In seinem 2004 erschienenden Werk „Who are we“ formuliert der Politikwissenschaftler Samuel P. Huntington die These, dass bis ins späte 20. Jahrhundert der Kern der amerikanischen Identität seine angloprotestantische Kultur gewesen sei. Diese Kultur sei jedoch nun in „Profil und Substanz“ herausgefordert. Bedrohende Faktoren seien neben den „Theorien des Multikulturalismus“ und dem Verschwinden einer nationalen Bedrohung die Immigranten aus Lateinamerika (insbesondere aus Mexiko) und die Ausbreitung des Spanischen als zweiter Landessprache.
Tatsächlich stellt die mexikanischstämmige Bevölkerung in den USA mit 27 Millionen Einwohnern die größte nationale Minderheitengruppe und knapp zwei Drittel der über 41 Millionen Latinos. Dabei erhielt die Bevölkerungsgruppe in den letzen Dekaden einen enormen Zuwachs. Allein zwischen den Jahren 2000 und 2004 emigrierten im Schnitt jährlich ca. 400.000 Mexikaner in die USA. Aber welche Rolle spielen diese Immigranten für die nationale Identität der Vereinigten Staaten? In den Kapiteln unter der Überschrift „Angriffe auf die amerikanische Identität“ in „Who are we“ behauptet der Autor, dass eben diese Immigrantengruppe sich deutlich von anderen Einwanderern unterscheidet, und zwar in Bezug auf ihre AssimiIation, d.h. Ihre Anpassung an die amerikanische Kultur.
In dieser Hausarbeit sollen die zentralen Aussagen Huntingtons in diesem Zusammenhang ausführlich dargelegt und diskutiert werden. Diese Arbeit geht der Frage nach, ob oder inwiefern die mexikanische Migration eine Gefahr für Amerika und seine Identität darstellt. Dafür sollen im Hauptteil die für Huntington zentralen Verständnis erläutert und das Problem der AssimiIation von „Hispanics“ und ihre Bedeutung für die US-amerikanische Identität beschrieben werden. Dabei sollen Huntintons Aussagen mit einer Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik zum Thema konfrontiert werden. In einem abschließenden Fazit werde ich kritisch zu Huntintons Buch Stellung nehmen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Angloprotestantische Kultur und Amerikanisches Credo
Immigration mit Assimilation
Mexikanische Immigration als Angriff auf die amerikanische Identität
Das Problem der AssimiIation mexikanischer Einwanderer
Individuelle Assimilation und Konsolidierung von Enklaven
Kritik an Huntingtons Thesen
Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
In seinem 2004 erschienenden Werk „Who are we“ formuliert der Politikwissenschaftler Samuel P. Huntington die These, dass bis ins späte 20. Jahrhundert der Kern der amerikanischen Identität seine angloprotestantische Kultur gewesen sei. Diese Kultur sei jedoch nun in „Profil und Substanz“[1] herausgefordert. Bedrohende Faktoren seien neben den „Theorien des Multikulturalismus“ und dem Verschwinden einer nationalen Bedrohung[2] die Immigranten aus Lateinamerika (insbesondere aus Mexiko) und die Ausbreitung des Spanischen als zweiter Landessprache.[3]
Tatsächlich stellt die mexikanischstämmige Bevölkerung in den USA mit 27 Millionen Einwohnern die größte nationale Minderheitengruppe und knapp zwei Drittel der über 41 Millionen Latinos. Dabei erhielt die Bevölkerungsgruppe in den letzen Dekaden einen enormen Zuwachs. Allein zwischen den Jahren 2000 und 2004 emigrierten im Schnitt jährlich ca. 400.000 Mexikaner in die USA.[4] Aber welche Rolle spielen diese Immigranten für die nationale Identität der Vereinigten Staaten? In den Kapiteln unter der Überschrift „Angriffe auf die amerikanische Identität“ in „Who are we“ behauptet der Autor, dass eben diese Immigrantengruppe sich deutlich von anderen Einwanderern unterscheidet, und zwar in Bezug auf ihre AssimiIation, d.h. Ihre Anpassung an die amerikanische Kultur.
In dieser Hausarbeit sollen die zentralen Aussagen Huntingtons in diesem Zusammenhang ausführlich dargelegt und diskutiert werden. Diese Arbeit geht der Frage nach, ob oder inwiefern die mexikanische Migration eine Gefahr für Amerika und seine Identität darstellt. Dafür sollen im Hauptteil die für Huntington zentralen Begriffe „angloprotestantische Kultur“ und „amerikanisches Credo“ in seinem Verständnis erläutert und das Problem der AssimiIation von „Hispanics“ und ihre Bedeutung für die US-amerikanische Identität beschrieben werden. Dabei sollen Huntintons Aussagen mit einer Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik zum Thema konfrontiert werden. In einem abschließenden Fazit werde ich kritisch zu Huntintons Buch Stellung nehmen.
2 Angloprotestantische Kultur und Amerikanisches Credo
Immer wieder betont Huntington in „Who are we“ die zentrale Bedeutung der angloprotestantischen Kultur und ihres politischen Credos für die amerikanische Identität. Dieser Abschnitt soll die Frage klären, was Huntington unter diesen zentralen Begriffen versteht.
Huntington zufolge ist der kulturelle Kern Amerikas bis heute von der Kultur der Siedler des 17. und 18. Jahrhunderts geprägt. Ihre zentralen Elemente lägen in der christlichen Religion, ihrer protestantischen Werte und Moralvorstellungen, einer bestimmten Arbeitsethik und der englischen Sprache. Zu ihr gehören auch „die britischen Traditionen der Herrschaft von Recht und Gesetz“, die „Beschränkung der Regierungsgewalt sowie ein Vermächtnis europäischer Kunst, Literatur, Philosophie und Musik.“[5] Aus dieser Kultur habe sich dann auch das Amerikanische Credo der Freiheit, Gleichheit (i.S.v. Chancengleichheit, nicht d. Lebensumstände) und Individualismus als Basis der nationalen Identität entwickelt. Die Identifikation Amerikas mit der Ideologie des Credos grenzt die Amerikanische Identität als „staatsbürgerliche nationale“ von den anderen ethnischen oder ethnisch-kulturellen Identitäten ab. „Amerika gilt als liberaler, stärker an Prinzipien orientiert, zivilisierter als diese nach Stammeszugehörigkeit definierten Gesellschaften.“[6]
Es sollte hervorgehoben werden, dass die Merkmale dieser angloprotestantischen Kultur von Huntington durchweg positiv besetzt sind. Unter amerikanischer Arbeitsethik etwa versteht er, dass die Amerikaner im allgemeinen stolzer auf ihre Arbeit sind als andere Menschen und ihre Arbeit vergöttern. Die Amerikaner würden nicht nur mehr arbeiten als andere Völker, sie fänden in ihr auch stärkere Befriedigung und würden sich stärker mit ihr identifizieren als andere. Tatsächlich spricht Huntington in diesem Zusammenhang von Amerikas „Religion der Arbeit“ und dem Amerikanischen Traum, den jeder erreichen kann, der zielstrebig und beharrlich arbeitet. Für andere Gesellschaften wären etwa Abstammung und Klasse die Hauptquellen von Status und Legitimität, für Amerika wäre es die Arbeit. Auch Individualismus, Moral und Reformethik gehören für Huntington zum typisch amerikanischen kulturellen Kern und werden ähnlich hochgelobt.[7]
Die angloprotestantische Kultur als Haupt – bzw. Leitkultur sieht Huntington als die „zentrale, dauerhafte Komponente der amerikanischen Identität“[8]. Denn wäre Amerika im 17. und 18. Jahrhundert nicht von britischen Protestanten sondern von etwa portugiesischen oder französischen Katholiken besiedelt worden, wäre das Ergebnis nach Huntington nicht Amerika, sondern Quebec oder Brasilien.
3 Immigration mit Assimilation
Nach Huntington stellt die Immigration heutzutage die größte Bedrohung für die gesellschaftsbezogene Sicherheit von Nationen dar. Unter „gesellschaftsbezogener Sicherheit“ sei die „Fähigkeit einer Gesellschaft, ihren Charakter unter sich wandelnden Bedingungen und angesichts potenzieller oder tatsächlicher Bedrohungen im Wesentlichen zu erhalten“ zu verstehen und beziehe sich auf „die Aufrechterhaltung traditioneller Strukturen von Sprache, Kultur und zwischenmenschlichen Umgang sowie der religiösen und nationalen Identität [...]“.[9] Immigration wird hier also als Angriff auf die amerikanische Identität verstanden, als der wichtigste Faktor für die Identitätsprobleme der Vereinigten Staaten. Sie trägt Huntington zufolge im erheblichen Maße dazu bei, dass traditionelle Vorstellungen von nationaler Identität verfallen.[10] Um dieser Bedrohung zu begegnen gibt es nach Huntington drei Optionen für die Politik: „wenig oder gar keine Immigration, Immigration ohne Assimilation oder Immigration mit Assimilation.“[11] Dabei wäre die dritte Möglichkeit bis zum Ersten Weltkrieg die von den Vereinigten Staaten favorisierte Praxis gewesen, mit Immigranten umzugehen. Erst mit den Immigrationsbeschränkungen von 1924 hätten die Assimilationsprogramme abgenommen, da ihre Notwendigkeit nicht mehr so hoch eingeschätzt wurde. Allerdings sei die USA seit den 1960er Jahren wieder mit einer erhöhten Anzahl von Immigranten konfrontiert und stehe seitdem wieder vor diesen drei Möglichkeiten, wobei sich bei der dritten Option, Immigration mit Assimilation, die Frage stelle, an was überhaupt assimiliert werden solle.[12] In seinem Buch gibt Huntington dafür mehrfach selber die Antwort, nämlich die 'angloprotestantische Kultur' Amerikas und die Werte des 'Amerikanischen Credos'. Dabei war Amerika Huntington zufolge ein Land, „in dem sich die Immigranten an die bestehende Gesellschaft und Kultur assimilierten.“[13] AssimiIation sei die vielleicht „größte Amerikanische Erfolgsgeschichte“.[14] Erleichtert wurde die AssimiIation von Immigranten an die amerikanische Gesellschaft vor allem durch folgende Faktoren:
[...]
[1]Huntington, Samuel P., Who are we, 2004, S. 12.
[2] Huntington sieht in dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Verschwinden einer offensichtlichen Bedrohung der amerikanischen Sicherheit einen Verlust für das Profil der nationalen Identität.
Vgl. Huntington 2004, S. 35.
[3] Vgl. Ebd. S.11 ff., S.35 ff.
[4] Vgl. Stiegler, Ursula, Wie weit reicht Mexiko?, S.209,210, in: Brennpunkt Lateinamerika, 2005.
[5]Huntington 2004, S. 63.
[6]Ebd. S. 71.
[7] Vgl. Ebd., S. 96 ff.
[8]Ebd., S. 85.
[9]Ebd., S. 232.
[10] Vgl. Ebd., S. 231.
[11]Ebd., S. 232.
[12] Vgl. Ebd., S. 234.
[13]Ebd.
[14]Ebd., S. 235.
- Quote paper
- Hauke Filmer (Author), 2006, Samuel P. Huntington: Immigration aus Mexiko als Gefahr für die nationale Identität der Vereinigten Staaten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61138
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