Der Kölner Kirchenstreit war Anstoß für die Entwicklung einer politischen Bewegung innerhalb des deutschen Katholizismus. Für die Katholiken war der Kirchenstreit „die erste große gesamtdeutsche politische Erfahrung, ...die sie vereinte“. Unter dem Begriff des „politischen Katholizismus“ versteht man Bestrebungen der katholischen Kirche, die Politik, und zwar nicht nur die kirchliche, sondern auch die weltliche, entsprechend ihren kirchlichen Ansichten zu beeinflußen. Nach 1838 wurde der politische Katholizismus zu einer politischen Macht, die versuchte, auch auf Themen jenseits der Kirchenpolitik Einfluß zu nehmen. Der Konflikt zwischen preußischem Staat und der katholischen Kirche aufgrund ihrer sich überschneidenden Machtansprüche bekam nach dem Kölner Kirchenstreit zunehmend schärfere Konturen. Die Bewegung des politischen Katholizismus in Deutschland, die nach dem Kölner Kirchenstreit immer größere Teile der Bevölkerung hinter sich versammeln konnte, soll in dieser Hausarbeit dargestellt werden. Die zentrale Quelle ist das „Erste Rundschreiben der Historisch-politischen Blätter“ aus dem Jahr 1938, in dem die neue Zeitschrift vorgestellt wird. Sie dient als Beispiel zur Illustration der neuen Bewegung, ihrer Ansichten und Überzeugungen und ihrer Ziele. Die „Historisch-politischen Blätter für das katholische Deutschland“ wurden das Hauptorgan des sich neu herausbildenden politischen Katholizismus. Die „Historisch-politischen Blätter“ und das erste Rundschreiben sind also gleichzeitig programmatisch für den politischen Katholizismus. Einer kurzen Schilderung des Kirchenstreits als wichtigem Teilabschnitt der Vorgeschichte des politischen Katholizismus und der Analyse der Quelle soll sich eine genauere Betrachtung des politisierten deutschen Katholizismus anschließen.
Inhaltsverzeichnis:
1. Anfänge einer Parteibildung im deutschen Katholizismus
2.1 Der Kölner Kirchenstreit
2.2 Das „Erste Rundschreiben der Historisch-politischen Blätter (1838) Ankündigung einer historisch-politischen für das katholische
2.3 Der politische Katholizismus und seine Publizistik
3. Ausblick
4. Quellen und Literatur
1. Anfänge einer Parteibildung im deutschen Katholizismus
Der Kölner Kirchenstreit war Anstoß für die Entwicklung einer politischen Bewegung innerhalb des deutschen Katholizismus. Für die Katholiken war der Kirchenstreit „die erste große gesamtdeutsche politische Erfahrung, ...die sie vereinte“[1]. Unter dem Begriff des „politischen Katholizismus“ versteht man Bestrebungen der katholischen Kirche, die Politik, und zwar nicht nur die kirchliche, sondern auch die weltliche, entsprechend ihren kirchlichen Ansichten zu beeinflußen. Nach 1838 wurde der politische Katholizismus zu einer politischen Macht, die versuchte, auch auf Themen jenseits der Kirchenpolitik Einfluß zu nehmen. Der Konflikt zwischen preußischem Staat und der katholischen Kirche aufgrund ihrer sich überschneidenden Machtansprüche bekam nach dem Kölner Kirchenstreit zunehmend schärfere Konturen.
Die Bewegung des politischen Katholizismus in Deutschland, die nach dem Kölner Kirchenstreit immer größere Teile der Bevölkerung hinter sich versammeln konnte, soll in dieser Hausarbeit dargestellt werden. Die zentrale Quelle ist das „Erste Rundschreiben der Historisch-politischen Blätter“ aus dem Jahr 1938, in dem die neue Zeitschrift vorgestellt wird. Sie dient als Beispiel zur Illustration der neuen Bewegung, ihrer Ansichten und Überzeugungen und ihrer Ziele. Die „Historisch-politischen Blätter für das katholische Deutschland“ wurden das Hauptorgan des sich neu herausbildenden politischen Katholizismus. Die „Historisch-politischen Blätter“ und das erste Rundschreiben sind also gleichzeitig programmatisch für den politischen Katholizismus.
Einer kurzen Schilderung des Kirchenstreits als wichtigem Teilabschnitt der Vorgeschichte des politischen Katholizismus und der Analyse der Quelle soll sich eine genauere Betrachtung des politisierten deutschen Katholizismus anschließen.
2.1 Der Kölner Kirchenstreit
Es ging beim Kölner Kirchenstreit vordergründig um die Mischehenfrage. Im Grunde manifestierte sich in den sogenannten Kölner Wirren jedoch der grundsätzliche Konflikt um die Machtansprüche von Staat und Kirche.
Mit dem Erzbischof Ferdinand August Graf von Spiegel hatte die preußische Regierung ein geheimes Abkommen vereinbart, nämlich die „Convention, abgeschlossen am 19. Juni 1834 im Auftrage seiner Majestät von Preußen, zwischen dem hochwürdigsten Herrn Grafen von Spiegel und dem Herrn Ritter Bunsen“[2]. Sie legte bei Ehen zwischen Protestanten und Katholiken den Glauben der Kinder nicht fest[3], was jedoch im Gegensatz zu einem päpstlichen Breve von 1830, das die Erziehung der Kinder nach katholischem Glauben forderte, stand[4]. Mit der Ersetzung Spiegels durch Clemens August Freiherr von Droste zu Vischering änderte sich die Situation. Während Spiegel sogar von Kritikern wegen seiner „klugen Diplomatie“ gegenüber der preußischen Regierung respektiert worden war, war sein Nachfolger weniger kooperativ.[5] Dabei hatte die preußische Regierung von Droste zu Vischering in das Amt des Erzbischofs gebracht, weil sie sich von ihm als Konservativem erhofften, daß er ihnen von Nutzen sein könne und die Katholiken, die die preußische Kirchenpolitik kritisierten, zurückhalten würde. Allerdings hatte die preußische Regierung nicht bedacht, daß seine konservative Einstellung noch lange nicht bedeutete, daß er auch für den preußischen Staat eintreten würde.[6] Der neue Erzbischof von Droste zu Vischering wollte den Geheimvertrag nicht einhalten: er forderte „das förmliche Versprechen der katholischen Kindererziehung“[7], also daß bei Mischehen die Kinder grundsätzlich nach dem katholischen Glauben erzogen werden sollten. Grund für diese Weigerung, sich an den Vertrag zu halten, war die ultramontane und somit romtreue Einstellung des Erzbischofs. Auch mit seinem Vorgehen gegen den Hermesianismus, der vor allem an der Bonner Hochschule herrschte, machte von Droste zu Vischering diese Haltung deutlich. Der Hermesianismus war 1835 von Papst Gregor XVI. verurteilt worden. Der Streit um den Hermesianismus spielte in den Kölner Kirchenstreit mit hinein:
„Auch der sogenannte Hermesianismus an der Bonner theologischen Fakultät ist, vor allem nachdem der Papst die Lehre 1835 verurteilt und der Erzbischof Maßnahmen gegen hermesianische Professoren ergriffen hatte, zu einem Teilaspekt des frontalen Zusammenstoßes der katholischen Kirche mit dem Staatskirchentum Preußens geworden.“[8]
Die Verhaftung des Erzbischofs am 20.11.1837[9], nachdem mehrere Versuche der Konfliktlösung gescheitert waren und der Erzbischof den Rücktrittsforderungen der preußischen Regierung nicht nachkam, löste Protest aus und das nicht nur im Rheinland, sondern im gesamtdeutschen Raum und auch in Frankreich und Belgien.[10]
Eine Beilegung des Konflikts wurde erst mit der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. möglich. Sein Vorgehen bedeutete ein Nachgeben, denn er war zu Zugeständnissen bereit, die eine Neuordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche „auf der Grundlage freier Übereinstimmung“[11] bedeuteten. Zugeständnisse wurden gemacht mit dem Verzicht auf eine Intervention in der Frage der Mischehen, mit der Aufhebung des Verbots des direkten amtlichen Verkehrs der Bischöfe mit Rom, mit dem Verzicht auf das Placet, das zuvor für kirchliche und päpstliche Anordnungen verpflichtend einzuholen war[12] und in dem Verfahren der Bischofswahl, auf die der Staat zuvor schon durch ein Vetorecht bei der Nominierung starken Einfluß nehmen konnte.[13] Nach Beendigung der Krise sah die katholische Kirche also ihre Position gestärkt. Das einzige Zugeständnis, das die katholische Kirche machte, war die Ersetzung des Erzbischofs Droste zu Vischering durch den diplomatischeren Erzbischof Geissel.[14]
Die wachsende Zustimmung, die der politische Katholizismus nach dem Kölner Kirchenstreit erfuhr, zeigt sich in der wachsenden katholischen Publizistik. Die „Historisch-politischen Blätter für das katholische Deutschland“, die in dieser Zeit gegründet wurden, sind ein Beispiel für diese Publizistik. Sie wurden nicht nur gegründet, weil sie von einer kleinen Gruppe von Gründern und Unterstützern gewollt waren, sondern ihre Initiatoren konnten gerade im Jahr 1838 damit rechnen, daß sie mit ihrer Zeitschrift erfolgreich werden würden, da der Boden für sie schon bereitet war.
2.2 Das „Erste Rundschreiben der Historisch-politischen Blätter (1838). Ankündigung einer historisch-politischen Zeitschrift für das katholische Deutschland
Die „Historisch-politischen Blätter für das katholische Deutschland“ wurden 1938 in München gegründet. Die Zeitschrift erschien bis 1922 und beschäftigte sich vorwiegend mit politischen, geschichtlichen, sozialwissenschaftlichen und literarischen Themen.[15]
Das erste Rundschreiben der „Historisch-politischen Blätter“ ist die Ankündigung der neugegründeten Zeitschrift, mit der der Kreis der konservativ eingestellten Katholiken angesprochen werden sollte. In ihm wird der „antikatholische Zeitgeist“[16] im preußischen Staat beschrieben und kritisiert.
Die Verfasser, die gleichzeitig die Gründer der Zeitschrift sind, machen in ihrem ersten Rundschreiben deutlich, daß sie der Meinung sind, die deutschen Katholiken hätten kein geeignetes Organ, das ihre Position angemessen vertrete. Diese Lücke solle nun geschlossen werden. Das Rundschreiben ist also gleichsam eine Rechtfertigung für die Gründung der neuen Zeitschrift. Es liest sich teils wie ein politisches Programm - zugeschnitten auf konservativ bzw. ultramontan eingestellte Katholiken
[...]
[1] Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte, Bd. 1: 1800-1866, Bürgerwelt und starker Staat, München 1983, S. 381.
[2] Urkundliche Darstellung der Thatsachen, welche der gewaltsamen Wegführung des hochwürdigen Freiherrn von Droste, Erzbischof von Cöln, vorausgegangen und gefolgt sind. Nach dem in der Druckerei des Staats-Sekretariats zu Rom am 4. März 1838 erschienenen Originale wörtlich übersetzt, Regensburg 1838, Beilage 17, S. 195.
[3] Vgl. Hans Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 2: Von der Reformära bis zur industriellen und politischen „Deutschen Doppelrevolution“ 1815-1845/49, München 1987, S. 472.
[4] Vgl. Karl Georg Faber, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Restauration und Revolution von 1815-1851, (=Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 3/ib, Wiesbaden 1979), S. 154.
[5] Vgl. Bernhard Poll, Preußen und die Rheinlande, Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins (ZAGV), Bd. 76, Aachen, Jahrgang 1964, S. 22.
[6] Vgl. Karl Buchheim, Ultramontanismus und Demokratie. Der Weg der deutschen Katholiken im 19. Jahrhundert. München 1963, S. 52: „In Wirklichkeit konnten die Vorkämpfer der Freiheit der Kirche bei noch so konservativer Gesinnung unmöglich Freunde des Polizeistaats sein.“
[7] Faber, S. 154.
[8] Poll, 22.
[9] Vgl. Heinrich Schrörs, Die Kölner Wirren (1837). Studien zu ihrer Geschichte, Bonn 1927, S. 558.
[10] Vgl. Faber, S. 154.
[11] Ebd., S. 155.
[12] Vgl. Nipperdey, S. 416.
[13] Vgl. ebd., S. 417.
[14] Vgl. Wehler, S. 473.
[15] Vgl. Wilhelm Kosch, „Historisch-politische Blätter“, Biographisches Staatshandbuch. Lexikon der Politik, Presse und Publizistik, Bd. 1, Bern 1963, S. 537.
[16] Buchheim, S. 52.
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- Vera Nohl (Author), 2004, Die Anfänge der Herausbildung des politischen Katholizismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61280
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