Stellen Sie sich bitte folgende Situation vor: Sie beobachten einen Bekannten, der hochkonzentriert vor dem Bildschirm seines Computers sitzt, die Maus mit seiner rechten Hand fest umklammert hält und mit der linken die Tastatur bedient. Sie stellen sich hinter ihrem Bekannten auf, schauen ihm über die Schulter und sehen links vom Bildschirm einen Stapel leerer Coladosen. Vor dem Dosenstapel steht ein prall gefüllter, gelber Plastikaschenbecher in Griffweite ihres Bekannten, an dessen Vorderseite die blaue Silhouette eines Kamels prangt. Sie blicken auf den Bildschirm und erkennen den Grund, warum ihr Bekannter ihre Anwesenheit bisher ignoriert hat. Er ist in ein Spiel vertieft, was zum Ziel hat, andere Mitspieler durch ein ganzes Arsenal an (virtuellen) Hieb-, Stich- und Schusswaffen zum (natürlich virtuellen) Ableben zu bewegen; kurz: ein sogenannter ‚Egoshooter’. Obschon Sie Gewalt in Videospielen nicht gutheißen, beobachten sie den Spielverlauf einige Zeit. Dabei fällt ihnen auf, dass ihr Bekannter jedes Mal, wenn sein virtuelles Alter Ego eine Zeit lang vor einer Hausecke stehen bleibt, seinen Oberkörper von links nach rechts bewegt und seltsam anmutende Kopfdrehungen vollführt. Auf ihre Frage, warum er sich so vor dem Bildschirm abmühe, antwortet er - nachdem er kurz über ihre Anwesenheit erschrickt -: ‚Ich muss um die Hausecke schauen, ob dort ein Scharfschütze ist.’ [...]
INHALTSVERZEICHNIS
1 Einleitung
2 Problemstellung
2.1 Wissen und Können im Raum
2.1.1 Wissen und Können in der Theorie des menschlichen Gedächtnisses
2.1.2 Räumliches Wissen und räumliches Können – ein Arbeitsmodell
2.2 Mentale Raumrepräsentationen als Forschungsproblem
2.2.1 Eigenschaften mentaler Raumrepräsentationen
2.2.2 Wahrnehmungs-handlungsbasierte mentale Raumrepräsentationen
2.2.3 Sprachbasierte mentale Raumrepräsentationen
2.2.4 Konvergenzen und Divergenzen sprachlich und per Interaktion erworbenen Raumwissens
2.3 Raumaktualisierung und Perspektivenwechsel
2.3.1 Pfadintegration
2.3.2 Vorgestellte und ausgeführte räumliche Perspektivenwechsel
2.3.3 Zusammenfassung Erwerb und Nutzung räumlichen Wissens
2.4 Die Annahme einer funktionellen Äquivalenz
2.5 Fragestellung, Modellannahmen und Hypothesen
3 Methode
3.1 Erstellung des Versuchsdrehbuchs und Vorversuche
3.2 Versuchspersonen
3.3 Apparate und Materialien
3.4 Versuchsablauf
3.4.1 Instruktionsphase
3.4.2 Lernphase
3.4.3 Übungsphase
3.4.4 Testphase
3.4.5 Abschlussphase
3.4.6 Experimentelles Design
4 Ergebnisse
4.1 Vorgeschaltete Auswertungsschritte
4.1.1 Ausschluss von Probanden
4.1.2 Antwortverhalten
4.1.3 Ausreißereliminierung
4.1.4 Kontrollvariable wiederholte Wissenstests
4.2 Zentrale Resultate
4.2.1 Entscheidungslatenz
4.2.2 Fehler der Richtungsanzeigen
4.2.3 Untersuchung des Effektes der Perspektive auf die Entscheidungslatenzen
4.2.4 Ergebniszusammenfassung der eigenen Untersuchung
4.3 Interexperimentelle Vergleiche
4.3.1 Vergleich der Versuchsbedingungen
4.3.2 Ergebniserwartungen
4.3.3 Entscheidungslatenzen des Vorgängerexperiments
4.3.4 Interexperimentelle Ergebniszusammenfassung
5 Diskussion
5.1 Zusammenfassung der Befunde
5.2 Wissensnutzung nach lokomotorischen Perspektivenwechseln
5.3 Wissensnutzung bei imaginierten Perspektivenwechseln
5.3.1 Die Modellvorstellung eines integrativen Kodes
5.3.2 Die Modellvorstellung einer separaten Kodierung
5.4 Weitere Effekte
5.4.1 Hauptachsen-Nebenachsen-Effekt
5.4.2 Korrelation Repositionierungszeit – Entscheidungslatenz
5.5 Fazit und Ausblick auf weitere Untersuchungen
6 Zusammenfassung
7 Literaturverzeichnis
Anhang
Anhang A - Versuchsdrehbuch sprachlicher Lernmodus
Anhang B - Versuchsdrehbuch sensomotorischer Lernmodus
Anhang C - Informierte Einwilligung
Anhang D - Drehliste
Anhang E - Tabellen
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: . Referenzsysteme als Polarkoordinaten- und kartesische Koordinatensysteme
Abbildung 2: . Homing im Dreieck
Abbildung 3: . Modelle der Pfadintegrationsmechanismen
Abbildung 4: . Perspektivenwechselparadigma.
Abbildung 5: . Akteur-Objekt-Struktur und Objekt-Objekt-Struktur im Modell kognitiver Transformation nach Easton und Sholl (1995)
Abbildung 6: . Interferenzansatz nach May (2000)
Abbildung 7: . Modell der zugrunde liegenden Mechanismen von lokomotorischen versus imaginierten Positionswechsel
Abbildung 8: . Modellannahme
Abbildung 9: . Übersicht über die Experimente
Abbildung 10: Zusammenfassung der Ergebnisvorhersagen
Abbildung 11: Die ‚Arena’ (maßstabsgetreue Darstellung)
Abbildung 12: Darstellung des gesamten Versuchsablaufs
Abbildung 13: Die Tastatur als Anzeigegerät
Abbildung 14: Ablauf eines Richtungsurteils
Abbildung 15: Ablauf eines Perspektivenblocks
Abbildung 16: Mittlere Entscheidungslatenzen in Abhängigkeit von Perspektive und Lernmodus
Abbildung 17: Mittlere Fehlerraten in Abhängigkeit von Perspektive und Lernmodus
Abbildung 18: Vergleich von beispielhaften Probandenprofilen
Abbildung 19: Mittlere Entscheidungslatenzen in Abhängigkeit vom HNE-Index und Lernmodus
Abbildung 20: Vergleich der Versuchsbedingung von Expimag und Explokom.
Abbildung 21: Mittlere Entscheidungslatenzen in Abhängigkeit von Perspektivendisparität und Lernmodus
Abbildung 22: Mittlere Entscheidungslatenzen der Lernmodi in Abhängigkeit von Testmodus und Perspektive
TABELLENVERZEICHNIS
Tabelle 1: Arbeitsmodell Arten und Erwerb räumlichen Wissens
Tabelle 2: Korrelation der Variablen Entscheidungslatenz, Bewegungslatenz und Repositionierungszeit
Tabelle 3: Mittlere Entscheidungslatenzen (in ms) in Abhängigkeit von Perspektive und Lernmodus
Tabelle 4: Zusammenhang der unabhängigen Variable Perspektive (Explokom) und Perspektivendisparität (Expimag).
Tabelle 5: Entscheidungslatenzen (in ms), gemittelt über alle Perspektive unter Ausnahme der 180°-/0°-Abstufung
1 Einleitung
From the moment we enter the world, we are engaged in spatial cognition, in interacting with the world around us and in constructing mental representations of that world and our own place in it (Tversky, 2000, S. 363).
Stellen Sie sich bitte folgende Situation vor: Sie beobachten einen Bekannten, der hochkonzentriert vor dem Bildschirm seines Computers sitzt, die Maus mit seiner rechten Hand fest umklammert hält und mit der linken die Tastatur bedient. Sie stellen sich hinter ihrem Bekannten auf, schauen ihm über die Schulter und sehen links vom Bildschirm einen Stapel leerer Coladosen. Vor dem Dosenstapel steht ein prall gefüllter, gelber Plastikaschenbecher in Griffweite ihres Bekannten, an dessen Vorderseite die blaue Silhouette eines Kamels prangt. Sie blicken auf den Bildschirm und erkennen den Grund, warum ihr Bekannter ihre Anwesenheit bisher ignoriert hat. Er ist in ein Spiel vertieft, was zum Ziel hat, andere Mitspieler durch ein ganzes Arsenal an (virtuellen) Hieb-, Stich- und Schusswaffen zum (natürlich virtuellen) Ableben zu bewegen; kurz: ein sogenannter ‚Egoshooter’. Obschon Sie Gewalt in Videospielen nicht gutheißen, beobachten sie den Spielverlauf einige Zeit. Dabei fällt ihnen auf, dass ihr Bekannter jedes Mal, wenn sein virtuelles Alter Ego eine Zeit lang vor einer Hausecke stehen bleibt, seinen Oberkörper von links nach rechts bewegt und seltsam anmutende Kopfdrehungen vollführt. Auf ihre Frage, warum er sich so vor dem Bildschirm abmühe, antwortet er – nachdem er kurz über ihre Anwesenheit erschrickt –: ‚Ich muss um die Hausecke schauen, ob dort ein Scharfschütze ist.’
Die Fähigkeit von Menschen, sich mit dem sie umgebenden Raum auseinander zu setzen, überspannt einen weiten Bereich. In nahezu jeder bewusst erlebten Situation erhalten wir durch unsere Sinnessysteme Informationen über den Raum, sei es mittels passiver Aufnahme externer Sinneseindrücke – z.B. das Betrachten einer Umgebung und das Hören von akustischen Signalen – oder durch eigene Handlungen im und die Wahrnehmung dieser eigenen Interaktion mit dem Raum, z. B. bei eigenen Bewegungen. Wir sind in der Lage, uns auf verschiedenen Ebenen der Wahrnehmung mit dem uns umgebenden Raum auseinander zu setzen und mithilfe aller dieser Sinneseindrücke eine mentale Repräsentation räumlicher Situationen zu erzeugen, über einen gewissen Zeitraum aufrechtzuerhalten, mental zu inspizieren und die präsenten Gedächtnisinhalte für zielgerichtetes, planendes Handeln im Raum zu reflektieren und zu nutzen.
Weiterhin ist uns Menschen die Fähigkeit zu Eigen, anderen in einer Kommunikations-situation selbst den Aufbau einer mentalen Raumrepräsentation zu ermöglichen, obschon diese niemals eigene Sinneseindrücke über den beschriebenen Raum erfahren haben. Man denke dabei an das – aufgrund moderner Navigationsgeräte immer seltener auftretende – Erlebnis des ‚Anhalten-und-nach-dem-Weg-Fragens’, was selten sofort von Erfolg, jedoch umso häufiger von dem Erkenntnisgewinn gekrönt wird, dass der erinnerte Raum eine subjektive Qualität hat: auch bzw. gerade Einheimische schätzen Distanzen oftmals falsch ein. Und doch gelingt es uns in den meisten Fällen, aus gesprochenem oder gedrucktem Wort eine interne bzw. mentale Repräsentation der beschriebenen Szene zu konstruieren, zu memorieren und bei Bedarf abzurufen.
Ein Beispiel: Erinnern Sie sich bitte an die anfangs beschriebene Geschichte vom Computer spielenden Bekannten, der in der realen Welt um virtuelle Hausecken schauen wollte. Stellen Sie sich jetzt bitte vor, sie säßen anstelle des Bekannten und blickten auf den Bildschirm. Nehmen Sie sich ruhig ein wenig Zeit, um sich die Situation zu vergegenwärtigen.
Nun beantworten Sie bitte – natürlich ohne umzublättern – folgende Fragen:
- Wo befindet sich der prall gefüllte, gelbe Aschenbecher mit der blauen Kamelsilhouette?
- Wo befindet sich der Haufen leerer Coladosen?
- Mit welcher Hand bedienen sie die Maus, mit welcher die Tastatur?
- Abschließend: Wo befindet sich der Aschenbecher, wenn sie sich vorstellen, ihrem Bekannten gegenüberzustehen?
Wie an diesem kurzen Exempel gezeigt werden sollte, ist ein flexibler Zugriff auf räumliches Wissen möglich, selbst wenn dieses nicht durch eigene Erfahrungen erworben wurde, d. h. keine Wahrnehmung der räumlichen Szene und der eigenen Person als Bestandteil davon stattfand.
Die vorliegende Arbeit wurde im Kontext des interdisziplinären Forschungsprojektes ‚Wissen und Können’ der Volkswagen-Stiftung angefertigt, in welchem der Frage nachgegangen wird, wie menschliches Wissen beschrieben werden kann, ausgehend von einer Theorie des Philosophen Gilbert Ryle, der verbalisierbares Faktenwissen von nicht verbalisierbarem Wissen über die Ausführung von Tätigkeiten unterschied. In einem Teilprojekt werden diese Annahmen für den Bereich der Raumkognition spezifiziert, da Letztere insofern Möglichkeiten für die Erforschung der Unterschiede zwischen den Wissensarten eröffnet, als dass der umgebende Raum – wie eingangs erläutert – einerseits durch verbale Beschreibung abstrakt erfasst und wiedergegeben, d. h. Wissen über den Raum erworben und abgerufen werden kann. Andererseits basieren menschliche Leistungen im Umgang mit dem Raum zu einem großen Teil auf Fähigkeiten, die zwar im Raum ausgeführt werden können , deren zugrunde liegende Regeln oder Informationen jedoch nicht verbal erfassbar sind. Grundannahme dieses Teilprojektes ist es, dass Wissen und Können in disparaten Formaten mental repräsentiert sind, welche im engen Zusammenhang mit dem Erwerb räumlicher Informationen stehen. Hierbei wird postuliert, dass durch sprachliche Beschreibung mentale Raumrepräsentationen erworben werden, die dem verbalisierbaren ‚Wissen’ nahe stehen, während durch Wahrnehmung des und/oder Handlungen im Raum solche aufgebaut werden, die in enger Beziehung zum nicht verbalisierbaren ‚Können’ stehen.
Diese mögliche Dualität des Erwerbs mentaler Repräsentationen – Wahrnehmung oder sprachliche Beschreibung – führt zu der Frage, ob diese Differenzen in der Akquise auch zu Unterschieden in der Anwendung räumlichen Wissens führen. Für den Fall des oben aufgeführten Beispiels könnte nachgefragt werden, ob sich Ihre Gedächtnisleistungen verbessert hätten, wenn Sie die Szene tatsächlich gesehen oder gar anstelle des Bekannten gesessen, selbst die Coladosen gestapelt und den Aschenbecher gefüllt hätten. Oder, um von der konkreten Situation Abstand zu nehmen und auf die Frage einzugehen, mit der sich diese Arbeit beschäftigen soll: Zeigen sich Unterschiede in der Nutzung von Raumwissen, wenn dies entweder durch sprachliche Beschreibung oder direkte Wahrnehmung bzw. Wahrnehmung der eigenen Handlungen im Raum vermittelt wird?
Die Arbeit gliedert sich wie folgt: Zuerst werden im Kapitel 2 Theorien und Befunde anderer Untersuchungen geschildert, die den theoretischen Rahmen für die hier geschilderten Untersuchungen vorgeben. Hierbei soll zum einen auf Annahmen bezüglich der oben erwähnten Trennung zweier Wissensarten in der Theorie des menschlichen Gedächtnisses und deren Spezifizierung für den Bereich der Raumkognition eingegangen werden, woran sich die Darstellung einiger Befunde zu Eigenschaften entweder sprachlich oder wahrnehmungs-handlungsbezogen erworbener mentaler Raumrepräsentationen anschließt. Darauf folgend werden Befunde und Modellannahmen aus Untersuchungen betrachtet, die sich mit räumlichen Fähigkeiten des Menschen auseinander setzen, d. h. Beispiele für nicht verbalisierbare Leistungen im Umgang mit dem Raum darstellen. Der Problemstellungsteil gipfelt in der Darstellung der eigenen Modellannahmen und Hypothesen bezüglich des Einflusses des Erwerbsmodus von Raumwissen auf die Nutzung desselben in einer räumlichen Aufgabenstellung. Letztere wird im Kapitel 3 dargestellt. Es handelt sich hierbei um das im Bereich der Raumkognition gut untersuchte experimentelle Paradigma ausgeführter Perspektivenwechsel, d. h., die Probanden hatten die Aufgabe, eine Anordnung von Objekten im Raum entweder sprachlich oder handlungsbezogen zu lernen und dieses Wissen unter wechselnden Ausrichtungen des eigenen Körpers abzurufen. Im Gegensatz zum eingangs dargestellten Beispiel wurden die Perspektivenwechsel jedoch nicht nur in der Vorstellung, sondern real durch Eigenbewegung (Lokomotion) ausgeführt. Im darauf folgenden Kapitel 4 werden die Ergebnisse dieses Experimentes und die eines Vorgängerversuchs dargestellt, da nur durch diesen interexperimentellen Vergleich die eigenen Annahmen bzw. Modellvorstellungen über die Nutzung sprachlich oder handlungsbezogen erworbenen Wissens bestätigt oder falsifiziert werden können. Die dargestellten Ergebnisse werden dann im Kapitel 5 unter der Fragestellung diskutiert, inwieweit sich die Befunde aus beiden Experimenten mit den eigenen Annahmen eines durch die zwei Lernmodi (Handlung und Sprache) bedingten Erwerbs disparater mentaler Raumrepräsentationen in Einklang bringen lassen. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung in Kapitel 6.
2 Problemstellung
Die theoretische Betrachtung beinhaltet fünf Abschnitte. Im Kapitel 2.1 soll ein Einblick in die Unterscheidung von Wissen und Können in der Theorie des menschlichen Gedächtnisses getätigt werden, welche anschließend mit Blick auf den Erwerb räumlichen Wissens in der Erläuterung des dieser Arbeit zugrunde liegenden Arbeitsmodells konkretisiert wird. Anknüpfend an die in diesem Abschnitt getroffene Unterscheidung von sprach- und handlungsbasiertem Wissen wird im Kapitel 2.2 auf die Untersuchung der menschlichen Fähigkeit eingegangen, mentale Raumrepräsentationen zu erwerben. Hierbei werden einige ausgewählte Befunde vorgelegt, die Eigenschaften der Repräsentations-formate offen legen, welche in engem Zusammenhang mit der Erwerbsart des Raumwissens stehen. Nachfolgend werden im Kapitel 2.3 zwei Untersuchungsmethoden mit jeweils zugehörigen Ergebnissen und abgeleiteten Modellannahmen betrachtet, die den Erwerb und die Nutzung von Raumwissen durch Wahrnehmung des und Interaktion mit dem Raum behandeln. Anschließend wird im Kapitel 2.4 eine Studie vorgestellt, die nach Meinung der Autoren ein Nachweis für eine funktionelle Äquivalenz perzeptuell und sprachlich erworbenen Wissens ist und das in dieser Untersuchung verwendete experimentelle Paradigma verwendet. Abschließend für die theoretische Herleitung werden in Kapitel 2.5 die eigene Modellannahme und die daraus abgeleiteten Hypothesen erläutert.
2.1 Wissen und Können im Raum
2.1.1 Wissen und Können in der Theorie des menschlichen Gedächtnisses
Eine erste Unterscheidung von Wissen, über welches der Mensch verfügt, geht auf den Philosophen Gilbert Ryle zurück, der dem verbalisierbaren Wissen über ein Objekt oder eine Tätigkeit (‚knowing that’), das nicht verbalisierbare Wissen über die Ausführung einer Tätigkeit (‚knowing how’) gegenüberstellte. Er wies damit auf die Verschiedenheit dieser beiden Wissensarten hin, die sich zu folgendem Satz zusammenfassen lässt: Tätigkeiten ausführen können ist etwas anderes, als um Tatsachen zu wissen . Er postuliert, dass keine zwingende Voraussetzung zwischen beiden Wissensformen existieren muss, d.h. Wissen impliziert nicht automatisch Können und umgekehrt (Oswald & Gadenne, 1984, S. 174).
Als ein Beispiel lässt sich hier anführen, dass viele Menschen Turnübungen am Barren unter den verschiedensten Gesichtspunkten beschreiben können, jedoch beim Versuch, diese vorzuführen, zum häufig schmerzhaften Scheitern verurteilt sind, während andere diese Übungen ohne Probleme ausführen , ohne zur Beschreibung ihrer Tätigkeiten und Handgriffe in der Lage zu sein.
Die Unterscheidung zwischen den Wissensarten wurde zum Ende der 70er- bzw. der beginnenden 80er-Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts vor dem Hintergrund der aufkeimenden Informatik und der Erforschung künstlicher Intelligenzen (KI) umfassend diskutiert, da hierbei zwischen einer Datenbasis (Wissen) und den darauf arbeitenden Prozessen (Prozeduren) unterschieden werden musste (Haider-Hasebrink, 1990).
Ein in der Theorie des menschlichen Gedächtnisses einflussreicher psychologischer Ansatz, der eine vergleichbare Trennung zwischen den Wissensarten postulierte, war die von Anderson (1983) eingeführte Unterscheidung zwischen deklarativem und prozeduralem Gedächtnis bzw. Wissen (vgl. weiterhin: Anderson, 2001). Er definierte das deklarative Wissen als ein Faktenwissen, d. h. als Annahmen über einzelne Sachverhalte bzw. allgemeine Zusammenhänge, wohingegen das prozedurale Wissen kognitive Mechanismen beinhaltet, die die Person befähigen, komplexe kognitive und motorische Handlungen durchzuführen, ohne dies bewusst kontrollieren oder artikulieren zu müssen; kurz: Im deklarativen Wissen spiegelt sich das ‚knowing that’, im prozeduralen dagegen das ‚knowing how’ wider (Oswald & Gadenne 1984, S. 173). Das prozedurale Wissen einer Person beschränkt sich hierbei nicht auf den Bereich motorischer Fertigkeiten, es umfasst ebenso Prozeduren z. B. zur Produktion grammatikalisch korrekter Aussagen. Die modellhaft ausgeführte Trennung zwischen deklarativem und prozeduralem Wissen konnte in verschiedensten Bereichen – sei es die kognitive Psychologie oder auch die Erforschung künstlicher Intelligenz im Bereich der Informatik – bestätigt werden (vgl. Oswald & Gadenne, 1984; Anderson, 2001).
In Untersuchungen mit Patienten, die Läsionen in bestimmten Bereichen des Gehirns aufweisen, wurde diese Unterscheidung der Wissensarten ebenfalls belegt. Ein in diesem Zusammenhang oft zitiertes Beispiel ist der Patient mit den Initialen H. M., dem aufgrund therapieresistenter Krampfanfälle Teile der medialen Temporallappen entfernt wurden, was zur Folge hatte, dass er seither sowohl an retrograder (d. h. Verlust von Erinnerungsbeständen, die in der Vergangenheit aufgenommen wurden) als auch an anterograder Amnesie (d. h. Verlust der Fähigkeit, neue Informationen aufzunehmen und zu erinnern) leidet. Diese Defizite zeigt er für den Bereich des deklarativen, nicht aber für das nondeklarative, prozedurale Gedächtnis. Zum Beispiel ist er in der Lage, Fertigkeiten (z. B. Spiegelzeichnen) zu erwerben und diese aufrechtzuerhalten, er kann sich jedoch nicht erinnern, diese Fähigkeit einmal erlernt zu haben oder was Spiegelzeichnen ist (Buchner & Brandt, 2002, S. 499f).
In der Literatur finden sich verschiedene Ansätze zur Differenzierung zwischen deklarativem und prozeduralem Gedächtnis im Bereich des Wissenserwerbs und der Wissensnutzung (vgl. im Folgenden: Anderson, 2001, Kap. 6, 7 u. 9; Haider-Hasebrink, 1990, S. 5; Kluwe, 1996, S. 201-207; Oswald & Gadenne, 1984, S. 174-182).
In der Phase des Wissenserwerbs unterscheiden sich prozedurales und deklaratives Wissen insofern, als dass der Erwerb von Fähigkeiten (prozedural) graduell vonstatten geht und Übung verlangt, Faktenwissen (deklarativ) hingegen unmittelbar, d. h. während einmaliger Darbietung erworben werden kann. Verschiedene Autoren (z. B. Anderson, 1983, 2001) sprechen sich in diesem Zusammenhang dafür aus, dass deklaratives und prozedurales Wissen mitnichten als vollständig voneinander gelöst betrachtet werden kann, sondern dass vielmehr eine Übertragung von Wissensinhalten zwischen beiden Systemen stattfindet. Nach Anderson (1983, 2001) wird prozedurales Wissen aus deklarativem generiert, was in Form eines ‚Feintunings’ (d. h. der stetig genaueren Abstimmung) bei häufiger Handlungsausführung geschieht. Dies bedeutet, dass beim Erwerb von Fertigkeiten nach Anderson (1983, 2001) zuerst flexibles, deklaratives Wissen in Form von Aussagen (Propositionen) vorliegt, und somit das Lernen auch von Fertigkeiten zuerst explizit, z. B. durch Beschreibung der notwendigen Tätigkeiten erfolgt. Die Übertragung in prozedurales Wissen erfolgt durch die Handlungsausführung, mittels derer Prozeduren aufgebaut werden, die nicht per direkter, bewusster Inspektion veränderbar sind. Anderson (1983, 2001) unterscheidet den Erwerb von Fertigkeiten, d. h. die Erzeugung von prozeduralem aus deklarativem Wissen, hierbei in drei Phasen: die kognitive Phase, die assoziative Phase und die autonome Phase (Anderson, 2001, S. 282-284). Er bezeichnet diesen Prozess als „Prozeduralisierung“ (Anderson, 2001, S. 291), und sieht demnach ein Kontinuum zwischen deklarativem und prozeduralem Wissen vor. Das zu Beginn vorliegende deklarative Wissen über die Handlungsausführung wird von Oswald & Gadenne (1984) als präskriptives Handlungswissen bezeichnet.
Jedoch auch die entgegengesetzte Transformation der Wissensinhalte erscheint möglich und notwendig, um prozedurales Wissen über Verbaldaten zu erfassen, d. h. um deklaratives Wissen über eigene Prozeduren zu erwerben (Haider-Hasebrink, 1990). Dies geschieht laut Oswald & Gadenne (1984) jedoch nicht durch introspektive, sondern retrospektive Betrachtung von Handlungsvorgängen, d. h. der post hoc-Inspektion von „… Ausgangsbedingungen, Zwischenstationen und Endergebnisse ihrer kognitiven Aktivität …“ (Oswald & Gadenne 1984, S. 181). In diesem Fall kommt es zu einer Hypothesen-bildung über die den Handlungsprozessen zugrunde liegenden Prozeduren, wobei diese Hypothesen über das prozedurale Wissen keinen Anspruch auf Korrektheit haben. Dieses durch post hoc-Analysen von Handlungsprozessen generierte deklarative Wissen wird von Oswald & Gadenne (1984) als hypothetisches Handlungswissen bezeichnet.
Im Abruf des Wissens zeigen sich Unterschiede zwischen den Wissensarten zum einen in der Kommunizierbarkeit. Deklaratives Wissen kann – wie die Bezeichnung es bereits nahe legt – verbalisiert werden, wohingegen Prozesse und Regeln, die Handlungen zugrunde liegen, nicht kommunizierbar sind. Prozedurales Wissen kann nur durch Ausführung einer Aufgabe gezeigt werden, d. h., es erschließt sich im Verhalten und kann nicht verbalisiert werden.
Eine weitere Unterscheidung zwischen den Wissensarten besteht in der Überprüfbarkeit der Veridikalität der Gedächtnisinhalte. Während deklaratives Wissen als Faktenwissen auf niedrigster Ebene – in Form einfacher Aussagen – in wahr und falsch bzw. in bekannt oder unbekannt ohne weitere Abstufungen zwischen diesen beiden Polen eingeordnet werden kann, ist die Güte, d. h. die anforderungsgerechte Nutzung prozeduralen Wissens nicht durch diese Kategorisierung in wahr und falsch zu beschreiben und wird insofern wertfrei betrachtet. Entscheidend ist die Qualität der Ausführung, nicht die Reflexion der Begründung für das Verhalten. Im Gegensatz zum deklarativen Wissen sind Abstufungen in der Bewertung der Güte des angewandten prozeduralen Wissens möglich.
Beide Wissensarten unterscheiden sich zudem in der Zuwendung von Aufmerksamkeit bei der Wissensnutzung: Während auf prozedurales Wissen automatisch ohne ein bewusstes Erinnern der zugrunde liegenden Regeln zurückgegriffen wird und Handlungen ohne bewusste Planung ausgeführt werden können, verlangt der Abruf deklarativen Wissens die Zuteilung von Aufmerksamkeit. Hierbei gilt es nach Oswald & Gadenne (1984) zu beachten, dass nicht nur die Endprodukte oder das Endresultat eines kognitiven Prozesses, sondern auch Zwischenergebnisse oder Lösungsschritte Zugang zum Bewusstsein erlangen können, ohne dass die zugrunde liegenden Prozeduren oder Heuristiken bewusst wahrnehmbar ablaufen (Oswald & Gadenne 1984, S. 179).
Im Folgenden soll das eben behandelte Thema – die Unterscheidung zwischen deklarativem und prozeduralem Wissen als ein Themengebiet der Beschreibung mensch-licher Gedächtnisleistungen – mit den der eigenen Untersuchung zugrunde liegenden Annahmen in Verbindung gesetzt werden, d.h., es schließt sich eine Betrachtung des Dualismus von Wissen und Können im Zusammenhang mit dem Raum an, was meines Wissens ein noch weitgehend unerforschter Bereich der Kognitionswissenschaft ist. Dabei soll – mit Bezug auf die eingangs genannte Fragestellung – geklärt werden, wie Wissen über den eine Person umgebenden Raum erworben werden kann, inwiefern sich die Trennung in deklaratives und prozedurales Wissen im räumlichen Kontext widerspiegelt bzw. wodurch sich die beiden Wissensarten auszeichnen. Hierzu wird das dieser Arbeit zugrunde liegende Modell des Erwerbs und der Repräsentation räumlichen Wissens erläutert, wonach die Darstellung einiger Befunde und Modelle vorhergehender Untersuchungen erfolgt, die Aussagen zu dem Themengebiet Sprache über und Handlung im Raum tätigen.
2.1.2 Räumliches Wissen und räumliches Können – ein Arbeitsmodell
Entscheidend für diese Arbeit ist die Annahme, dass Wissen und Können im räumlichen Kontext durch verschiedene Systeme bzw. Mechanismen repräsentiert werden. In Anlehnung an ein Arbeitsmodell von May und Schütz (2006) wird in dieser Arbeit davon ausgegangen, dass die Repräsentation räumlicher Informationen einerseits in Form eines sensomotorischen Kodes, andererseits in Form von Propositionen erfolgen kann (vgl. May & Schütz, 2006). Die Tabelle 1 fasst die von May und Schütz postulierten Annahmen bezüglich der Verbindung deklarativen und prozeduralen Wissens, konkretisiert auf den Bereich Wissen über den Umraum[1], zusammen.
Tabelle 1: Arbeitsmodell Arten und Erwerb räumlichen Wissens
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anmerkung: nach May & Schütz (2006).
Das Arbeitsmodell von May und Schütz (2006) sieht für das räumliche Wissen – als ein auf den Untersuchungsgegenstand Raum eingeschränktes deklaratives Wissen – ein propositionales, d. h. sprachnahes Repräsentationsformat im Sinne von Aussagen vor, die den Umraum einer Person beschreiben. Daher wird angenommen, dass räumliches Wissen – als eine Anzahl von Relationen zwischen Objekten – durch verbale Kommunikation erworben und in Form dieser Relationen beschreibenden Propositionen gespeichert und langfristig aufrechterhalten, d. h. mental repräsentiert wird.
Demgegenüber sehen May und Schütz (2006) für das räumliche Können (prozedurales Wissen) ein sensomotorisches, d. h. perzeptiv-handlungsbezogenes Repräsentationsformat vor, welches vereinfacht in Form von Wahrnehmungs-Handlungs-Schleifen (vgl. ‚perception-action cycle’ nach Gibson, 1986) vorstellbar ist: Räumliche Situationen werden wahrgenommen, Handlungen ausgeführt und sowohl die eigenen Handlungen, als auch die Auswirkungen dieser Aktionen auf die gegenwärtige räumliche Situation wiederum wahrgenommen, enkodiert und gespeichert. Es werden dabei Verknüpfungen zwischen den sensorischen Inputs und den motorischen Verhaltensantworten gebildet und langfristig repräsentiert. Das sensomotorische Repräsentationsformat spezifiziert damit das prozedurale Wissen als ein operationales, handlungsnahes Wissen, d. h. die mentale Repräsentation der Interaktion mit dem Raum, welche man durch Handeln im Raum erwerben und in ebensolchen Situationen wieder abrufen kann. May und Schütz (2006) postulieren demnach, dass Wahrnehmung von und Handlung im Raum in einem identischen, sensomotorischen Format repräsentiert ist.
May und Schütz (2006) nehmen an, dass Personen zu einem bestimmten Zeitpunkt Wissen über räumliche Situationen aufbauen, welches – abhängig von der Darbietungsart der räumlichen Informationen (direkte Interaktion oder verbale Beschreibungen des Umraums) – in Form sensomotorisch oder propositional kodierter Raumrepräsentationen, d. h. in disparaten Repräsentationsformaten vorliegen kann, was sich wiederum behavioral nachweisen lässt. Das Arbeitsmodell trifft hierbei keine Aussagen über einen eventuell vorhandenen Übergang zwischen den Wissensarten im Sinne der Anderson’schen Prozeduralisierung (Anderson, 2001).
Nachdem die dieser Arbeit zugrunde liegenden allgemeinen Annahmen über räumliches Wissen und Können geschildert wurden, soll sich das nachfolgende Kapitel mit Befunden über die menschliche Befähigung beschäftigen, mentale Repräsentationen räumlicher Anordnungen zu erwerben. Da die hier vorliegende Arbeit meines Wissens einer der ersten Ansätze ist, die bislang lediglich unter gedächtnistheoretischer Hinsicht experimentell überprüfte Trennung von deklarativem und prozeduralem Wissen auf das Gebiet der Raumkognition auszuweiten, werden hierbei Untersuchungen betrachtet, die sich sowohl mit dem sprachlichen als auch dem wahrnehmungs- und handlungsbasierten Erwerb mentaler Raumrepräsentationen beschäftigen. Trotz einer bemerkenswerten Vielfalt und methodischer Heterogenität der Studien, die sich mit der mentalen Repräsentation räumlicher Informationen beschäftigen, finden sich experimentelle Belege für den Einfluss eigener, handelnder Interaktion mit dem Raum zumeist nur in einer Variation der Testsituation, d. h. der Nutzung erworbenen Wissens, nicht aber in der Phase der Wissensakquise.
2.2 Mentale Raumrepräsentationen als Forschungsproblem
Beginnend mit Tolmans (1948) Aufsatz ‚Cognitive maps in rats and man’, der – in eigentlich behavioristischer Forschungstradition – gleichsam die Geburtsstunde der Kogni-tionspsychologie darstellt, haben sich mannigfaltige Studien aus verschiedenen Bereichen der psychologischen Forschung mit dem Thema der mentalen Repräsentation von Räumen auseinander gesetzt. Untersuchungen sowohl im Bereich der menschlichen Wahrnehmung als auch der Sprache haben Befunde geliefert, die darauf hindeuten, dass mentale Raum-repräsentationen gleichsam durch direkte, perzeptive Inputs und rein verbale Beschreibung des Personen umgebenden Raumes aufgebaut werden, wobei ein enger Zusammenhang zwischen den Erwerbsmodi und den Eigenschaften der jeweils erworbenen mentalen Raumrepräsentation des häufigeren bestätigt wurde (Tversky, 2000, S. 364).
In diesem Kapitel wird zuerst auf Eigenschaften mentaler Raumrepräsentationen eingegangen, die unabhängig von der Erwerbsart vorliegen (Kap. 2.2.1). Darauf folgend wird sich mit den Eigenarten wahrnehmungs-handlungsbasierter und sprachlicher Raum-repräsentationen beschäftigt (Kap. 2.2.2 und 2.2.3), wonach einige wenige Beispiele von Untersuchungen angeführt werden, die auf Konvergenzen und Divergenzen zwischen solcherart erworbenen Raumrepräsentationen hinweisen (Kap. 2.2.4).
2.2.1 Eigenschaften mentaler Raumrepräsentationen
Nach Tversky (2000) stützen Befunde aus Untersuchungen, die sich mit sprach- und wahrnehmungsbasiertem Raumwissen beschäftigen, die Annahme, dass sich Repräsentationen von Räumen als hierarchisch organisierte, mentale Konstruktion beschreiben lassen, die aus Elementen und nichtmetrischen Relationen zwischen ihnen bestehen. Diese Elemente können – eingeschränkt auf den Untersuchungsgegenstand des Umraums (siehe Anm. 1) – nahe und entfernte Objekte oder auch andere Menschen sein, welche entweder in Relation zueinander oder in Relation zu einer übergeordneten Raumreferenz enkodiert und gespeichert werden (Tversky, 2000, S. 364).
In Anlehnung an Tversky (2000) kann daher der Raumreferenz eine wesentliche Rolle sowohl bei der Konsolidierung als auch beim Abruf räumlichen Wissens zugesprochen werden. Wenn die Lage von Objekten oder Elementen in einem Raum mental repräsentiert werden soll, so erscheint es notwendig, diese in eine Relation zu anderen Objekten oder der eigenen Person zu setzen, da nach Saade (2000) „… eindeutige Angaben über räumliche Positionen einzelner Objekte in der Außenwelt und dadurch auch die eindeutige mentale Repräsentation dieser räumlichen Informationen … nur in Relation zu anderen räumlichen Informationen möglich [sind]“ (Saade, 2000, S. 4). Auch May (2000) erkennt in Referenzsystemen (synonym wird auch von Referenzrahmen gesprochen) ein „… zentrales Konzept bei der Verarbeitung und Repräsentation von Umrauminformationen …“, da sie seiner Meinung nach die Funktion haben, „… Raumwerte von Objekten und Ereignissen organismusintern festzulegen und der weiteren Verarbeitung zugänglich zu machen.“ (May, 2000, S. 12). Referenzsysteme können formal als Koordinatensysteme beschrieben werden, die (1) durch einen Ursprung (Origo), (2) mindestens eine, durch den Ursprung verlaufende Koordinatenachse als Referenzrichtung und (3) eine Skalierung entlang der Achse[n] definiert sind und auf Polarkoordinaten oder kartesischen Koordinaten beruhen (May, 2000, S. 13).
In der Literatur finden sich verschiedene Ansätze, Referenzsysteme nach Art der beinhalteten Raumreferenzen zu kategorisieren (vgl. Janzen, 2000, S. 37-40; Klatzky, 1998; Knauff, 1997, 126-133; May, 2000, S. 12-15; Saade, 2000, S. 4-11; für den Bereich sprachbasierten Lokalisierens insbesondere: Herrmann & Schweizer, 1998, S. 48-56; einen Überblick bietet: Tversky, 2000, S. 364). Häufig wird im Zusammenhang mit der Verarbeitung und Repräsentation von Rauminformationen zwischen akteurbezogener (egozentrischer) und umweltbezogener (allozentrischer) Raumreferenz unterschieden, die im Falle verbaler objektbezogener Raumwertverarbeitung zumeist noch um eine Kategorie (intrinsisches Referenzsystem) erweitert wird (May, 2000, S. 13; Saade, 2000, S. 5-7). Einen Überblick über die unterschiedlichen Referenzsysteme bietet Abbildung 1.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Referenzsysteme als Polarkoordinaten- und kartesische Koordinatensysteme. Bei allozentrischen Referenzsystemen (Abb. 1a) sind Koordinatenursprung und Referenzrichtung (y-Achse) zumeist durch realräumliche Strukturen (z. B. Zimmerwände, -decke), in egozentrischen Referenzsystemen (Abb. 1b) durch die Position und Blickrichtung des Akteurs definiert. In intrinsischen Referenzsystemen (Abb. 1c) wird der Koordinatenursprung auf die Position eines Objektes auferlegt und die Referenzrichtung aus den Merkmalen des Objektes bestimmt (z. B. Kfz: vorne = in Fahrtrichtung). Die verschiedenen Referenzsysteme werden einerseits als Polarkoordinaten- (Abb. 1a-c oben) andererseits als kartesische Koordinatensysteme (Abb. 1a-c unten) dargestellt. Die Objektlokationen werden bei Ersteren in Form von paarigen Winkel- und Distanzinformationen bezüglich des Koordinatenursprungs und der Referenzrichtung, bei Letzteren als x- und y-Koordinaten angegeben (vgl. May, 2000, S. 13f).
Tversky und Lee (1998) benennen einige Faktoren, die in der Wahl von Raumreferenzen eine entscheidende Rolle spielen, wobei ihrer Aussage nach sowohl Bottom-up- als auch Top-down-Prozesse beeinflussend wirken können. So werden einerseits Referenzsysteme aufgrund von perzeptiven Inputs (umfassende Darstellung in Berthoz, 2000, Kap. 4), andererseits durch aktuelle Ziele, pragmatische Faktoren und/oder erworbene Erfahrungen konstruiert und konsolidiert (Tversky & Lee, 1998, S. 164; vgl. Saade, 2000, S. 5 u. Tversky, 2000, S. 364). Als ein Beispiel für Ersteres dient nach Tversky & Lee (1998) auch der eigene Körper als Referenzsystem, wobei die unter-schiedlichen Achsen (oben-unten; vorne-hinten; links-rechts) mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad des Abrufs von Informationen verbunden sind. Diese Annahmen werden zu einem späteren Zeitpunkt – im Zusammenhang mit der Nutzung räumlichen Wissens – erläuternd aufgegriffen.
2.2.2 Wahrnehmungs-handlungsbasierte mentale Raumrepräsentationen
Zum Erwerb einer sensomotorischen Raumrepräsentation dienen Systeme der exterozeptiven und propriozeptiven Wahrnehmung, durch die Beobachter eine räumliche Umgebung und ihre eigene Position relativ dazu wahrnehmen können. Während der Beitrag der verschiedenen Systeme der Exterozeption – der außenbezogenen Wahr-nehmung mittels visueller, auditiver, olfaktorischer und taktiler Informationen – vor allem im Bereich des visuellen Systems häufig untersucht und diskutiert wurde, wird die Wichtigkeit der Beiträge der Propriozeption – der Wahrnehmung des eigenen Körpers mittels vestibulärer, kinästhetischer und motor-efferenter Informationen – für die Interaktion mit dem Raum zum Teil systematisch unterschätzt (May, 2004a; zum Beitrag der einzelnen Sinnessysteme an der Raumwahrnehmung vgl.: Berthoz, 2000; May, 2000; Restat, 1999; zur Kohärenz der verschiedenen Sinnessysteme siehe die umfassende Darstellung von Berthoz, 2000, Kap. 3). May (2000) nimmt in diesem Zusammenhang an, dass propriozeptive Systeme eine eigenständige, auf niedriger Verarbeitungsebene verortete mentale Repräsentation des eigenen Körpers (‚Körperselbst’) aufbauen, die entscheidenden Einfluss auf Leistungen des räumlichen Schließens haben.[2] Verschiedene Befunde weisen auf die Bedeutung propriozeptiver Informationen über die eigene Interaktion mit dem Umraum für das Erinnern räumlicher Anordnungen hin, indem sie zeigen, dass z. B. die Informationen über die körperliche Eigenbewegung im Raum (Lokomotion) einen hohen Effekt auf die Leistungen bei räumlichen Aufgabenstellungen haben.
Zum Beispiel überprüften Höll, Leplow, Schönfeld und Mehdorn (2003) die Erwerbs- und Transferleistungen von im virtuellen Raum – d. h. unter Ausblendung propriozeptiver Informationen über die Eigenbewegung – erworbenem Wissen in den realen Umraum, wobei sie darauf hinweisen, dass, trotz der von ihnen erneut bestätigten Übertragbarkeit räumlichen Wissens, Unterschiede sowohl im Erwerb als auch in der Anwendung räumlichen Wissens zwischen den rein lokomotorisch und zusätzlich im virtuellen Raum lernenden Probanden auftraten. Letztere zeichneten sich einerseits durch Schwierigkeiten beim Aufbau einer stabilen Raumrepräsentation (höherer Bedarf an Lerndurchgängen), andererseits durch Probleme bei der flexiblen Nutzung des Raumwissens trotz des erfolgreichen Wissenstransfers aus (Höll et al., 2003).
Höll et al. (2003) liefern einen weiteren Hinweis, wie relevant die propriozeptiven Informationen für die Orientierung bzw. die Fähigkeit des Menschen sind, mit dem Umraum zu interagieren. Sie weisen darauf hin, dass ein Problem bei Untersuchungen von Raumorientierungsleistungen in virtuellen Räumen auftritt, welches von ihnen als ‚cybersickness’ bezeichnet wird, d.h., dass eine beträchtliche Anzahl an Probanden über Unwohlsein oder Krankheitssymptome berichtet. Diese Art der Bewegungskrankheit beruht auf einem Konflikt der visuell oder auditiv wahrgenommenen (computersimulierten) Eigenbewegungen ohne das Auftreten von propriozeptiven Bewegungsinformationen oder das Missverhältnis zwischen diesen (Höll et al. 2003, S. 145). Allgemein ist dieses Missverhältnis von propriozeptiven und visuellen Bewegungsinformationen unter dem Namen Reise- oder Seekrankheit bekannt.
Lehnung, Leplow, Ekroll, Herzog, Mehdorn und Ferstl (2003) bestätigen in einer Studie aus dem Bereich der Entwicklungspsychologie, welche den Einfluss von Eigenbewegung (Lokomotion) auf den Erwerb und die Anwendung räumlichen Wissens untersuchte, dass aktives Explorieren gegenüber Lernen aus einer Überblicksperspektive zu verbesserten Orientierungsleistungen führt. Sie vermuten, dass diese Effekte auf den Aufbau einer flexiblen, kognitiven Karte beim explorierenden Lernen zurückzuführen sind, während im Überblickslernen eine an die Erwerbsperspektive (Blickrichtung beim Lernen) gebundene Repräsentation des Raumes gebildet wird. Weitere Studien, die räumliche Navigationsleistungen in virtuellen Räumen untersuchten, kamen ebenfalls zu dem Schluss, dass räumliche Orientierungsleistungen stark von visuellen und auf Ganzkörperbewegungen beruhenden Informationen abhängen, die verfügbar sind, wenn sich eine Person durch den Raum bewegt (z. B. Wartenberg, May & Péruch, 1998; vgl. weiterhin: Saade, 2000, S. 43-46 u. 151-157; Wender, Haun, Rasch & Blümke, 2003, S. 228). Ein folgendes Kapitel (Kap. 2.3.1) wird sich speziell mit Erwerb und Nutzung von Raumrepräsentationen rein auf Basis der propriozeptiven Wahrnehmung auseinander setzen.
Jedoch haben einige Untersuchungen, die sich mit der Frage beschäftigten, ob perzeptiv erworbenes Wissen blickrichtungsabhängig repräsentiert wird, diese Annahme einer perspektivenfreien Raumrepräsentation relativiert und legen vielmehr nahe, dass mehrere blickrichtungsgebundene Raumrepräsentationen simultan vorliegen (vgl. Tversky, 2000, S. 368; einen Überblick liefert Saade, 2000, S. 18ff). Diese Ergebnisse wurden in neuerer Zeit bestätigt (z. B. Mou, McNamara, Valiquette & Rump, 2004).
Bezüglich der oben erläuterten Eigenschaft räumlicher Repräsentationen – die Notwendigkeit eines Referenzsystems – stellt Saade (2000) fest, dass räumliches Wissen, welches über die Interaktion mit dem Raum erworben wird, vorwiegend egozentrisch organisiert ist, d. h. der eigene Körper (oder Teile von ihm) dient im Falle wahrgenommener eigener Handlungen als Bezugspunkt für räumliche Relationen (Saade, 2000, S. 5; vgl. May, 2000, S. 17.).
2.2.3 Sprachbasierte mentale Raumrepräsentationen
Durch die hohe Anzahl an zur Verfügung stehenden Informationsquellen können Menschen nach Newcombe und Huttenlocher (2000) mentale Repräsentationen über Perzeption erwerben, die ein hohes Maß an Präzision innehaben. Einzelne Wörter oder Aussagen lassen ihrer Meinung nach diese Präzision in der Beschreibung nicht zu, sondern erlauben nur eine kategoriale Repräsentation von räumlichen Relationen, es sei denn, es wird eine technische Sprache verwandt, die exakte Richtungs- und Distanzbeschreibungen zulässt. Normale, alltägliche Sprache erscheint hingegen als inadäquat, metrische Relationen von Objekten genau zu beschreiben (Newcombe & Huttenlocher, 2000, S. 179; Tversky, 2000, S. 368). May (2000) bestätigt diese Annahmen:
Generell ist davon auszugehen, dass Sprache den Raum unterdeterminiert, d. h. räumliche Sachverhalte und Ereignisse, die in sensomotorischen und mnestischen Systemen metrisch (oder quasi-metrisch) verarbeitet und repräsentiert werden, werden seitens natürlicher Sprachen vielfach nur topologisch oder ordinal abgebildet (May, 2000, S. 29).
Personen neigen in alltäglichen Kommunikationssituationen dazu, räumliche Kategorien zu bilden (z. B. ‚rechts’, ‚links’, ‚oben’, ‚nördlich’ etc.), wobei diese unter-schiedlichen Kategorien bei der Vermittlung von räumlichen Informationen vermischt werden können (eine umfassende Darstellung zu konzeptuellem Raumwissen bietet Knauff, 1997). Newcombe und Huttenlocher (2000) sprechen sich allerdings auch für die Möglichkeit aus, genauere räumliche Relationen verbal zu vermitteln, als dies durch eine reine kategoriale Raumsprache möglich ist, z. B. durch Erweiterung der jeweiligen Aussagen oder durch Verwendung von konventionellen Maßeinheitensystemen (Newcombe & Huttenlocher, 2000, S. 187f). Auch Tversky (2000) bestätigt, dass mittels Sprache sowohl adäquate Relations- als auch stimmige kategoriale Distanzinformationen wiedergegeben werden können. Festzuhalten bleibt, dass sprachbasierte mentale Raum-repräsentationen, die durch alltägliche Sprache erworben wurde, nicht die ‚Auflösungs-tiefe’ perzeptiv vermittelter Repräsentationen des Umraums haben. Nach Newcombe und Huttenlocher (2000) gibt es in der Forschung zu mentalen Raumrepräsentationen weiterhin keinen Konsens darüber, ob Probanden aus sprachlich vermittelten Rauminformationen eine einheitliche Repräsentation der räumlichen Situation konstruieren oder ob einzelne, szenenhafte (Teil-)Repräsentationen weitgehend unabhängig voneinander vorliegen können (Newcombe & Huttenlocher, 2000, S. 196).
Wie an den angeführten Beispielen der räumlichen Kategorien deutlich wird, ist in der sprachlichen Beschreibung räumlicher Anordnungen ein Rückgriff auf mehrere Referenzsysteme möglich. Aussagen über die Beschaffenheit des Raumes können unter Verwendung sowohl egozentrischer, allozentrischer oder intrinsischer Raumreferenzen erfolgen (vgl. Newcombe & Huttenlocher, 2000, S. 188; Tversky, 2000, S. 365). Als eine daraus folgende Besonderheit verbaler Beschreibung und damit auch dem sprachlichen Erwerb von räumlichen Anordnungen nennen Newcombe und Huttenlocher (2000) das Vermeiden von Zweideutigkeiten in der Raumreferenz (Newcombe & Huttenlocher, 2000, S. 188). Das folgende Beispiel von Newcombe und Huttenlocher (2000) verdeutlicht den Zusammenhang zwischen sprachlich vermittelten Rauminformationen und der Raum-referenz der Kommunikationsteilnehmer.
For instance, shown a chair viewed from the side, and asked to put the ball ‚in front of’ the chair, listeners may put the ball at the chairs front, if they take the chair as the referent and interpret ‚front’ as meaning the functional side of the chair. Or, they may put the ball between themselves as the referent and interpret ‘front’ as meaning in the direction that they’re facing. Or, if the speakers are of Hausa, they may put the ball on his side of the chair most distant from themselves, conceptualizing themselves and the chair as aligned along a dimension on which the ball should be the leader if it is in ‘front’ (Newcombe & Huttenlocher, 2000, S. 188).
2.2.4 Konvergenzen und Divergenzen sprachlich und per Interaktion erworbenen Raumwissens
Verschiedene Befunde zeigen, dass sprachlicher gegenüber perzeptivem Erwerb von mentalen Raumrepräsentationen zu anderen Ergebnissen sowohl in der Wissensakquise als auch im Wissensabruf führt. Zum Beispiel stellten Loomis, Golledge und Klatzky (2001) fest, dass 3-D-Tonrepräsentationen besser als verbale Beschreibungen dazu geeignet sind, Personen entlang einer Route zu führen. Weiterhin haben Klatzky, Lippa, Loomis & Golledge (2002) gezeigt, dass der Erwerb mentaler Repräsentationen einer Objektanordnung durch Sprache langsamer erfolgt als dies bei direktem, perzeptivem Lernen (visuell und durch 3D-Tonpräsentation) der Fall war. Zudem war der Abruf sprachlich erworbenen Raumwissens mit mehr Fehlern verbunden. Diese Ergebnisse führen die Autoren auf Kosten bei der kognitiven Umrechnung sprachlicher Rauminformationen in mentale Raumrepräsentationen zurück. Klatzky et al. (2002) betonen hierbei besonders, dass es keine signifikanten Unterschiede in Wissenserwerb und Nutzung zwischen den perzeptuellen Systemen (visuell und auditiv) gibt (vgl. weiterhin den ähnlichen Aufsatz von Klatzky, Lippa, Loomis & Golledge, 2003).
Allerdings liegen verschiedene Befunde aus experimentellen Untersuchungen vor, die in Richtung einer engen Verknüpfung von sensomotorischen und kognitiven Raumrepräsentationen gedeutet wurden. Etliche Untersuchungen einer Forschungsgruppe um Tversky beschäftigen sich mit räumlichen Orientierungsleistungen in sprachlich aufgebauten mentalen Raumrepräsentationen (z. B. Franklin & Tversky, 1990; Tversky, Franklin, Taylor & Bryant, 1994; Tversky, Kim & Cohen, 1999). Häufig werden den Versuchspersonen hierbei verbale Beschreibungen räumlicher Situationen (auch in Form von zu lesenden Geschichten) präsentiert, in die sich die Probanden hineinversetzen sollen. Nachdem sie den Raum in ihrer Vorstellung konstruiert und ihre ‚Position’ eingenommen haben, werden sie aufgefordert, Richtungsangaben über verschiedene Gegenstände in dem so repräsentierten Raum zu tätigen. Hierbei zeigt sich, dass Versuchspersonen Objekte in Abhängigkeit von deren Position bezüglich ihrer Körperachsen unterschiedlich gut lokalisieren können: Objekte auf der Oben-unten-Achse werden am schnellsten, Gegenstände auf der Vorne-hinten-Achse am zweitschnellsten, Objekte auf der Links-rechts-Achse hingegen am langsamsten örtlich bestimmt. Aufgrund dieser Befunde entwickelten Tversky (u. a.) eine offensichtlich evolutionistisch beeinflusste ‚Körperachsentheorie’, welche die unterschiedlichen Zugriffsleistungen einerseits auf die dauerhafte Einwirkung des Schwerkraftfeldes der Erde (vertikale Achse), andererseits auf die Gestalt des menschlichen Körpers mit Vorder- und Rückseite (vorne-hinten) zurückführt, wonach die Güte der Lokalisierungsleistungen von der Permanenz der entsprechenden Achsen abhängt. Nach Tversky et al. (1994) führten einige dieser Unter-suchungen, bei denen eine Variation des Erwerbsmodus hinsichtlich einer zusätzlichen (modellbezogenen) visuellen Wahrnehmung vorgenommen wurde, zu Befunden, die eine funktionelle Äquivalenz perzeptuell und sprachlich aufgebauter Raumrepräsentationen nahe legen (Tversky et al., 1994, S. 662f). Diese Aussage wurde von Bryant und Tversky (1999) in einer späteren Arbeit unter Verwendung grafischer Darstellungen und Modelle empirisch bekräftigt, in dem sie die eben genannten Körperachseneffekte auch nach visuellem Wissenserwerb nachwiesen.
May (2000) übt methodische Kritik an den durchgeführten experimentellen Unter-suchungen und stellt die Ausweitung der Körperachsentheorie auf den realen Umraum, verbunden mit aktiven Handlungen im Raum, in Frage. Neuere Untersuchungsergebnisse – als ein Beispiel sei eine Studie von de Vega und Rodrigo (2001) genannt – relativieren die Bedeutung des Körperachseneffektes für Lokalisierungsleistungen im Realraum, wobei die Autoren das Konzept an einer gleichen Repräsentationsebene sprachlicher und senso-motorischer Rauminformationen anzweifeln und sich zugunsten einer Trennung der Verkörperungsebenen aussprechen. In Verbindung mit Befunden aus Perspektivenwechsel-aufgaben (Kap. 2.3.2.1) wird genauer auf die angesprochene Studie von de Vega und Rodrigo (2001) eingegangen.
Etwas losgelöst vom Untersuchungsgegenstand Umraum sprechen einige Befunde für eine enge Verbindung von Handlungen und verbaler Erinnerungsleistung, genauer, dass ausgeführte aber auch geplante Handlungen zu einer verbesserten Leistung beim Erinnern an Handlungsverben führen (vgl. Steffens, 1998; Engelkamp, 1997). Dieser Handlungs- oder auch ‚Tu-Effekt’ (Engelkamp, 1997) veranlasste Forscher um Engelkamp dazu, ein Modell des menschlichen Gedächtnisses zu konstruieren, welches auf dem Zusammenspiel von sensomotorischen und kognitiven, konzeptuellen Repräsentationen beruht. Auf der sensomotorischen Ebene sind sogenannte Wort- und Bildmarken sowie motorische Programme je nach Lernmodus repräsentiert, während auf der konzeptuellen Repräsentationsebene sogenannte Konzeptmarken vorliegen, welche durch assoziative Verknüpfung von Wortmarken, Bildmarken und motorischen Programmen gebildet werden.[3] Die verbesserte Gedächtnisleistung bei Handlungsausführung bzw. -planung ist nach der multimodalen Theorie darauf zurückzuführen, dass beim Erinnern eine Koaktivierung von Konzeptmarken und den verknüpften Marken bzw. Programmen auf sensomotorischer Repräsentationsebene erfolgt. Je mehr Repräsentationen (d. h. Bildmarken, Wortmarken und motorische Programme) auf sensomotorischer Ebene vorliegen, desto besser soll nach dieser Theorie die Erinnerungsleistung sein (Engelkamp, 1997; zusammenfassende Erläuterungen in Knauff, 1997, S. 101-109 u. Steffens, 1998, S. 14-20). Kritik an der multimodalen Theorie des Gedächtnisses wird hauptsächlich unter Berufung auf die gesteigerte Verarbeitungstiefe bei geplanten und ausgeführten Handlungen und eine in den experimentellen Untersuchungen vorliegende Enkodierspezifität geübt (z. B. Steffens, 1998).
Nachdem in dieser Passage einige wenige Beispiele für Konvergenzen und Divergenzen sprachlich gegenüber wahrnehmungs-handlungsbezogen erworbenen Raumrepräsenta-tionen gezeigt wurden, sollen im folgenden Kapitel speziell Untersuchungen in der Betrachtung stehen, die sich mit dem Erwerb, der Aktualisierung und Nutzung mentaler Raumrepräsentationen in Interaktion mit dem Umraum beschäftigen. Entgegen dem letzten Abschnitt soll hierbei jedoch den Modellannahmen besondere Aufmerksamkeit zuerkannt werden, welche die Leistungen bei solchen Aufgaben zu erklären versuchen und einen Ansatz zur eigenen Modelldefinition bieten.
2.3 Raumaktualisierung und Perspektivenwechsel
Als Beispiele für den Erwerb und die Nutzung sensomotorischer Raumrepräsentationen sollen Untersuchungen zur Pfadintegration und zu ausgeführten gegenüber vorgestellten räumlichen Perspektivenwechseln dienen. Die Betrachtung von Befunden und abgeleiteten Modellen aus Pfadintegrationsuntersuchungen dient hierbei insbesondere der Erläuterung des Erwerbs und der Aktualisierung mentaler Raumrepräsentationen durch Interaktion mit dem Umraum (Kap. 2.3.1), während die nachfolgend dargestellten Befunde zur Objektlokalisierung nach Perspektivenwechseln die Frage der Nutzung räumlichen Wissens auf das in dieser Arbeit verwendete experimentelle Paradigma eingrenzen (Kap. 2.3.2). Obschon Pfadintegrationsleistungen, d. h. Navigationsleistungen unter Ausschluss exterozeptiver Wahrnehmung, einen eigenständigen Bereich in der Erforschung des Verarbeitens von Umrauminformationen bilden (May, 2000, S. 31), sollen Befunde und Modellannahmen in dieser Arbeit einen Einblick in die menschlichen Fähigkeiten bieten, durch Interaktion Wissen über den Umraum zu erwerben, und welchen besonderen Bedingungen dieses erworbene Wissen unterliegt.
2.3.1 Pfadintegration
Sowohl Menschen als auch Tiere können Navigationsleistungen – z. B. das Zurückfinden zu einem Ausgangspunkt – erbringen, ohne auf visuellen Input im Sinne von Landmarken o. Ä. angewiesen zu sein. Zum Beispiel können Tiere zu Bauten oder Nestern zurückkehren, ohne dass sie die Möglichkeit haben, sich anhand einer Karte oder Hilfsmitteln wie dem Abzählen von Schritten orientieren können. Diese sogenannten Heimfindeaufgaben haben eine lange Tradition in der tierexperimentellen Forschung, in welcher sie beginnend in den 1980er Jahren durchgeführt wurden. Beim Menschen unterliegen diese Leistungen erst seit einigen Jahren der wissenschaftlichen Betrachtung (May, 2000, S. 43).
Eine experimentelle Methode zur Erforschung des Aktualisierens der Körperposition in Relation zum Umraum ist die Pfadintegration. Diese wird so bezeichnet, weil sie die Integration von verschiedenen Bewegungsinformationen (z. B. vestibuläre Informationen über Beschleunigung; kinästhetische Informationen über die Bewegung der eigenen Körperteile; Efferenzkopien der motorischen Programme im Fall von geplanten eigenen Handlungen) mit Ausnahme visueller Informationen für die Aktualisierung der eigenen Position im Raum verlangt. Pfadintegration ist als solche abzugrenzen von Navigationsaufgaben anhand von Landmarken oder anderen Referenzobjekten (May & Klatzky, 2000, S. 169). Im Gegensatz zu diesen anderen Untersuchungsformen, die sich ebenfalls mit der Lokomotion einer Person im Umraum beschäftigen, basieren Pfadintegrationsaufgaben rein auf der propriozeptiven Wahrnehmung zur Ermittlung der Raumposition und erlauben somit Rückschlüsse auf die Funktion (interner) sensorischer Rückmeldungen während der Lokomotion bzw. das Aktualisieren der wahrgenommenen Position des Akteurs mittels dieser Bottom-up-Prozesse (vgl. May, 2004a, S. 158 u. May, 2000, S. 43).
2.3.1.1 Experimentelles Paradigma und Befunde
Wie einleitend bereits angedeutet, wird zur Untersuchung von Pfadintegrationsleistungen ein experimentelles Paradigma verwandt, das als homing (Heimfinden) bezeichnet wird. Hierbei haben die Versuchspersonen die Aufgabe, einen bestimmten Pfad – d. h. eine Strecke mit mehreren geradlinigen Abschnitten, deren Enden jeweils durch Wendepunkte definiert sind – zurückzulegen, und anschließend auf direktem Weg zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Abbildung 2 bietet eine schematische Darstellung der in diesen Untersuchungen geforderten Leistungen bzw. der dort erhobenen Daten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Homing im Dreieck. Nach May, Wartenberg & Péruch, 1997, S. 25. Die Abbildung stellt (schematisch) die einzelnen Abschnitte einer Heimfindeaufgabe in Form eines Dreiecks dar. Die Probanden werden ohne visuelle Informationen vom Ausgangspunkt C entlang der Strecke a zum Punkt A geführt (Translation; auswärtsgerichteter Pfad). Hier findet eine Rotation der Versuchspersonen mit dem Winkel a statt, wonach sie entlang der Strecke b zum Punkt B geführt werden (erneute Translation; auswärtsgerichteter Pfad). Am Punkt B erhalten die Probanden dann die Aufgabe, direkt zum Ausgangspunkt C zurückzukehren und das Dreieck somit zu schließen (Strecke c). Als Homingfehler (HF) wird hierbei die euklidische Distanz zwischen dem beobachteten Endpunkt D und dem Ausgangspunkt C bezeichnet.
In experimentellen Untersuchungen zur Heimfindleistung konnte nachgewiesen werden, dass der Erwerb von Informationen über den Umraum rein durch Lokomotion möglich ist, da Menschen bei propriozeptiven Pfadintegrationsaufgaben überzufällige Leistungen zeigen. Hierbei findet also der Aufbau einer Raumrepräsentation statt, die den Akteur in die Lage versetzt, Navigationsleistungen zu erbringen (May, 2000, S. 43f). Die Aktualisierung dieser Rauminformationen scheint sich automatisch mit der Lokomotion der Personen zu vollziehen (vgl. z. B. Loomis et al., 1999), wobei diese nach neueren Erkenntnissen offenbar auch willentlich nicht in der Lage sind, die Aktualisierungseffekte dieser Eigenbewegung zu ignorieren (May & Klatzky, 2000). Propriozeptive Bewegungsinformationen erscheinen als besonders bedeutend für die Aktualisierung der eingenommenen Blickrichtung bezüglich des Ausgangspunkts der Bewegung, da sich z. B. die Bereitstellung rein visueller Informationen über Eigenrotationen als nicht ausreichend für gute Pfadintegrationsleistungen gezeigt hat (Klatzky, Loomis, Beall, Chance & Gollegde, 1998, S. 297; May, 2000, S. 47; vgl. weiterhin: May & Klatzky, 2000; May, Wartenberg & Péruch, 1997). Das automatische Aktualisieren der eigenen Raumposition wird nur in geringem Maße von Zusatz- oder Störaufgaben beeinflusst, die das kognitive System zusätzlich beanspruchen (May & Klatzky, 2000).
2.3.1.2 Modellannahmen zur Pfadintegration
Es gibt laut May (2000) einen Konsens in der Literatur, dass Pfadintegrationsleistungen als Aufbau einer Raumrepräsentation vier Axiomen unterliegen, d. h., dass die zurückgelegten Entfernungen und Drehungen entsprechend dieser Grundsätze von Akteuren bewegungsbegleitend aufgenommen und in eine optimale Heimfindetrajektorie integriert werden (vgl. May, 2000, S. 44).[4] Es wird angenommen, dass: (1) die Raumrepräsentation, welche bewegungsbegleitend aufgebaut wurde, einer euklidischen Raummetrik unterliegt; (2) die zurückgelegten Distanzen entlang des Pfades (Translationen) und (3) die vorgenommenen Drehungen am Wendepunkt eines Teilabschnitts (Rotationen) mittels einer eindeutigen Funktion subjektiv kodiert werden; (4) die Berechnung und Ausführung der Heimfindetrajektorie (als zuletzt ausgeführte Rotation und Translation) keinen systematischen Fehlern unterliegt, d. h., dass Homingfehler nicht auf systematische Fehler in der Phase des ‚Schließens’ des Pfadlayouts zurückzuführen sind.
Nach May (2000) sind zwei Grundvarianten von Pfadintegrationsmechanismen in der Forschung vertreten, die den eben genannten Axiomen unterliegen (May, 2000, S. 44f). Einerseits wird für eine ständige, bewegungsbegleitende Aktualisierung eines egozentrisch repräsentierten Vektors von der aktuellen Position zum Ausgangspunkt der Bewegung argumentiert (Heimfindevektor; homing vector), andererseits ein bewegungsbegleitender Aufbau einer allozentrischen Repräsentation des Pfadlayouts nahe gelegt (Konfigurales Aktualisieren; configural updating). Einen Überblick über beide Grundannahmen bietet die unten aufgeführte Abbildung 3.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Modelle der Pfadintegrationsmechanismen. Abb. 3a) Heimfindevektor: Angenommen wird, dass ein Heimfindevektor (HV) zwischen der Position des Akteurs (P) zum Startpunkt (S) mental repräsentiert und bewegungsbegleitend aktualisiert wird. Abb. 3b) Konfigurales Aktualisieren: Angenommen wird, dass sowohl die zurückgelegten Strecken (s1 u. s2), als auch der Verbindungspunkt (V) mit dem dort ausgeführten Blickrichtungswechsel (mit dem Rotationswinkel a) bezüglich der aktuellen Position des Akteurs (P) repräsentiert und bewegungs-begleitend aktualisiert wird.
Das Modell des Heimfindevektors (Abb. 3a) geht davon aus, dass die Eigenposition des Akteurs relativ zum Startpunkt aktualisiert wird, d. h. der Heimfindevektor eine direkte Koppelung zwischen dem Startpunkt und der aktuellen Raumposition darstellt. Der Heimfindevektor enthält die Kodierung der Distanz und der Richtung zum Ausgangspunkt der Eigenbewegung bezüglich des aktuellen Ortes des Akteurs. Als praxisnahes Beispiel könnte hier die Fähigkeit von Personen gelten, auch während der Bewegung auf dem auswärtsgerichteten Pfad anzeigen zu können, wo sich der Startpunkt ihrer Bewegung bezüglich ihrer aktuellen Position befindet.
Bestimmend für das Modell des konfiguralen Aktualisierens (Abb. 3b) ist die Annahme, dass im Gegensatz zum gerade geschilderten Modell nicht nur eine gekoppelte Verbindung zwischen Startpunkt und aktueller Position, sondern vielmehr die zurückgelegten Strecken und Verbindungs- bzw. Rotationspunkte repräsentiert und bewegungsbegleitend aktualisiert werden. Im konkreten Fall einer Pfadintegrationsaufgabe würde dies bedeuten, dass die Probanden nicht nur den direkten Weg zum Ausgangspunkt anzeigen können, sondern zudem in der Lage sind, die zuletzt gegangenen Wegstrecken und Blickrichtungsänderungen nachzuvollziehen.
Wertung beider Modellannahmen . Diese Ansätze ähneln sich insofern, als dass beide eine automatische bewegungsbegleitende Aktualisierung der Repräsentation während der Lokomotion vorsehen, die – wie oben erläutert – in experimentellen Untersuchungen mehrfach bestätigt wurde. May und Klatzky (2000) führten eine Reihe von Experimenten durch, die zur weiteren Klärung der an der Pfadintegration beteiligten kognitiven Mechanismen beitragen sollten (vgl. May & Klatzky, 2000). Sie gingen von der Annahme aus, dass nach dem Modell der konfiguralen Aktualisierung Störungen auf dem auswärtsgerichteten Pfad zu systematischen Verzerrungen des Pfadlayouts, d. h. zu systematischen Homingfehlern führen würden. May und Klatzky (2000) erzeugten diese Interferenzen sowohl durch Bewegungen, die die Probanden ignorieren sollten als auch durch andere Störaufgaben, die eine Beanspruchung des kognitiven Systems darstellen (z. B. Rückwärtszählen). In den Resultaten zeigt sich, dass die irrelevanten Bewegungen einen größeren Einfluss auf die Pfadintegrationsleistungen als andere Störbedingungen hatten, was nach May und Klatzky (2000) darauf hinweist, dass das bewegungsbegleitende Aktualisieren der Raumrepräsentation von den Probanden nicht ignoriert, sondern nur mittels kognitiver Operationen kompensiert werden konnte, wodurch sich je nach Schwierigkeit der Kompensationsprozesse (Translationen konnten nur teilweise, Rotationen so gut wie nicht korrigiert werden) größere oder kleinere Homingfehler einstellten. Die Befunde von May und Klatzky (2000) sprechen demnach eher für einen propriozeptionsbasierten, automatischen und bewegungsbegleitenden Aufbau einer konfiguralen Raumrepräsentation, als für die Aktualisierung der Eigenposition der Probanden relativ zum Startpunkt (May, 2000, S. 45). Bei Letzterem wären die Fehler aus den kognitiven Kompensationsprozessen der Störbewegungen nicht aufrechterhalten worden und es wären keine Versetzungen des Ausgangspunktes aufgetreten.
Anhand der hier dargestellten Befunde und grundlegender Mechanismen zur Pfadintegration sollte verdeutlicht werden, dass der Erwerb, die Integration und Nutzung räumlicher Informationen rein auf Basis der eigenen Interaktion mit dem Umraum möglich ist. Hierbei hat es sich gezeigt, dass, wenn die Repräsentation eines Ortes (als Ausgangspunkt der Bewegung) vorhanden ist, während der Lokomotion (als Beispiel des Handelns im Raum) Wissen über den zurückgelegten Weg per Propriozeption automatisch erworben und auch längerfristig mental repräsentiert wird. Dieses Wissen über den Raum kann – wie das Beispiel zu ignorierender Störbewegungen bei May und Klatzky (2000) zeigt – mit gewissen Kosten intentional kognitiv transformiert, d. h. zur zielgerichteten Handlung im Raum verändert werden. May (2004a) fasst dieses Zusammenwirken von kognitiven und sensomotorischen Systemen der Raumwertverarbeitung, die zu einer Verankerung der Personen im Umraum führen, folgendermaßen zusammen:
The findings on walking-without-vision[[5] ] and path integration illustrate the multimodal nature of spatial information processing and the dynamic coupling between imagery processes, body-based sensory and motor signals, and the real world environment. Cognitive processing and body-based sensorimotor processing are obviously tightly linked in order to keep the agent oriented with respect to the physical environment it is moving in; only if the link between both breaks does the actor become disoriented in space (May, 2004a, S. 159).
Die im Folgenden dargestellten Befunde und Modellannahmen sollen als weitere Belege dieser Akteur-Raum-Koppelung unter der Maßgabe des Abrufs räumlichen Wissens dienen und die theoretische Herleitung auf das in dieser Untersuchung verwendete experimentelle Paradigma lenken. Der folgende Abschnitt beschäftigt sich also mit Objektlokalisierungsleistungen nach Repositionierungen, genauer: nach vorgestellten und ausgeführten Perspektivenwechseln. Hierbei soll besonders auf den Einfluss räumlich-situativer Faktoren auf den Abruf von Rauminformationen aus dem Gedächtnis eingegangen werden.
2.3.2 Vorgestellte und ausgeführte räumliche Perspektivenwechsel
Im Alltag wechseln Menschen häufig in ihrer Vorstellung die Perspektive, d. h. ihre Ausrichtung (oder ihre Blickrichtung) bezüglich anderer Objekte oder Personen, z. B. bei der telefonischen Beschreibung einer Route durch eine Stadt. In der kognitionspsychologischen Forschung gab und gibt es eine Vielzahl von experimentellen Untersuchungen, die sich mit ausgeführten oder vorgestellten Wechseln zwischen verschiedenen Perspektiven beschäftigten und zur Identifikation der zugrunde liegenden kognitiven Prozesse dienen sollen.
Zur Untersuchung des Abrufs von Wissen über räumliche Anordnungen und die Auswirkungen verschiedener Bedingungen auf dieses wird häufig ein ähnliches experimentelles Paradigma herangezogen, welches im Folgenden in seiner Gestalt kurz skizziert und die für diese Untersuchung relevanten Ergebnisse zusammengefasst dargestellt werden sollen. Eine Herausforderung, die sich bei einer Zusammenfassung oder einem Vergleich der Ergebnisse verschiedener Untersuchungen in diesem Zusammenhang ergibt, ist eine bemerkenswerte Heterogenität (May, in press, S. 5) der Gestaltung der Experimente und damit eine ebenso reichhaltige – und zum Teil auch unzusammenhängende – Befundlage, die nicht nur in dieser Arbeit zur Reduktion anhält. Daher sollen besonders die Untersuchungen bzw. deren Ergebnisse betrachtet werden, die auf eine Akteur-Raum-Koppelung im Sinne der im letzten Unterkapitel besprochenen Befunde aus Pfadintegrationsaufgaben sprechen.
2.3.2.1 Experimentelles Paradigma und Befunde
Bei den angesprochenen Versuchen werden Probanden aufgefordert, Urteile über die Position von Objekten aus verschiedenen Perspektiven teils durch Anzeigen, teils durch verbale Beschreibung zu fällen. Das räumliche Layout, über welches die Probanden innerhalb des Tests Aussagen tätigen sollen, wird entweder in einer dem eigentlichen Test vorausgehenden Lernphase gelernt oder ist Bestandteil einer alltäglichen Situation und somit schon im Voraus bekannt.
Als ein Beispiel für letztgenannten Fall verwendeten Rieser, Garing und Young (1994) den Klassenraum, in dem ihre Testpersonen (Kinder und deren Eltern) unterrichtet wurden, und gestalteten den Perspektivenwechsel so, dass sich die Probanden zuerst vorstellen sollten, sie säßen an ihrem angestammten Platz, um dann ihre Perspektiven hin zur Position des Lehrers / des Lehrertisches zu verändern (vgl. Rieser, Garing & Young, 1994).
Zumeist innerhalb einer spezifischen Testphase wird danach das erworbene Wissen unter der Bedingung von vorgestellten oder ausgeführten Perspektiven- bzw. Positionswechseln getestet. Zum Wechsel in die entsprechenden Perspektiven werden dabei sowohl die lineare Dislozierung der Probanden im Raum ohne Änderung ihrer Blickrichtung (Translation) als auch Drehungen um ihre Hochachse – einhergehend mit einem Blickrichtungswechsel – (Rotation) angewandt, die entweder ausgeführt (lokomotorisch) oder nur vorgestellt (imaginiert) werden sollen. Die unten aufgeführte Abbildung 4 bietet die schematische Darstellung einer möglichen Variante des experimentellen Paradigmas.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Perspektivenwechselparadigma. In einer Lernphase erwerben Probanden Wissen über eine räumliche Anordnung, z. B. der Objekte 1 bis 4 (Abb. 4a). Der grau gefüllte Pfeil stellt hierbei die Ausrichtung (Perspektive) des Probanden beim Erwerb der Objektlokationen dar. In einer sich anschließenden Testphase (Abb. 4 b u. c) wird der Proband aufgefordert, seine Perspektive in Richtung eines neuen Objektes zu ändern und aus dieser eingenommenen Ausrichtung heraus die anderen Objekte zu lokalisieren. Der Perspektivenwechsel kann in Form von Rotationen (R) (Abb. 4b), Translationen (T) oder Mischformen erfolgen, die sowohl Rotation als auch Translation enthalten (Abb. 4c). Eine Anweisung für imaginierte Perspektivenwechsel nach Abb. 4b könnte lauten: ‚Stellen Sie sich vor, Sie blicken in Richtung des Objektes 2. Zeigen Sie auf Objekt 3.’
Als abhängige Variablen zur Messung des Wissensabrufs wird häufig die Anzeigelatenz (Zeitbedarf für das Angeben der Richtungsinformation) als Indikator für die Geschwindigkeit des Zugriffs auf die gespeicherten Informationen, die Anzahl oder Größe der Richtungsfehler (letztere zumeist in Form von Winkelgraden bezüglich der korrekten Position) als Indikator für Genauigkeit des gespeicherten und getesteten räumlichen Wissens verwendet (May, 2001, S. 627). Trotz der bereits eingangs erwähnten bemerkenswerten Heterogenität der Untersuchungen zeigten sich reliable Ergebnisse, aus denen Einzelne im Folgenden benannt werden sollen.
Extra-Kosten bei imaginierten Perspektivenwechseln . Einer der am häufigsten experimentell bestätigten Befunde ist das Auftreten von Extrakosten – in Form von Anzeige- bzw. Antwortlatenzen und Fehlern – bei Lokalisierungsaufgaben unter der Bedingung imaginierter Perspektivenwechsel. Während Extrakosten ermittelt werden, sobald sich der Beobachter eine Perspektive außerhalb der körperlich (propriozeptiv) wahrgenommenen vorstellen soll, ist der Wissenszugriff dann erleichtert, wenn die getestete Perspektive mit der körperlich wahrgenommenen Ausrichtung übereinstimmt (Wang, 2005). Auch nach May, Rieser und Young (in press) haben über die letzten Jahre hinweg eine beträchtliche Anzahl von Untersuchungen demonstriert, dass spezifische Schwierigkeiten dann auftreten, wenn Probanden in der aktuell präsenten Umwelt imaginiert eine andere Perspektive einnehmen sollen (May, Rieser & Young, in press, S. 51). Ihrer Meinung nach lässt sich zwischen zwei Ausprägungen der Zusatzkosten unterscheiden: Einerseits weisen die Latenzzeiten und Fehler bei Lokalisierungsaufgaben einen monotonen Anstieg mit steigendem Betrag der Disparität (Abweichung) zwischen propriozeptiv wahrgenommener und vorgestellter Perspektive auf (z. B. May, 1996, 2004b), zum Zweiten kamen verschiedene Untersuchungen zu dem Schluss, dass, wenn die imaginiert einzunehmende Repositionierung eine Rotation beinhaltet, es verglichen mit Translationen zu einer Verlangsamung des Wissensabrufs und zu vermehrten Fehlern kommt (May, in press, S. 4; May, Rieser & Young, in press, S. 4; vgl. weiterhin Rieser, 1989).
Automatische Aktualisierung der Umraumrepräsentation durch Lokomotion . Alle Zusatzkosten, die damit zusammenhängen, dass eine Diskrepanz zwischen der imaginiert eingenommenen und realen Akteurposition herrscht, können verringert oder vollständig eliminiert werden, wenn es den Probanden ermöglicht wird, sich physisch (d. h. durch Lokomotion) entlang eines Pfades zu bewegen, der sie in die zu testende Perspektive bringt, auch wenn diese Lokomotion in einem entfernten Raum stattfindet (May, in press, S. 4; May, Rieser & Young, in press, S. 4f; vgl. weiterhin: Rieser, Garing & Young, 1994). Ergebnisse von Untersuchungen zur dynamischen Umraumaktualisierung zeigen nach May, Rieser & Young (in press), dass Probanden auch ohne visuelle Informationen in der Lage sind, ihre Position während der Lokomotion im Raum nachvollziehen oder die Position multipler Objekte in der Umgebung, in der sie sich bewegen, relativ zu ihrer Bewegung gut aktualisieren können (May, Rieser & Young, in press, S. 50). Weitere Befunde sprechen in gleichem Maße für eine bewegungsbegleitende Aktualisierung der Repräsentation des Umraums (Farrell & Robertson, 1998).
Farrell und Robertson (1998) führten eine Untersuchung unter Verwendung räumlicher Perspektivenwechsel durch, bei denen die Probanden zuerst visuell eine Anordnung von Gegenständen lernten. Danach sollten die Versuchspersonen deren Position im Raum aus verschiedenen Perspektiven heraus anzeigen, welche einige Teilnehmer körperlich einnahmen, während andere in der Ausgangsposition verblieben und eine dritte Gruppe sie zwar lokomotorisch einnahm, diese Repositionierung jedoch in ihren Richtungsanzeigen ignorieren sollte. Die Latenzzeiten – erhoben als Indikator für die Aufgabenschwierigkeit – wurden unter dem Testmodus lokomotorische Perspektivenwechsel nur geringfügig vom Betrag der Körperrotation beeinflusst, während sie sowohl unter der Bedingung imaginierter Positionswechsel als auch unter der Bedingung des zu ignorierenden sensomotorischen Feedbacks mit der Disparität zwischen wahrgenommener und vorgestellter Perspektive anstiegen. Farell und Robertson (1998) deuteten diese Ergebnisse dahingehend, dass einerseits Konflikte zwischen propriozeptiv wahrgenommener und vorgestellter Perspektive bei imaginierten Perspektivenwechseln auftraten, andererseits, dass die Repräsentation der Umrauminformationen automatisch aktualisiert wird, wenn sich eine Person bewegt. Die erhöhten Latenzzeiten der Versuchspersonen, die ihre Lokomotion ignorieren sollten, wiesen ihrer Meinung nach darauf hin, dass die Probanden erst ihre Positionen durch sensomotorisches Feedback aktualisierten und diese Operationen dann bei der Anzeigeoperation retrospektiv ‚rückausführten’, um mental ihre ursprüngliche Orientierung einzunehmen. Die Probanden waren demnach nicht in der Lage, die automatische, bewegungsbegleitende Aktualisierung des Umraums willentlich zu ignorieren (vgl. Farell & Robertson, 1998). Neuere Untersuchungsergebnisse widersprechen jedoch der von Farrell & Robertson (1998) postulierten Trennung zwischen quasi-automatischen und kognitiv aufwendigen Aktualisierungsprozessen, da festgestellt wurde, dass vorgestellte Rotationen auch besser – im Sinne verbesserter Aktualisierungsleistungen – ausgeführt werden können (Wraga, 2003).
Räumliche Entkopplung des Akteurs . Die oben angeführten Extrakosten bei imaginierten Perspektivenwechseln sind weiterhin signifikant niedriger, wenn die vorgestellten Positionswechsel in einem anderen Umfeld als in dem zu Lernenden ausgeführt werden (vgl. May, in press; May, Rieser & Young, in press), oder wenn die Probanden desorientiert gegenüber dem Umraum sind (May, 1996, 2000). Die Ergebnisse von May, Rieser und Young (in press) zeigen, dass lokomotorisches Aktualisieren leicht und effizient erfolgt, unabhängig davon, ob die Eigenbewegungen in dem Lernraum oder einem anderen, entfernten Raum durchgeführt werden, wobei sie in Verbindung mit den schon im Vorhinein erwähnten Ergebnissen von Rieser, Garing und Young (1994) bestätigen, dass es auch nicht darauf ankommt, ob die Akteure wissen, dass sie sich nicht im Lernraum befinden. Solange die Probanden in einem Raum verankert waren, unterlagen sie den kognitiven Kosten der Richtungsdisparität bei imaginierten Perspektivenwechseln (May, Rieser & Young, in press, S. 50f). Nach May (2004a) gilt prinzipiell, dass sich körperliche Anwesenheit bzw. Verankerung im Raum negativ auf imaginierte Perspektivenwechsel auswirkt.
Antwortmodus beim Wissensabruf . Wie in einem vorhergehenden Kapitel (Kap. 2.1.2) bereits kurz erwähnt, wurden die Bedingungen Sprache und Handlung in einigen Studien nicht als Möglichkeit des Erwerbs mentaler Repräsentationen, sondern als Variante der Wissensnutzung untersucht, d. h., sie stellten die Antwortmodi in Testsituationen dar (körperliches Anzeigen versus verbale Richtungs- und Entfernungsurteile). Einige dieser Untersuchungen bestätigen Differenzen in der Wissensnutzung bei sprachlichem oder körperbezogenem Testmodus. Eine Anzahl von Untersuchungen zeigt, dass körperbezogenes Anzeigen aus vorgestellten Positionen zu höheren Leistungseinbußen führt als verbales Ansagen (de Vega & Rodrigo, 2001; Wang, 2004; Wraga, 2003). Von besonderem Interesse ist hierbei eine Studie von de Vega und Rodrigo (2001), die Unterschiede in den Lokalisierungsleistungen abhängig vom Antwortmodus feststellten. Sie führen diese Differenzen auf unterschiedliche Aktualisierungsmechanismen beim Wissensabruf zurück, welche ihrer Meinung nach durch verschiedene Verkörperungs- bzw. Verankerungsebenen der Probanden im Umraum determiniert sind.
De Vega und Rodrigo (2001) untersuchten unter Verwendung imaginierter und lokomotorisch ausgeführter Perspektivenwechsel die Fähigkeit von Probanden, Objektlokationen nach sprachlichem Lernmodus entweder verbal oder durch körperliches Anzeigen zu bestimmen, d. h., sie variierten sowohl den Repositionierungs- als auch den Antwortmodus. Es zeigte sich, dass die (körperlichen) Anzeigeleistungen durch den Repositionierungsmodus beeinflusst wurden (lokomotorische Positionswechsel = niedrige Anzeigelatenzen und Fehler; imaginierte Positionswechsel = hohe Anzeigelatenzen und Fehler), während das sprachliche Angeben der Objektlokationen weniger starker Beeinflussung unterlag. De Vega und Rodrigo (2001) nehmen an, dass dieses Befundmuster auf unterschiedlichen Aktualisierungsmechanismen beruht, die in engem Zusammenhang mit der sensomotorischen und sprachlichen Raumwertverarbeitung stehen. Sie postulieren eine auf unterschiedlichen Ebenen vorliegende Verankerung der Probanden im Raum, die einen direkten Einfluss auf deren Objektlokalisierungsleistungen hat. Eine Verankerung erster Ordnung (‚first-order embodiment’) erfolgt ihrer Meinung nach auf einer niedrigen, sensomotorischen Ebene, auf der Handlungen im Raum repräsentiert sind und das Aktualisieren der Raumrepräsentation automatisch, d. h. ohne kognitive Prozesse erfolgt. Sprachliches Lokalisieren bzw. verbale Beschreibung von Raum verlangt nach einer höheren, kognitiven Verankerung zweiter Ordnung (‚second-order embodiment’ als kognitiv repräsentiertes Selbst), die die Wahl eines Referenzrahmens verlangt, um Objekte zu lokalisieren, propriozeptiv vermittelte Informationen zu ignorieren und die Perspektive durch kognitive Operationen zu aktualisieren.
Wang (2004, 2005) spricht sich ebenfalls für eine Trennung des Sprach- und Handlungssystems aus. Beide Systeme beruhen ihrer Meinung nach eher auf fundamental anderen Informationen oder grundverschiedenen zugrunde liegenden Prozessen, als dass die Ergebnisse ihrer Untersuchung nur auf eine unterschiedliche Quantität der Informationen hindeuten würden:
This distinction clearly has evolutionary significance: although one could like to be able to imagine other perspectives flexibly and make judgements and descriptions, it will be a disaster if our legs and hands are operated by those imaginations instead of reality. Therefore products of imagination may be used for judgements and descriptions freely, but these representations cannot be used as readily as the actual representations for actions such as pointing (Wang, 2004, S. 191).
[...]
[1] In dieser Arbeit wird der Umraum in Anlehnung an May (2000) als ein Raumausschnitt definiert, „in welchem Personen Informationen über Lokationen, Distanzen und Richtungen von verhaltensrelevanten Objekten über körperliche Bewegungen hinweg aktualisieren, kognitiv verwalten und in ihr räumliches Handeln einbeziehen.“ (May, 2000, S. 9). Zur Unterscheidung von Raumbereichen siehe May, 2000, S. 7-10.
[2] In einem folgenden Kapitel (Kap. 2.3.2) wird gesondert auf den Beitrag dieser Eigenwahrnehmung eingegangen, die auch für diese Arbeit eine wesentliche Bedeutung hat.
[3] Bei der Definition dieser beiden Marken wird die modelltheoretische Nähe zur dual-coding Theorie (z. B. Paivio, 1986) deutlich, die eine Unterscheidung von bildhaftem und verbalem Repräsentationsformat vorsieht, welche in verschiedenen experimentellen Untersuchungen (z. B. mental scanning, mental rotation) im Zuge der so genannten imagery-debate oft überprüft, mehrfach bestätigt und ebenso häufig widerlegt wurde (vgl. Knauff, 1997).
[4] Diese Axiome wurden ursprünglich in Verbindung mit einem Kodierfehlermodell von Pfadintegrationsleistungen definiert, werden hier jedoch – durch die häufige experimentelle Bestätigung des Fehlermodells in der Beschreibung von Homingfehlern (nach May, 2000; weiterhin: May & Klatzky, 2000; May, Wartenberg & Péruch, 1997) – unabhängig davon als konstituierende Faktoren für Modelle von Pfadintegrationsleistungen betrachtet, da das Kodierfehlermodell nach Fujita, Klatzky, Loomis und Golledge (1993) laut May (2000) außer jenen Axiomen keine spezifischen Aussagen über die zugrunde liegenden Mechanismen der Pfadintegration liefert (May 2000, S. 44.).
[5] Anm. des Verfassers: Gehen-ohne-Sicht ist eine weitere Untersuchungsform von Navigations- bzw. Orientierungsleistungen. Hierbei bekommen die Probanden kurzzeitig die Möglichkeit, eine räumliche Anordnung zu betrachten. Danach werden die Probanden unter Sichtentzug aufgefordert, einen bestimmten Pfad zurückzulegen. Ebenso wie bei Pfadintegrationsuntersuchungen weisen Befunde vom Gehen-ohne-Sicht auf eine automatische, bewegungsbegleitende Aktualisierung einer Raumrepräsentation hin (May 2004a, S. 158).
- Arbeit zitieren
- Dipl.-Päd. Karsten Rohr (Autor:in), 2006, Nutzung räumlichen Wissens nach sprachlichem und handlungsbasiertem Raumerwerb, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59996
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