Als Makro-Einheiten bezeichnet man große, komplexe auf der Makro-Ebene angesiedelte Struktureinheiten, die untereinander eindeutig abgegrenzt werden können. Dies sind meist Länder (Nationalstaaten) können aber auch supra-nationale Gebilde wie EU oder NATO, Regionen oder Kontinente sein. Mit makrokomparativer Forschung meint man den Vergleich von Makro-Einheiten. Zwei Ansätze dominieren die Diskussion in der makrokomparativen Forschung seit den 1970er Jahren: Klassische makro-quantitative Vergleiche einerseits und makro-qualitative Vergleichsformen andererseits. Diese Diskussion ist nicht zu verwechseln mit der Debatte um quantitative und qualitative Sozialforschung im Bereich der Datenerhebung auf der Mikro-Ebene. Bei makro-quantitativer Forschung will man in der Regel bestehende Hypothesen am Datenmaterial testen. Bei makro-qualitativer Forschung werden die Kategorien dagegen häufig erst aus den Daten entwickelt (induktive Vorgehensweise). Betrachtet der quantitative Vergleich viele Fälle mit statistischen Methoden, so werden in der qualitativen Forschung weniger sorgfältig ausgesuchte Fälle analysiert. In der folgenden Arbeit sollen die beiden Schulen der ‚qualitativen’ und der ‚quantitativen’ makro-soziologischen Forschung mit ihren zentralen Argumenten vorgestellt werden, wobei das quantitative Verfahren ausführlicher besprochen wird. So wird zuerst in die makro-quantitative Vergleichsmethode eingeführt, der zweite Abschnitt beschäftigt sich dann kritisch mit den Schwierigkeiten dieses Ansatzes und in einem dritten Abschnitt werden schließlich qualitative Verfahren als mögliche Alternative vorgestellt. Schließlich sollen zum Ende der Arbeit beide Ansätze anhand eines empirischen Beispiels, nämlich der Wohlfahrtsstaat-Studie von Albers aus dem Jahr 1987, verglichen werden. Dazu wird Jens Albers quantitative Studie einer makro-qualitativen Untersuchung des Datenmaterials durch Berg-Schlosser und Quenter gegenübergestellt.
Inhalt
Einleitung
1 Ländervergleich mittels der ‚makro-quantitativen’ Methode
1.1 Was sind ‚quantitative’ Methoden im Ländervergleich?
1.2 Vorteile quantitativer Analyseverfahren
2 Schwierigkeiten quantitativer Analyseverfahren und Lösungsvorschläge
2.1 Probleme der Datenerhebung
2.2 Probleme der Stichprobenziehung und -zusammensetzung
2.3 Probleme der Datenauswertung und Analyse
2.4 Fundamentalkritik an der Vergleichbarkeit von Makro-Einheiten
3 Ländervergleich mittels der ‚makro-qualitativen’ Methode
3.1 Was sind die ‚qualitativen’ Methoden im Ländervergleich?
3.2 Der Ragin-Ansatz
3.3 Möglichkeiten und Grenzen qualitativer Analyseverfahren
4 Beide Methoden im Vergleich an einem konkreten Beispiel
4.1 Albers vergleichende Studie über den Wohlfahrtsstaat
4.2 Eine qualitative Re-Analyse der Studie durch Berg-Schlosser/Quenter
Literaturverzeichnis
Einleitung
Als Makro-Einheiten bezeichnet man große, komplexe auf der Makro-Ebene angesiedelte Struktureinheiten, die untereinander eindeutig abgegrenzt werden können. Dies sind meist Länder (Nationalstaaten) können aber auch supra-nationale Gebilde wie EU oder NATO, Regionen oder Kontinente sein. Mit makrokomparativer Forschung meint man den Vergleich von Makro-Einheiten. „We define macrocomparative studies as comparing two or more nations. The process may involve global, aggregate, or individual-level structure or process so long as it draws on the experience of more than one nation.“ (Bollen u.a., 1993, S.323)
Ein Vergleich verschiedener Nationalstaaten besteht wie jeder Vergleich aus den drei Elementen Forschungsfrage, Vergleichskategorien (Ausprägungen der interessierenden Variablen) und Vergleichsfälle. (Patzelt, 2001, S. 230) Berg-Schlosser nennt als zusätzliches Differenzierungskriterium noch die zeitliche Dimension, also ob mehrere oder nur ein Beobachtungszeitpunkt vorliegen. Daraus ergeben sich folgende Möglichkeiten eines sozialwissenschaftlichen Makro-Vergleichs: Vergleiche mit kleinen Fallzahlen (klassischer Bereich der Makro-Komparatistik) oder statistische Vergleiche (für eine große Fallzahl), Querschnitt- oder Längsschnitt-Vergleiche, Vergleiche von Strukturen oder Prozessen.
Zwei Ansätze dominieren dabei die Diskussion in der makrokomparativen Forschung seit den 1970er Jahren: klassische makro-quantitative Vergleiche einerseits und makro-qualitative Vergleichsformen andererseits. Diese Diskussion ist nicht zu verwechseln mit der Debatte um quantitative und qualitative Sozialforschung im Bereich der Datenerhebung auf der Mikro-Ebene. Bei makro-quantitativer Forschung will man in der Regel bestehende Hypothesen am Datenmaterial testen. Bei makro-qualitativer Forschung werden die Kategorien dagegen häufig erst allmählich aus den Daten entwickelt (induktive Vorgehensweise). Betrachtet der quantitative Vergleich viele Fälle mit statistischen Methoden, so werden in der qualitativen Forschung weniger sorgfältig ausgesucht Fälle analysiert.
Im folgenden Referat sollen die sich zeitweise geradezu feindlich gegenüber stehenden Schulen der ‚qualitativen’ und der ‚quantitativen’ Makro-Forschung mit ihren zentralen Argumenten vorgestellt werden, wobei den quantitativen Verfahren eindeutig mehr Platz eingeräumt wird. So wird unter dem Oberpunkt eins die makro-quantitative Methode vorgestellt, Oberpunkt zwei beschäftigt sich kritisch mit den Schwierigkeiten dieses Ansatzes und der dritte Oberpunkt stellt dann die qualitativen Verfahren als eine mögliche Alternative vor. Schließlich sollen zum Ende der Arbeit beide Ansätze anhand eines empirischen Beispiels, nämlich der Wohlfahrtsstaat-Studie von Albers aus dem Jahr 1987 verglichen werden. Dazu wird Jens Albers quantitative Studie einer makro-qualitativen Untersuchung des Datenmaterials durch Berg-Schlosser und Quenter gegenübergestellt.
1 Ländervergleich mittels der ‚makro-quantitativen’ Methode
1.1 Was sind ‚quantitative’ Methoden im Ländervergleich?
Der quantitative Vergleich von Nationalstaaten – ‚quantitative cross-national-analysis’ (CNA) – ist eine der meistgenutzten soziologischen Methoden überhaupt. Ein klassischer Anwendungsbereich der Makrokomparatistik ist beispielsweise die Arbeit mit Wirtschafts- und Sozialindikatoren, so genannten prozessproduzierten Daten, die bei der Arbeit verschiedener staatlicher Stellen anfallen. Häufige Vergleichskategorien sind dabei zum Beispiel: Einkommensverteilung, Bildungsungleichheit, Erwerbstätigkeit, Migration, Stadt-Land-Gefälle, Kriminalitätsrate, Geburts- und Todesraten, Heirat- und Scheidungsraten. Ein anderer Bereich sind politische Aggregate, wie Wahlergebnisse, Abstimmungsergebnisse oder auch Parteiprogramme. Daneben existieren Ereignisdaten, die sich auf soziale Proteste, Kriege, Unruhen und andere historische Ereignisse und deren quantitative Ausprägungen beziehen.
Klar ist das beinahe alle der genannten Indikatoren auch politische Implikationen haben. Besonders krass deutlich wird dies am Beispiel der Entwicklungsländerforschung: Von Forschungsergebnissen zum Lebensstandard eines Landes hängen hier unter Umständen Fördergelder und damit möglicherweise auch Menschenleben ab. Auch besteht die dringende Notwendigkeit teilweise widersprüchlichen Entwicklungstheorien, empirisch überprüfen zu können. (Herkenrath, 2002, S. 517) Dieses Beispiel soll verdeutlichen, wie wichtig ein methodisch sauberes Vorgehen, welches valide Ergebnisse liefert, unter Umständen sein kann.
Vergleichsfälle müssen sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten aufweisen, um sinnvoll verglichen werden zu können. „Abwegig ist es, Vergleichsfälle zu betrachten, die sich in den interessierenden Merkmalen nicht unterscheiden, [oder] die für die abhängige Variable irrelevant sind.“ (Patzelt, 2001, S.230) Sinnvoll dagegen könnte eine Auswahl von Fällen sein, die sich hinsichtlich der intervenierenden Störvariablen ähnlich sind, um diese konstant zu halten. Ein solches Vorgehen nennt man differenz-analytisch, das heißt das Hauptaugenmerk liegt auf den Unterschieden im Datenmaterial und damit verbunden natürlich auf der Frage, worin diese Unterschiede begründet sind. „Solche Fragestellungen ergeben sich oft aus unmittelbar praktischen Anliegen, etwa aus dem Wunsch, Ansatzpunkte zur Beseitigung von Arbeitslosigkeit zu finden und dafür aus den Erfahrungen in sozio-ökonomisch gleichartigen Ländern zu lernen.“ (ebd. S.232) Vorteilhaft für die Differenzanalyse sind daher homogene Stichproben (z.B. die OECD-Mitgliedsländer), um die Aufmerksamkeit auf die speziellen Kategorien der Variablen zu lenken.
Als quantitativ bezeichnet man die Vergleichsmethode, wegen der üblicherweise verwendeten statistischen Verfahren der Datenanalyse. Die deskriptive und schließende Statistik hat traditionell ihren Platz in der Umfrageforschung und der Arbeit mit Individualdaten, in welcher viele Fälle gemeinsam beschrieben und auf Zusammenhänge hin untersucht werden. In der vergleichenden Makro-Forschung kommen statistische Verfahren vor allem in Form der Aggregatdatenanalyse vor. Zwar könnte man Ländervergleiche auch mit Individualdaten durchführen, jedoch besteht das Datenmaterial meist nur aus den aggregierten Kennwerten der einzelnen Länder.
Von Individualdaten spricht man, wenn die Merkmalswerte noch den einzelnen statistischen Einheiten zuzuordnen sind, an denen diese erhoben wurden. Also wenn für jeden Beobachtungsfall die individuellen Ausprägungen aller interessierenden Variablen bekannt sind. Im Gegensatz hierzu sind Aggregatdaten immer Aussagen über Kollektive: Hier ist nicht der einzelne Merkmalsträger von Interesse, sondern viel mehr die Frage, wie sich das Merkmal (und dessen Ausprägungen) über alle Merkmalsträger hinweg verteilt. „‚Aggregatdaten’ ist ein Fachbegriff der Methodenlehre und der Statistik. Wie viele Fachwörter ist es ein Fremdwort. ‚Aggregat’ stammt von ‚aggregatum’, dem lateinischen Wort für Angehäuftes, und ‚Daten’ heißt Informationen oder Angaben. ‚Aggregatdaten’ sind insoweit Angaben über Angehäuftes.“ (Schmidt, 1998, S. 327) Als Aggregatdaten bezeichnet man Daten, die nur über die Zahl der Fälle bestimmter Merkmals- bzw. Phänomenkombinationen, beziehungsweise deren Verhältnis (Quotienten, Indexwerte etc.) informiert. Typische Aggregatwerte sind die Arbeitslosenquote, das Durchschnittseinkommen oder die Geburtenrate eines Landes.
Aggregatdaten entstehen in der Regel durch Zusammenfassung von Individualdaten, dies geschieht beispielsweise durch Summierung oder die Bildung von Durchschnitts- und Anteilswerten. Sind Aggregatdaten dergestalt an die Individualmerkmale der Bevölkerung angeschlossen, spricht man von ‚analytischen Daten’ (z.B. 2,3% der Bürger eines Landes sind Analphabeten). Neben analytischen Aggregatdaten gibt es nach strukturelle Daten und Globaldaten. Als Globaldaten bezeichnet man solche Eigenschaften des Aggregats, die sich nicht auf die individuellen Mitglieder des Kollektivs zurückführen lassen (z.B. Regierungsformen etc.). Strukturelle Daten ergeben sich aus den Daten über Beziehungen von Individuen, Gruppen, Organisationen usw. zueinander.
1.2 Vorteile quantitativer Analyseverfahren
Ein großer Vorteil des Aggregatdaten gestützten quantitativen Ländervergleichs liegt in der schnellen Gewinnung deskriptiv vergleichender Informationen über größere Einheiten. So ist die knappe Beschreibung einer Vielzahl von Ländern möglich. „Aggregatdaten stellen gut zugängliches und in handliche Form gepresstes empirisches Material bereit.“ (Schmidt, 1998, S. 329) Zusätzlich schafft der Vorgang der Aggregation, da er die Zusammenfassung vieler Individualdaten zur Folge hat, Informationen von größerer Verlässlichkeit. Auch bietet die Aggregatdatenanalyse eine effiziente Möglichkeit der strengen Hypothesen-Prüfung im Sinne des empirisch deduktiven Ansatzes.
Ein wichtiges Argument für die makro-komparative Arbeit mit Aggregatdaten ist zudem ökonomischer Natur: Meist ist es möglich mit den Ergebnissen bereits durchgeführter Studien zu arbeiten, welche idealer Weise kostenlos zur Verfügung stehen. Diese Sekundäranalyse vorliegender Aggregatdaten ist nicht nur preiswerter, sondern auch einfacher als die Arbeit mit kompletten Datensätzen auf Individualdatenniveau. Da es zudem im Ländervergleich für die wenigsten Studien möglich ist eigene Daten zu erheben, sind die meisten Forschungsvorhaben darauf angewiesen mit vorhandenen Datensätzen zu arbeiten. Herkenrath sieht die Möglichkeit, Sekundärdatenanalysen an bereits bestehenden Datensätzen durchzuführen, durchaus als einen großen Vorteil der CNA, auf dem die Effektivität dieser Vergleichsmethode gründet. „As all the variables in these data files relate to the same units (i.e. the approximately 190 contemporary nation-states officially recognized by the UN as independent territories), it is even possible to combine variables from different sources.” (Herkenrath, 2002, S. 519) Allerdings kann dieses Vorgehen dazu führen, dass die in einer Studie verarbeiteten Daten mit unterschiedlichen Methoden erhoben wurden, was wiederum die Vergleichbarkeit beeinträchtigt.
Für die Forschung mit Aggregatdaten steht eine Vielzahl von Datenquellen zur Verfügung. So erhält man Auskünfte zu wirtschaftlichen Themen sowie zu Gesundheit, Bildung und Sozialem auf nationaler Ebene bei den Statistikämtern des Bundes und der Länder und international bei den entsprechenden Institutionen. „Wer selbstständig mit Aggregatdaten arbeiten möchte, findet umfangreiches Material in Statistischen Jahrbüchern, z.B. im (...) Statistischen Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland, ferner (...) in der halbjährlichen Veröffentlichung ‚OECD Economic Outlook’ (...) und im ‚Weltentwicklungsbericht’ der Weltbank sowie im ebenfalls jährlich veröffentlichten ‚Human Development Report’ des United Nations Development Programm.“ (Schmidt, 1998, S. 330) Politische oder auch historische Daten kann man darüber hinaus auch in spezifischen Sammlungen oder Zeitungen- und Pressearchiven finden (z.B. ‚Keesings Archive of Contemporary and World Events’). Auch gibt es spezifische sozialwissenschaftliche Infrastruktureinrichtungen wie die Gesis, das ZA und die ZUMA, die komplette Datensätze auch auf Individualdatenniveau zur Verfügung stellen.
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- Peter Neitzsch (Autor), 2005, Erfassbarkeit und Vergleichbarkeit von Makro-Einheiten - Probleme quantitativer und qualitativer Methoden, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59913
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