Das besondere Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz spiegelt sich unter anderem in der speziellen Behandlung der Grenzgänger wider. Während täglich ca. 36.000 Grenzgänger von Deutschland in die Schweiz einpendeln, sind es umgekehrt lediglich ca. 1.000. Dies zeigt, dass die Schweiz - zu Recht - weithin als „Grenzgängerimportland“ gilt und in Europa zum größten Einpendelland zählt.
Gründe hierfür dürften vor allem wirtschaftlicher Natur sein: vorhandene Arbeitsplätze, höheres Lohnniveau oder auch großzügigere soziale Absicherung sind nur einige Beispiele. Selbst steuerliche Gründe können für die Wahl des Arbeitsortes entscheidend sein.
Trotz der Tatsache, dass der Produktionsfaktor Arbeit weit weniger mobil ist wie Kapital, findet ein reger Grenzverkehr der Arbeitnehmer zwischen beiden Staaten statt. Dies könnte nicht zuletzt auch daran liegen, dass am 1. Juni 2002 das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU in Kraft ge-treten ist. Die steuerliche Behandlung der Grenzgänger nimmt daher eine zentrale Stellung ein.
Ziel dieser Arbeit ist es, dem Leser die steuerrechtliche Betrachtung der Grenzgänger sowohl aus deutscher, als auch aus schweizerischer Sicht näher zu erläutern. Im weiteren Verlauf wird einleitend in Kapitel 2 der Grenzgängerbegriff ausgeführt. Kapitel 3 behandelt die konkrete Verteilung der Besteue-rungsrechte. Eine abschließende Würdigung erfolgt in Kapitel 4.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einführung
2. Grenzgängerbegriff
2.1. Betroffene Einkünfte
2.2. Ansässigkeit im Nicht-Tätigkeitsstaa
2.3. Arbeitseinsatz im anderen Vertragsstaa
2.4. Arbeitstägliche Rückkehr
2.5. Sonstiges
3. Verteilung der Besteuerungsrechte
3.1. Besteuerung im Ansässigkeitsstaa
3.2. Steuerabzug im Tätigkeitsstaa
3.3. Vermeidung der Doppelbesteuerung
3.3.1. Im Ansässigkeitsstaat Deutschland
3.3.2. Im Ansässigkeitsstaat Schweiz
3.4. Wegfall der Grenzgängereigenschaf
4. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Rechtsquellenverzeichnis
Rechtsprechungsverzeichnis
Verzeichnis sonstiger Quellen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einführung
Das besondere Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz spiegelt sich unter anderem in der speziellen Behandlung der Grenzgänger wider. Während täglich ca. 36.000[1] Grenzgänger von Deutschland in die Schweiz einpendeln, sind es umgekehrt lediglich ca. 1.000.[2] Dies zeigt, dass die Schweiz - zu Recht - weithin als „Grenzgängerimportland“ gilt und in Europa zum größten Einpendelland zählt.[3]
Gründe hierfür dürften vor allem wirtschaftlicher Natur sein: vorhandene Arbeitsplätze, höheres Lohnniveau[4] oder auch großzügigere soziale Absicherung sind nur einige Beispiele.[5] Selbst steuerliche Gründe können für die Wahl des Arbeitsortes entscheidend sein.[6]
Trotz der Tatsache, dass der Produktionsfaktor Arbeit weit weniger mobil ist wie Kapital[7], findet ein reger Grenzverkehr der Arbeitnehmer zwischen beiden Staaten statt. Dies könnte nicht zuletzt auch daran liegen, dass am 1. Juni 2002 das Freizügigkeitsabkommen[8] zwischen der Schweiz und der EU in Kraft getreten ist. Die steuerliche Behandlung der Grenzgänger nimmt daher eine zentrale Stellung ein.
Ziel dieser Arbeit ist es, dem Leser die steuerrechtliche Betrachtung der Grenzgänger sowohl aus deutscher, als auch aus schweizerischer Sicht näher zu erläutern. Im weiteren Verlauf wird einleitend in Kapitel 2 der Grenzgängerbegriff ausgeführt. Kapitel 3 behandelt die konkrete Verteilung der Besteuerungsrechte. Eine abschließende Würdigung erfolgt in Kapitel 4.
2. Grenzgängerbegriff
Das DBA[9] zwischen Deutschland und der Schweiz (nachfolgend: DBA D-CH) sieht seit 1994 in Art. 15a eine Sonderregelung für Grenzgänger vor, obwohl das OECD-Musterabkommen eine solche nicht kennt.[10] Mit der Neufassung[11] des Grenzgängerbegriffs in Art. 15a Abs. 2 DBA D-CH sollte die bis dato bestandene Rechtsunsicherheit aufgrund der bisherigen Vereinbarungen behoben werden.[12] Die Regelungen des DBA sind für beide Staaten verbindlich und gehen den jeweiligen nationalen Regelungen vor.[13]
2.1. Betroffene Einkünfte
Unter die Grenzgängerregelung fallen gem. Art. 15a Abs. 1 DBA D-CH nur Vergütungen aus unselbständiger Arbeit. Es hat daher eine Abgrenzung zu den Einkünften aus selbständiger Erwerbstätigkeit[14] zu erfolgen. Darüber hinaus wird durch die Verwendung des Ausdrucks „ungeachtet des Art. 15“ der Grenzgängerregelung ein Vorrang eingeräumt. Dieser wirkt sowohl gegenüber Art. 15 (Unselbständige Arbeit)[15] als auch gegenüber Art. 17 (Künstler, Sportler und Artisten), soweit Einkünfte aus unselbständiger Arbeit erzielt werden. Selbst das „Kassenstaatsprinzip“ des Art. 19 (Öffentlicher Dienst) tritt hier aufgrund gesetzlicher Verankerung[16] zurück. Allerdings werden Ruhegehälter[17] auch weiterhin nach Art. 18 DBA D-CH besteuert.[18]
2.2. Ansässigkeit im Nicht-Tätigkeitsstaat
Die Grenzgängerbestimmung verlangt, dass der Grenzgänger[19] in einem Staat ansässig ist und in dem anderen Staat seinen Arbeitsort hat. Die Ansässigkeit bestimmt sich nach Art. 4 Abs. 1 DBA D-CH und knüpft dabei unmittelbar an den Wohnsitz[20] an. In den Fällen, in denen ein Wohnsitz in beiden Staaten vorliegt[21], regelt die „Tie-Breaker-Rule“ des Art. 4 Abs. 2 DBA D-CH, dass über die Ansässigkeit nach den Kriterien ständige Wohnstätte[22], Mittelpunkt der Lebensinteressen, gewöhnlicher Aufenthalt oder die Staatsangehörigkeit in dieser Reihenfolge entschieden wird.[23] In der Schweiz wird jedoch das Vorhandensein mehrerer Wohnsitze schon dadurch vermieden, dass zwecks Ausfindigmachung eines „Hauptsteuerdomizils“ auf den Lebensmittelpunkt eines Menschen geblickt wird.[24]
Das Wohnsitz-Finanzamt hat dem Grenzgänger die Ansässigkeit auf einem amtlichen Vordruck („Anlage Gre 1“ bzw. bei Verlängerung „Gre 2“) zu bescheinigen.[25] Dieses Verfahren soll die steuerliche Erfassung in einem Vertragsstaat gewährleisten[26], denn die Ansässigkeitsbescheinigung ist Voraussetzung für die „günstige Abzugssteuer“ im Tätigkeitsstaat.[27]
2.3. Arbeitseinsatz im anderen Vertragsstaat
Wie bereits unter 2.2. erwähnt, muss der Grenzgänger in dem anderen als dem Ansässigkeitsstaat (also im Tätigkeitsstaat) seine Arbeitsstelle haben. Der Arbeitsort befindet sich grundsätzlich dort, wo der Arbeitnehmer in den Betrieb seines Arbeitgebers eingegliedert ist bzw. dort, wo er laut Dienstvertrag seine Arbeit überwiegend auszuüben hat.[28]
[...]
[1] Vgl. Grenzgängerstatistik des BfS (4. Quartal 2005).
[2] Nach Auskunft der Grenzgängerinfo e.V. werden in Deutschland die Grenzgänger aus Kostengründen nicht mehr erfasst. Schätzungen zufolge liegt die Zahl schweizerischer Grenzgänger aber in der Nähe der 1.000-Marke. So auch Kolb, Aktuelle Entwicklungen im schweizerisch-deutschen Verhältnis, in: FS Wassermeyer, 2005, 757.
[3] Etwa 40% aller Grenzgänger in Europa pendeln in die Schweiz. Vgl. Gottholmseder, SWI 2006, 165 ff.
[4] Ein drastisches Beispiel soll dies verdeutlichen: Bei einem Lohnniveau in Zürich von 100% beträgt dieses in Berlin brutto 70,3%, netto noch ganze 58,8%. Vgl. Wagner/Plüss, RIW 2004, 416, 417.
[5] Kolb, IWB Nr. 13 vom 10.07.1993, Fach 5, Gruppe 2, 407 ff.
[6] Das EFD bescheinigte unlängst in ihrer Studie „Internationale Standortattraktivität der Schweiz aus steuerlicher Sicht“ vom Februar 2006, 2, dass z.B. im Bereich der Arbeitsanreize die Schweiz für hoch qualifizierte Arbeitskräfte steuerlich attraktiv sei.
[7] Bruchez/Schaltegger, Swiss Federal Finance Administration, October 2005, 2.1.2.
[8] Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999, SR 0.142.112.681. Vgl. dazu Kolb, IFF Forum für Steuerrecht 2004, 22 ff.
[9] Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, v. 11.08.1971 (BGBl. II 1972, 1021), zuletzt geändert durch Revisionsprotokoll v. 12.03.2002 (BGBl. II 2003, 67).
[10] Kempermann in: Flick/Wassermeyer/Wingert/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland – Schweiz, 2004, Art. 15a, Rz. 9; Brandis in: Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, 2006, Art. 15a DBA D-CH, Rz. 19.
[11] Durch das Revisionsprotokoll vom 21.12.1992 (BGBl. II 1993, 1886).
[12] Geiger/Hartmann/Alscher, IStR 1994, 9 ff.
[13] In Deutschland § 2 AO. In der Schweiz Art. 5 Abs. 4 BV.
[14] In Deutschland §§ 13 – 18 EStG. In der Schweiz Art. 18 DBG; Art. 8 StHG.
[15] Die Sonderregelungen für Arbeitnehmer im Transportgewerbe, Bordpersonal (Art. 15 Abs. 3 DBA D-CH) und leitende Angestellte (Art. 15 Abs. 4 DBA D-CH) sind daher erst dann anzuwenden, wenn die Grenzgängerregelung des Art. 15a DBA D-CH nicht zur Anwendung kommt.
[16] Art. 19 Abs. 5 DBA D-CH.
[17] Zwar erfolgt auch hier eine Besteuerung im Ansässigkeitsstaat, allerdings ohne eine entsprechende Beteiligung des Quellenstaats. Bei Abfindungen ist daher eine besondere Abgrenzung erforderlich. Vgl. Grenzgängerhandbuch, Fach A/Teil 2/Nr. 13 und 14; zur Behandlung von Abfindungen vgl. Knies, PiStB 2004, 285 ff.
[18] Kempermann in: Flick/Wassermeyer/Wingert/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland – Schweiz, 2004, Art. 15a, Rz. 14; Brandis in: Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, 2006, Art. 15a DBA D-CH, Rz. 25.
[19] In dieser Arbeit umfasst die Verwendung der maskulinen Form der Einfachheit halber auch die feminine Form, ohne damit eine Wertung zum Ausdruck bringen zu wollen.
[20] In Deutschland § 8 AO. In der Schweiz Art. 3 Abs. 2 DBG; Art. 3 Abs. 2 StHG.
[21] Nach Auffassung des BFH, Urteil v. 22.04.1994, III R 22/92, BStBl. II 1994, 887, liegt bereits dann ein Wohnsitz vor, wenn der Steuerpflichtige ein möbliertes Zimmer zur Benutzung bereithält, in dem sich persönliche Gegenstände befinden. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen muss sich nicht im Inland befinden (BFH, Urteil v. 24.01.2001, I R 100/99, IStR 2001, 349; BFH, Urteil v. 19.03.2002, I R 15/01, DStRE 2003, 346).
[22] Sog. „qualifizierter Wohnsitz“. Vgl. BFH, Urteil v. 16.12.1998, I R 40/97, DStR 1999, 449.
[23] Deiniger, Wegzug aus steuerlichen Gründen, 2004, 18. Ist keines dieser Kriterien erfüllt, so haben die Behörden beider Vertragsstaaten die Frage in gegenseitigem Einvernehmen zu regeln (Art. 4 Abs. 2 Buchst. d) DBA D-CH).
[24] Dies ergibt sich aus dem Erfordernis, dass eine kantonale Doppelbesteuerung vermieden werden soll. Vgl. Tanzer, Der Ansässigkeits-(Wohnsitz-)begriff im international-nachbarschaftlichen Vergleich (Österreich-Deutschland-Schweiz), in: FS Loukota, 2005, 521, 528.
[25] BMF-Schreiben v. 19.09.1994, BStBl. I 1994, 683, Rz. 4-7. Das besondere an diesem BMF-Schreiben ist, dass es ein auf Art. 15a Abs. 4, Art. 26 Abs. 3 DBA D-CH gestütztes gemeinsames Einführungsschreiben ist, welches die Rechtsqualität einer Verständigungsregelung hat.
[26] Brandis in: Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, 2006, Art. 15a DBA D-CH, Rz. 15.
[27] Vgl. Kapitel 3.1.
[28] BMF-Schreiben v. 19.09.1994, BStBl. I 1994, 683, Rz. 8.
- Quote paper
- Dipl.-Finanzwirt (FH) Andreas Pfuhl (Author), 2006, Die Besteuerung der Grenzgänger im Verhältnis Deutschland - Schweiz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60051
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