführen, worauf letztlich die enorme Gefährlichkeit Al Qaidas als weitweit führende transnationale Terrororganisation beruht.[4]
Die Ergebnisse, die bisher im Rahmen dieser Politik international erzielt werden konnten, sind allerdings recht bescheiden gewesen: Einerseits verkünden eine Reihe von Staaten, allen voran die USA[5], wie erfolgreich sie bei der Trockenlegung der Geldquellen waren, was zudem in den Reporten der Vereinten Nation[6] bestätigt wird; zum anderen aber gilt es sich vor Augen zu halten, dass Al Qaida eine ganze Serie verheerender Anschläge auch und gerade nach dem 11. September durchführen konnte (etwa Madrid 2004, London 2005)[7], was letztlich auf eine weiter bestehende, gut funktionierende finanzielle Ausstattung des Terrornetzwerkes schließen lässt – trotz der internationalen Bemühungen, Al Qaidas Geldquellen nachhaltig auszutrocknen.[8] So gehen Schätzungen immer noch davon aus, dass Al Qaida einen Jahresumsatz von 20- 50 Millionen Euro erzielt.[9] Zudem ist es dem Terrornetzwerk nach seiner Vertreibung aus Afghanistan gelungen, seine Ausgaben von jährlich 35 Millionen auf 5 -10 Millionen Euro zu verringern.[10] Betrachtet man diese Ausgabenminimierung, so lässt sich sogar die These vertreten, dass Al Qaida seine Finanzressourcen in Folge des 11. Septembers noch erhöhen konnte.
B. Erklärungsansätze
Es stellt sich also die Frage, warum es Al Qaida auch weiterhin gelingt, über ertragreiche Geldquellen zu verfügen, trotz der forcierten internationalen Bemühungen, diese auszutrocknen.
1) Das Problem fragiler Staatlichkeit im Kontext der Geldquellen Al Qaidas
In der bisherigen Literatur[11], die sich mit den Geldquellen Al Qaidas sowie mit den internationalen Bemühungen diese einzufrieren, auseinandersetzt, wird immer wieder auf das Problem fragiler Staatlichkeit im Kontext der Terrorismusfinanzierung verwiesen. Es seien, so wird argumentiert, die politischen Steuerungs- und Legitimitätsdefizite als Kennzeichen schwacher Staatlichkeit, die sich etwa in einer mangelhaften Bankenregulierung und Finanzaufsicht oder einer unzureichenden strafrechtlicher Verfolgung wirtschaftskrimineller Delikte niederschlügen, so dass Al Qaida in fragilen Staaten ungehindert Gelder erwirtschaften und transferieren könne. Als Beispiele werden vor allem schwache Staaten im arabischen und afrikanischen Raum sowie einige Nachfolgestaaten der Sowjetunion herangezogen, in denen Al Qaida umfangreiche wirtschaftliche Tätigkeiten erfolgreich entfalten konnte.[12] Erfolge beim Einfrieren terroristischer Gelder könnten deshalb nur von politisch intakten Staaten erzielt werden, da schwache Staaten wegen ihrer fehlenden Machtmittel nicht der Lage seien, die internationalen Standards – hier sind vor allem die Empfehlungen des FATF international maßgebend - zur Trockenlegung der Geldquellen Al Qaidas in implementierungsfähiges nationales Recht umzusetzen.
2) Das Problem der Off-Shore-Zentren im Kontext der Geldquellen Al Qaidas
Ein weiterer Erklärungsansatz für die immer noch vorhandenen finanziellen Ressourcen Al Qaidas, der in der Literatur[13] vertreten wird, ist die Existenz von Off-Shore-Zentren auch nach dem 11. September. Darunter sind Staaten zu verstehen, die über ein strenges Bankgeheimnis, niedrige Steuern für Kapitalanlagen und nur über eine sehr eingeschränkte Bankenaufsicht verfügen, um so möglichst viele ausländische Anleger werben zu können.[14] Dabei wird in Kauf genommen, dass diese Vorzüge auch zur Geldwäsche illegaler Ressourcen durch Bankkunden missbraucht werden können.[15] Es ist zum einen bekannt, dass Al Qaida verstärkt Off-Shore- Bankdienstleistungen wegen des strikten Bankgeheimnis in Anspruch genommen hat, um auf diesen Konten illegale Gelder zu parken oder über diese Konten in legale Geschäfte fließen zu lassen.[16] Zum anderen ist auch bekannt, dass Off-Shore-Zentren wie die Bahamas nach dem 11. September zwar versucht haben, die Nischen für Terroristen in ihrem Banksystem zu schließen. Allerdings zeigen sich die Off-Shore-Zentren machtlos gegen die geschickte legale Tarnung seiner Konten, zu der Al Qaida fähig ist. Auch gibt es politische Vorbehalte in Steueroasen, die sehr stark vom Off-Shore-Banking wirtschaftlich abhängig sind, die Bankenaufsicht zu weit zu treiben, da dann viele Kunden in andere Länder abwandern könnten, mit der Folge, dass sich Regierungen in diesen Ländern sehr stark mit den kommerziellen Interessen ihrer Banken identifizieren.[17]
3) Der Erklärungsansatz dieser Arbeit – die Relevanz privater Akteure
Die beiden bisherigen Erklärungsversuche für die nur begrenzt erfolgreiche Einfrierung der Geldquellen Al Qaidas sind rein staatszentriert; sie sehen in einer funktionierenden Staatlichkeit und einer entschlossenen Regierung, die zu einer wirksamen Unterbindung von Geldwäschepraktiken einerseits wie auch zur Schließung von Schlupflöchern im eigenen Banksystem entschlossen ist, den Schlüssel zum Erfolg im Kampf gegen Al Qaidas finanzielle Infrastruktur. Allerdings wird bei diesem Ansatz die Bedeutung gesellschaftlicher, das heißt nicht-staatlicher Akteure unterschätzt, denn diese sind letztlich als NGOs genauso von etwaigen staatlichen Maßnahmen gegen Al Qaidas Geldquellen betroffen wie Al Qaida selbst, da es sich bei Al Qaida auch um eine Nichtregierungsorganisation handelt. Zudem sind in Privatwirtschaften die jeweiligen Regierungen auf die Mitwirkung privater Akteure angewiesen, wenn staatliche Maßnahmen, etwa im Bankensektor, umgesetzt werden sollen, so dass funktionierende staatliche Institutionen und entschlossene Regierungen allein noch nicht ausreichen, um erfolgreich die Geldquellen Al Qaidas trocken legen zu können. Deshalb wird in der Hausarbeit folgende These aufgestellt: Die Maßnahmen staatlicher Institutionen, um Al Qaidas Geldquellen aufzuspüren und einzufrieren, sind nur dann erfolgreich, wenn wichtige gesellschaftliche Gruppen deren Implementierung mittragen. Dabei soll das Kriterium der Wichtigkeit im Hinblick auf die in der Arbeit untersuchten gesellschaftlichen Akteure wie folgt definiert werden: Wichtig ist ein gesellschaftlicher Akteur bei der Implementierung dann, wenn staatliche Maßnahmen nicht ohne dessen Mitwirkung vollzogen werden können. Diese Mitwirkung kann zum einen passiv erfolgen; das heißt, der gesellschaftliche Akteur akzeptiert eine mögliche eigene Rechtsverminderung als Folge der implementierten Antiterrorgesetze. Zudem kann die Mitwirkung auch aktiv erfolgen; das heißt, staatliche Behörden können die erlassenen Antiterrorgesetze nur dann erfolgreich anwenden, wenn private Akteure ihnen, den Behörden, bestimmte Informationen und Daten zukommen lassen, die für eine erfolgreiche Gesetzesimplementierung benötigt werden. Das Kriterium der Wichtigkeit impliziert weiter, dass gesellschaftliche Akteure in der Lage sind, eine erfolgreiche Umsetzung der Gesetze zur Trockenlegung der Geldquellen Al Qaidas zu verhindern, wenn sie ihre passive oder aktive Mitwirkung bei der Implementierung verweigern. Es wird also letztlich in dieser Arbeit − Andrew Moravcsiks liberaler Theorie der internationalen Beziehungen folgend − eine zentrale Abhängigkeit staatlicher Politik von den Präferenzen wichtiger gesellschaftlicher Akteure angenommen.[18]
4) Vorgehen
Um ein genaues Bild von der finanziellen Infrastruktur Al Qaidas zu haben, sollen im ersten Teil der Arbeit die Geldquellen beschrieben werden, über die Al Qaida verfügt, sowie die Geldtransfermethoden, die Al Qaida einsetzt, um das Geld an den verschiedensten Orten weltweit für terroristische Aktivitäten einsetzen zu können.
Im zweiten Teil soll die internationale Bekämpfung der Geldquellen am Beispiel Deutschlands und Saudi-Arabiens dargestellt werden. Dabei wird jeweils zunächst erklärt, warum diese beiden Länder als Beispiele ausgesucht wurden, dann werden die Maßnahmen aufgezeigt, die in beiden Ländern nach dem 11.September 2001 unternommen wurden, um Al Qaidas Gelder einzufrieren, bevor dann in einem dritten Schritt gezeigt wird, welche Haltung zu diesen Maßnahmen wichtige gesellschaftliche Gruppen in beiden Staaten eingenommen haben und wie sich deren Haltung auf die jeweilige Implementierung der Gesetze ausgewirkt hat. Im Fazit sollen dann abschließend folgende Leitfragen erörtert werden:
1. Verhindern gesellschaftliche Akteure eine nachhaltige Trockenlegung der Geldquellen Al Qaidas?
2. Welche Konsequenzen muss die Politik aus dem Verhalten privater Akteure bei der Trockenlegung der Geldquellen ziehen?
II. Die finanzielle Infrastruktur Al Qaidas
A. Die Geldquellen
Al Qaida verfügt über eine Reihe verschiedener Finanzquellen. Mit dieser bewussten Vermehrung seiner finanziellen Grundlagen sind mehrere Vorteile für Al Qaida verbunden: Es können über mehrere Quellen mehr Gelder eingenommen werden; zudem kann der Verlust bestimmter Geldquellen – etwa wenn es gelungen ist, bestimmte Konten einzufrieren – gut kompensiert werden; drittens wird dadurch die strafrechtliche Verfolgung erschwert, und viertens erhält Al Qaida durch die Vielzahl seiner Geldquellen eine große Unabhängigkeit gegenüber einzelnen Spendern.[19]
Dabei verfügt Al Qaida im Rahmen seines Finanzimperiums über folgende Hauptquellen:
Das Privatvermögen seiner Mitglieder; Einkünfte aus eigenen wirtschaftlichen Tätigkeiten, die sich in legale und illegale untergliedern lassen, sowie schließlich private Spenden.[20]
1) Das Privatvermögen seiner Mitglieder
Viele führende Al Qaida Terroristen verfügen über ein größeres Privatvermögen, welches sie
ihrer Terrororganisation zur Verfügung stellen. Gerade zu Beginn des Terrornetzwerkes stellte dieses Geld eine Art Anschubfinanzierung für weitere Tätigkeiten dar. Ein gutes Beispiel hierfür ist Osama Bin Laden, der Chef des Terrornetzwerkes Al Qaida. Dieser erhielt nach dem Tode seines Vaters 1968, eines erfolgreichen Bauunternehmers, jeweils jährlich rund eine Million US- Dollar als Erbe von seiner Familie bis ins Jahr 1994 ausbezahlt.[21] Hinzu kommen noch die übrig gebliebenen Gelder aus dem Afghanistan-Krieg, in dem Bin Laden die Finanzierung der Maktab- Mujahideen- Kämpfer managte.[22] So soll Osama Bin Laden schließlich nach Schätzungen Al Qaida mit mindestens 30 Millionen Dollar aus der Taufe gehoben haben.[23]
2) Einkünfte aus wirtschaftlichen Tätigkeiten
a) Legale Geschäfte
Al Qaida hat sich in vielen legalen Wirtschaftsbranchen betätigt und darin jeweils Firmen unterhalten. So etwa die sudanesische Baufirma Al-Hiraj, einige Honigfarmen im Jemen und Straußenfarmen und Garnelenschiffe in Kenia. Ferner besitzt Al Qaida große Waldflächen in der Türkei und landwirtschaftliche Nutzflächen in Tadschikistan. Daneben verfügt Al Qaida über Beteiligungen an verschiedenen Firmen im Import- Export- sowie im Bankengewerbe.[24]
Auffällig ist dabei, dass diese Unternehmungen in vielen verschiedenen Ländern getätigt werden. Dies geschieht deshalb, um zum einen so lokale Terrorzellen versorgen zu können; zum anderen lässt sich das weit verzweigte Netz an legalen Firmen sehr gut als Tarnung nutzen, um illegal erworbene Quellen zu verschleiern. Die Höhe der legalen Einkünfte Al Qaidas ist umstritten. Die einen betonen vor allem die Tarnungsfunktion der legalen Wirtschaftsaktivitäten, bei denen aber Al Qaida einige Bankrotte unterlaufen seien.[25] Andere Schätzungen gehen davon aus, dass 5 bis 25 Prozent des jährlichen Budgets Al Qaidas über legale Geschäfte erzielt werden.[26]
b) Illegale Geschäfte
Die illegalen Wirtschaftsaktivitäten sind im Finanzgefüge Al Qaidas von besonderer Bedeutung, da sie Al Qaidas größte Einnahmequelle darstellen. Schätzungen gehen davon aus, dass rund 50 Prozent der jährlichen Einnahmen des Terrornetzwerkes aus illegalen Geschäften resultieren.[27] Darüber hinaus zeigt die Art und Weise, wie Al Qaida seine illegalen Geldquellen erschließt, wie stark das Terrornetzwerk dabei von fragilen, sich im Bürgerkrieg befindenden Staaten profitiert und in welchem Maße es in der Lage ist, Formen des organisierten Verbrechens für sich nutzen zu können.[28] Der Schwerpunkt der illegalen Geschäfte liegt wiederum in drei Bereichen: im Drogenhandel, im Waffenhandel und im Diamanten- und Edelmetallschmuggel.
aa) Drogenhandel
Was den Drogenhandel anbelangt, so spielte die Stationierung des Al Qaida- Netzwerkes in Afghanistan von 1996 bis 2001 die entscheidende Rolle.[29] Al Qaida gelang es damals ein Bündnis mit der sich etablierenden Talibanregierung zu schließen. Danach verpflichtete sich Osama Bin Laden seine auf dem Schlachtfeld erprobten privaten Kampfeinheiten der Taliban zur Unterwerfung Afghanistans zur Verfügung zu stellen. Al Qaidas Unterstützung „bezahlten“ die Taliban, indem sie Al Qaida auf afghanischem Territorium einen permanenten Ruhe- und Rückzugsraum zur Planung terroristischer Anschläge zur Verfügung stellten und indem sie Al Qaida großzügig an den Einnahmen aus dem florierenden Opiumhandel beteiligten. So konnte etwa unter den Taliban 1999 eine Rekordernte von 4500 Tonnen Opium[30] erzielt werden. Bis ins Jahr 2001 produzierte Afghanistan 80 Prozent des weltweit verfügbaren Opiums.[31] Al Qaida profitierte von diesem Handel, weil es dem Terrornetzwerk gelang, nach Schätzungen 30 bis 35 Prozent seines jährlichen Budgets von 20 bis 50 Millionen Dollar in den Jahren 1999 bis 2001 über seine Beteiligung am illegalen Drogengeschäft abzudecken.[32]
bb) Waffenhandel
Im Rahmen des Waffenhandels profitiert Al Qaida von zahlreichen lokalen Bürgerkriegen wie etwa in Afghanistan, im ehemaligen Jugoslawien oder in der ehemaligen Sowjetunion. Dies geschieht zum einen dadurch, dass in solchen Gebieten viele konventionelle Waffen billiger und leichter zu erwerben sind als dies etwa der Fall wäre, wenn Al Qaida versuchte, Waffen von regulären Regierungen zu kaufen.[33] Zum anderen stellen solche Krisen- und Bürgerkriegsgebiete einen idealen Absatzmarkt für bereits erworbene Waffen dar. Dabei geht es beim Waffenverkauf in solchen Regionen Al Qaida nicht so sehr darum, viel Geld zu verdienen, sondern darum, dem Terrornetzwerk nahe stehende Verbündete und Schwesterorganisationen großzügig mit Waffen auszustatten, damit diese den „Heiligen Krieg“ im Namen Al Qaidas in neuen Regionen fortführen und somit dann im Laufe der Zeit selber zu einer neuen Al Qaida- Zelle werden.[34]
[...]
[1] William F. Wechsler, Follow the Money in: Foreign Affairs, Vol.80, Number 4, 2001, S.40-57.
[2] Eine Überblick über die Maßnahmen, die bereits vor dem 11.September getätigt wurden, um Al Qaidas Geldquellen auszutrocknen, bietet: Steve Kiser, Financing Terror – An Analysis and Simultation for Affecting Al Qaeda’s Financial Infrastructure, Dissertation, Santa Monica/CA, 2005, www.rand.org/pubs/rgs_dissertations/2005/RAND_RGSD185.pdf, S.108-116.
[3] „Every United Nations member has a responsibility to crack down on terrorist financing. We must pass all necessary laws in our own countries to allow the confiscation of terrorist assets. We must apply those laws to every financial institution in every nation.” George W. Bush, Speech to the General Assembly of the United Nations, 10.November 2001. zitiert nach: Kiser, aaO, S.108.
[4] Ulrich Schneckener, Transnationaler Terrorismus – Charakter und Hintergründe des „neuen“ Terrorismus, Frankfurt/M., 2006, S.12-19.
[5] Nach Angaben des amerikanischen Finanzministeriums konnten innerhalb eines Jahres nach dem 11.September 2001 weltweit über 115 Millionen Dollar eingefroren werden. Jonathan Winter/Triffin J. Roule, Fighting Terrorist Finance, in: Survival, vol.44, no.3 Autumn 2002, S. 88.
[6] Eine Angabe über die Summen, die in einzelnen Staaten trocken gelegt wurden, liefert der Bericht des UN- Sicherheitsrates vom 25.8.2004, http://daccessdds.un.org/doc/UNDOC/GENN04/469/63/PDF/NO446963.pdf?OpenElement, S.23.
[7] Übersicht über Anschläge Al Qaidas nach dem 11.September findet sich bei: Schneckener, aaO, S.252-254.
[8] Zu einer ähnlichen Schlussfolgerung kommt auch: Bruce Hoffman, Terrorismus – der unerklärte Krieg: Neue gefahren politischer Ordnung, Frankfurt/M., 2006, S. 428- 429.
[9] Nikolai Uspenskii/ Larisa Vdovichenko, A Threat to Every Nation, the Entire World Community, in: International Affairs, vol.48, Number 1, 2002, S.68.
[10] Jodi V.Vittori, Geschäftszweck: Terror – Al Qaida als multinationales Unternehmen, in: Internationale Politik, Nr.3, 60. Jahr, März 2005, S.48.
[11] Loretta Napolioni, Die Ökonomie des Terrors – Auf den Spuren der Dollars hinter dem Terrorismus, München, 2004, S.225-235; Schneckener, aaO, S.175- 190; The White House, National Security Strategy of the United States of America, Washington, D.C., 2002, www.whitehouse.gov/nsc/nss.pdf, S.1; Institut für Sicherheitsstudien der Europäischen Union, Europäische Sicherheitsstrategie: Ein sicheres Europa in einer besseren Welt, Paris, 2003, S.9-10.
[12] Loretta Napolione, aaO, S.154-165.
[13] Sidney Weintraub, Disrupting the Finance of Terrorism, in: Washington Quarterly, 25:1, Winter 2002, S.55; Jodi M. Vittori, aaO, S.51; Winter/ Roule, aaO, S. 87f.
[14] Eine Liste aller als Off-Shore-Zentren nach Maßgabe der OECD geltenden Staaten findet sich bei: Wechsler, aaO, S. 51.
[15] Definition nach: Donato Masciando/ Alessandro Portolano, Financial Policy: Offshore Centres and Competition in Regulation: The Laxity Problem, in: Donato Masciando (Hrsg.), Global Financial Crime – Terrorism, Money Laundering and Offshore Centres, Cornwall, 2004, S. 125.
[16] Im Zusammenhang mit Al Qaida dienten vor allem die Bahamas als Off-Shore-Zentrum. Jodi, aaO, S.51.
[17] Friedrich- Ebert-Stiftung, Money Laundering and Tax Havens: The Hidden Billions for Development – Dialogue on Globalization, New York, 2003, S.5.
[18] Andrew Moravcsik, Taking Preferences Seriously: A Liberal Theory of International Politics, in: International Orginazation, Nr.4, Herbst 1997, S.516-520.
[19] Schneckener, aaO, S.168.
[20] Übersichten zu den verschiedenen Geldquellen finden sich bei: Schneckener, aaO, S. 145 -159; Jan Fleischauer, Puzzlearbeit im Schattenreich – die Suche nach den Geldquellen von al Qaida, in: Spiegel Special –Terror: Der Krieg des 21. Jahrhunderts, 2/2004, S.37-39; Friedrich Schneider, Macroeconomics: The Financial Flows of Islamic Terrorism, in: Donato Masciando (Hrsg.), Global Financial Crime – Terrorism, Money Laundering and Offshore Centres, Cornwall, 2004, S. 97- 123.
[21] Schneckener, aaO, S.147
[22] Kiser, aaO, S.63-64.
[23] Schneckener, aaO, S.147.
[24] Eine detaillierte Beschreibung der legalen Geschäfte Al Qaidas findet sich bei: Napoleoni, aaO, S. 252-259.
[25] Fleischauer, aaO, S.38.
[26] Schneider, aaO, S.120.
[27] Schneider, aaO, S.120; Fleischauer, aaO, S. 38.
[28] Jens van Scherpenberg, Combating the Terrorist-Criminal Nexus, in: Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), 2002, www.swp-berlin.org, S.2-3.
[29] Zur Verquickung von Talibanherrschaft und der Finanzierung Al Qaidas. Bernhard Zangl/ Michael Zürn, Frieden und Krieg – Sicherheit in der nationalen und postnationalen Konstellation, Frankfurt/M., 2004, S.200.
[30] Schneckener, aaO, S.155.
[31] Schneckener, aaO, S.155.
[32] Schneider, aaO, S.120.
[33] Schneckener, aaO, S.154. So waren in Jemen etwa nach dem Bürgerkrieg in den 90-er Jahren je nach Berechnungsgrundlage zwischen 6 und 60 Millionen Klein- und Leichwaffen zu Schleuderpreisen erhältlich, was auch Al Qaida nicht entgangen sein dürfte.
[34] Hoffman, aaO, S.431.
- Arbeit zitieren
- Sebastian Dregger (Autor:in), 2006, Die Bedeutung gesellschaftlicher Akteure bei der Bekämpfung der Geldquellen Al Qaidas am Beispiel Deutschlands und Saudi-Arabiens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61285
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