Das aphoristische Schaffen von Karl Kraus (1874 – 1936) umfasst die Jahre 1906- 1919. Es wächst aus der Glosse und verwandten journalistischen Formen heraus und mündet in die gebundene Form des Epigramms. Als er 1906 von verschiedenen längeren satirischen Formen zu „Abfällen“ oder „Splittern“ übergeht, bewegt er sich damit terminologisch noch in bekannten Bahnen. Bald aber werden die Texte durchweg als Tagebuch oder Persönliches bezeichnet und geben nicht nur die angemessene Wertschätzung durch ihren Autor zu erkennen, sondern auch den bibliographischen Hintergrund. So entstehen die ersten Aphorismen aus seiner Beziehung mit Bertha Maria Denk. 1908 umfassen sie ein ganzes Heft der Fackel.2
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Der Aphorismus, die spontanste Aufnahme des Augenblicks
1.1. Über den Aphorismus (allg. Def. Inhaltliche Vorraussetzungen)…
1.2. Der österreichische Aphorismus nach der Jahrhundertwende
1.3. Die Verwendung des Aphorismus im Werk von Karl Kraus
2. Die Sprachauffassung – zum Verständnis der Sprachkultur
2.1. Sprachauffassung – Sprachkritik
2.2. Sprachenergie – Sprachkunst
2.3. Spracharchitektonik – Sprachmystik
3. Das Wortspiel – Die Analogie der Sprache mit der mathematischen Formel
3.1. Amphibolie, Klangwortspiel – Variationswortspiel, Chiasmus
3.2. Kontamination, Interferenz
3.3. Kürzung, Negation, Klimax, Parallelführung
4. Der Aphorismus in den Kriegsfackeln
4.1. Beispiele aus Nachts inklusive Besprechung
4.2. Aufbau des Buches Nachts/ Wo liegt der Schwerpunkt
4.3. Das Verhältnis der Geschlechter
Literaturverzeichnis
Einleitung
Das aphoristische Schaffen von Karl Kraus (1874 – 1936) umfasst die Jahre 1906-1919. Es wächst aus der Glosse und verwandten journalistischen Formen heraus und mündet in die gebundene Form des Epigramms. Als er 1906 von verschiedenen längeren satirischen Formen zu „Abfällen“ oder „Splittern“ übergeht, bewegt er sich damit terminologisch noch in bekannten Bahnen. Bald aber werden die Texte durchweg als Tagebuch oder Persönliches bezeichnet und geben nicht nur die angemessene Wertschätzung durch ihren Autor zu erkennen, sondern auch den bibliographischen Hintergrund. So entstehen die ersten Aphorismen aus seiner Beziehung mit Bertha Maria Denk. 1908 umfassen sie ein ganzes Heft der Fackel.[1]
1.Der Aphorismus, die spontanste Aufnahme des Augenblicks
1.1 Über den Aphorismus
Die ursprüngliche Wortbedeutung des Wortes Aphorismus, stammt aus dem griechischen aph-orizein: abgrenzen; genau bestimmen; und ist in etymologischer Hinsicht mit dem Wort Horizont verwandt. – Hippokrates verfasste seine Lehrsätze in aphoristischer Form um Krankheiten zu benennen, bzw. zu bannen[2] – Welche Form hätte Kraus näher liegen können als diese, um die „Essenz“ der Fackel auszudrücken.
Die literarisch-philosophische Gattung entwickelte sich im 17. und 18. Jahrhundert wo sie vor allem bei den französischen Moralisten zu finden ist( La Rouchefoucauld, La Bruyére und Joubert. Eine lange Tradition hat der Aphorismus im deutschen Sprachraum. Auf Lichtenberg ( Sudelbücher) im 18. Jhdt. Folgen u.a. Goethe, Jean-Paul, Friedrich Schlegel, Novalis, Schopenhauer, Nietzsche, Kraus, Adorno, Canetti und Benyoetz.[3]
1.2. Der österreichische Aphorismus nach der Jahrhundertwende
Die österreichische Literatur nach der Jahrhundertwende und ihre besondere Beziehung zum Aphorismus wurden mehrfach untersucht und interpretiert. Diesbezüglich hilfreich erscheint einerseits die Arbeit von R. Gray, der sich auf die Zeit um die Jahrhundertwende beschränkt und aufzeigt, dass die fragmentarische Ausdrucksform des Aphorismus der Sprachskepsis und dem krisenhaften Geist der Zeit besonders entspricht[4]
Die umfangreichste Arbeit, auf die ich mich auch in Folge immer wieder beziehen werde, stammt von Stefan Kaszynski, der den modernistischen österreichischen Aphorismus als Symptom der zerfallenden Realität deutet.
1.3.Die Verwendung des Aphorismus im Werk von Karl Kraus
Der Kraussche Aphorismus alle Motive seines Schaffens und versucht im Wege der Gedankenverdichtung einen ganzen Essay in einem Satz zu geben. Er ist also der Knotenpunkt eines weit ausgebreiteten Gedankensystems, das Endglied und die reife Frucht angestrengtesten Sich-Mühens um die klarste, einfachste und konziseste Form einer innerlich bis ins Extrem gelebten Wahrheit, der „springende Punkt“ eines Denkprozesses, von dem aus der Denkende durch die Sprache hindurch die Welt sieht. Die Aphorismen entstehen bei Kraus schubweise, in Perioden, die Tage und Wochen hindurch andauern können. Nicht jedes Stück lebt für sich allein, sondern es steht oft in leicht erkennbarer Beziehung zu gleichzeitig entstandenen; eine ganze Reihe von Aphorismen kann ein und dasselbe Thema von verschiedenen Seiten her behandeln und variieren, doch bildet die Gesamtheit aller in einem größeren Schaffensabschnitt entstandenen Sätze eine organische Einheit, worin Kraus den ganzen Interessenkreis seiner Existenz wieder einmal ganz durchschreitet, künstlerisch durchlebt und geistig bewältigt[5].
Die Entstehung des ersten Aphorismusbands geht zu einem großen Teil auf Otto Stoessl zurück, der anregt, die Aphorismen in einem Band gesammelt herauszugeben. Dieser Briefwechsel, der sich über die gesamte Dauer der Entstehung erstreckt, gibt besonders Einblick in die Auseinandersetzung beider Literaten mit dieser Gattung. Stoessl fördert und fordert Kraus durch Kritik, Anerkennung und praktische Vorschläge. In seinem Brief vom16./17.11.08 teilt Kraus ihm den geplanten Titel des ersten Aphorismusbandes Sprüche und Widersprüche
mit und den Entschluss ihm diesen Band zu widmen. Worauf OS in seinem Brief vom 9.3.09 antwortete: …er fühle sich ihm herzlich nah und der verachteten Stadt so fern…
Der Briefwechsel erhellt und kommentiert die Bemühungen des Epikers und Essayisten Stoessl in einer entscheidenden Phase seiner Produktion.
2. Die Sprachauffassung – zum Verständnis der Sprachkultur
Keiner, der je Karl Kraus mit ehrlichem Wollen und künstlerischem Verständnis gelesen hat, konnte sich der Pracht und dem Zauber seiner Sprache entziehen, aber nur den Wenigsten dürfte die Fülle aller jener Kostbarkeiten zum Bewusstsein gekommen sein, worin sich in verschwenderischer Geberlaune diese große Persönlichkeit immer von Neuem wahllos verschenken muß…[6]
2.1. Sprachauffassung – Sprachkritik
Es sind immer wieder Reaktionen eines Moralisten und Sprachskeptikers, die sich durch die Aphorismen manifestieren. Nun war aber Karl Kraus, wie es sein Buch die Sprache nachweist, ein ganz besonderer Sprachskeptiker, er zweifelt nicht wie Hofmannsthal in seinem Chandos – Brief an der Mitteilungskraft der Sprache, sondern an ihrem Gebrauch, besonders an ihrem journalistischem Missbrauch.
Sehr früh schon hatte Kraus den Zusammenhang zwischen Sprachgebrauch und Machtausübung erkannt und profilierte sich deshalb auch zum entschiedenen Gegner der Sprachbeherrschung. Mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln setzte er sich der Sprachbeherrschung als Bewusstseinsmanipulation entgegen und sah sich dabei selber immer als ergebener Diener der Sprache, notfalls als ihr behutsamer Verwalter.
Zwei entsprechende Aphorismen gehen darauf ein:
Er beherrscht die deutsche Sprache – das gilt vom Kommis. Der Künstler ist ein Diener am Wort.[7]
[...]
[1] Vgl.: Spicker, Friedemann: Studien zum österreichischen Aphorismus. IASL 26.2001. S 184 - 205
[2] Dietrich, Simon: Nachwort .In: Karl Kraus Aphorismen und Gedichte. S 429 ff
[3] Vgl. Kaszinsky, Stefan: Kleine Geschichte des österreichischen Aphorismus. S 37 ff
[4] vgl. Spicker, Friedemann: Studien zum österreichischen Aphorismus. S 130
[5] Liegler, Leopold: Karl Kraus und sein Werk. Verlag R. Lanyi. Wien. 1920.S 383
[6] Liegler, Leopold: Karl Kraus und die Sprache. Wien, 1918. S 3
[7] Wagenknecht, Christian(Hrsg.):Karl Kraus Aphorismen. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1986.
S 116
- Arbeit zitieren
- Mag.phil. Karoline Ehrlich, MIB (Autor:in), 2005, Die Welt durch das Sieb des Worts gesiebt - Der Aphorismus im Werk von Karl Kraus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60820
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