Die Teilung Zyperns im Jahre 1974 ist in der heutigen Zeit wieder zum wichtigen Thema geworden, seitdem die Europäische Union am 31. März 1998 Beitrittsverhandlungen mit dem griechischen Südteil Zyperns aufgenommen hat. Ein EU-Beitritt Zyperns würde aus wirtschaftlicher Sicht keine Probleme darstellen, da es alle Kriterien für einen Beitritt erfüllt. Doch die politische Teilung der Insel, die die EU als völkerrechtswidrig ansieht, und die Tatsache, dass die Türkei und der türkischzypriotische Führer Rauf Denktasch vehement gegen das Beitrittsgesuch der Republik Zypern reagieren, sind bis zum jetzigen Zeitpunkt unlösbare Probleme geblieben. In der Literatur lassen sich ausführliche Ursachenanalysen des Zypernkonflikts finden. Zum einen werden exogene Faktoren, wie die britische Kolonialpolitik auf Zypern, die Zypernpolitik der griechischen und türkischen Regierungen und Zypern unter dem Einfluss des Ost-West-Konflikts aufgeführt. Zum anderen beinhalten sie endogene Faktoren, wie beispielsweise die kulturelle Entwicklung und die soziale Strukturen Zyperns. Die vorliegende Arbeit hat zur Aufgabe, die Entstehung und Entwicklung des Zypernkonflikts als Beispiel für die internationalen Politikfeldanalyse zu untersuchen. Aufgrund der Komplexität des Themas bilden die britische Herrschaftszeit, die unterschiedlichen Ideologien der griechisch- und türkisch-zypriotischen Eliten und die Ereignisse in Zypern ab der Proklamation der Unabhängigkeit bis zur Invasion türkischer Streitkräfte die Hauptschwerpunkte der Arbeit. Es soll die Frage beantwortet werden, wie der Konflikt auf Zypern zustande kam, der später die Teilung der Insel zur Folge hatte. Bei der Untersuchung wird wie folgt vorgegangen: Das 2. Kapitel liefert zunächst allgemeine Daten über die Fläche, Lage und Bevölkerungszahlen Zyperns. Um die Anfänge des Zypernkonflikts aufzuzeigen, wird in Kapitel 3 ein Blick in die britische Verwaltungs- bzw. Kolonialzeit Zyperns vorgenommen. Im 4. Kapitel werden die Verfassungsinhalte der zypriotischen Republik und die Zielsetzungen beider zypriotischen Eliten analysiert und das abschließende Kapitel 5 schildert die Ereignisse ab den Weihnachtsunruhen von 1963 bis zur Invasion türkischer Streitkräfte im Jahre 1974. In der Schlussbetrachtung dieser Arbeit erfolgt eine Zusammenfassung der behandelten Ursachen, die für die Entstehung des Zypernkonflikts verantwortlich waren. Im Anschluss daran werden Lösungs-und Handlungsvorschläge für den Zypernkonflikt geprüft. [...]
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1. Ursprung und Definition der Politikfeldanalyse
2. Allgemeine Daten über Zypern
3. Zypern unter britischer Herrschaft
3.1 Die Pachtung Zyperns durch Großbritannien
3.2 Die britische Verwaltung auf Zypern
3.3 Die britische Herrschaft von Beginn des Ersten bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges
3.4 Der Machtzerfall Großbritanniens auf Zypern
3.4.1 Die Rolle der griechisch-orthodoxen Kirche Zyperns
3.4.2 Die Zypernkrise der Fünfziger Jahre
3.4.3 Die „Lösung“ der Krise
4. Innenpolitische Strukturen der Republik Zypern
4.1 Die Verfassung der Republik Zypern
4.1.1 Der Garantievertrag
4.1.2 Der Verfassungsvertrag
4.2 Das Scheitern der Verfassung
4.3 Das Verhältnis der zypriotischen Eliten zum Staat
4.3.1 Die türkisch-zypriotische Elite
4.3.2 Die griechisch-zypriotische Elite
5. Zypern zwischen 1963 und 1974
5.1 Die Unruhen von 1963/64
5.2 Die zypern-politischen Differenzen zwischen Athen und Nikosia
5.3 Die Unruhen von 1967
5.4 Diplomatisches Tauziehen
5.5 Der Putsch gegen Makarios
5.6 Die türkische Invasion auf Zypern
5.7 Die Passivität Griechenlands und der USA bei der türkischen Invasion
5.7.1 Die Passivität Griechenlands
5.7.2 Die Passivität der USA
Schlussbetrachtung
Zusammenfassung
Handlungs- und Lösungsmöglichkeiten des Zypernkonflikts
Bewertung
Literaturverzeichnis
Vorwort
Die Teilung Zyperns im Jahre 19741 ist in der heutigen Zeit wieder zum wichtigen Thema geworden, seitdem die Europäische Union am 31. März 1998 Beitrittsverhandlungen2 mit dem griechischen Südteil Zyperns aufgenommen hat. Ein EU-Beitritt Zyperns würde aus wirtschaftlicher Sicht keine Probleme darstellen, da es alle Kriterien für einen Beitritt erfüllt. Doch die politische Teilung der Insel, die die EU als völkerrechtswidrig ansieht, und die Tatsache, dass die Türkei und der türkisch-zypriotische Führer Rauf Denktasch vehement gegen das Beitrittsgesuch der Republik Zypern reagieren, sind bis zum jetzigen Zeitpunkt unlösbare Probleme geblieben.3
In der Literatur lassen sich ausführliche Ursachenanalysen des Zypernkonflikts finden. Zum einen werden exogene Faktoren, wie die britische Kolonialpolitik auf Zypern, die Zypernpolitik der griechischen und türkischen Regierungen und Zypern unter dem Einfluss des Ost-West-Konflikts aufgeführt. Zum anderen beinhalten sie endogene Faktoren, wie beispielsweise die kulturelle Entwicklung und die soziale Strukturen Zyperns.
Die vorliegende Arbeit hat zur Aufgabe, die Entstehung und Entwicklung des Zypernkonflikts als Beispiel für die internationalen Politikfeldanalyse zu untersuchen. Aufgrund der Komplexität des Themas bilden die britische Herrschaftszeit, die unterschiedlichen Ideologien der griechisch- und türkisch-zypriotischen Eliten und die Ereignisse in Zypern ab der Proklamation der Unabhängigkeit bis zur Invasion türkischer Streitkräfte die Hauptschwerpunkte der Arbeit.
Es soll die Frage beantwortet werden, wie der Konflikt auf Zypern zustande kam, der später die Teilung der Insel zur Folge hatte.
Bei der Untersuchung wird wie folgt vorgegangen:
Das 2. Kapitel liefert zunächst allgemeine Daten über die Fläche, Lage und Bevölkerungszahlen Zyperns. Um die Anfänge des Zypernkonflikts aufzuzeigen, wird in Kapitel 3 ein Blick in die britische Verwaltungs- bzw. Kolonialzeit Zyperns vorgenommen. Im 4. Kapitel werden die Verfassungsinhalte der zypriotischen Republik und die Zielsetzungen beider zypriotischen Eliten analysiert und das abschließende Kapitel 5 schildert die Ereignisse ab den Weihnachtsunruhen von 19634 bis zur Invasion türkischer Streitkräfte im Jahre 19745.
In der Schlussbetrachtung dieser Arbeit erfolgt eine Zusammenfassung der behandelten Ursachen, die für die Entstehung des Zypernkonflikts verantwortlich waren. Im Anschluss daran werden Lösungs- und Handlungsvorschläge für den Zypernkonflikt, die während der Krise zur Diskussion standen, geprüft. Die Schlussbetrachtung endet mit einer abschließenden Bewertung.
Doch bevor die Thematik Zypern ab dem 2. Kapitel behandelt wird, soll die Politikfeldanalyse in Kapitel 1, im Anschluss an dieses Vorwort, kurz im Allgemeinen definiert werden.
1 Ursprung und Definition der Politikfeldanalyse
Die moderne Politikfeldanalyse hatte ihren Ursprung in den Fünfziger Jahren in den USA. Als Begründer gelten allgemein die beiden US-amerikanischen Forscher Harold D. Lasswell und Daniel Lerner, die im Jahre 1951 ein Buch mit dem Titel „The Policy Sciences“ herausgaben.6 Ihre Absicht bestand darin, das Auseinanderdriften der verschiedenen politikwissenschaftlichen Disziplinen und Forschungen zu überwinden, indem sich diese bewusst auf konkrete, gemeinsame Probleme konzentrierten, um so eine Erörterung von Politik mit einem ganzeinheitlichen Anspruch herstellen zu können.
Definieren lässt sich die Politikfeldanalyse, auch Policy-Analyse7 genannt, als eine politikwissenschaftliche Forschungsrichtung, die die Inhalte politischer Programme, Problemlösungskonzepte und Sachentscheidungen, sowie deren Ursachen, Durchführung und Folgen in den verschiedenen Bereichen der Politik (z.B. Umwelt-, Sozial-, Wirtschaftspolitik usw.) untersucht. Dabei werden einerseits die beteiligten Akteure bzw. Institutionen und ihr Zusammenspiel, sowie die generellen politischen Machtverhältnisse und die sozialen Rahmenbedingungen untersucht, um deren Einfluss auf die Policy8 zu ermitteln.9
Die Politikfeldanalyse kann aber auch auf die internationale Ebene übertragen werden, um beispielsweise als wirksames Untersuchungsmittel in komplexen internationalen Konflikten die Differenzen und Beziehungen der beteiligten Akteure sichtbar zu machen und/oder den Verlauf eines Konflikts aufzuzeigen.10 So sollen durch die internationale Politikfeldanalyse, wie schon im Vorwort erwähnt, die Entstehung und Entwicklung des Zypernkonflikts analysiert und zum anderen die unterschiedlichen Interessenslagen der direkt involvierten Akteure in diesem Konflikt dargestellt werden.
2 Allgemeine Daten über Zypern
Zypern, die drittgrößte Mittelmeerinsel, hat eine Fläche von 9851 km² und liegt am nordöstlichen Ende des östlichen Mittelmeerbeckens in einer Entfernung von 380 km nördlich von Ägypten, 105 km westlich von Syrien und 75 km südlich der Türkei. Das griechische Festland liegt etwa 800 km in westlicher Richtung entfernt.11 Seit der Teilung 1974 ist der nördliche Teil, rund 40 % der Gesamtfläche, in türkischer Hand.12
Der Bevölkerungszahl Zyperns liegt heute bei etwa 700 000 Einwohnern. Die prozentuale Zusammensetzung der Bevölkerung im Jahre 1960, als die letzte offizielle Volkszählung stattfand, ist wie folgt: von den insgesamt 577 707 Einwohnern waren 441 568 oder 77,1 Prozent griechische Zyprioten, 103 822 oder 18,1 Prozent türkische Zyprioten und 27 317 oder 4,8 Prozent andere Minderheiten.13
3 Zypern unter britischer Herrschaft
Die britische Kolonialherrschaft war in vielerlei Hinsicht ausschlaggebend für die Entstehung des Konflikts auf Zypern, da in dieser Periode die Voraussetzungen zustande kamen, die die weitere Entwicklung zur Krise und zum Krieg gefördert haben. Aus diesem Grund soll die britische Ära auf Zypern näher betrachtet werden.
3.1 Die Pachtung Zyperns durch Großbritannien
Am 4.6.1878 schloss Großbritannien mit dem Osmanischen Reich das Abkommen „Convention of Defensive Alliance“ ab. Der osmanische Sultan trat die Kontrolle über Zypern an Großbritannien ab, das ab diesem Zeitpunkt Zypern besetzte und verwaltete. Rechtlich blieb die Insel aber weiterhin Teil des Osmanischen Reiches. Im Gegenzug sicherte Großbritannien dem Sultan bei einem möglichen russischen Angriff auf türkisches Gebiet seine Unterstützung bei der Verteidigung zu. Denn Russland strebte eine Erweiterung seines Einflussgebietes an, indem es bis nach Istanbul, ans Mittelmeer und an den Persischen Golf vorzudringen versuchte. Der russische Drang nach Ausdehnung war Großbritannien ein Dorn im Auge, da es die Sicherheit seines direkten See- und Landwegs nach Indien gefährdet sah.14
Aufgrund dessen war den Briten mit dem Abkommen ein wichtiger strategischer Schritt in ihrer Nah- und Mittelostpolitik gelungen. Denn das britische Empire hatte einen geeigneten Stützpunkt im östlichen Mittelmeer angestrebt, den es nun in Zypern fand, um die Meerengen zwischen dem Schwarzen Meer und dem Mittelmeer gegen russische Vorstöße zu sichern und zugleich das Osmanische Reich und den Suez-Kanal, für den wichtigen Seeweg nach Indien, zu kontrollieren.15
3.2 Die britische Verwaltung auf Zypern
Die griechische Mehrheit der zypriotischen Bevölkerung begrüßten anfangs die britische Verwaltung, da sie sich von den Briten eine liberale Verfassung, Verbesserungen in der Verwaltung und ein Ende der muslimischen Vorherrschaft in allen Bereichen des öffentlichen Lebens erhofften. Ebenso dürfte die Hoffnung der griechischen Zyprioten, Großbritannien würde Zypern mit Griechenland vereinen, zur anfänglichen Begeisterung gegenüber der britischen Ankunft beigetragen haben.16 Großbritannien hatte aber nicht die Absicht gehabt, Zypern mit Griechenland zu vereinen. Stattdessen war es daran interessiert, seine Position zu stabilisieren und die Kontrolle über Zypern nicht zu verlieren.17
Als 1881 bekannt wurde, dass die britische Regierung eine neue Verfassung für Zypern vorbereitete, äußerten die griechischen Zyprioten ihre Enttäuschung über die bisherige britische Politik, da ihrer Meinung nach die von ihnen erhofften liberalen Reformen ausgeblieben waren. Außerdem betonten sie ihre Rechte zur Vertretung im Gesetzgebenden Rat und hofften immer noch auf einen Anschluss der Insel an Griechenland. Die türkisch-zypriotische Elite reagierte gegen diese Forderungen und beharrte auf die Fortführung der Rechte und Privilegien, die die muslimische Gemeinde, auf der Basis von gleichberechtigter Repräsentation, innehatte.18
Mit der Durchsetzung der ersten Verfassung im Jahre 1882 zielten die Briten auf eine getrennte
Politisierung der beiden zypriotischen Gemeinschaften ab. Die politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Institutionen wurden nach der Volksgruppenzugehörigkeit organisiert, was die Entstehung einer gemeinsamen zypriotischen Identität verhinderte und den interkommunalen Antagonismus im Gegenzug förderte. Die Tatsache, dass eine pluralistische Gesellschaft auf der kommunalen Basis repräsentiert werden konnte, führte zu getrennten politischen Strukturen und zum späteren Machtkampf der Eliten beider zypriotischen Gruppen.19
Der Gesetzgebende Rat bestand nach der Verabschiedung der Verfassung aus 18 Mitgliedern. Außer dem Hohen Kommissar waren sechs hohe britische Beamte (non elective members) und eine Gruppe von zwölf zypriotischen Beamten (elective members) Mitglieder des Rates. Die zwölf zypriotischen Ratsangehörigen setzten sich aus neun griechischen und drei türkischen Zyprioten zusammen. Bei Stimmengleichheit jedoch entschied der nicht-stimmberechtigte Hohe Kommissar, der den Vorsitz im Rat führte.20 Obwohl die gewählten Zyprioten zahlenmäßig die Mehrheit bildeten, bauten die Briten von Anfang an auf eine Zusammenarbeit mit den türkischen Zyprioten. Denn die sechs britischen Beamten verfügten mit den drei türkisch-zypriotischen Abgeordneten über die Mehrheit im Gesetzgebenden Rat und gaben den türkischen Zyprioten und der osmanischen Regierung, die befürchtet hatten mit der neuen Verfassung ihre bisherigen Rechte und Privilegien zu verlieren, die Sicherheit, dass ihre Rechte weiterhin bestehen blieben. So stimmten die türkischen Vertreter dann auch meistens mit den Briten und verhalfen diesen so zu Abstimmungssiegen. Dieses Abstimmungsverhalten vertiefte die Spannungen zwischen den griechischen und türkischen Zyprioten, die wiederum die Annäherung der türkischen Elite an die britische Verwaltung nur noch verstärkten.21
Die Ausnutzung der ethnischen Unterschiede war das charakteristische Merkmal der britischen Kolonialpolitik auf Zypern. Das gesamte Verwaltungssystem beruhte auf das gegenseitige Ausspielen der beiden zypriotischen Bevölkerungsgruppen, und schuf somit die Grundlage für die ethnischen Auseinandersetzungen zwischen den beiden zypriotischen Gemeinden. In einem Bericht von 1882 erläuterten britische Kolonialbeamte, wie die neue Verfassung und der Gesetzgebende Rat funktionierten: “In the Legislative Council, then, the elected members were in a permanent majority; and the practical working of the constitution depended upon the exploitation of the racial cleavage between the Greeks and Turks.”22
3.3 Die britische Herrschaft von Beginn des Ersten bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges
Als das Osmanische Reich im Jahre 1914 auf Seiten der Mittelmächte23 in den Ersten Weltkrieg eintrat, erklärte Großbritannien einseitig das Abkommen von 1878 als hinfällig und annektierte Zypern im November 1914. Erst im Juli 1923 erkannte die Türkei im Vertrag von Lausanne die Annexion Zyperns an, womit Zypern nicht nur de facto, sondern nun auch de jure an Großbritannien gebunden war. Knapp zwei Jahre später, am 10. März 1925, wurde die Insel britische Kronkolonie mit dem offiziellen Namen “Colony of Cyprus“.
Diese beiden Ereignisse brachten nur wenig Veränderungen in den Strukturen und Aktivitäten der britischen Verwaltung mit sich. Anstelle des bisherigen Hohen Kommissars trat nun der Gouverneur an die Spitze der Verwaltung und der Gesetzgebende Rat wurde von 18 auf 24 Mitglieder
aufgestockt.24 Die Zahl der gewählten Mitglieder erhöhte sich von zwölf auf fünfzehn; die fünfzehn zypriotischen Mitglieder setzten sich nun aus zwölf griechischen und weiterhin drei türkischen Zyprioten zusammen, was den Bevölkerungsanteilen mehr entsprach. Da jedoch auch die Zahl der britischen Mitglieder um drei erhöht wurde, gab es an den faktischen Machtverhältnissen keine Veränderungen. Die Mehrheit der griechisch-zypriotischen Bevölkerung konnte sich auch weiterhin nicht in politischen Entscheidungen niederschlagen.25 Somit blieb das Hauptmerkmal der britischen Verwaltung „Teile und Herrsche“ weiterhin bestehen.26
Die griechischen Zyprioten versuchten im Oktober 1931 durch einen offen Aufstand gegen die britische Herrschaft den Anschluss der Insel an Griechenland zu erzwingen. Die Enosis-Bewegung (Anschluss an Griechenland) war auch der Grund für die Zypernkrise in den Fünfziger Jahren27, worauf im nächsten Punkt noch näher eingegangen wird. Die Revolte wurde niedergeschlagen und auf Zypern wurde der Ausnahmezustand ausgerufen; die Verfassung wurde aufgehoben, der Gesetzgebende Rat aufgelöst und der Gouverneur mit vollen Gesetzgebungsbefugnissen ausgestattet. Dieser herrschte diktatorisch bis zum Zweiten Weltkrieg.28
3.4 Der Machtzerfall Großbritanniens auf Zypern
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gewann die Zypern-Frage eine neue Dimension. Denn in den Prinzipien der Vereinten Nationen wurde allen Völkern das Selbstbestimmungsrecht zuerkannt, was für den Kolonialismus theoretisch das Ende bedeutete. Für die Kolonialmächte wurde es dadurch immer schwieriger, ihre Herrschaft zu legitimieren. Aufgrund dessen glaubte auch die Mehrheit der griechischen Zyprioten, dass nun ein Anschluss an Griechenland erfolgen würde. Die britische Regierung aber wollte die Kolonie Zypern auch in den Jahren nach Ende des Krieges weiter aufrecht erhalten, da es in diesem Gebiet infolge des Krieges eine Reihe strategischer Rückschläge hinnehmen musste und somit die Bedeutung Zyperns für Großbritannien zunahm. Denn von Zypern aus sollten die nah- und mittelöstlichen Ölquellen kontrolliert und die militärischen Stützpunkte gestärkt werden.29
3.4.1 Die Rolle der griechisch-orthodoxen Kirche Zyperns
Die Träger des Widerstandes gegen die Diskriminierung der griechisch-zypriotischen Bevölkerung bestand aus dem Klerus der griechisch-orthodoxen Kirche mit Erzbischof Makarios III. an der Spitze und zunehmend aus der in Griechenland ausgebildeten griechisch-zypriotischen Elite.30 Der Zusammenstoß zwischen der Kolonialmacht und der orthodoxen Kirche ist vor allem auf die Ignorierung ihrer politischen Funktion, die sie noch unter der Herrschaft des Osmanischen Reiches innehatte, zurückzuführen.
Die Kirche hatte unter der britischen Herrschaft ihre privilegierte politische Position verloren, da sich die Briten weigerten, die Jurisdiktion der Kirche in weltlichen Angelegenheiten anzuerkennen. Außerdem wurde von der Kirche verlangt zum ersten Mal in ihrer Geschichte Steuern zu zahlen. Der
permanente Versuch der Kirche die traditionelle, religiöse Autorität zurückzugewinnen und die daraus resultierenden „Kämpfe“ mit der britischen Verwaltung hatten die Entstehung einer intensiven anti-britischen Kampagne mit dem gleichzeitigen Erstarken der Enosis-Bewegung zur Folge.31
[...]
1 Suzan Tatli, Der Zypern-Konflikt, Centaurus-Verlagsgesellschaft mbH, Pfaffenweiler 1986, S. 115 - 116.
2 Dietmar Herz, Die Europäische Union. Politik – Recht – Wirtschaft, 2. Aufl. Fischer Taschenbuchverlag,
Frankfurt a.M. 1999, S. 310.
3 Ebd., S. 295.
4 Gülistan Gürbey, Zypern. Genese eines Konfliktes. Eine Analyse seiner Konfliktursachen, Centaurus-
Verlagsgesellschaft mbH, Pfaffenweiler 1988, S. 148.
5 Franz Erhard, Der Zypernkonflikt. Chronologie – Pressedokumente – Bibliographie, in: Aktueller
Informationsdienst. Moderner Orient 2, Hamburg 1976, S. 33 - 34. Anmerkung: Pressedokument – Neue
Zürcher Zeitung, Zürich vom 22.07.1974
6 Klaus Schubert, Politikfeldanalyse. Eine Einführung, Leske + Budrich, Opladen 1991, S. 20 - 21.
7 Ebd., S. 12.
8 Ebd., S. 26. Anmerkung: Policy ist der konkrete inhaltliche und materielle Aspekt von Politik. Bei der Policy wird
die Frage nach den Zielen und Wirkungen politischer i.d.R. staatlicher Aktivitäten gestellt.
9 Dieter Nohlen; Rainer-Olaf Schultze; Suzanne S. Schüttemeyer, Lexikon der Politik. Band 7 – Politische
Begriffe, Verlag C.H. Beck, München 1998, S. 490.
10 Ulrich Druwe; Dörte Hahlbohm; Alex Singer, Internationale Politik. Politikwissenschaft aktuell, Ars Una
Verlagsgesellschaft mbH, Frankfurt a.M. 1998, S. 163 - 165.
11 Zypern, Presse- und Informationsdienst der Republik Zypern, Nikosia 1996, S. 13.
12 Das Zypernproblem, Presse- und Informationsdienst der Republik Zypern, Nikosia 1995, S. 3.
13 Zypern, Presse- und Informationsdienst... (Anm. 11), S. 13.
14 Suzan Tatli, Der Zypern-Konflikt (Anm. 1), S. 24.
15 Ulrich Heide, Nationale Unabhängigkeit im Spannungsfeld von ethnischen Unterschieden, sozialen Konflikten
und Kolonialpolitik. Untersuchungen zum Lernfeld Dritte Welt am Beispiel von Cypern, Haag + Herchen
Verlag GmbH, Frankfurt a.M. 1980, S. 64 - 66.
16 Ebd., S. 67.
17 Niyazi Kizilyürek, Der Zypernkonflikt unter besonderer Berücksichtigung der internationalen
Abhängigkeitsverhältnisse, Dissertation an der Universität Bremen 1990, S. 18.
18 Ebd., S. 22.
19 Ebd., S. 20 - 21.
20 Ulrich Heide, Nationale Unabhängigkeit im Spannungsfeld von ethnischen Unterschieden... (Anm. 15),
S. 69 - 70.
21 Ebd., S. 73.
22 zit. nach: Niyazi Kizilyürek, Der Zypernkonflikt unter besonderer Berücksichtigung... (Anm. 17), S. 23. Zitat
stammt aus: Colonial Office Documents 67/314/13 – f – 144343, Memorandum on political Situation on Cyprus,
Public Record Office, London.
23 Anmerkung: Deutsches Reich und Österreich-Ungarn, in: Meyers Grosses Handlexikon 2000, 20. Auflage,
Meyers Lexikonverlag, Mannheim – Leipzig – Wien – Zürich 2000, S. 586.
24 Niyazi Kizilyürek, Der Zypernkonflikt unter besonderer Berücksichtigung... (Anm. 17), S. 24.
25 Jost Dülffer; Hans-Otto Mühleisen; Vera Torunsky, Inseln als Brennpunkte internationaler Politik.
Konfliktbewältigung im Wandel des internationalen Systems 1890 - 1984: Kreta – Korfu – Zypern, Verlag
Wissenschaft und Politik Berend von Nottbeck, Köln 1986, S. 111.
26 Niyazi Kizilyürek, Der Zypernkonflikt unter besonderer Berücksichtigung... (Anm. 17), S. 24.
27 Suzan Tatli, Der Zypern-Konflikt (Anm. 1), S. 25.
28 Niyazi Kizilyürek, Der Zypernkonflikt unter besonderer Berücksichtigung... (Anm. 17), S. 26 - 27.
29 Ulrich Heide, Nationale Unabhängigkeit im Spannungsfeld von ethnischen Unterschieden... (Anm. 15),
S. 89 - 90.
30 J. Dülffer; H.-O. Mühleisen; V. Torunsky, Inseln als Brennpunkte internationaler Politik... (Anm. 25),
S. 111 - 112.
31 Niyazi Kizilyürek, Der Zypernkonflikt unter besonderer Berücksichtigung... (Anm. 17), S. 30 - 31.
- Citation du texte
- Christoph Meyer (Auteur), 2001, Die Entstehung des Zypernkonflikts - Beispiel für die internationale Politikfeldanalyse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61003
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