Die vorliegende Arbeit hat zur Aufgabe, die Außenpolitik der DDR zu analysieren. Es soll die Frage beantwortet werden, welche Entwicklung die DDR-Außenpolitik ab ihrer Gründung 1949 bis zu ihrem Fall 1989 nahm. Dabei bilden die strategischen Konzeptionen, die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und die dahinterstehenden Ziele und Interessen der Außenpolitik der DDR die Schwerpunkte der Arbeit. Diese konzentriert sich aufgrund der Komplexität des Themas überwiegend auf die beiden Staaten, die in besonderer Weise prägend auf die Politik der DDR eingewirkt habendie Sowjetunion und die Bundesrepublik Deutschland. Bei der Untersuchung wird wie folgt vorgegangen: Im 1. Kapitel werden die Legitimationsansprüche der beiden deutschen Staaten, d.h. die jeweiligen Positionen bezüglich ihrer Gründung, dargestellt. In Kapitel 2 wird die allgemeine Maxime der DDR-Außenpolitik behandelt. Im Anschluss daran erfolgt eine Analyse der Außenpolitik der DDR, die in zwei Phasen eingeteilt wird; Kapitel 3 behandelt die erste Phase bis 1969, die im Kern Deutschlandpolitik war und in der es um die Überwindung der auf der „Hallstein-Doktrin“ beruhenden Nichtanerkennungspolitik der Bundesregierung hervorgerufenen internationalen Isolierung ging. Das abschließende 4. Kapitel erläutert die zweite Phase ab 1969, die sich mit der „Neuen Ostpolitik“ der SPD/FDP-Koalition unter der Kanzlerschaft Willy Brandts ankündigte und mit dem Abschluss des Grundlagenvertrages 1972 die Rahmenbedingungen zu Gunsten der DDR verändert hat. In der Schlussbetrachtung dieser Arbeit erfolgt eine Zusammenfassung über die behandelte Thematik.
Einleitung
Als die Deutsche Demokratische Republik am 7. Oktober 1949 als zweiter deutscher Staat gegründet wurde, dachten ihre Gründungsväter ebenso wie die der Bundesrepublik Deutschland an ein Provisorium bis zu einer späteren Wiedervereinigung Deutschlands – die sie unter jenen politischen Prämissen anstrebten, die den unterschiedlichen gesellschaftlichen, politischen und ideologischen Systemen in den Hauptstädten der drei westlichen und der östlichen Besatzungsmacht für eine zukünftige Entwicklung in Deutschland entsprachen. Dies spiegelte sich auch in den außenpolitischen Grundsätzen wider, mit denen sich die DDR in ihrer ersten außenpolitischen Erklärung am 24. Oktober 1949 an alle Regierungen wandte: Die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands und der Abschluss eines Friedensvertrages, die Erfüllung der Abkommen von Jalta1 und Potsdam2, die Verhinderung der Wiederherstellung des deutschen Imperialismus und friedliche und freundschaftliche Beziehungen des deutschen Volkes zu allen anderen Völkern.3
Die historischen Ausgangspositionen und Rahmenbedingungen der zwei deutschen Staaten waren im Wesentlichen die gleichen. Beide entstanden auf den Trümmern des vom deutschen Faschismus entfachten Zweiten Weltkrieges, beide waren ein Produkt des Zerfalls der Antihitler-Koalition und deren gemeinsamer Deutschlandpolitik, der Spaltung Europas und des Übergangs zum Kalten Krieg. Bezieht man jedoch weitere Koeffizienten wie geographische Größe, Bevölkerungszahl, Industriestandorte oder den Grad der Kriegszerstörungen in den Vergleich ein, so werden gravierende Unterschiede bereits in der historischen Ausgangslage sichtbar; als ein wirtschaftlicher Torso, der neben den schweren Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges die Begleichung der Reparationen an die Sowjetunion sowie zeitweilig an Polen zu tragen hatte, war die DDR als separater Staat ökonomisch kaum existenzfähig. Die Übernahme wesentlicher Bereiche des sowjetischen Gesellschaftsmodells in seiner dogmatisch-militanten Ausprägung des Stalinismus der späten vierziger Jahre und die Politik der Hegemonie durch Moskau schufen zusätzlich komplizierte Bedingungen für die innenpolitische Stabilität und zogen enge Grenzen für eigenständige Handlungsräume der politischen Führung.
War bereits der Beginn der Zweistaatlichkeit im Nachkriegsdeutschland ein Ausdruck der tiefgreifenden Veränderungen im globalen Ost-West-Gegensatz, so stand die weitere konträre politische, ökonomische und gesellschaftliche Entwicklung der beiden deutschen Staaten mit im Zentrum der Systemauseinandersetzung zwischen Ost und West, zwischen dem sozialistischen und dem kapitalistischen Gesellschaftsmodell. Diese Einbindung in die Ost-West-Konfrontation prägte in einem besonderen Maße die Geschichte der beiden deutschen Staaten im Allgemeinen und die ihrer Außenpolitik und Diplomatie im Besonderen.4
Die DDR-Außenpolitik wurde während ihrer Existenz kaum von der westdeutschen Forschung behandelt. Denn die wissenschaftliche Erforschung der Außenpolitik der DDR stieß auf außerordentliche Schwierigkeiten; zum einen waren die Akten über die diplomatischen Beziehungen allgemein nicht zugänglich, zum anderen kam hinzu, dass die publizierten außenpolitischen Dokumente und Materialien der DDR im Wesentlichen nur den offiziellen Standpunkt der herrschenden Ideologie darstellten. Außerdem waren Informationen aus den Partnerländern der DDR über deren Beziehungen zur DDR viele Jahre lang mit Rücksicht auf die Bundesrepublik Deutschland nur sehr spärlich geflossen.5 Äußerst zahlreich sind dagegen die Darstellungen zu den deutsch-deutschen Beziehungen und dem Verhältnis DDR – Sowjetunion, was sich in zahlreichen Aufsätzen widerspiegelt.6
Die vorliegende Arbeit hat zur Aufgabe, die Außenpolitik der DDR zu analysieren. Es soll die Frage beantwortet werden, welche Entwicklung die DDR-Außenpolitik ab ihrer Gründung 1949 bis zu ihrem Fall 1989 nahm. Dabei bilden die strategischen Konzeptionen, die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und die dahinterstehenden Ziele und Interessen der Außenpolitik der DDR die Schwerpunkte der Arbeit. Diese konzentriert sich aufgrund der Komplexität des Themas überwiegend auf die beiden Staaten, die in besonderer Weise prägend auf die Politik der DDR eingewirkt haben – die Sowjetunion und die Bundesrepublik Deutschland.
Bei der Untersuchung wird wie folgt vorgegangen:
Im 1. Kapitel werden die Legitimationsansprüche der beiden deutschen Staaten, d.h. die jeweiligen Positionen bezüglich ihrer Gründung, dargestellt. In Kapitel 2 wird die allgemeine Maxime der DDR-Außenpolitik behandelt. Im Anschluss daran erfolgt eine Analyse der Außenpolitik der DDR, die in zwei Phasen eingeteilt wird; Kapitel 3 behandelt die erste Phase bis 1969, die im Kern Deutschlandpolitik war und in der es um die Überwindung der auf der „Hallstein-Doktrin“ beruhenden Nichtanerkennungspolitik der Bundesregierung hervorgerufenen internationalen Isolierung ging. Das abschließende 4. Kapitel erläutert die zweite Phase ab 1969, die sich mit der „Neuen Ostpolitik“ der SPD/FDP-Koalition unter der Kanzlerschaft Willy Brandts ankündigte und mit dem Abschluss des Grundlagenvertrages 1972 die Rahmenbedingungen zu Gunsten der DDR verändert hat. In der Schlussbetrachtung dieser Arbeit erfolgt eine Zusammenfassung über die behandelte Thematik.
I Legitimationsansprüche beider deutscher Staaten
1 Die Position der Bundesrepublik Deutschland – Nichtanerkennungspolitik
Seit dem Entstehen der beiden deutschen Staaten 1949 war es das politische Ziel der Bundesregierung gewesen, der DDR die i nternationale Anerkennung zu versagen, ihren Zutritt zur internationalen Staatenwelt zu blockieren und ihr damit ein wichtiges Attribut der Staatlichkeit vorzuenthalten. Dieses Ziel wurde von allen im Bundestag vertretenen Parteien, mit Ausnahme der KPD, unterstützt.
Die Bundesrepublik gründete ihren Ausschließlichkeitsanspruch auf die typischen Attribute eines demokratischen Rechtsstaates wie die Grundrechte, Gewaltenteilung, Gesetzgebungsverfahren, periodische Wahlen, Parteien- und Verbandspluralismus und Opposition, während sie der DDR die nach der sogenannten Drei-Staatselementen-Lehre7 erforderlichen Voraussetzungen der Staatlichkeit abstritt; die ostdeutsche Regierung übte zwar auf ihrem Staatsgebiet effektive Staatsgewalt aus, aber diese Gewalt galt infolge der fehlenden demokratischen Legitimation als unrechtmäßig und aufgrund der bedingungslosen Abhängigkeit von der sowjetischen Besatzungsmacht als nicht souverän. Das größte Defizit des DDR-Regimes aber bestand darin, dass es seiner Staatsgewalt bis zum Bau der Berliner Mauer nicht gelungen war, sein Staatsvolk von der Abwanderung abzuhalten. Eine Gewalt, der das Volk davonlief, entbehrte nach westdeutscher Auffassung der Qualität eines Staates.
Die Nichtanerkennungspolitik stand Anfang der fünfziger Jahre in voller Übereinstimmung mit den außenpolitischen Zielen und den innenpolitischen Bedürfnissen der Bundesrepublik: im außenpolitischen Bereich reihte sich die Nichtanerkennungspolitik in die „Politik der Stärke“ ein. Sie war der regionale Beitrag der Bundesrepublik zur globalen Eindämmungsstrategie. Im innenpolitischen Bereich war die Nichtanerkennung der im östlichen Teil Deutschlands etablierten Herrschaft das logische Korrelat zur Entscheidung für die demokratische Staatsform. Die negative Bewertung der DDR war Voraussetzung der Distanzierung von der totalitären Vergangenheit wie auch eines positiven Selbstverständnisses der Bundesrepublik. Eine gleichgültige Hinnahme eines Staatswesens, dessen Existenz nicht auf der Selbstbestimmung seiner Bürger beruhte, sondern von einer Besatzungsmacht in Verbindung mit einer inländischen Machtelite oktroyiert worden war, hätte nach der Befreiung von der nationalsozialistischen Diktatur die Glaubwürdigkeit der westdeutschen Entscheidung für ein demokratisches Staatswesen im In- und Ausland in Frage gestellt.
Aus dem Selbstverständnis der Bundesrepublik als einziger demokratisch legitimierter Staat in Deutschland entstand der Alleinvertretungsanspruch als moralische Verpflichtung gegenüber der in der DDR lebenden deutschen Bevölkerung, der die Selbstbestimmung vorenthalten wurde. Dabei wurde die Einlösung dieser Verpflichtung zunächst nur durch die Wiedervereinigung möglich gehalten, während Ende der fünfziger Jahre die freie Selbstbestimmung und seit 1969 „menschliche Erleichterungen“ an die Stelle der Wiedervereinigung traten. Durch ihre Verknüpfung mit dem Bekenntnis zur Demokratie und zur Wiedervereinigung waren Alleinvertretungsanspruch und die Nichtanerkennungspolitik in der Verfassungsordnung der Bundesrepublik fest verankert.8
2 Die Position der DDR
Das „egozentrische“ Selbstverständnis der Bundesrepublik und ihr aggressives Deutungsmuster der DDR hatten sich zwar wechselseitig auseinander hervorgetrieben, doch waren sie eigenständige Antworten auf eine politische Herausforderung.
Das Selbstverständnis der DDR und ihr Deutungsmuster der Bundesrepublik waren dagegen zu einem großen Teil und lange Zeit ein heteronomer Reflex auf Rolle und Verhalten der Bundesrepublik. Schon allein weil die DDR zeitlich nach der Bundesrepublik entstanden war, befand sie sich gegenüber dieser in einem Zug- und Imitationszwang, der zudem gerade auch im internationalen Bereich den Anschein betrug, die DDR sei in ihrem Rollenverständnis von der Bundesrepublik abhängiger als die Bundesrepublik von der DDR. Die Folge war, dass das Verhalten der DDR zur Bundesrepublik im Laufe der Zeit erheblichen Schwankungen unterworfen war und sich den jeweiligen Gegebenheiten anzupassen hatte.
Im Gegensatz zur Bundesrepublik ging die DDR davon aus, dass das Deutsche Reich entweder schon 1945 oder aber mit Gründung der beiden deutschen Staaten im Jahre 1949 untergegangen war und die beiden deutschen Staaten die Rechtsnachfolger des Reiches waren. Wenn es allerdings um die Übernahme von Verpflichtungen des Reiches ging, war die DDR nur in den seltensten Fällen bereit, die Behauptung der Rechtsnachfolge zu verifizieren. Während die Bundesrepublik ihre Legitimität mit der Tradition – Identität mit dem Deutschen Reich – und der Volkssouveränität begründete, hat die DDR ihre Legitimation aus vier Geltungsgründen abgeleitet: einmal beschrieb sie ihre Entstehung als einen revolutionären Vorgang; dann nahm sie für sich in Anspruch, die Bestimmungen des Potsdamer Abkommens über die Beseitigung des Militarismus und Faschismus sowie die Errichtung einer wahren Demokratie in Deutschland allein verwirklicht zu haben, wobei dem Potsdamer Abkommen der Charakter einer Grundcharta Nachkriegsdeutschlands beigemessen wurde; aus ihrem soziologisch-materialen Demokratiebegriff ergab sich als weitere Legitimation die „Historische Mission“ der DDR, die zum erstenmal in der deutschen Geschichte einen Staat der Werktätigen verkörpere und damit die rechtmäßigere Repräsentantin der gesamten deutschen Arbeiterklasse sei; als letzter Grund für die Legitimität der DDR entwickelte sich in den sechziger Jahren die Effizienz des Systems, die zwar in der DDR nicht ausdrücklich als Legitimation theoretisiert, aber für die Durchsetzung der DDR im internationalen Bereich der wohl gewichtigste Faktor wurde.
Die Bundesrepublik wurde zwar politisch und rechtlich gesehen als Staat anerkannt, mit dem gerade wegen des zu erwartenden Feedbacks auf den eigenen Status volle politische Beziehungen angestrebt wurden. Nach der herrschenden Meinung der fünfziger Jahre war die Überwindung der Spaltung Deutschlands nur dann möglich, wenn von der effektiven Existenz zweier deutscher Staaten ausgegangen wurde. Im ideologischen Bereich war die Bundesrepublik jedoch im Vergleich zur friedliebenden, sozialistischen DDR ein imperialistischer Staat, der den Klassenfeind repräsentierte. Die deutsche Spaltung wurde als Klassenkonflikt gedeutet, der aus Sicht der DDR nur durch soziale Veränderungen in der Bundesrepublik überwunden werden konnte.9
II Maxime der DDR-Außenpolitik
Die Maxime der DDR-Außenpolitik war klar und eindeutig in der Verfassung der DDR verankert. Dort hieß es in Artikel 6: „Die Deutsche Demokratische Republik hat getreu den Interessen des Volkes und den internationalen Verpflichtungen auf ihrem Gebiet den deutschen Militarismus und Nazismus ausgerottet. Sie betreibt eine dem Sozialismus und dem Frieden, der Völkerverständigung und der Sicherheit dienende Außenpolitik“.10
Die Außenpolitik der DDR sollte die Schaffung günstiger internationaler Bedingungen für den erfolgreichen Aufbau der entwickelten sozialistischen Gesellschaft als ihr zentrales Anliegen betrachten. Aus der Sicht der DDR ließ sie sich, genauso wie ihre Innenpolitik, von den Interessen und Zielen der Arbeiterklasse11 leiten.12
Laut des Programms der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) bestanden Inhalt, Ziele und Aufgaben der Außenpolitik vorrangig darin, „gemeinsam mit der Sowjetunion und den anderen sozialistischen Staaten die günstigsten internationalen Bedingungen für den sozialistischen und kommunistischen Aufbau zu sichern.“13 Daher definierte die DDR ihre Außenpolitik auch als „ein[en] aktive[n] Faktor, der im internationalen Klassenkampf zwischen Sozialismus und Kapitalismus wirksam wird, der organisch dem revolutionären Prozeß zugehört, dessen Endziel der Sieg des Sozialismus beziehungsweise Kommunismus in der ganzen Welt ist.“14 Aus diesem Blickwinkel erschien der 7. Oktober 1949, das offizielle Gründungsdatum der DDR, als „das wichtigste Ereignis im Prozeß des Hinüberwachsens der antifaschistisch-demokratischen in die sozialistische Revolution“15 ; einerseits war mit dieser Staatsgründung erstmalig in der Geschichte angeblich „die imperialistische Herrschaft in einem hochentwickelten Industriestaat gebrochen,“16 zum anderen ein besonders wichtiger Einschnitt in die Geschichte des deutschen „Arbeiter- und Bauernstaates“ erreicht.17
So sah sich die DDR – als Gegenpol zur Bundesrepublik Deutschland, die aus ihrer Sicht eine revanchistische, friedensfeindliche, von den imperialistischen Westmächten unterstützte Politik betrieb – von Anfang an als Friedenstaat, der einen neuen Weg „der Demokratie, des Friedens und der Freundschaft mit allen Völkern“18 beschritt.19 Dazu wurden immer wieder in den Dokumenten der SED-Parteitage die dialektische Einheit von Sozialismus und Frieden hervorgehoben, wobei der Sozialismus als die Hauptkraft des Friedens bezeichnet wurde, dem auf Expansion und Aggression gerichtete Bestrebungen zuwiderliefen. Der Weltfrieden stellte für die DDR eine Grundbedingung für den erfolgreichen Aufbau der sozialistischen und kommunistischen Gesellschaft dar.20
III DDR-Außenpolitik von 1949 – 1969
1 Herausbildung einer alternativen deutschen Außenpolitik
Die von Stalin gehegte Hoffnung, die Gründung der DDR werde „große Sympathie und aktive Unterstützung aller Völker der Welt“ finden, erwies sich als illusionär. Dem zweiten deutschen Staat blieb im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland über lange Zeit hinweg eine weltweite Anerkennung versagt. Weder die drei westlichen Besatzungsmächte noch die Bundesregierung oder andere Staaten außerhalb des Ostblocks erkannten die Vorgänge auf dem Gebiet Ost-Berlins und der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands als Bildung eines neuen Staates oder einer neuen Regierung an. Die drei westlichen Hochkommissare bezeichneten die DDR in einer gemeinsamen Erklärung vom 11. September 1949 vielmehr als „die künstliche Schöpfung eines ‚Volksrates’, der kein Mandat dazu hatte“.
Nachdem von westdeutscher Seite Bundeskanzler Adenauer schon am 8. Oktober 1949 „die im Entstehen begriffene ostdeutsche Volksrepublik“ als „eine illegitime Institution“ bezeichnet und der Ost-Berliner Regierung „in gesamtdeutschen Fragen kein Mitspracherecht“ zugebilligt hatte, nahm die Bundesregierung am 21. Oktober 1949 in einer Erklärung vor dem Bundestag offiziell zur Bildung der DDR Stellung. Darin wurde die Bundesrepublik Deutschland bis zur Erreichung der deutschen Einheit als die einzig legitimierte staatliche Organisation des deutschen Volkes bezeichnet, die allein befugt sei, „für das deutsche Volk zu sprechen“. Eine Anerkennung der DDR lehnte Adenauer unter dieser Voraussetzung entschieden ab. Er markierte damit jenen „Alleinvertretungsanspruch“, der zwei Jahrzehnte hinweg die Entfaltung der DDR behinderte.21
Die auf dem Gebiet der Außenpolitik und der internationalen Beziehungen unerfahrene und in der Wahrnehmung ihrer Souveränität stark eingeengte Führung der DDR orientierte sich an der sowjetischen Außenpolitik und an den Beschlüssen des Potsdamer Abkommens. Die im Potsdamer Abkommen von den vier Siegermächten festgelegten Auflagen für das deutsche Volk (Demokratisierung, Entmilitarisierung und Entnazifizierung) und deren Realisierung auf dem Boden der sowjetischen Besatzungszone und später in der DDR dienten dem jungen Staat als völkerrechtliche Legitimation, mit der er seine Existenz und sein politisches Handeln nach innen wie nach außen begründete. Aufgrund dieser Grundüberzeugung der Staatsgründer waren auch die Ziele und Aufgaben ostdeutscher Außenpolitik durch den Anspruch der DDR bestimmt, als deutscher Staat die „antiimperialistische, friedliebende sozialistische Alternative“ zur westdeutschen Bundesrepublik zu sein. Im Unterschied zur Bundesrepublik, die ihre Legitimation aus der Berufung auf die Wahrung der Kontinuität des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 ableitete, bezog die DDR ihre Legitimation aus dem Abbruch eben dieser Kontinuität. Sie sah ihre historische Pflicht darin, durch eine grundlegende Umgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse dem Wiedererstehen des „deutschen Imperialismus mit seinem Drang nach Eroberung“22 auf dem Territorium der DDR jegliche Voraussetzungen zu nehmen sowie seine Restaurierung in Westdeutschland zu begrenzen und letztendlich zu verhindern. Diesem Grundverständnis entsprechend orientierte sich eine alternative deutsche Außenpolitik an den staatstragenden Prinzipien Antiimperialismus, Antifaschismus, Friedensbewahrung und gleichberechtigte internationale Zusammenarbeit, die als Alternative zur Bundesrepublik verstanden, vertreten und beschrieben wurden.23
2 Der Kampf um internationale Anerkennung
Auch nach ihrer Staatswerdung wurde die Unabhängigkeit der DDR durch zwei Faktoren eingeschränkt, obwohl die führenden Politiker der DDR immer wieder betonten, dass die DDR vom Tage ihrer Gründung an ein unabhängiger Staat sei. Zum einen galt das Besatzungsrecht fort. Die Sowjetunion wandelte allerdings ihre Militäradministration (SMAD) in eine Kontrollkommission (SKK) um und errichtete in Ost-Berlin eine diplomatische Mission. Bis Ende der fünfziger Jahre nahmen sowjetische „Experten“ jedoch weiterhin direkten Einfluss auf die politische und ökonomische Entwicklung in der DDR. Zum anderen ergaben sich Abhängigkeiten aus dem Sonderverhältnis zur Sowjetunion.
Die „Festigung der Freundschaft zur UdSSR“ wurde als „die entscheidende außenpolitische Aufgabe und damit der bestimmende strategische Grundsatz der Außenpolitik der DDR“24 angesehen. Die Herstellung von „engen brüderlichen Beziehungen“ zur Sowjetunion wurde im Programm der Regierung Grotewohl25 ergänzt durch den Wunsch nach einem freundschaftlichen Verhältnis zu den „volksdemokratischen Ländern“ Europas und Asiens.26 Die Reihe der Anerkennungen durch die „Bruderländer“ wurde erwartungsgemäß von der UdSSR eröffnet, die am 15. Oktober 1949 der DDR den Austausch diplomatischer Missionen vorschlug. Dem Schritt der Sowjetunion schlossen sich bis zum April 1950 zehn europäische und asiatische „Volksdemokratien“ an (Bulgarien, Polen, die CSR, Ungarn, Rumänien, die Volksrepublik China, Albanien, Nordkorea, Nordvietnam und die Mongolei)27. Auch wenn keine Botschaften errichtet wurden, handelte es sich in allen Fällen um de-jure Anerkennungen.28 Im März 1954 erklärte die Sowjetunion die DDR formell für souverän29 ; dieser Schritt änderte zwar wenig an der Abhängigkeit der DDR von der östlichen Hegemonialmacht, verankerte sie jedoch in der Gemeinschaft der sozialistischen Staaten und ermöglichte es ihr, freundschaftliche Beziehungen zu ihnen zu entwickeln.30
2.1 Die Beziehungen zu Polen und der Tschechoslowakei
Ehe eine Normalisierung der Beziehungen zu Polen und der Tschechoslowakei erfolgen konnte, gab es eine Reihe komplizierter Aufgaben zu lösen. Dazu gehörte die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als deutsch-polnische Grenze und der territorialen Integrität der Tschechoslowakei in ihren historischen Grenzen. Die polnische Regierung hatte zwar zusammen mit den Regierungen der anderen Staaten im sowjetischen Einflussbereich bereits im Herbst 1949 diplomatische Beziehungen mit der DDR aufgenommen; der kühle Ton des Anerkennungsschreibens ebenso die Verzögerung beim Austausch von Botschaftern – dieser erfolgte erst vier Monate später – machten aber deutlich, dass bis zu einer wirklichen Normalisierung der Beziehungen noch ein weiter Weg zurückzulegen war. Voraussetzung war, dass die führenden SED-Politiker ihre nach Kriegsende längere Zeit schwankende Haltung gegenüber der Oder-Neiße-Linie aufgaben und sich mit den deutschen Grenzverlusten im Osten abfanden. Dies wurde einmal dadurch erleichtert, dass die Sowjetunion keinen Zweifel daran ließ, dass sie keiner Grenzänderung zustimmen würde. Für Polen war die Bestätigung seiner Westgrenze eine Frage der äußeren Sicherheit ebenso wie eine Voraussetzung innenpolitischer Stabilisierung. Für die DDR war die Entwicklung der Beziehungen zu ihren östlichen Nachbarn eine Möglichkeit, um die wirtschaftliche und politische Isolierung zu überwinden, in die sie durch die Nichtanerkennungspolitik des Westens geraten war.
[...]
1 4.-11. Februar 1945: Stalin, Roosevelt, Churchill einigten sich u.a. über die Aufteilung Deutschlands in
Besatzungszonen. Quelle: Meyers Grosses Handlexikon 2000, 20. Auflage, Meyers Lexikonverlag,
Mannheim – Leipzig – Wien – Zürich 2000, S. 421.
2 17. Juli - 2. August 1945: zwischen Stalin, Truman, Churchill bzw. Attlee und ihren Außenministern gefasste
Beschlüsse. Vereinbart wurden u.a. 1) Grundsätze der politischen und wirtschaftlichen Behandlung Dtl.s.
2) Reparationen 3) Übertragung der Verwaltung der dt. Ostgebiete an die UdSSR und Polen bis zu einer
Friedensregelung 4) Die Ausweisung der Deutschen aus den osteurop. Gebieten 5) Errichtung eines Rats
der Außenminister der 3 Mächte, Chinas und Frankreichs mit Sitz in London. Quelle: Meyers Grosses
Handlexikon 2000 (Anm. 1), S. 694 - 695.
3 Ingrid Muth, Die DDR-Außenpolitik 1949-1972. Inhalte; Strukturen; Mechanismen, 2. Auflage, Ch. Links
Verlag, Berlin 2001, S. 7.
4 Ebd., S. 14 - 15.
5 Hans-Adolf Jacobsen; Gert Leptin; Ulrich Scheuner; Eberhard Schulz, Drei Jahrzehnte Außenpolitik der DDR.
Bestimmungsfaktoren; Instrumente; Aktionsfelder, 2. Auflage, R. Oldenbourg Verlag GmbH, München 1980,
S. 23.
6 Benno-Eide Siebs, Die Außenpolitik der DDR 1976-1989. Strategien und Grenzen, Verlag Ferdinand
Schöningh GmbH, Paderborn – München – Wien – Zürich 1999, S. 18.
7 Nach dem universellen Staatsbegriff besteht das „Gebilde“ Staat aus einem Staatsvolk, einem Staatsgebiet und
einer Staatsgewalt. Quelle: Everhard Holtmann (Hrsg.), Politiklexikon, 3. Auflage, Oldenbourg Verlag,
München – Wien – Oldenbourg 2000, S. 656.
8 Heinrich End, Zweimal deutsche Außenpolitik. Internationale Dimensionen des innerdeutschen Konflikts
1949-1972, Verlag Berend von Nottbeck, Köln 1973, S. 24 - 25.
9 Heinrich End, Zweimal deutsche Außenpolitik... (Anm. 8), S. 28 - 30.
10 Institut für Internationale Beziehungen Potsdam-Babelsberg (Hrsg.), o. A., Außenpolitik der DDR. Drei
Jahrzehnte sozialistische deutsche Friedenspolitik, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik,
Berlin (Ost) 1979, S. 11 - 12.
11 Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Herausbildung eines östlichen Staatenblocks unter
sowjetischer Führung übernahmen die Mitglieder den Marxismus-Leninismus als staatstragende Ideologie.
Seither entwickelten sich marxistische Maximen, wie die „historische Mission der Arbeiterklasse“ [...] nicht
nur zur gemeinsamen Weltsicht, sondern ebenso zur gemeinsamen Grundlage sozialistischer Staatspolitik, die
auch der Außenpolitik zugrunde lag. Quelle: Ingrid Muth, Die DDR-Außenpolitik 1949-1972... (Anm. 3),
S. 21.
12 Institut für Internationale Beziehungen Potsdam-Babelsberg (Hrsg.), o. A., Außenpolitik der DDR – für
Sozialismus und Frieden, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin (Ost) 1974, S. 42.
13 IX. Parteitag der SED. Programm der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Quelle: Institut für
Internationale Beziehungen Potsdam-Babelberg (Hrsg.), o. A., Außenpolitik der DDR. Sozialistische deutsche
Friedenspolitik, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin (Ost) 1982, S. 13.
14 O. Winzer, Deutsche Außenpolitik des Friedens und des Sozialismus, Berlin (Ost) 1968, S. 23. Quelle:
Werner Hänisch, Außenpolitik und internationale Beziehungen der DDR 1949 bis 1955, Staatsverlag der
Deutschen Demokratischen Republik, Berlin (Ost) 1972, S. 5.
15 Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Von 1949 bis 1955, o. A., Berlin (Ost) 1966, S. 22. Quelle:
Hans-Adolf Jacobsen…, Drei Jahrzehnte Außenpolitik der DDR... (Anm. 5), S. 51.
16 Geschichte der Außenpolitik der Deutschen Demokratischen Republik, o. A., Berlin (Ost) 1964, S. 138.
Quelle: Ebd., S. 51.
17 Hans-Adolf Jacobsen..., Drei Jahrzehnte Außenpolitik der DDR... (Anm. 5), S. 51.
18 Regierungserklärung des Ministerpräsidenten der DDR, Otto Grotewohl, vom 12.10.1949. Quelle: Werner
Hänisch, Außenpolitik und internationale Beziehungen der DDR 1949 bis 1955 (Anm. 14), Staatsverlag, S. 21.
19 Ebd., S. 21.
20 Institut für Internationale Beziehungen Potsdam-Babelsberg (Hrsg.), o. A., Außenpolitik der DDR... (Anm. 13),
S. 13 - 14.
21 Hans-Adolf Jacobsen..., Drei Jahrzehnte Außenpolitik der DDR... (Anm. 5), S. 52.
22 Erklärung des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten, Georg Dertinger, vom 24. Oktober 1949 Quelle:
Ingrid Muth, Die DDR-Außenpolitik 1949-1972... (Anm. 3), S. 17.
23 Ebd., S. 16 - 17.
24 Werner Hänisch, Außenpolitik und internationale Beziehungen der DDR 1949 bis 1955 (Anm. 14), S. 37 f.
Quelle: Helga Haftendorn, Deutsche Außenpolitik zwischen Selbstbeschränkung und Selbstbehauptung 1949-
2000, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart – München 2001, S. 138.
25 Otto Emil Franz Grotewohl: Ministerpräsident der DDR von 1949-1964. Quelle: Helmut Müller-Enbergs;
Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann (Hrsg.), Wer war wer in der DDR? Ein biographisches Lexikon,
Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2000, S. 282 - 283.
26 Helga Haftendorn, Deutsche Außenpolitik zwischen... (Anm. 24), S. 138.
27 Marcel Bulla, Zur Außenpolitik der DDR. Bestimmungsfaktoren – Schlüsselbegriffe – Institutionen und
Entwicklungstendenzen, Verlag Ernst Knoth GmbH, St. Augustin 1988.
28 Hans-Adolf Jacobsen..., Drei Jahrzehnte Außenpolitik der DDR... (Anm. 5), S. 53.
29 Die Sowjetunion räumte der DDR das Recht ein, nach eigenem Ermessen über ihre inneren und äußeren
Angelegenheiten einschließlich der Frage der Beziehungen zu Westdeutschland zu entscheiden.
Ausgenommen waren die mit der Gewährleistung der Sicherheit zusammenhängenden Fragen und
Verpflichtungen der Sowjetunion aus den Viermächteabkommen. Quelle: Hans Georg Lehmann,
Deutschland-Chronik 1945 bis 2000, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2000, S. 87.
30 Helga Haftendorn, Deutsche Außenpolitik zwischen... (Anm. 24), S. 138 - 139.
- Citar trabajo
- Christoph Meyer (Autor), 2001, Die Außenpolitik der DDR, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61004
-
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X.