Dieses Werk soll sich mit einem besonderen Gebiet der innerdeutschen Beziehungen auseinander setzen. Nämlich dem Freikauf in der DDR einsitzender politischer Gefangener. Dieser „Menschenhandel“ fand von 1963 bis 1989 statt. Er brachte der ostdeutschen Regierung insgesamt Gegenleistungen in Höhe von über 3.5 Milliarden DM ein. In über 35 Jahren wurden 33.755 politische Gefangene freigekauft und über 250.000 Familienzusammenführungen durchgeführt. Der Handel mit Menschen gehörte für die DDR zu einer wichtigen Einnahmequellen der begehrten Devisen. Denn nur mit diesen ließen sich wichtige Embargogüter organisieren und bezahlen. Als Embargogüter wurden die Waren und Erzeugnisse bezeichnet, die die DDR offiziell nicht von westlichen Staaten beziehen durfte. Diese Produkte waren jedoch wichtig für den Auf- und Ausbau der DDR-Wirtschaft, so zum Beispiel auf dem Gebiet der Elektronik und Computertechnik. Außerdem benötigte das MfS dringend Devisen um sich mit der neuesten Spionagetechnik auszurüsten, die zur Bespitzelung des eigenen Volkes und des westlichen Auslands, besonders der Bundesrepublik diente. Produkte die nicht im sozialistischen Wirtschaftsgebiet erhältlich waren, konnten nur mit Devisen beschafft werden. Oftmals mussten für diese, für die DDR gesperrten Dinge aber das Doppelte oder mehr des Weltmarktpreises gezahlt werden. Aber auch die Unterstützung von Gesinnungsgenossen erfolgte in Valutamark (VM). So zum Beispiel erhielt Nicaraguas Präsident Daniel Ortega mehrere Millionen, unter anderem für die Getreideversorgung des Landes. Außerdem spielte für die DDR sicher auch die Ventilfunktion dieses Handels eine Rolle. Sie konnten auf diesem Weg schließlich auch unliebsame politische Gegner los werden. Ein weiterer Vorteil dieser „Handelsbeziehungen“ lag in der Austauschmöglichkeit feindlicher Agenten, aus der nicht nur die DDR ihren Nutzen zog. Sofort denkt man an die Klienicker Brücke, dieses Bauwerk in Potsdam wurde zu dem Symbol des Agentenaustausches zwischen Ost und West.
Doch wie sah die logistische Durchführung dieser zweifelhaften Wirtschaftsbeziehungen aus? Wie konnte in Zeiten des Kalten Krieges solch ein innerdeutscher Handel zustande kommen und wer waren die Akteure dieses Handels? Dieses und auch die Frage welchen Umfang und Stellenwert die so erzielten Deviseneinnahmen für die ostdeutsche Volkswirtschaft hatten, soll mich in dieser Arbeit interessieren.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zusammensetzung und Situation der politischen Gefangenen in der DDR
3. Anfänge der Zusammenarbeit und Familienzusammenführungen
3.1 Die ersten Acht
3.2 Beginn der großen Transporte
4. Die Austauschaktionen werden zur Routine
5. Ende der humanitären Beziehungen
6. Wirtschaftliche Bedeutung für die DDR, Fazit
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Diese Hausarbeit soll sich mit einem besonderen Gebiet der innerdeutschen Beziehungen auseinandersetzen. Nämlich dem Freikauf in der DDR einsitzender politischer Gefangener. Dieser „Menschenhandel“ fand von 1963 bis 1989 statt. Er brachte der ostdeutschen Regierung insgesamt Gegenleistungen in Höhe von über 3.5 Milliarden DM ein. In über 35 Jahren wurden 33.755 politische Gefangene freigekauft und über 250.000 Familienzusammenführungen durchgeführt. Der Handel mit Menschen gehörte für die DDR zu einer wichtigen Einnahmequelle der begehrten Devisen. Denn nur mit diesen ließen sich wichtige Embargogüter organisieren und bezahlen. Als Embargogüter wurden die Waren und Erzeugnisse bezeichnet, die die DDR offiziell nicht von westlichen Staaten beziehen durfte. Diese Produkte waren jedoch wichtig für den Auf- und Ausbau der DDR-Wirtschaft, so zum Beispiel auf dem Gebiet der Elektronik und Computertechnik. Außerdem benötigte das MfS dringend Devisen um sich mit der neuesten Spionagetechnik auszurüsten, die zur Bespitzelung des eigenen Volkes und des westlichen Auslands, besonders der Bundesrepublik diente. Produkte, die nicht im sozialistischen Wirtschaftsgebiet erhältlich waren, konnten nur mit Devisen beschafft werden. Oftmals mussten für diese (für die DDR gesperrten) Dinge aber das Doppelte oder mehr des Weltmarktpreises gezahlt werden. Aber auch die Unterstützung von Gesinnungsgenossen erfolgte in Valutamark (VM). So zum Beispiel erhielt Nicaraguas Präsident Daniel Ortega mehrere Millionen unter anderem für die Getreideversorgung des Landes. Außerdem spielte für die DDR sicher auch die Ventilfunktion dieses Handels eine Rolle. Sie konnte auf diesem Weg schließlich auch unliebsame politische Gegner loswerden. Ein weiterer Vorteil dieser „Handelsbeziehungen“ lag in der Austauschmöglichkeit feindlicher Agenten, aus der nicht nur die DDR ihren Nutzen zog. Sofort denkt man an die Klienicker Brücke; dieses Bauwerk in Potsdam wurde zu dem Symbol des Agentenaustausches zwischen Ost und West.
Doch wie sah die logistische Durchführung dieser zweifelhaften Wirtschaftsbeziehungen aus? Wie konnte in Zeiten des Kalten Krieges solch ein innerdeutscher Handel zustande kommen, und wer waren die Akteure dieses Handels? Dieses, und auch die Frage, welchen Umfang und Stellenwert die so erzielten Deviseneinnahmen für die ostdeutsche Volkswirtschaft hatten, soll mich in dieser Arbeit interessieren. Die Recherche dieses schwierigen Themas wurde durch die Tatsache erschwert, dass nur wenige Aufzeichnungen erhalten geblieben sind. Akten zu diesem Thema wurden entweder gar nicht erst angelegt oder bereits planmäßig vernichtet. Von den wenigen Beteiligten hat bis jetzt nur Ludwig A. Rehlinger ein Buch[1] zu diesem Thema verfasst. Rehlinger war damals Staatssekretär für innerdeutsche Beziehungen. Doch auch er zieht es vor „eine gewisse Vertraulichkeit weiter zu wahren“[2]. Wichtige Namen in diesem Zusammenhang, wie der des KoKo-Chefs Schalck-Golodkowski, sucht man in Rehlinger´s Werk vergeblich. Über dessen Konten lief aber ein Großteil der eingenommenen Devisen. Doch auch andere Namen, „die die Wellen zwischen Bonn und Ostberlin haben zeitweilig hochschlagen lassen“[3], unterschlug er, wie Peter Przybylski feststellt. Weitere involvierte Personen „habe[n] in der Stille gewirkt“, “sie aufzuzählen ist nicht möglich“[4]. Wichtige Beteiligte aufseiten der DDR, wie Wolfgang Vogel oder Jürgen Stange haben sich noch nicht schriftlich geäußert. Auch über das Wissen der sowjetischen Besatzungsmacht über dieses Thema ist mir nichts bekannt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sie über das Vorgehen in dieser Sache informiert waren. Des Weiteren spielen in diesem Zusammenhang auch Personen wie Axel Springer oder Franz Josef Strauß eine Rolle, der mitunter Wunschlisten über auszutauschende Gefangene persönlich an Schalck-Golodkowski übergab. Bei diesen Treffen wurden manchmal nach reichlichem Alkoholgenuss auch Informationen ausgetauscht, für die andere wegen Landesverrat angeklagt worden wären.
2. Zusammensetzung und Situation der politischen Gefangenen in der DDR
Zu Beginn der Sechziger Jahre lagen der bundesdeutschen Rechtsschutzstelle etwa 12.000 Akten über einsitzende politische Häftlinge vor. Von diesen waren etwa 4.000 schon von sowjetischen Militärtribunalen[5] verurteilt. Die oftmals in Gruppenprozessen verurteilten ehemaligen Kriegsgefangenen, die wegen Kriegsverbrechen schon während des Krieges verurteilt wurden, erhielten regelmäßig Strafen von 25 Jahren oder lebenslänglich. Des Weiteren befanden sich in dieser Gruppe auch Zivilisten, die wegen „antisowjetischer Hetze“, „Diversion“ oder Spionage zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden. Diese Gerichtverfahren fanden allesamt unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Eine Verteidigung fand so gut wie überhaupt nicht statt. Oftmals bekamen die Angeklagten erst am Verhandlungstag erstmals ihren Verteidiger zu sehen. Bei Vernehmungen waren sie niemals anwesend. Die Verhandlungen dauerten oftmals nur wenige Minuten. Es konnte in keiner Weise von einer rechtsstaatlichen Urteilsfindung gesprochen werden.
Zu dieser Ersten kam eine weitere Gruppe politischer Gefangener. Es waren die im Waldheimer Kriegsverbrecherprozess am 21. April 1950 Verurteilten. Es waren 3400 Deutsche, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit wegen Verstoß gegen das „Kontrollratsgesetz Nr.10“[6] zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt wurden.
Weiterhin saßen Tausende in Haft, die Strafen wegen sogenannter Boykotthetze verbüßten. In Artikel 6, Abs. 2 der DDR-Verfassung heißt es hierzu: “Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen und Organisationen, Mordhetze gegen demokratische Politiker, Bekundungen von Glaubens-, Rassen- und Völkerhass, militärische Propaganda sowie Kriegshetze und alle sonstigen Handlungen, die sich gegen die Gleichberechtigung richten, sind Verbrechen im Sinne des Strafgesetzbuches.“[7]
Da kein Strafmaß vorgegeben war, konnten Strafen von langjähriger bis lebenslanger Haft, oder sogar die Todesstrafe ausgesprochen werden.
Doch über die Jahre veränderte sich die Zusammensetzung der politischen Gefangenen in den Gefängnissen der DDR. Nicht zuletzt auch wegen des Gefangenenfreikaufs durch die Bundesrepublik. Auch im Rahmen der Familienzusammenführungen kam es, wenn auch schleppend, zu Ausreisegenehmigungen in die Bundesrepublik. So wandelte sich das Bild des politischen Häftlings. Widerständler gegen das sowjetische Regime, das verfolgte Mitglied einer politischen Gruppe, Gegner der Genossenschaftspolitik oder aufständische Christen, sie alle wurden nach und nach entlassen, sind übergesiedelt oder lebten angepasst in der DDR. Durch verschiedene Amnestien wurden ebenfalls viele politische Gefangene entlassen. So zum Beispiel Mitte 1987: in diese Amnestie waren auch alle Häftlinge eingeschlossen, die wegen versuchter Republikflucht einsaßen. Doch keine 12 Monate später war die alte Belegstärke wieder erreicht. Doch die Strafverfolgung und Vollstreckung verlief nun im Rahmen sozialistischer Gesetzmäßigleiten, sie war kalkulierbarer geworden. Es wurde nicht mehr, wie in den Anfangsjahren, versucht, den Willen des Gefangenen durch Willkür und Misshandlung zu brechen. Doch auch weiterhin waren die Straftatbestände so allgemein verfasst, dass jeder Andersdenkende damit rechnen musste, belangt zu werden. Organisierter Widerstand gegen das System gab es nicht zu verzeichnen. Es waren Einzelne, die sich gegen bestimmte Maßnahmen zur Wehr setzten. Diese wurden dann publikumswirksam zur Abschreckung abgeurteilt. Der Unmut der Bevölkerung zeigte sich vor allem in der steigenden Anzahl von gestellten Ausreiseanträgen. Die Staatssicherheit hatte das Volk weitestgehend im Griff und das westdeutsche Fernsehen verkündete die Botschaft, dass das Thema Wiedervereinigung derzeit nicht auf der Tagesordnung stehe. Das erklärt die Zusammensetzung der politischen Gefangenen in den Achtziger Jahren. Das Bild hatte sich grundlegend gewandelt. Es waren fast nur noch Menschen, die wegen versuchter Republikflucht einsaßen. Es gab nur noch eine kleine Gruppe von zu längeren Haftstrafen verurteilter Gefangener. Diese setzte sich vor allem aus wegen „Terrors“, „subversiver Aktivitäten“ und „Hetze“ gegen den sozialistischen Staat“[8] Verurteilter zusammen.
Die Bedingungen des DDR-Strafvollzuges waren hart. Anfangs lange Einzelhaftzeiten mit nahezu vollständiger Isolation waren ebenso selbstverständlich wie schlechte hygienische Bedingungen. So wurde zum Beispiel in der StVA Halle („Roter Ochse“) erst in den Siebziger Jahren der Kübel[9] abgeschafft. Außerdem war eine chronische Überbelegung bis über das Doppelte der Sollstärke eher die Regel als die Ausnahme. Die Politischen waren dabei wie gewöhnliche Kriminelle untergebracht, nicht etwa zusammengefasst in bestimmten Abteilungen. Sie saßen oftmals also mit Mördern, Totschlägern und anderen Schwerverbrechern, die lange bis lebenslange Haftstrafen zu verbüßen hatten, auf einer Zelle. Diese Langzeitgefangenen beherrschten die Knasthierarchie, die politischen Häftlinge hatten sich unterzuordnen.
Weiterhin klagten viele über die schlechte Verpflegung, diese sei eintönig, vitaminarm und unzureichend. Fleisch und Obst gab es selten.
Die medizinische Versorgung war schlecht. Es gab lange Wartezeiten, fehlende Medikamente, Probleme bei der Krankschreibung und mangelnde Zugänglichkeit zu den Ärzten[10]. Die Häftlinge waren verpflichtet zu arbeiten. Doch durch die unzureichenden Arbeitsschutzmaßnahmen kam es des Öfteren zu schweren Arbeitsunfällen. Auf der anderen Seite mussten die Normen nicht nur erfüllt, sondern übererfüllt werden, um in den Genuss von Vergünstigungen, wie regelmäßiger Besuch oder Briefempfang, zu gelangen. Bei einem vermeintlichen Verstoß gegen die Anstaltsordnung wurde oftmals Einzelhaft angeordnet. Die dafür genutzten Zellen befanden sich meist im Keller. Die Gefangenen mussten im Halbdunkel bei schlechter Verpflegung mehrere Tage, Wochen oder gar Monate, 16 Stunden am Tag sitzend oder stehend in den kalten, feuchten Zellen verbringen.[11]
[...]
[1] Rehlinger, Ludwig A., „Freikauf“, Berlin, Frankfurt(M.) 1991
[2] ebenda S.7
[3] Przybylski, Peter, „Tatort Politbüro, Band 2“, Berlin 1992
[3] Rehlinger, Ludwig A., „Freikauf“, Berlin, Frankfurt(M.) 1991, S. 248
[5] (kurz: SMT) sowjetische Militärgerichte, von 1945-1955 in der SBZ tätig
[6] Das Kontrollratsgesetz Nr. 10 regelt die Bestrafung von Personen, die sich Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen den Frieden oder gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht haben.
[7] Rehlinger, Ludwig A., „Freikauf“, Berlin, Frankfurt(M.) 1991, S. 18f.
[8] Rehlinger, Ludwig A., „Freikauf“, Berlin, Frankfurt(M.) 1991, S.107
[9] einfacher Eimer mit Deckel zur Verrichtung der Notdurft
[10] vgl. Müller, Klaus-Dieter in „Die Vergangenheit lässt uns nicht los...“, S.18
[11] ebenda S.47ff.
- Citar trabajo
- Oliver Friedel (Autor), 2004, Der Freikauf von in der DDR einsitzenden politischen Gefangenen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60884
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