Als Bertolt Brecht den Entschluss fasste, die Geschichte des kaukasischen Kreidekreises zu erzählen, gab es schon sehr viele Geschichten ähnlichen Inhalts, die alle auf dem Stück „Der Kreidekreis“ von Li Hsing-taos aus der zweiten Hälfte des 13 Jahrhunderts basieren. Wenn auch in abgewandelter Form, so geht es immer um dieselbe Thematik, nämlich einen zumeist weisen Richter, der die Motive einer falschen Mutter durchschaut. Im wesentlichen ging es Brecht bei der Erzählung dieser Geschichte wohl darum, gerechtes Handeln zu illustrieren, verbunden mit der Symbolik der Versöhnung, der wahren Liebe, der Hoffnung und des Schicksals. Eingebunden ist das ganze in den Kontext der sozioökonomischen Gegebenheiten der handelnden Protagonisten, deren Leben durch Aufstand, Revolte, Krieg und soziale Ungerechtigkeiten gekennzeichnet ist. Der Aufbau des Stücks illustriert insgesamt 3 miteinander verbundene Geschichten, nämlich die der Dienstmagd Grusche, die des Dorfschreibers Azdak und die zeitlich übergeordnete Geschichte des Treffens zweier Kolchosdörfer.
Betrachtet man die Geschichte eingehender, so hat sie fast etwas märchenhaftes, da jeder am Ende den Preis für sein Handeln zu zahlen hat. Brecht lässt seine Protagonisten durch viele situative Veränderungen wandeln, wobei sich einige weiterentwickeln und andere wiederum nicht. Um diese an Schicksal und Einsicht gebundenen Veränderungen darzustellen, habe ich mich mit der Konzeption der Figuren auseinandergesetzt, wobei ich diese anhand der Konzeptionsdimensionen Manfred Pfisters belegen möchte. Unterstützend habe ich die im Literaturverzeichnis angegebenen Lektüren benutzt. Der zweite Teil meiner Hausarbeit vergleicht die von mir erarbeiteten Figurenkonzeptionen mit der gleichnamigen Inszenierung des Berliner Ensembles aus dem Jahr 1982, wobei ich Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausarbeiten werde.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Inhaltsangabe
3. Figurenkonzeption
3.1. Allgemein
3.2. Grusche Vachnadze
3.3. Azdak
3.4. Michel Abaschwili
3.5. Georgi Abaschwili
3.6. Natella Abaschwili
3.7. Arsen Kazbeki
3.8. Simon Chachava
3.9. Lavrenti Vachnadze
3.10. Aniko Vachnadze
3.11. Grusches Schwiegermutter
3.12. Jussup
3.13. Arkadi Tscheidse
4. Der Vergleich mit dem gleichnamigen Theaterstück
4.1. Allgemein
4.2. Grusche Vachnadze
4.3. Azdak
4.4. Michel Abaschwili
4.5. Georgi Abaschwili
4.6. Natella Abaschwili
4.7. Arsen Kazbeki
4.8. Simon Chachava
4.9. Lavrenti Vachnadze
4.10. Aniko Vachnadze
4.11. Grusches Schwiegermutter
4.12. Jussup
4.13. Arkadi Tscheidse
5. Nachwort
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Als Bertolt Brecht den Entschluss fasste, die Geschichte des kaukasischen Kreidekreises zu erzählen, gab es schon sehr viele Geschichten ähnlichen Inhalts, die alle auf dem Stück „Der Kreidekreis“ von Li Hsing-taos aus der zweiten Hälfte des 13 Jahrhunderts basieren.
Wenn auch in abgewandelter Form, so geht es immer um dieselbe Thematik, nämlich einen zumeist weisen Richter, der die Motive einer falschen Mutter durchschaut.
Im wesentlichen ging es Brecht bei der Erzählung dieser Geschichte wohl darum, gerechtes Handeln zu illustrieren, verbunden mit der Symbolik der Versöhnung, der wahren Liebe, der Hoffnung und des Schicksals. Eingebunden ist das ganze in den Kontext der sozio-ökonomischen Gegebenheiten der handelnden Protagonisten, deren Leben durch Aufstand, Revolte, Krieg und soziale Ungerechtigkeiten gekennzeichnet ist.
Der Aufbau des Stücks illustriert insgesamt 3 miteinander verbundene Geschichten, nämlich die der Dienstmagd Grusche, die des Dorfschreibers Azdak und die zeitlich übergeordnete Geschichte des Treffens zweier Kolchosdörfer.
Betrachtet man die Geschichte eingehender, so hat sie fast etwas märchenhaftes, da jeder am Ende den Preis für sein Handeln zu zahlen hat. Brecht lässt seine Protagonisten durch viele situative Veränderungen wandeln, wobei sich einige weiterentwickeln und andere wiederum nicht.
Um diese an Schicksal und Einsicht gebundenen Veränderungen darzustellen, habe ich mich mit der Konzeption der Figuren auseinandergesetzt, wobei ich diese anhand der Konzeptionsdimensionen Manfred Pfisters belegen möchte. Unterstützend habe ich die im Literaturverzeichnis angegebenen Lektüren benutzt.
Der zweite Teil meiner Hausarbeit vergleicht die von mir erarbeiteten Figurenkonzeptionen mit der gleichnamigen Inszenierung des Berliner Ensembles aus dem Jahr 1982, wobei ich Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausarbeiten werde.
2. Inhaltsangabe
Ein Ziegenzuchtkolchos und ein Obstbaukolchos streiten sich um eine und dasselbe Tal. Dem Streit folgt die Abtretung des Tals von den Ziegenzüchtern an die Obstbauern. Zur Freude über die Einigung wird ein Schauspiel mit dem Titel „Der kaukasische Kreidekreis“ aufgeführt. In diesem Stück geht es um die Magd Grusche Vachnadze, die in den Zeiten des politischen Aufstandes das Kind des ermordeten Gouverneurs an sich nimmt, nachdem es die Frau des Gouverneurs zurückgelassen hat.
Aus dem anfänglichen Pflichtgefühl gegenüber dem hilflosen Kind werden langsam aber sicher mütterliche Gefühle. Da das Kind gesucht wird, um es zu töten, ist Grusche mit ihm auf der Flucht.
Nachdem sie durch die Berge geflohen ist, findet sie widerstrebend Unterschlupf bei Ihrem Bruder und dessen Frau, die Grusche und das Kind loswerden will. Der Bruder organisiert daraufhin einen Kuhhandel, indem er Grusche mit einem vermeintlich todkranken Bauern verheiratet, der sich im nachhinein als gesunder Kriegsverweigerer entpuppt. Aus Liebe und Sorge um das Kind willigt Grusche in die Heirat ein, obwohl sie mit dem Soldaten Simon Chachava verlobt ist, den sie ehrlich liebt.
Zeitgleich beherbergt der Dorfschreiber Azdak unwissentlich den sich auf der Flucht befindenden Großfürsten. Als ihm klar wird, wem er Unterschlupf gewährt hat, klagt sich Azdak selbst an. Aber statt gehängt zu werden landet Azdak auf dem Richterstuhl und fällt Urteile zugunsten der Armen und Benachteiligten.
Als eines Tages die Gouverneursfrau aus dem Exil zurückkehrt und von Grusche das Kind fordert, führt Azdak den Vorsitz bei dieser Gerichtsverhandlung. Da er sich nicht entscheiden kann, wem er das Kind zusprechen soll, veranlasst er die Probe mit dem Kreidekreis, bei der das Kind in der Mitte des Kreises steht und die am Rand stehenden Frauen versuchen sollen, das Kind auf ihre Seite zu ziehen.
Als Grusche das Kind zweimal loslässt, weil sie fürchtet ihm Schmerzen zuzufügen, erkennt Azdak in ihr die wahre Mutter und spricht ihr das Kind zu. Zudem veranlasst er „unwissentlich“ die Scheidung von Grusche und ihrem Mann, so dass sie für Simon Chachava frei ist. Azdak selbst verschwindet nach diesem Prozess und wird nie mehr gesehen.
3 . Figurenkonzeption
3.1. Allgemein
Betrachtet man die Figurenkonzeption im Stück, so kann man einige der von Manfred Pfister beschriebenen Parameter auf die Charaktere anwenden. Pfister hat diese Parameter in insgesamt drei Dimensionen unterteilt, die wie folgt zu beschreiben sind:
1.1 Weite
- damit wird die Bandbreite der Entwicklungsmöglichkeiten einer Person festgelegt
1.1.1 Länge
- sie beschreibt die Entwicklung eines Charakters aufgrund der in einem Stück auftretenden Situationsveränderungen
1.1.2 Tiefe
- darunter versteht man die Relation zwischen dem äußeren und dem inneren Verhalten einer Person
Unter Berücksichtigung dieser drei Dimensionen kann man ggf. unterstützend den folgenden Fragenkatalog hinzunehmen, um eine klareres Bild von der Konzeption der einzelnen Charaktere zu erhalten:
- Wie werden die handelnden Personen eingeführt?
- Sind die Charaktere zentral oder peripher, sind sie eindimensional oder mehrdimensional?
- Gibt es Peripetien, die u. U. eine charakterliche Veränderung mit sich bringen?
- Wie erfolgt Sympathie/Antipathie-Bildung im Stück?
3.2. Grusche Vachnadze
Grusche Vachnadze ist neben Azdak der tragende Charakter in der vorgetragenen Geschichte „Der kaukasische Kreidekreis“. Der Nachnahme Vachnadze ist möglicherweise der georgischen Schauspielerin Natalia Vachnadze entliehen, wobei der Vorname Grusche sehr stark an Grusinien (=Georgien) erinnert.
Grusche ist eine zentraler, mehrdimensionaler, sich dynamisch entwickelnder Charakter, der sich im Laufe der Geschichte fortwährend emanzipiert.
Eingeführt wird Grusche als Dienstmagd mit einem guten, aber auch dumm-naiven Charakter. Sie ist einfältig, lässt sich ausnutzen und merkt auch nicht, dass der Soldat Simon Chachava Interesse an ihr hat. Werner Hecht schreibt dazu: „Ihr bestürzter Ausdruck kündigt große Einfalt an. Sie ist zu einfältig, um in den Späßen des Soldaten sein Interesse an ihr zu erkennen.“ (Hecht 1985, S. 116).
Fremdcharakterisiert wird Grusche durch die Köchin, die über sie, die glaubt die Kinderfrau habe ihr Michel, den Sohn des Gouverneurs, nur zum halten gegeben, konstatiert: „Die kommt nicht zurück, du Einfältige!“ (Brecht 1955, S. 31), „Grusche, du bist eine gute Seele, aber du weißt, die Hellste bist du nicht.“ (Brecht 1955, S. 31), sowie „ Du bist gerade die Dumme, der man alles aufladen kann. Wenn man zu dir sagt: du läufst nach dem Salat, du hast die längsten Beine, dann läufst du.“ (Brecht 1955, S. 32).
Dennoch wird schon zu Beginn Grusches Menschlichkeit in den Vordergrund gestellt. Während alle inmitten der Kriegswirren fliehen, behält Grusches Gewissen die Oberhand über das Handeln, was als ein klares Zeichen der Figurentiefe im Sinne Pfisters gewertet werden kann, da in diesem Fall bei Grusche das äußere und das innere Verhalten übereinstimmen. So konstatiert bspw. der Sänger: „Wisse, Frau, wer einen Hilferuf nicht hört Sondern vorbeigeht, verstörten Ohrs: nie mehr Wird hören den leisen Ruf des Liebsten noch Im Morgengrauen die Amsel oder den wohligen Seufzer der erschöpften Weinpflücker beim Angelus.“ (sic) (Brecht 1955, S. 33).
Siegfried Mews schreibt diesbezüglich: „Lange saß sie...: diese Szene ist einer ähnlichen Szene in Chaplins Film The Kid nachgebildet; - Schrecklich ist die Verführung zur Güte: das Problem des Gutseins und der Tugenden in einer in Klassen gespaltenen Gesellschaft begegnet bei Brecht häufig, z. B. in der Dreigroschenoper: „Ein guter Mensch sein! Ja, wer wär’s nicht gern? / (...) doch die Verhältnisse, sie sind nicht so.“ (Mews 1980, S. 28).
So nimmt Grusche Michel aus ihrem Pflichtgefühl heraus mit, zwar zögernd, aber dennoch ohne auch nur einen Gedanken an seine Auslieferung zu verschwenden. Doch Grusches Mitgefühl hat auch Schattenseiten, so schreibt Werner Hecht: „Mit dem Mitgefühl für die Magd und der Sympathie für ihre Haltung müssen gepaart sein der Zorn über ihre Bedenkenlosigkeit und über die Dummheit der Unterdrückten, denen die Unterdrücker ihr Leben verdanken.“ (Hecht 1985, S. 103).
Auf der nun folgenden Flucht mit Michel beginnt Grusches Veränderungsprozess und es offenbaren sich ihre Ausdauer und ihre praktische Veranlagung, die Werner Hecht folgendermaßen illustriert: „Die Grusche, die so unter dem Eindruck der Geschehnisse im Palast stand, die sich bewegt des Kindes annahm und die man angstvoll mit dem Kind fliehen sah, erscheint als eine andere Grusche wieder. Sie kommt nicht gedrückt an das Bauernhaus, sie marschiert munter und fröhlich. Jetzt hat sie die Sache angefangen, nun muss sie sehen, wie sie damit fertig wird. Am Wege taucht ein Haus auf. Das ist gut so, denn sie ist darauf aus gewesen, Milch für das Kind zu kaufen. Leute wie Grusche wundern sich nicht, wenn ihnen etwas gelingt oder wenn etwas eintrifft, was sie erwartet haben. Sie finden sich nämlich immer zurecht, auch wenn sie sich anders behelfen müßten, als sie zunächst gedacht hatten. Solche Leute lösen Probleme praktisch.“ (Hecht 1985, S. 103-104).
Dennoch empfindet Grusche Michel auch als Last. Sein Nahrungsbedürfnis kostet sie einen halben Wochenlohn, als sie Milch für ihn kauft, wobei sie erschöpft resümiert: „Michel, Michel, mit dir hab ich mir was aufgeladen. Ein Brokatmantel für 1000 Piaster und keinen Piaster für Milch.“ (Brecht 1955, S. 37). Trotzdem setzt Grusche ihre Reise beharrlich fort und wird sogar erfinderisch, als es darum geht, sich 3 reichen Frauen anzuschließen, indem sie vortäuscht selbst reich zu sein. Doch Grusche hat ihr Standesdenken als Dienstmagd so sehr internalisiert, dass sich sich verrät, indem sie flink und behände die Betten in der Herberge macht, welche sich die Frauen teilen wollten.
Dennoch werden an dieser Stelle 2 Eigenschaften Grusches deutlich. Zum einen ist sie ein grundehrlicher Mensch, denn es liegt ihr fern, zu betrügen. So sagt sie: „Aber ich wollte sogar die 60 Piaster bezahlen, hier. Sehen Sie selbst, ich habe sie; da sind vier Zehner und da ist ein Fünfer, nein das ist auch ein Zehner, jetzt sind’s 60. Ich will nur das Kind auf den Wagen bekommen, das ist die Wahrheit.“ (Brecht 1955, S. 41) und zum anderen begehrt Grusche erstmals gegen die Unmenschlichkeit der Obrigkeit auf, indem sie zornig ruft: „Ihr Unmenschen! Und sie nageln eure Köpfe schon an die Mauer!“ (Brecht 1955, S.42).
Im weiteren Verlauf ihrer Reise treten zum erstenmal, wenn auch zögerlich, Gefühle für Michel auf. Als Grusche erschöpft an einem Bauernhof ankommt denkt sie an ihr Versprechen Simon Chachava gegenüber und fasst den Entschluss, Michel vor dem Bauernhaus abzulegen. Dennoch handelt sie hier keineswegs egoistisch, sondern sie glaubt ihm hier die optimale Perspektive anbieten zu können. So sagt sie: „Jetzt hast du dich wieder naß gemacht, und du weißt, ich habe keine Windeln für dich. Michel, wir müssen uns trennen. Es ist weit genug von der Stadt. So werden sie nicht auf dich kleinen Dreck aus sein, daß sie dich bis hierher verfolgen. Die Bauersfrau ist freundlich, und schmeck, wie es hier nach Milch riecht. So leb also wohl, Michel, ich will vergessen, wie du mich in den Rücken getreten hast die Nacht durch, daß ich gut lauf, und du vergisst die schmale Kost, sie war gut gemeint. Ich hätte dich gerne weiter gehabt, weil deine Nase so klein ist, aber es geht nicht. Ich hätte dir den ersten Hasen gezeigt und – daß du dich nicht mehr naß machst, aber ich muß zurück, denn auch mein Liebster, der Soldat, mag bald zurück sein, und soll er mich da nicht finden? Das kannst du nicht verlangen, Michel.“ (Brecht 1955, S. 44-45).
An dieser Stelle wird sehr gut die Länge ihrer Konzeption deutlich. Für Grusche wird es immer komplizierter auf ihrer Reise mit Michel. Komplikationen, wie hohe Ausgaben oder die Denunziation als Diebin, fordern ihren Tribut. Grusche möchte Michel gerne behalten, aber die schwierigen äußeren Umstände, ihr Versprechen Simon gegenüber und zu guter Letzt ihre eigene Erschöpfung zwingen sie zu diesem Entschluss.
Dennoch illustriert ihr Gebaren deutlich, welches Gefühl sie bereits für Michel empfindet, zumal sie so lange ausharrt, bis die Bäuerin Michel mit in das Haus genommen hat. Noch expliziter kommt es in der sich direkt anschließenden Szene zum Ausdruck, als sie in Panik vor den Panzerreitern zum Haus zurückläuft, einen Panzerreiter niederschlägt, Michel wieder an sich nimmt und mit ihm flieht. Hier demonstriert Grusches Verhalten wieder sehr gut die Länge ihrer Konzeption.
Unmittelbar nachdem Grusche wieder mit Michel auf der Flucht ist, realisiert sie ihre Bestimmung als Michels Mutter, ihre Liebe zu ihm und so nimmt sie ihn als ihr eigenes Kind an. Dieser Moment der Erkenntnis ist zudem Grusches Peripetie im Stück. Ihre rituellen Handlungen des „in Lumpen Wickelns“ und des Taufen zeigen, wie sehr Grusche in ihren sozialen Stand eingebunden ist und beleuchten zudem ihre Religiosität.
Auf ihrer weiteren Reise internalisiert sie ihre Rolle als Mutter vollständig. Sie und Michel sind nun ein Kollektiv, das nichts mehr trennen kann. So nennt sie ihn „Sohn“ und sagt: „Müssen die paar Bissen teilen Kriegst von vieren drei Aber ob sie groß sind Weiß ich nicht dabei.“ (sic) (Brecht 1955, S. 53).
So setzen sie die Reise furchtlos fort, bis sie zu Grusches Bruder kommen, dessen idealisiertes Bild nicht mit der Realität übereinstimmt. Auch hier ist Grusche gezwungen viele Repressalien zu erdulden, indem sie einen fremden Mann heiratet, um für sich und Michel „Papiere“ und somit Respektabilität zu erkaufen.
Grusche ist bereit, alles für Michel zu opfern. Selbst ihre Zuneigung zu Simon Chachava, dem sie aus Prinzipientreue und Liebe, trotz Ehe mit einem anderen Mann, treugeblieben ist, setzt sie aufs Spiel, um Michel behalten zu können. An dieser Stelle wird wiederum die Länge ihrer Konzeption deutlich. Grusche wägt aufgrund der veränderten Situation ab, was ihr am meisten bedeutet und reagiert auch dementsprechend.
Als Grusche letztendlich vor Azdak dem Richter steht und gegen Michels leibliche Mutter kämpfen muss, wird deutlich, wie stark sich Grusche in Verbindung mit den erbrachten Opfern emanzipiert hat. Obwohl sie Gefahr läuft, es sich mit dem Richter zu verscherzen, sagt sie klar und deutlich, was sie von ihm, seiner Willkür und Bestechlichkeit hält, so sagt sie: „Ich hab keinen Respekt vor dir. Nicht mehr als vor einem Dieb und Raubmörder mit einem Messer, er macht, was er will. Du kannst mir das Kind wegnehmen, hundert gegen eins, aber ich sag dir eins: Zu einem Beruf wie dem deinen sollt man nur Kinderschänder und Wucherer auswählen, zur Strafe, dass sie über ihre Mitmenschen sitzen müssen, was schlimmer ist, als am Galgen zu hängen.“ (Brecht 1955, S. 115).
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- Quote paper
- Anonymous,, 2000, Figurenkonzeption in Brechts Kaukasischem Kreidekreis verglichen mit der Aufführung des Berliner Ensembles 1982 unter der Regie von Peter Kupke, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60519
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