Bezug nehmend auf die Definition des „religiösen Filmes“ nach Bergesen und Greeley (Bergesen, Greeley, „God in the Movies“, 15), derzufolge ein religiöser Film sich vor allem dadurch auszeichnet, dass er nicht formell von Religion, Gott oder der Kirche handelt, sondern sich das Religiöse in einer bestimmten Botschaft oder Figur versteckt, dürfte Silentium auf den ersten Blick nicht als religiöser Film klassifiziert werden. Demnach würden sich auch so genannte „Blockbuster“ wie „Ben Hur“ (USA 1959) oder „The Passion of Christ“ (USA 2004) formell nicht als religiöse Filme bezeichnen lassen. Wenn diese beiden Beispiele sich schon nicht religiöse Filme nennen dürfen und auch „Silentium“ zunächst nicht recht in dieses Schema des religiösen Filmes passt, was zeichnet einen tatsächlich religiösen Film im modernen deutschen Kino dann aus? Religion muss im religiösen Film keinesfalls eine vordergründig prominente Rolle spielen. „Das Religiöse im Film findet sich [oft] im Film selbst“ (Laube, „Himmel-Hölle-Hollywood“, 17). Ein Film kann zum Teil als religiös verstanden werden, wenn man in einer bestimmten Religion bewandert sein muss, um der Botschaft des Filmes folgen zu können. Unter der Voraussetzung der Entschlüsselung einer solchen Botschaft entfalten Filme, denen man auf den ersten Blick keinerlei religiösen Charakter zugesprochen hätte, eine religiöse Wirkung. Auf diese These stützt sich meine Behauptung, dass „Silentium“ auch abseits von bzw. trotz seiner von Religion und Kirche geprägten Handlung eine religiöse Botschaft trägt und eine dahingehende Wirkung auf das Publikum hat. So nimmt Rene gegen Ende des Filmes überraschend die Rolle eines Erlösers ein, indem er die in der Dusche eingesperrten Männer und das Mädchen vor dem Tod rettet. Es wird klar, dass die Kritik im Film an die Institution Kirche adressiert ist, die Existenz einer gottähnlichen Gestalt bzw. die Repräsentation Gottes durch das Gute im Menschen jedoch nicht bezweifelt wird. Auch entfaltet der Film seine religiöse Wirkung durch seine zahlreichen Verweise auf die katholische Liturgie. Als ein Beispiel sei hier die Szene genannt, in der Brenner das Kreuz trägt. Die Entschlüsselung dieser und anderer Szenen kann nur auf der Basis eines bestimmten Grundwissens über die katholische Religion erfolgen. Abseits von „Silentium“ ist „Lola rennt“ (Deutschland 1998) ein deutscher Film, der ebenfalls durch versteckte Symbolik und unterschwellige Botschaften seine religiöse Wirkung entfaltet. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Religion im modernen deutschen Film
- Symbolik in Filmszenen
- Szene 6 (Abnahme der Jesusfigur)
- Szene 7 (Brenner trägt das Kreuz)
- Szene 9 (Probe im Festspielhaus)
- Szene 13 (Fitz liefert Brenner der Polizei aus)
- Szene 14 (Protagonisten als Tischfußballfiguren)
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Analyse des Films "Silentium" untersucht die Rolle der Religion im modernen deutschen Film und analysiert, wie religiöse Symbolik in der Handlung und den Charakteren des Films zum Ausdruck kommt.
- Der Film als religiöser Film trotz fehlender direkter Religion
- Die Bedeutung der katholischen Liturgie und ihre Einbindung in die Geschichte
- Die Suche nach Sinn und Werten in der modernen Gesellschaft
- Der Film als Spiegel von Gut und Böse
- Die Kritik an der Institution Kirche und ihre Rolle in der Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Religion im modernen deutschen Film
Der erste Teil der Arbeit untersucht die Präsenz der Religion im modernen deutschen Film, speziell in "Silentium". Der Essay argumentiert, dass der Film, trotz fehlender direkter religiöser Handlungen, eine religiöse Botschaft vermittelt, die durch subtile Symbolik und thematische Elemente zum Ausdruck kommt.
Symbolik in Filmszenen
Der zweite Teil analysiert mehrere Schlüsselsequenzen des Films und deren religiöse Symbolik. Beispiele wie die Abnahme der Jesusfigur, die Szene mit dem Kreuz und Brenners Festnahme durch die Polizei werden im Hinblick auf ihre Bezüge zur katholischen Liturgie und zur biblischen Geschichte interpretiert.
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- Dagmar Hecher (Autor), 2005, Filmanalyse Murnberger, Haas - Silentium, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60713