Mitten im politischen Chaos der ersten Hälfte der 90er Jahre zerfiel die Tschechoslowakei zum zweiten und zum letzten Mal in Ihrer Geschichte. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Auflösung der Föderation am 1. Januar 1993, sind zwei neue Republiken als Nachfolgestaaten der aufgelösten CSFR entstanden. Überschriften, wie "friedlicher Zerfall" oder "friedliche Scheidung" haben die Seiten der Zeitungen und Zeitschriften in der ganzen Welt gefüllt.
Lange Zeit herrschte die allgemeine These vor, dass der Zerfall auf einen sich verstärkenden slowakischen Nationalismus und ethnische Unruhen zurückzuführen ist. Als weiterer Grund gilt die Tatsache, dass es keine kommunistische Diktatur mehr gab, die diese Strömungen und Auseinandersetzungen mit ihren diversen Methoden weiterhin verdrängen konnte.
Mit dieser allgemeinen und viel zu groben Meinung über den Zerfall der ČSFR, nach welcher sich die Slowakei abgespaltet hat, stellt sich der Autor dieser Arbeit nicht zufrieden. Ziel ist es deshalb eine komplexe Analyse bestehend aus der Geschichte, der Innen- und Außenpolitik, der Verfassungsproblematik, der politischen Parteien und Eliten, der Wirtschaft und der Mythen, die den gemeinsamen Staat bis an sein Ende begleitet haben, zu liefern.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Teil I: Die gemeinsame Geschichte
1. Die Erste Republik
1.1 Gründung des gemeinsamen Staates 1918/1919
1.1.1 Die Beziehungen zwischen den Tschechen und Slowaken vor der Gründung der Ersten Republik
1.1.2 Nationale Wiederbelebung im 19. Jahrhundert
1.1.3 Die Gründungsaktivitäten von Tomáš G. Masaryk und Milan R. Štefánik
1.1.4 Der Mythos der „tschechoslowakischen Nation“
1.1.5 Gründung der Tschechoslowakischen Republik
1.1.6 Die staatsrechtliche Grundlage der Ersten Republik
1.2 Innenpolitische Lage und Aufbau der Ersten Republik 1918-1939
1.2.1 Aufbau der Ersten Republik
1.2.2 Das tschechisch-slowakische Verhältnis in der Ersten Republik
1.3 Die ČSR im Schatten des Dritten Reiches – Das Münchner Abkommen
1.3.1 Auswirkung der außenpolitischen Konstellation der Dreißiger Jahre auf die ČSR
1.3.2 Die außenpolitische Lage nimmt einen negativen Wandel
1.3.3 Das Münchner Abkommen – Weg zum ersten Zerfall der Tschechoslowakei
1.4 Abspaltung der Slowakei 1939 - Gründung des faschistischen Satellitenstaates
1.4.1 Von Autonomie zur Abspaltung der Slowakei
2. Die Kriegsjahre, der Widerstand, die Exilregierung und ihre „Doktrin der Rechtskontinuität“
2.1 Aktivitäten der Londoner Exilregierung und die „Doktrin der Rechtskontinuität“
2.2 Der Widerstand während des Zweiten Weltkrieges und der slowakische Nationalaufstand
2.3 Wiederherstellung der Ersten Republik nach dem Zweiten Weltkrieg
2.4 Die letzten freien Wahlen von 1946 – der Aufstieg der Kommunisten
3. Die sozialistische Zweite Republik
3.1 Der kommunistische Staatsstreich und die Verfassung von 1948
3.2 Die totalitäre Verfassung von 1960
3.3 Der „Prager Frühling“ und seine Auswirkung auf das Verhältnis zwischen den Tschechen und den Slowaken
3.4 Die sozialistische Föderation
3.5 Aufbau der sozialistischen Föderation
3.6 Wiederherstellung des totalitären Regimes
4. Die Samtene Revolution von 1989 – Zünder des Zerfalls?
4.1 Die Opposition nach 1968
4.2 Fall des Kommunismus im November 1989
4.3 Rücktritt der kommunistischen Garnitur
5. Zusammenfassung
Teil II: Grundlagenanalyse
1. Staatsrechtliche Aspekte
1.2 Das Problem der sozialistischen Verfassung
1.2 Evolution oder Revolution?
1.3 Anmerkungen zum Sezessionsrecht
1.4 Die Verfassungen der Republiken
2. Innenpolitische Lage 1989/1990
2.1 Innenpolitische und gesellschaftliche Veränderungen nach 1989
2.2 Gesamtstaatliche politische Parteien und deren sinkender Einfluss
2.3 Politische Parteien in Tschechien
2.4 Politische Parteien in der Slowakei
3. Ökonomische und soziale Lage
3.1 Die wirtschaftliche Entwicklung der Tschechoslowakei
3.2 Tschechoslowakische Wirtschaft zu Beginn der neunziger Jahre
3.3 Die Folgen
4. Außen- und Sicherheitspolitische Aspekte
4.1 Neue Welt- und Europaordnung
4.2 Die außenpolitischen Herausforderungen
5. Zusammenfassung
Teil III: Prozess des Zerfalls
1. Die ersten freien Wahlen 1990 und deren Auswirkung
1.1 Der Bindestrichkrieg
1.2 Beitrag der Intellektuellen zum Bindestrichkrieg
1.3 Bewertung
2. Die Wahlen 1990 und deren Auswirkungen
2.1 Das politische Umfeld
2.2 Die Wahlprogramme
2.3 Die Wahlergebnisse und die neuen Regierungen
3. Die Verhandlungen über die gemeinsame Staatsform – das Kompetenzgesetz
3.1 Die Absichten
3.2 Die Verhandlungen über die Kompetenzen
3.3 Die Krise der Verhandlungen im Schatten des Sprachengesetzes
3.4 Inhalt des Kompetenzgesetzes
4. Die Verhandlungen 1991
4.1 Der wirtschaftliche Kontext
4.2 Zersplitterung der politischen Parteien
4.3 Neue Initiative: Der Tschechisch-slowakische Staatsvertrag
4.4 Die Verhandlungen über den Staatsvertrag – erste Jahreshälfte 1991
4.5 Havels gescheitertes Referendum
4.6 Haltung der Bevölkerung zur gemeinsamen Staatsform
4.7 Die Verhandlungen über den Staatsvertrag – Jahreswende 1991/1992
4.8 Folgen der Konsensunfähigkeit
5. Die Parlamentswahlen 1992 – der Anfang vom Ende
5.1 Politische Ausgangslage
5.1.1 Die politischen Parteien, deren Programme und der Wahlkampf
5.1.2 Die öffentliche Meinung
5.2 Die Wahlen
5.2.1 Die Wahlergebnisse
5.2.2 Die Wahlsieger: Václav Klaus und Vladimír Mečiar
6. Der zweite Zerfall der Tschechoslowakei
6.1 Koalitionsverhandlungen zwischen ODS und HZDS
6.1.1 Die Brünner Verhandlungen
6.1.2 Die erste Verhandlungsrunde in Prag
6.1.3 Die zweite Verhandlungsrunde in Prag
6.2. Das politische Abkommen über den Zerfall
6.3 Die Slowakische Souveränitätserklärung und die Verabschiedung der slowakischen Verfassung
6.3.1 Die Souveränitätserklärung des Slowakischen Nationalrates
6.3.2 Die slowakische Verfassung
7. Modalitäten des Zerfalls 1992
7.1. Das Vertragswerk und die Trennung des föderalen Eigentums
7.2. Gesetze über das Ende der Tschechoslowakei
7.2.1 Gesetz über die Trennung des föderalen Eigentums
7.2.2 Gesetz über die Auflösung der Föderation
8. Legitimität des Zerfalls
8.1 Wer sollte entscheiden und wer hat tatsächlich entschieden?
8.2 Die Interessen der ODS und der HZDS
Schlussbetrachtung und die Nachfolgerstaaten
Literatur und Quellen
Literatur
I. Literaturverzeichnis
II. Zeitschriften
III. Online Zeitschriften-Archive
Quellen
I. Schriftliche Quellen
II. Quellen aus dem Internet
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Einleitung
Die Jahre nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft in den Staaten Mittel- und Osteuropas waren durch viele Krisen gekennzeichnet. Die Supermacht Sowjetunion brach nach dem Moskauer Umsturz 1991 zusammen. Nacheinander sind 15 neue Staaten entstanden. Ein ähnliches Schicksal traf Jugoslawien, dessen Länder sukzessiv die Unabhängigkeit erklärten.
Die Konflikte zwischen den Nachfolgestaaten der Sowjetunion lassen sich nicht an einer Hand abzählen. Hinzu kam der Krieg auf dem Balkan.[1] Viele Umbrüche resultierten aus der Euphorie der Wende, aus der plötzlichen Freiheit und dem Macht- und Ideologievakuum. Ein neuer Nationalismus ersetzte in den meisten ost- und mitteleuropäischen Staaten den früheren Kommunismus. Die verdrängten Probleme aus der Vergangenheit zerstörten Länder wie Jugoslawien in wenigen Jahren von Innen.
Mitten in diesem Chaos der ersten Hälfte der 90er Jahre zerfiel auch die Tschechoslowakische Föderation. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Auflösung der Föderation am 1. Januar 1993,[2] sind zwei neue Republiken als Nachfolgestaaten der aufgelösten ČSFR entstanden. Überschriften, wie „friedlicher Zerfall“ oder „friedliche Scheidung“[3] haben die Seiten der Zeitungen und Zeitschriften in der ganzen Welt gefüllt.
Es herrschte die allgemeine These vor, dass der Zerfall auf einen sich verstärkenden slowakischen Nationalismus und ethnische Unruhen zurückzuführen ist.[4] Als weiterer Grund gilt die Tatsache, dass es keine kommunistische Diktatur mehr gab, die diese Strömungen und Auseinandersetzungen mit ihren diversen Methoden weiterhin verdrängen konnte.
Mit dieser allgemeinen Meinung über den Zerfall der ČSFR, nach welcher sich die Slowakei abgespaltet hat, stellt sich der Autor dieser Arbeit nicht zufrieden. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher eine komplexe Analyse der Geschichte, der Innen- und Außenpolitik, der Verfassungsproblematik, der politischen Parteien und Eliten, der Wirtschaft und der Mythen, die den gemeinsamen Staat bis an sein Ende begleitet haben, zu liefern.
Teil I: Die gemeinsame Geschichte
1. Die Erste Republik
1.1 Gründung des gemeinsamen Staates 1918/1919
Die Tschechoslowakei hatte an ihrem Ende im Jahre 1992 bereits eine komplizierte und spannende Geschichte hinter sich, die immer sehr eng an das gesamteuropäische Geschehen gebunden war. Die Erste Republik war ein Kind der Versailler Verträge,[5] [6] welche zwischen 1918 und 1920 auf der gleichnamigen Friedenskonferenz unterzeichnet wurden. Die ČSR wurde am 28. Oktober 1918 in Prag proklamiert. Der SNR deklarierte[7] am 30. Oktober 1918 in St. Martin sein Einverständnis mit dem Eintritt der Slowakei in den neuen gemeinsamen Staat. Dadurch wurde die ČSR formell gegründet. In den folgenden Kapiteln werden die Vorgeschichte und die Gründung der Ersten Republik, ihre Existenz zwischen den beiden Weltkriegen und hauptsächlich ihr Untergang dargestellt.
1.1.1 Die Beziehungen zwischen den Tschechen und Slowaken vor der Gründung der Ersten Republik
In Europa gab es nur selten eine derartige Beziehung zwischen zwei Völkern, wie es bei den Tschechen und Slowaken der Fall ist. Diese Beziehung ist trotz der Tatsache, dass beide Völker ganze Jahrhunderte in unterschiedlichen Staaten lebten, durch spezifische Besonderheiten geprägt. Die Tschechen sind in Europa geographisch die westlichsten Slawen, die durch ihre deutschen Nachbarn nicht selten bedroht wurden.[8] Diese geopolitische Konstellation hat die Tschechen immer wieder gezwungen einen Ausgleich im Osten zu suchen,[9] wo ein kulturell und sprachlich[10] verwandtes Volk – die Slowaken – lebten.
Das Gebiet der heutigen Slowakei gehörte seit dem frühen 11. Jahrhundert zum Königreich Ungarn. Allerdings waren die Ungarn ein neues Volk in Europa, welches in der letzten Phase der Völkerwanderung nach Mitteleuropa kam. Unter dem ungarischen Druck ist das Mährische Fürstentum, welches zwischen den Jahren 846[11] -907[12] nachweislich[13] existierte (Abb. 1), zerfallen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1[14]
Im folgenden wird der historische Verlauf chronologisch dargestellt.
Das mährische Fürstentum spielt eine wichtige Rolle sowohl in der tschechischen als auch der slowakischen Geschichte. Es war nicht nur der erste slawische Feudalstaat,[15] sondern auch ein Kultur- und Identitätsträger. Im Laufe der Existenz Mährens wandte sich der Nachfolger des ersten mährischen Fürsten Moimyrs I. Rastislaw an den Byzantinischen Kaiser, welcher ihm zwei Gelehrte - Konstantin und Method - schickte. Konstantin war Rechtsgelehrter und Method Theologe. Beide Männer erhielten von Papst Hadrian II. die Erlaubnis lateinische Liturgien in die slawische Sprache zu übersetzen. Auf dem langen Weg von Byzanz nach Mähren haben sie für die existierende slawische Sprache eine Schrift geschaffen.
Diese Anfrage Rastislaws lässt sich auch politisch erklären. Er befand sich als Herrscher eines Fürstentums zwischen zwei machtpolitischen und religiösen Polen: dem Ostfränkischen Reich im Westen und dem Byzantinischen Reich im Osten und somit zwischen dem Einfluss der westlich-lateinischen und östlich-griechischen Kirche. Konstantin und Method haben während ihres Aufenthaltes in Mähren die religiöse und kulturelle Grundlage von Rastislaws’ Herrschaft durch ihre einheitliche Christianisierung gekräftigt. Ihr Wirken fällt in eine Zeit fruchtbarer Kulturentfaltung im Großmährischen Reich,[16] die für uns heutzutage anhand von Ausgrabungen sichtbar wird.[17] Der Zerfall des Mährischen Fürstentums war eine Folge der Herrschaftsaufteilung zwischen den drei Söhnen Swatopluks,[18] des vorletzten herrschenden Fürsten Mährens. Die ungarische Expansion im Jahre 907 hatte die endgültige Auflösung des Mährischen Fürstentums[19] zur Folge.
Die nächste Periode der gemeinsamen Beziehungen spielt sich insbesondere im kulturellen und politischen Austausch zwischen dem mittelalterlichen böhmischen Herzogtum[20] und dem Königreich Ungarn ab.
Im Laufe der ersten Jahrzehnte des 11. Jahrhunderts wurde das Gebiet der heutigen Slowakei vom Königreich Ungarn einverleibt. Dabei handelte es sich nicht um die Annexion eines souveränen Staates, sondern um eine einfache Besetzung eines Gebietes mit slawischer Bevölkerung ohne staatliche Strukturen.
Die Einigung der tschechischen Stämme im gleichen Jahrhundert führte zur Gründung des Böhmischen Königreichs. Durch diese Entwicklung lebten Tschechen und Slowaken bis 1918 in politisch unterschiedlichen Einheiten. Das Böhmische Königreich schützte erfolgreich über mehrere Jahrhunderte die Identität und die Sprache des tschechischen Volkes.
Ungarn entwickelte eine eigene Identität parallel zu Tschechien. In politischen Kreisen wurde zum Beispiel anfangs lateinisch gesprochen[21] und erst im 19. Jahrhundert setzte sich die ungarische Sprache durch. Unter anderem auch zur Magyarisierung der restlichen Völker des ungarischen Teiles der Habsburger Monarchie.
Die beiden Staaten blieben aber weiterhin in Kontakt. Auf der einen Seite gab es militärische Auseinandersetzungen zwischen den tschechischen und ungarischen Königen. Auf der anderen Seite besuchten slowakische bzw. ungarische Gelehrte häufig die neu gegründete Karls-Universität in Prag.[22] Sie brachten die tschechische Sprache nach ihrer Rückkehr zwischen dem 14. und dem 16. Jahrhundert mit in die Slowakei. Prag und Böhmen erlebten zu dieser Zeit, unter der Herrschaft des Kaisers Karl IV.,[23] eine politische und kulturelle Blütezeit. Das Königreich wurde in Folge dessen zum Zentrum Mitteleuropas.
Wenige Jahrzehnte nach der Regierung Karls IV. waren es die Hussiten,[24] welche die tschechische Sprache in der Slowakei weiterverbreiteten.[25] Während der Bedrohung durch die Türken kämpften viele Adeligen und Soldaten als Söldner aus Böhmen auf dem Gebiet der heutigen Slowakei, das zeitweise eine Grenze mit dem Osmanischen Reich[26] hatte. Viele sind nach den Auseinandersetzungen in der Slowakei verblieben.[27] Ein kleiner Exodus tschechischer Protestanten in die Slowakei fand auch nach der verlorenen Schlacht am Weißen Berg im Jahre 1620 statt.[28]
1.1.2 Nationale Wiederbelebung im 19. Jahrhundert
Im 18. und 19. Jahrhundert kam es zu einer qualitativen Veränderung der tschechisch-slowakischen Beziehungen. Zu dieser Zeit haben sich die Tschechen und Slowaken immer mehr als eigenständige Völker betrachtet. Jedoch gab es keine Zweifel mehr über die Verwandtschaft der beiden Völker.[29] Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde in beiden Ländern der Wiederbelebung der Sprache und Kultur gewidmet.
Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte František Palacký sein Konzept von der Föderalisierung Österreichs nach dem ethnischen Prinzip. Sein Projekt hat er 1849 dem Frankfurter Vorparlament geschickt[30] und sprach sich gleichzeitig gegen die großdeutsche Lösung aus. Er sah das tschechoslowakische Volk auf eigenem Gebiet als eigene Verwaltungseinheit im Rahmen des bestehenden Reiches vor. Gleichzeitig kommt er dabei auf den Gedanken die beiden Völker zu einer Einheit zu verbinden.
In der Slowakei hat man sich mit dem Begriff Nation unterschiedlich auseinandergesetzt. Dabei spielte die Spaltung zwischen den Gelehrten aus katholischen und evangelischen Kreisen eine wichtige Rolle. Die evangelischen Gelehrten benutzten nämlich die tschechische Sprache sowohl im sprachlichen, wie auch im schriftlichen Gebrauch.[31] Die katholischen Gelehrten andererseits lehnten dies ab. Die Entscheidung die konfessionelle Spaltung zu überwinden kam von Ľudovít Štúr,[32] dem Ideologen der nationalen Bewegung. Um die Spaltung zu überwinden, verwendete er die sprachliche Definition einer Nation:
„Ein Volk kann sich als Volk nur gemeinsam mit der Sprache behaupten, ohne sie wäre es kein Volk. Sobald es denn eine eigene Sprache hat, wird es als Volk anerkannt und hat als solches das Recht sich eine gewisse Stellung in der Welt zu erhalten. Ein Volk, das seine Sprache verliert und mit einem fremden Volk verschmilzt, anerkennt die Tatsache, dass es unfähig ist, sich eigenständig zu entwickeln.“[33]
Im Jahre 1843 hat Štúr mit weiteren Gelehrten die Sprache kodifiziert. Sie basierte auf dem unter der Bevölkerung am meisten verbreiteten mittelslowakischen Dialekt. Ein weiterer wichtiger Schritt bei der Verbreitung der Sprache war ihre praktische Verwendung in der Literatur und in der von Štúr verfassten und gedruckten „Slowakischen Nationalen Zeitung“.
In der revolutionären Periode 1848/49 formulierte Štúr ein politisches Programm mit fortschrittlichen Forderungen, wie etwa die Abschaffung des Feudalismus, Verwendung der slowakischen Sprache in Ämtern und Schulen und die Dezentralisierung der Metternich-Bürokratie.[34]
Die slowakische Frage wurde zum ersten Mal ein Thema auf dem internationalen Slawenkongress in Prag im Juni 1848. Der Kongress war ein Beispiel der politischen Uneinigkeit der jeweiligen Vertreter der slawischen Völker. Die föderalistischen Vorstellungen von Palacký und das Unabhängigkeitskonzept von Štúr prallten dabei aufeinander.
Im September 1848 gründete Štúr mit seinen Vertrauten den SNR in Wien und mobilisierte Massen für einen Aufstand gegen die ungarische Regierung. Der Aufstand hatte eine Zeit lang die Unterstützung des Kaisers Franz-Josef I. Dieser nutzte den slowakischen Aufstand aber eher als Druckmittel gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen Ungarns. Der Aufstand war teilweise erfolgreich, aber hatte seinen Sinn nach der Intervention Russlands und der Wiederherstellung der Integrität der Donaumonarchie verloren.
Im Unterschied zu den naturrechtlichen Forderungen[35] der Slowaken hatten die Tschechen die Möglichkeit sich auf das Erbe ihres Königreiches zu berufen. Im Jahre 1867 kam es zwischen dem österreichischen und ungarischen Teil der Monarchie zu einem Ausgleich, welcher sowohl die Tschechen, als auch die Slowaken betraf. Österreich-Ungarn, so der neue Name, wurde dann nur durch die Person des Kaisers, welcher gleichzeitig der ungarische König war, verbunden. Bis auf das Militär, die Außenpolitik und die Finanzen waren die beiden Teilstaaten nun gleichberechtigt. Für die Tschechen bedeutete dieser Ausgleich eine Benachteiligung und Verletzung ihrer historischen Rechte im Vergleich zu Ungarn. Die Länder der böhmischen Krone wurden nach dem Ausgleich von 1867 dem ungarischen nicht gleichgestellt, sondern verblieben unter der Herrschaft Österreichs.
Wien zog sich zurück und die slowakische Frage wurde somit zu einer internen ungarischen Angelegenheit. Die Blütezeit der nationalen Wiederbelebung wurde durch den Ausgleich faktisch beendet. Die politische Passivität und die Verdrossenheit der Slowaken und Tschechen machte die fortschreitende Magyarisierung bzw. Germanisierung einfacher. Neue Energie für die Wiederbelebung der Unabhängigkeitsbewegung kam erst am Anfang des 20. Jahrhundert mit dem Ersten Weltkrieg.
1.1.3 Die Gründungsaktivitäten von Tomáš G. Masaryk und Milan R. Štefánik
Die Idee der tschechoslowakischen Nation ist ein Konstrukt von Tomáš. G. Masaryk[36] und wurde zu einer der wichtigsten Grundlagen der Staatsgründung nach dem Ersten Weltkrieg. Diese Idee wurde erst im Zuge des Ersten Weltkrieges in vollem Umfang und voller Tiefe ausgearbeitet. Paradoxerweise beschäftigten sich Masaryks Vorkriegsschriften ausschließlich mit der Frage der tschechischen Nation im Rahmen Österreich-Ungarns.[37] Er warnte sogar vor dem Untergang Österreichs, was die Tschechen an Deutschland binden könnte.[38] Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass gerade die Bedrohung Tschechiens durch den stärkeren westlichen Nachbar zusammen mit der veränderten machtpolitischen Konstellation in Europa bei Masaryk zu den Überlegungen über die tschechoslowakische Nation führte.
Masaryk ließ sich für seine Schriften von der Idee der Österreichischen Föderation von František Palacký inspirieren. Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte Palacký unter anderem ein Konzept der Umwandlung Österreich-Ungarns nach ethnischem Prinzip in einen Bundesstaat, welcher den slawischen Völkern dadurch die Stimmenmehrheit nach dem Bevölkerungsschlüssel in den Institutionen der Monarchie garantieren würde.[39] Palacký rechnete damit, dass im Falle einer Demokratisierung und Föderalisierung der Monarchie die slawische Bevölkerung mit ihren ca. 17 Mio. die nichtslawische Minderheit mit über 11 Mio. Bürger überstimmen könnte.[40]
Palacký wollte mit seinem Konzept die Interessen seiner kleinen Nation im gesamten Imperium sichern. Das Imperium diente wiederum der geopolitischen Interessensicherung Mitteleuropas zwischen dem Osten und dem Westen. Palacký überlegte sich acht Ländergruppen, die in der Donaumonarchie auf der Länderebene existieren sollten. Zu Tschechien rechnete er auch die heutige Slowakei – damaliges Oberungarn.[41] Während der Revolution im März 1949 wünschten sich die slowakischen Revolutionäre unter der Führung von Ľudovít Štúr zwar eine Abtrennung von Ungarn und die Anerkennung der slowakischen Nation durch den Kaiser. Allerdings bewegte man sich noch im Rahmen der Monarchie und man kann den Ausdruck „Separatismus“ nicht verwenden. Die tschechischen und slowakischen Nationalisten bzw. Föderalisten des 19. Jahrhunderts konnten sich zu diesem Zeitpunkt das Überleben ihrer jeweiligen Nationen ohne die auswärtige Sicherung des Imperiums nicht vorstellen.[42]
Noch kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde in der k. und k. Monarchie der Ausnahmezustand erklärt.[43] Dadurch gerieten die politischen Kräfte in Tschechien und in der Slowakei unter Druck und wurden durch ungarische bzw. österreichische Behörden verfolgt. Im Schatten des modernen Krieges entstand allerdings eine positive Konstellation für die Gründung der ČSR. Ende 1914 verlief die Ostfront durch die heutige Slowakei und blieb dort bis Mitte 1915. Während dieser Besatzung glaubten manche tschechische und slowakische Politiker sowohl im Inland als auch im Exil, dass die russischen Erfolge an der Ostfront eine passende Möglichkeit für die Gründung der Tschechoslowakei darstellten.[44] Im Hinterkopf hatten sie dabei die panslawistische Idee mit der Führungsrolle Russlands.
Auch bei Masaryk fand ein Umdenken statt. Er sprach sich in der Folge für den Austritt Tschechiens aus der Donaumonarchie aus und dachte auch über eine verstärkte Zusammenarbeit mit Russland nach.[45] Im Dezember 1914 verließ er Österreich-Ungarn und floh über die Schweiz nach Frankreich. Sein Memorandum „Independent Bohemia“,[46] welches er in London verfasste und dem britischen Außenministerium überreichte, ist ein Sammelband seiner Vorstellungen über die Zukunft der Tschechoslowakei. Ab Juli 1915 versucht Masaryk Kontakte zu den Alliierten Westmächten und Auslandstschechen und -slowaken herzustellen. Nach Frankreich kam er zusammen mit seinem Assistenten Dr. Edvard Beneš.[47] Masaryk und Beneš trafen im Dezember 1915 den Slowaken Milan Rastislav Štefánik.[48]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Štefánik kannte Masaryk von früher als er bei ihm in Prag Philosophie studierte. Gerade Štefánik war für die gemeinsamen tschechoslowakischen Gründungsaktivitäten und die Exildiplomatie sehr wichtig. Er hat seine tschechischen Kollegen aufgrund seiner guten Kontakte zu hohen französischen Regierungsbeamten in Paris salonfähig gemacht. Er sorgte dafür, dass die Politiker der Entente Masaryk zuhörten und sich auf die eventuelle Gründung der ČSR vorbereiteten.
Masaryks Vorstellung war die Gründung eines Gürtels von unabhängigen slawischen Staaten, welche Deutschland und Ungarn deren Interessen im Nahen Osten bzw. auf dem Balken vereiteln würden.[52] Masaryk hatte dabei die weltpolitische Konstellation und die Machtpolitik im Hinterkopf. Er kannte die Interessen Großbritanniens und Frankreichs im Nahen Osten und auf dem Kontinent bzw. in Mitteleuropa. Frankreichs Politiker wünschten sich immer eine Umklammerung Deutschlands. Polen und die Tschechoslowakei boten sich dabei als Alliierte an. Großbritannien war ebenfalls an der Schwächung Deutschlands interessiert.
Štefániks wichtigste Tätigkeit war die Organisation der tschechoslowakischen Truppen im Ausland.[53] Sein Ziel war die Aufstellung eines Heeres, der sogenannten Legionen. Die Teilung der Aufgaben war klar: Masaryk hielt Vorträge über die Notwendigkeit des gemeinsamen Staates und Štefánik überzeugte nach und nach alle Mächte der Entente, dass die Aufstellung des tschechoslowakischen Exilheeres sie entlasten könne. Die Legionen waren nicht nur ein gutes Beispiel tschechoslowakischer Zusammenarbeit, sondern dienten den Exilpolitikern auch als Instrument des Einflusses auf die Regierungen in Paris, London und Washington. Im Februar 1916 wurde zur Koordinierung der Unabhängigkeitsbestrebungen und der Legionen der Tschechoslowakische Nationalrat[54] unter dem Vorsitz von T. G. Masaryk in Paris gegründet.
Parallel zu Masaryks und Štefániks Aktivitäten im Ausland gab es auch weitere Vorstellungen über die Zukunft der slowakischen bzw. tschechischen Nation im Rahmen Österreich-Ungarns. Einer der Vorschläge kam vom späteren tschechoslowakischen Ministerpräsidenten Milan Hodža, welcher im Mai 1917 ein Dokument über die Föderalisierung der Monarchie[55] an den Kaiser überreichte. Hodža schlug dabei den Anschluss aller slowakischen Landkreise an die tschechische Krone vor.[56] Der Wiener Kreis um Hodža hat diese Forderung sogar im Reichstag zum Ausdruck gebracht. Später hat sich Hodža auf die Gründung der Tschechoslowakei konzentriert. Der Pariser Gruppe um Masaryk und Štefánik gelang es im Laufe des Krieges ihre Aktivitäten im Ausland mit denen in der Heimat zu koordinieren.
1.1.4 Der Mythos der „tschechoslowakischen Nation“
Es herrscht eine bemerkenswerte Diskrepanz zwischen der Annahme der Gründungsväter der ČSR und der Tatsache, dass die Tschechen und Slowaken nie eine gemeinsame Nation gewesen sind. Zum Zeitpunkt der Staatsgründung waren es zwei staatsbildende Völker.[57] Sie waren jedoch durch tausend Jahre Geschichte gewissermaßen aneinander gebunden. Die letzte Bindung endete mit dem Untergang der Donaumonarchie und wurde durch einen gemeinsamen Staat ersetzt.
Die Emanzipationsbewegung in der Donaumonarchie verlief nur teils gemeinsam. Im Kapitel 1.1.2 wurden die Gegensätze zwischen der slowakischen und der tschechischen Emanzipationsbewegung dargestellt. Zu den wichtigsten Gemeinsamkeiten zählten aber die Bemühungen um die Unterscheidung der Tschechen von den Deutschen und den Slowaken von den Ungarn. Um dieses Ziel zu erreichen spielte die Sprache eine wichtige Rolle und deshalb wird die Emanzipationsbewegung mit der Kodifizierung der Sprache[58] eng verbunden.
Der Begriff „tschechoslowakisch“ kommt etwa aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die Änderung des Ausdrucks „tschechoslawisch“.[59] Dieser bezeichnete die Slawen tschechischer Abstammung, die tschechisch sprachen und sich dadurch von den Deutschen abgrenzen wollten. Diese Bezeichnung wurde insb. von Palacký und seiner Generation verwendet und umfasste die Tschechen, die Mähren und auch die Slowaken. Durch die Emanzipationsbewegung der Slowaken, insbesondere durch ihre sprachliche Abgrenzung von den Tschechen, setzte sich nach und nach der Ausdruck „tschechoslowakisch“[60] durch.
Der Meinung des tschechischen Professors Oskar Krejči nach wurde dieser Ausdruck durch die Gründungsväter falsch interpretiert. Aus deren Sicht drückte er die Verbundenheit der beiden Völker aus. Dabei wurden bekannte Konstrukte, wie die Zweistämmigkeit[61] des tschechischen Volkes, hergestellt. Dadurch wurde aber das nationale Bewusstsein der Slowaken missachtet.[62] Der spätere Staatspräsident Masaryk kam selber aus Mähren, welches geographisch und sprachlich zwischen Tschechien und Slowakei liegt. Masaryk konnte dadurch persönlich die Zugehörigkeit der Slowakei zu Tschechien bzw. zu Mähren als selbstverständlich empfunden haben.[63]
Durch die künstliche Verbindung der beiden Völker wollte man unter anderem zwei wichtige politische Ziele erreichen. Das erste Ziel war den Anschein eines Nationalstaates auf der Pariser Friedenskonferenz zu erwecken und das zweite sehr pragmatische Ziel war die machtpolitische Kalkulation des Kreises um Masaryk. Sie wussten nämlich, dass in den Grenzen der zukünftigen ČSR weniger Slowaken als Deutsche lebten:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1[64]
Die Verbindung der beiden Völker – 6,027 Mio. Tschechen und knappe 2 Mio. Slowaken – in ein Staatsvolk sicherte 60% der Gesamtbevölkerung und dadurch die zahlenmäßige Überlegenheit gegenüber allen anderen Minderheiten. Insbesondere gegen die deutsche.[65] Für die Handlungsfähigkeit der Prager Regierung war die Bevölkerungszahl auch im Hinblick auf die proportionale Vertretung in der NZ entscheidend. Die Verfassung der Ersten Republik von 1920 reflektiert diese Tatsache im §33,[66] welcher die dreifünftel (=60%) Verfassungsmehrheit festlegt.
1.1.5 Gründung der Tschechoslowakischen Republik
Die Aktivitäten des Tschechoslowakischen Nationalrates[67] begrenzten sich nicht nur auf die Koordinierung der Legionen. Die Idee des tschechoslowakischen Volkes entwickelte sich im Laufe des Ersten Weltkrieges zum politischen Programm, welches die Gründung der Tschechoslowakei vorgesehen hat. Masaryk gewann nicht nur die Unterstützung der Alliierten, sondern auch die der Auslandstschechen und –slowaken.
Die wichtigsten Zentren sowohl der tschechischen wie auch der slowakischen Emigration waren in den USA. Masaryk hat die USA im Mai 1918 besucht[68] und die Auslandsorganisationen[69] kontaktiert. Deren Unterstützung für die Idee des tschechoslowakischen Staates wurde in einem gemeinsamen Abkommen am 30. Mai 1918 in Pittsburgh unterzeichnet.[70]
Das Abkommen von Pittsburgh hatte nur sechs Artikel und forderte die Gründung eines gemeinsamen Staates für die Tschechen und Slowaken. In diesem Dokument wird nicht von einer tschechoslowakischen Nation gesprochen. Die Slowakei sollte im Falle der Gründung des gemeinsamen Staates einen eigenen Landtag, Justiz und Vollzugsgewalt haben. Man könnte fast den Ausdruck Bundesstaat verwenden. Ein weiteres wichtiges Merkmal ist die Verwendung des Bindestrichs in der Bezeichnung „Tschecho-slowakischer Staat.“[71]
Im Oktober 1918 veröffentlichte Masaryk in der amerikanischen Presse die Erklärung über die tschechoslowakische Unabhängigkeit. Masaryk argumentierte mit der „Trennung der slowakischen Brüder aus der gemeinsamen Nation und deren Einverleibung durch Ungarn [...].“[72] Obwohl Masaryk eine historisch inkorrekte Argumentation verwendete,[73] erwies sich diese allerdings für die Präsentation der Freiheitsidee gegenüber den Alliierten als wirksam.
Die Inlandsbewegung hat bereits 1917 ihre Strategie geändert und sprach sich vorsichtig für die Gründung eines gemeinsamen tschechoslowakischen Staates aus.[74] Ende Mai 1917 sprach der respektierte katholische Priester Andrej Hlinka über die „tausendjährige misslungene Ehe mit dem ungarischen Volk“[75] und schlug vor sich mit den Tschechen zu verbinden. Am 19. Oktober 1917 hat der einzige slowakische Abgeordnete im ungarischen Parlament, Ferdiš Juriga, den SNR[76] zur einzigen Institution erklärt, die das Recht hat, das slowakische Volk zu repräsentieren.[77]
Zwei Wochen vor dem Waffenstillstand, am 28. Oktober 1918, wurde die Tschechoslowakische Republik in Prag ausgerufen. Die erste, noch revolutionäre, Versammlung erließ das erste Gesetz über den Schutz der Republik. Am 30. Oktober erklärten die slowakischen Vertreter im Namen des slowakischen Volkes[78] unter der Leitung von Dr. Vavro Šrobár, die Slowakei zu einem Teil der ČSR.[79]
1.1.6 Die staatsrechtliche Grundlage der Ersten Republik
Nach der Veröffentlichung des 14-Punkte-Programmes[80] des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson eröffnete sich für Masaryk und für die Inlandsbewegung eine passende Gelegenheit um die historischen Forderungen der Tschechen mit den naturrechtlichen der Slowaken zu verbinden und die ČSR zu gründen.
Im Laufe des Ersten Weltkrieges fand in Europa und in den USA ein Wandel vom historischen Recht zum Naturrecht[81] und gleichzeitig eine Wiederbelegung nationaler Gedanken in vielen Teilen Europas statt. Die Ursache dafür findet man grundsätzlich in der Möglichkeit der europäischen Neuordnung, welche sich durch den Siegeszug der Entente ergab. Die vierzehn Punkte handelten unter anderem über die Gründung neuer bzw. Wiederherstellung alter Staaten und gestatteten dadurch vielen Völkern ihre Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Die Idee der Selbstbestimmung der Völker überschattete dabei die historisch erworbenen Rechte auf ein bestimmtes Territorium.
Im Falle der ČSR lassen sich sowohl die historische, wie auch die naturrechtliche Doktrin nicht ohne weiteres zur Staatsgründung anwenden.[82] Falls die historische Doktrin angewendet worden wäre, dann hätten nur die „Länder der tschechischen Krone“ die Möglichkeit gehabt, diese umzusetzen. Das tschechische Königreich war ja völkerrechtlich nicht untergegangen und dem tschechischen Landtag war sogar formell das Recht auf die Wahl des eigenen Königs geblieben.[83] Die Herrscher vom Hause Habsburg hatten die Krone und die Regierungsgewalt in Tschechien nach 1621 übernommen.
Die Slowakei konnte aber keine souveräne völkerrechtliche Existenz nachweisen. Die Erinnerung an das vor tausend Jahren untergegangene Mährische Reich war dabei nicht hilfreich. Die historische Doktrin verbindet die Slowakei mit Ungarn und die naturrechtliche Doktrin der Selbstbestimmung hätte die spätere Grenzziehung zwischen der Slowakei und Ungarn in Frage gestelt.[84] Vor diesem Hintergrund muss die Gründung der ČSR näher erläutert werden.
Das Fundament für die Gründung der ČSR wurde im Ausland, insb. in Frankreich und in den USA, gelegt. Sie beruhte einerseits auf zwei Abkommen zwischen den Auslandstschechen und -slowaken, die unter der Obhut von Masaryk unterschrieben wurden. Der Kreis um Masaryk hatte zudem die Anerkennung des Tschechoslowakischen Nationalrates als Übergangsregierung[85] der ČSR gewonnen und besaß im Ausland eigene Streitkräfte – die Legionen. Andererseits wurden historische und nationalistische Argumente so verwendet, dass sie kombiniert mit geschickter Diplomatie zur Gründung der Ersten Republik beitrugen.
Das erste Abkommen zwischen den Auslandstschechen und -slowaken wurde bereits im Oktober 1915 in Cleveland unterzeichnet. Dieses Abkommen beinhaltete die Vorstellung eines „Bundesstaates mit vollkommener Autonomie für die Slowakei“.[86]
Im zweiten Abkommen von Pittsburgh vermied die Auslandsbewegung bewusst diese Ausdrucksweise, um das nationalstaatliche Konzept von Masaryk zu unterstützen. Die Unabhängigkeit der Slowakei im Rahmen des gemeinsamen Staates wurde aber weiterhin garantiert. Im Abkommen von Pittsburgh wünschte sich die Auslandsbewegung die Verbindung der beiden Völker und die Gründung der Ersten Republik.[87]
In slowakischen und tschechischen Geschichtsbüchern wird die Gründung der ČSR mit dem 28. Oktober 1918 verbunden. Allerdings wird das Prinzip der Zustimmung der Slowaken zum Beitritt zum neuen Staat in der Regel kaum erwähnt. Man findet Begriffe wie „Beitritt zur Tschechoslowakischen Republik“,[88] oder „Einverleibung der Slowakei in die neue Republik“.[89]
Die Zustimmung der Slowaken wurde in der „Deklaration des Slowakischen Volkes“ vom 30. Oktober 1918 formuliert.[90] Nachdem die Republik am 28. Oktober in Prag ausgerufen wurde, reiste Dr. Šrobár zurück in die Slowakei, um den SNR über die Ausrufung zu informieren. Dieser entschied, die bereits vorbereitete „Deklaration des slowakischen Volkes“ zu ändern und die Vertretung der Slowakei an der Versailler Friedenskonferenz der gemeinsamen tschechoslowakischen Regierung zu überlassen. Die Deklaration sprach nur vom tschechoslowakischen Volk und von seinem Recht auf Selbstbestimmung. Das slowakische Volk wird in der Deklaration als Teil des „kulturell und sprachlich einheitlichen tschechoslowakischen Volkes“ dargestellt.[91] Dadurch missachtete die Deklaration die Grundsätze des Abkommens von Pittsburgh.[92]
Es ist ebenfalls fraglich, in wie weit der SNR die Repräsentation des slowakischen Volkes darstellte. Der Nationalrat wurde nicht gewählt, es war eine reine Versammlung von Repräsentanten politischer Parteien. Die sauberste Lösung – eine Volksabstimmung[93] – war nicht möglich, da der SNR keine Gewalt ausüben konnte. Die Slowakei war verwaltungstechnisch immer noch Teil Ungarns.
Schließlich waren es die zurückgekehrten Legionen, welche bis Ende Januar 1919 die ganze ČSR besetzten und die ungarische Herrschaft in der Slowakei beendeten.[94] Weitere ungarische Ansprüche wurden durch den Vertrag von Trianon eingestellt. Dr. Šrobár wurde von der Prager Regierung zum Minister mit der Vollmacht für die Slowakei ernannt. Am 23. Januar 1919 löste er den SNR auf.
In den Verträgen von Versailles, Saint-Germain und Trianon wurde die völkerrechtliche Existenz der ČSR gesichert und ihre Staatsgrenzen gegenüber allen Nachbarstaaten festgelegt.[95] Es fällt auf, dass sowohl im französischen, wie auch im englischen bzw. deutschen Wortlaut der offizielle Staatsname „Czecho-Slovakia“, oder „Tschecho-Slowakei“ mit einem Bindestrich geschrieben wird. Die provisorische Verfassung und die Verfassung von 1920 kennen beide nur den Ausdruck ohne Bindestrich: „Republika Československá“ oder „Českoslovenká Republika“ [Tschechoslowakische Republik].[96]
1.2 Innenpolitische Lage und Aufbau der Ersten Republik 1918-1939
Die ČSR überlebte trotz ihrer schwierigen Ausgangslage ganze 20 Jahre. Die ersten Jahre waren durch die Konsolidierung der Wirtschaft, der Innenpolitik und letztendlich durch die Festigung der internationalen Position gekennzeichnet. Für die Untersuchung der Substanz der Ersten Republik ist die Analyse ihrer Verfassung von 1920[97] und der Beziehung zwischen den Tschechen und Slowaken notwendig.
1.2.1 Aufbau der Ersten Republik
Die Verfassung von 1920 hat ihren Beitrag dazu geleistet, dass die Erste Republik als eine „Oase der Demokratie in Mittel- und Osteuropa“[98] bezeichnet wurde. Trotz einer solchen Auszeichnung hat die Verfassung jedoch auch Anteil an der Spaltung zwischen den Tschechen und Slowaken auf der einen und zwischen den Tschechen und Deutschen bzw. den Slowaken und Ungarn auf der anderen Seite.[99]
Die Slowaken nahmen innerhalb der revolutionären Versammlung an der Ausarbeitung der Verfassung teil. Diese Versammlung war aber kein gewähltes Organ, da aufgrund chaotischer Zustände innerhalb der zerfallenden Donaumonarchie keine Wahlen stattfinden konnten.[100] Daher wurden die Mitglieder von der Übergangsregierung in die Versammlung kooptiert. Die tschechischen Vertreter wurden entsprechend den Wahlergebnissen von 1911 ausgewählt. Man muss an dieser Stelle betonen, dass die slowakischen Vertreter von den insgesamt 270 Mandaten nur 64[101] erhielten und somit unterrepräsentiert waren.[102] Die deutsche und die ungarische Minderheit hatten gar keine Vertreter in der verfassungsgebenden Versammlung. Diese Tatsache führte in den darauf folgenden Jahren immer wieder zu einer Nichtidentifizierung der jeweiligen Nationalitäten bzw. Minderheiten mit dem gemeinsamen Staat.
Die Verfassung gab der Ersten Republik eine parlamentarische Demokratie mit einer gestärkten Position des Staatspräsidenten,[103] welcher von der NZ gewählt wurde, vor. Der Staatspräsident war selbst Teil der Exekutive und hatte das Recht zur Auflösung der NZ, er konnte die Minister ernennen und entlassen und sogar deren Kompetenzen feststellen. Im Zuge des Untergangs der Donaumonarchie wurden alte Privilegien abgeschafft, und alle Bürger genossen ab sofort die gleichen Rechte. Die NZ, die Regierung, die Ministerien und hohe Justiz- und Verwaltungsbehörden hatten ihren Sitz in Prag, welches zur Hauptstadt ernannt wurde. Aus dieser Zeit stammt auch der immer wieder verwendete Begriff „Pragozentrismus“, welcher die Konzentration der Macht und der Kompetenzen in der Hauptstadt zum Ausdruck brachte.
Im Unterschied zu der Karpatoukraine[104] erhielt die Slowakei während der Gründung der ČSR weder Autonomie[105] noch einen Landtag, sondern wurde politisch und verfassungsrechtlich vollkommen in die ČSR integriert. Dadurch, dass die Erste Republik ein zentralistischer Staat nach französischem Vorbild[106] war, wurden auch die Mandate in der NZ nach keinem ethnischen Schlüssel verteilt, so wie es zum Beispiel später die föderale Ordnung von 1968/69 kannte.[107]
Im Laufe der Zeit erwies sich das französische Vorbild als Hindernis. Aufgrund seiner Jahrhunderte langen Verbundenheit und gemeinsamen historischen, religiösen und politischen Wurzeln und Erfahrungen weist das französische Staatsvolk eine starke Homogenität auf. Die Erste Republik erfüllte jedoch keine dieser Voraussetzungen. Es handelte sich im Gegensatz zu Frankreich um einen neuen, in konfessioneller und politischer Hinsicht sehr heterogenen Vielvölkerstaat. Eine gemeinsame Identität musste erst aufgebaut werden, was in so gelagerten Fällen äußerst schwierig, wenn überhaupt möglich ist.
Auf Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Minderheiten konnte im bestehenden politischen System der Ersten Republik nicht flexibel reagiert und diese somit nicht gelöst werden. Dies hatte auch zur Folge, dass nicht selten auf Forderungen nach Dezentralisierung mit zunehmend zentralistischen Tendenzen reagiert wurde.
1.2.2 Das tschechisch-slowakische Verhältnis in der Ersten Republik
Die Zwischenkriegszeit ist sowohl für das Verhältnis der beiden Völker, wie auch für diese Arbeit besonders wichtig. In dieser historisch bewegten Zeit haben sich die beiden Völker im gemeinsamen Staat zum ersten Mal wirklich „kennengelernt“. Die Zeit des ersten Kennenlernens hat die zukünftige Entwicklung geprägt, was in den folgenden Kapiteln ausgearbeitet wird. An dieser Stelle ist es sinnvoll die Beziehungen der Tschechen und Slowaken in vier Perioden zu teilen. Die erste Periode vor der Staatsgründung wurde bereits behandelt. Die zweite, aus vielen Gründen die wichtigste Periode, spielt sich zwischen 1918-1945 ab. Die dritte Periode ist die Nachkriegszeit bis 1989. Die letzte und gleichzeitig die kürzeste Periode ist die Zeit nach der Samtenen Revolution von 1989 bis zur Auflösung der Föderation im Jahre 1992.
Bei der Betrachtung der Zwischenkriegszeit in der ČSR sind einige Fragen offen, die geklärt werden müssen. Es ist in erster Linie die Frage nach der Gründung der ČSR, welche von beiden Völkern gleichermaßen getragen, aber unterschiedlich verstanden wurde.[108] Zweitens ist es die Frage nach den Hoffnungen und Erwartungen der Slowaken auf der einen und der Tschechen auf der anderen Seite, die sie bezüglich der Ersten Republik hatten. Drittens muss die Frage nach der Entstehung der Sezessionsbewegung in der Slowakei geklärt werden.
Die zentralistische ČSR konnte die Erwartungen der Slowaken aus dem Vertrag von Pittsburgh nicht erfüllen. Die Verfassung der Ersten Republik sah nämlich keine Autonomie für die Slowakei vor. Die Minderheiten wurden zwar weitgehend geschützt, aber die Slowaken waren de iure keine Minderheit, sondern sie ein Teil des tschechoslowakischen Staatsvolkes waren. Dabei ergibt sich automatisch die Frage nach der Sprache, da tschechisch und slowakisch zwei sehr ähnliche, aber trotzdem unterschiedliche Sprachen sind. Die Verfassung kannte jedoch nur die „tschechoslowakische Sprache“,[109] was zu Verwirrungen und Missverständnissen führte.
Die Slowakei blieb in der Zwischenkriegszeit strukturell rückständig. Es war traditionell ein Agrarland, welches nach 1918/19 statt an Ungarn die Rohstoffe und Lebensmittel an Tschechien lieferte.[110] Man bemühte sich dem zu Folge um Industrialisierung der Slowakei. Gleichzeitig mangelte es an slowakischen Verwaltungs-, Lehr-[111] und Fachkräften, da die ungarische Verwaltung entmachtet und vertrieben wurde. Es war notwendig diese Kräfte aus Tschechien zu importieren. Die anfangs fehlende slowakische Intelligenz wurde zur Ursache geringerer Teilnahmemöglichkeiten an den politischen Prozessen in Prag und innerhalb der regionalen Behörden. Vor allem aufgrund dieser Tatsachen entwickelte sich eine der Animositäten zwischen den beiden Völkern: auf der einen Seite war die Hilfe aus Tschechien lebenswichtig und unterstützte die Slowaken dabei, sich von den Folgen der Magyarisierung zu erholen, auf der anderen Seite verstanden die Slowaken diese Hilfe als Assimilationsdruck.
Ein weiteres Problem des Zusammenlebens war die unterschiedliche sozioökonomische Struktur der Bevölkerung. Tschechien war weitgehend urbanisiert und gehörte in der Zeit zu den entwickeltesten Industrieländern Europas.[112] Konfessionell war Tschechien überwiegend protestantisch und liberal. Die Slowakei war genau das Gegenteil. Es war ein überwiegend katholisches Land mit traditionellen bäuerlichen Strukturen. Nach der Gründung der ČSR wurde der Versuch unternommen, diese Strukturen den tschechischen anzupassen, das Land zu modernisieren, industrialisieren und urbanisieren.[113]
Durch die Industrialisierung wurden die meisten Betriebe und Banken mit tschechischem Kapital aufgebaut.[114] Die vorhandenen slowakischen Fabriken verloren ihre traditionellen Märkte in Ungarn und konnten gleichzeitig mit der besseren Konkurrenz aus Tschechien nicht mithalten.[115] Das verstärkte die nationalistischen Gefühle in der Slowakei, da man das tschechische Übergewicht als Bedrohung eigener Interessen ansah.
In diesen Prozess der tschechisch-slowakischen Zusammenarbeit im gemeinsamen Staat griff die Weltwirtschaftskrise ein. Von der Arbeitslosigkeit wurden sowohl Tschechien, wie auch die Slowakei stark betroffen. Das tschechische Kapital zog sich aus der Slowakei zurück. Der Arbeitsplatzmangel in der Slowakei wurde oft auf die ethnische Zugehörigkeit zurückgeführt. Teils war diese Annahme richtig, weil viele Stellen noch von tschechischen Beamten besetzt waren, die im Zuge des Aufbaus nach 1918/19 gekommen waren. Im Großen und Ganzen war aber die Weltwirtschaftskrise für die fehlenden Arbeitsplätze verantwortlich. Die Zerstörung des traditionellen sozialen Netzes durch die Industrialisierung und durch die folgende Wirtschaftskrise sorgte für zusätzliche Spannungen zwischen den Slowaken und Tschechen.[116]
Der künstliche Nationalismus[117] von Masaryk hatte in der Slowakei keinen festen Boden gefunden. Im Unterschied zu den Slowaken, die diesen Prozess noch nicht abgeschlossen hatten, hatten sich die Tschechen bereits als Nation konstituiert. Daher stammt auch das unterschiedliche Verständnis des Ausdrucks „tschechoslowakisch“. Die Slowaken verstehen es als lediglich „tschechisch“. Umgekehrt konnten sich die Tschechen mit „tschechoslowakisch“ leichter identifizieren. Nach Junkers hatte sich für die Tschechen „nur der Name tschechisch mit tschechoslowakisch“ ausgetauscht.[118]
Trotz der offiziellen Politik des Tschechoslowakismus entwickelten sich die Slowaken im Rahmen der Ersten Republik zum eigenständigen Volk, welches sich von der Magyarisierung erholte und durch das modernisierte Bildungssystem[119] mehr Bewusstsein gewann. Das neue Bewusstsein verhalf zur Eröffnung der Frage über die Neuordnung des Verhältnisses zwischen den beiden Völkern. Diese Frage eskalierte von einer Staatskrise zum Untergang der Ersten Republik.
1.3 Die ČSR im Schatten des Dritten Reiches – Das Münchner Abkommen
Die auswärtige Sicherheit der Ersten Republik hatte ihre Quelle in der fragilen Versailler Friedensordnung. Die politischen Aktivitäten Masaryks und Benešs führten noch vor der Gründung der ČSR zur Anerkennung der tschechoslowakischen Legionen unter der Führung von General Štefánik und des tschechoslowakischen Nationalrates als eine alliierte Macht durch Frankreich, Italien, Großbritannien und die USA.[120]
1.3.1 Auswirkung der außenpolitischen Konstellation der Dreißiger Jahre auf die ČSR
Die Außenpolitik der Ersten Republik orientierte sich zunächst an diese Staaten. Problematische Beziehungen gab es mit Polen, welches sich eine Korrektur der gemeinsamen Grenze wünschte und mit Ungarn wegen der Ressentiments aufgrund der Eingliederung der Slowakei in die ČSR im Jahre 1918. Das Verhalten Ungarns gegenüber der Ersten Republik radikalisierte sich ab 1932 mit der Regierungsübernahme durch Gyula Gömbös.[121]
Ein Fehler der tschechoslowakischen Außenpolitik war auf jeden Fall die Vernachlässigung Russlands und der Verzicht auf die Normalisierung der Beziehungen zu Polen. Die ČSR hat erst 1934 offizielle diplomatische Beziehungen mit Sowjetrussland[122] aufgenommen. Eine vergebliche Initiative des Ministerpräsidenten Hodžas[123] war die Aufnahme von intensiveren Beziehungen zu den Balkan-Staaten und zu Rumänien, wodurch er den ungarischen Revisionismus schwächen wollte.
Die gesamten Dreißiger Jahre waren auch in der ČSR von den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise gekennzeichnet. Die Industrie litt unter dem Druck der immer kleiner werdenden Nachfrage und die Arbeitnehmer wiederum unter den Werksschließungen. Die soziale Lage spitzte sich Mitte der dreißiger Jahre zu, als der Staat aufhörte, das Arbeitslosengeld zu zahlen.[124] Die Regierung wollte dadurch einen totalen Zusammenbruch der Staatsfinanzen vermeiden.
Die Weltwirtschaftskrise hatte auch Einfluss auf die innenpolitischen Verhältnisse in der Weimarer Republik und führte zum Machtantritt Hitlers. Dieser wiederum hatte Auswirkung an die innere und äußere Sicherheit der Ersten Republik. Hitler nutzte die Schwächen und außenpolitischen Fehlperzeptionen Frankreichs und Großbritanniens um sich Spielraum im traditionellen deutschen Einflussbereich – in Mittel- und Osteuropa – zu verschaffen.
In der ČSR waren es die Führer der sudetendeutschen politischen Parteien, die in der Lage waren, die allgemeinen wirtschaftlichen Probleme der Republik zu instrumentalisieren um die Regierung in Prag politisch zu schwächen. Nach einem Zusammenschluss aller deutschen Parteien wurde die SdP bei den Parlamentswahlen 1935 mit 15% der Wählerstimmen[125] zur stärksten Partei im Parlament. Allerdings konnte man sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht als eine nationalsozialistische Partei bezeichnen.[126] Sie verfolgte eine Minderheiten- bzw. Autonomiepolitik.
Ein gemeinsames Ziel der tschechischen und slowakischen Parteien war die Vermeidung eines weiteren Machtzuwachses der SdP und ähnlicher Gruppierungen in der Slowakei. Im gleichen Jahr, am 18. Dezember, wurde auch mit Hilfe der kommunistischen Stimmen und der HSĽS[127] Dr. Edvard Beneš zum Staatspräsidenten gewählt.
1.3.2 Die außenpolitische Lage nimmt einen negativen Wandel
Bereits im November 1937 revidierten die westlichen Alliierten ihre Ansichten zur ČSR, da sie nicht mehr in der Lage waren, sich dem deutschen Revisionismus entgegenzustellen. Am 29. und 30. November 1937 fand in London ein Treffen der wichtigsten politischen Entscheidungsträger Großbritanniens und Frankreichs statt. Nach Kissinger[128] handelte es sich um eine Art Lagebesprechung und Kursabstimmung zwischen den beiden Mächten. Bei diesem Treffen stellte der britische Premierminister die Frage nach der Beistandspflicht, welche im tschechoslowakisch-französischen Abkommen beinhaltet waren. Der französischen Außenminister nutzte die Gelegenheit und antwortete: „…falls zum Beispiel die deutsche Bevölkerung in der ČSR einen Aufstand anfängt und dabei Hilfe aus Deutschland bekommen sollte, wird Frankreich seine Verpflichtungen aus diesem Vertrag gemäß der Ernsthaftigkeit der Lage beurteilen.“[129]
Die beiden Staatsmänner einigten sich de-facto auf einer Weiterführung der Appeasementpolitik. Über Österreich diskutierte man schon gar nicht mehr, was ein Zeichen für die passive Aufgabe des Landes zu Gunsten Deutschlands war. Österreich wurde am 12. März 1938 trotz des Verbotes in den Verträgen von Versailles und Saint-Germain an Deutschland angeschlossen.[130] Die ČSR war nunmehr von allen Seiten durch revisionistische Mächte – Deutschland, Polen und Ungarn – umzingelt. Alleine die Grenze zum Deutschen Reich verlängerte sich durch den Anschluss Österreichs um weitere 549 km.[131]
Ungefähr zur gleichen Zeit ordnete Hitler die Zerschlagung der Tschechoslowakei an. Diese Aktion erhielt in den deutschen Akten den Decknamen „Fall Grün“.[132]
1.3.3 Das Münchner Abkommen – Weg zum ersten Zerfall der Tschechoslowakei
Die Tschechoslowakei ist durch die Umklammerung in eine sehr schwierige Situation geraten. Die Erste Republik mit ihren fast 15 Mio. Einwohnern basierte auf einer multiethnischen Bevölkerung und das trotz der Idee der Selbstbestimmung der Völker, die nach dem Ersten Weltkrieg verwirklicht werden sollte. Folgende Abbildung stellt die Bevölkerungsverhältnisse der Ersten Republik vor 1938 dar:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2[133]
Hitler fühlte sich durch den Anschluss Österreichs gestärkt. Die westlichen Alliierten protestierten nur mit diplomatischen Noten und stimmten indirekt der Rückkehr der deutschen Bevölkerung ins Deutsche Reich zu. In der ČSR warteten über 3 Mio. Sudetendeutsche, die bereits gut politisch organisiert waren, auf eine ähnliche Gelegenheit. Im Jahre 1937 übte die SdP einen misslungenen Putsch in Prag aus. Sie agierte für Hitler bzw. für den Anschluss an Deutschland und gleichzeitig gegen Kommunisten und Juden. Seit den Parlamentswahlen von 1935 veränderte sie ihre zuvor relativ harmlose ethnische politische Ausrichtung in eine nationalsozialistische nach dem Vorbild der NSDAP.
[...]
[1] Kissinger, S. 843: „Aus dem Zusammenbruch des Kommunismus in der Sowjetunion und aus dem Zerfall Jugoslawiens sind 20 neue Staaten entstanden. Viele konzentrierten sich auf die Wiederbelebung des bösen Blutes“. (freie Übersetzung MB)
[2] Hlavová/Žatkuliak, S. 281: Verfassungsgesetz Nr. 542/1992 Zb. über die Auflösung der Tschechoslowakischen Föderativen Republik vom 25. November 1992.
[3] „A Divorce in the heart of Europe“ in Time Magazine vom 29. Juni 1992 in welchem der Ausdruck „velvet divorce“ [samtene Scheidung] verwendet wird.
[4] In der Regel wird sehr oft über die Abspaltung der separatistischen Slowakei gesprochen. Ziel meiner Untersuchung ist unter anderem zu beweisen, dass es sich um keine Abspaltung wie z. B. im Jahre 1939 handelte.
[5] Mit der Bezeichnung „Erste Republik“ ist in dieser Diplomarbeit immer die Periode zwischen der Gründung der Tschechoslowakischen Republik am 28. Oktober 1918 und deren Untergang durch die Abspaltung der Slowakei und die Gründung des Reichsprotektorats Böhmen und Mähren am 14./15. März 1939 gemeint.
[6] Krejči, S. 207: Der Anfang moderner tschechischer und slowakischer Staatlichkeit muss man auf den Kriegsschauplätzen und in der Diplomatie des Ersten Weltkrieges suchen: das heutige Tschechien und die Slowakei sind im großen und ganzen das Erbe der damaligen Situation.
[7] Pástor, S. 69: Deklarácia slovenského národa [Deklaration des slowakischen Volkes].
[8] Rychlík, S. 291.
[9] Krejčí, S. 32: Die ersten Slawen kamen im 4. und 5. Jahrhundert ins Gebiet der heutigen Tschechischen und Slowakischen Republik.
[10] Ebd., S. 32: Zwischen dem 7. und 9. Jahrhundert haben sich die sprachlichen Unterschiede zwischen den jeweiligen slawischen Stämmen herauskristallisiert. Die Tschechen und Slowaken gehören zu der Gruppe der sogenannten westlichen Slawen.
[11] Pástor, S. 8: Der mährische Fürst Moimyr I. annektierte im Jahre 846 das Fürstentum Nitra, in der heutigen Slowakei.
[12] Ebd., S. 8/9.
[13] Bosl, S. 25.
[14] Kováč, S. 26: Die fette ununterbrochene Linie zeigt das Zentrum des Fürstentums. Die gestrichelte Linie zeigt die größte Expansion während der Herrschaft Swatopluks. Sie umfasste das spätere Gebiet der ČSR. Die abgebildeten Grenzen lassen sich aber nicht genau feststellen. Zu dieser Zeit waren sie locker und noch nicht völkerrechtlich festgelegt.
[15] Pástor, S. 9.
[16] Großmährisches Reich ist ein seltener Ausdruck in der deutschen Literatur und wurde aus dem slowakischen „Veľkomoravská ríša“ übernommen. In der Regel ist dadurch die Periode des Aufschwungs während der Herrschaft des Fürsten Swatopluks in den Jahren 870-894 gemeint.
[17] Bosl, S. 25.
[18] Pástor, S. 8: Swatopluk regierte in Mähren zwischen 870-894.
[19] Das gemeinsame Fürstentum Mähren blieb aber über Jahrhunderte in den Köpfen tschechischer und slowakischer Gelehrter.
[20] Im Jahr 1085 wurde der böhmische Herzog Vratislav zum König Vratislav II. durch den heiligen römischen Kaiser Heinrich IV. gekrönt.
[21] Mlynárik, Ján: „História česko-slovenských vzťahov“ [Geschichte der tschechisch-slowakischen Beziehungen] in Vodička, S. 13.
[22] Ebd., S. 14.
[23] Karl IV. Regierte zwischen 1346-1378. Er stammte aus dem Hause Luxemburg und war gleichzeitig der heilige römische Kaiser und böhmischer König. Er machte Prag zum Zentrum des Reiches.
[24] Kováč, S. 43.
[25] Mlynárik, Ján: „História česko-slovenských vzťahov“ [Geschichte der tschechisch-slowakischen Beziehungen] in Vodička, S. 15.
[26] Pressburg [Bratislava] wurde dadurch zur ungarischen Haupt- und Krönungsstadt.
[27] Kováč, S. 44/45: Der tschechische Beschützer des noch nicht volljährigen ungarischen Königs Ludwigs Ján Jiskra hielt sich mehr als 20 Jahre (1440-1462) in Ungarn mit seinen 15-20 000 ehemaligen Hussiten-Söldnern auf.
[28] Škvarna, S. 70: Die Rekatholisierung Tschechiens war die Ursache protestantischer Emigration in Richtung Ungarn (Slowakei).
[29] Příhoda, Petr: „Sociálně-psychologické aspekty soužití Čechů a Slováků“ [Sozialpsychologische Aspekte des tschechisch-slowakischen Zusammenlebens] in Vodička, S. 33: „In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts haben die Tschechischen Nationalisten angefangen zu glauben, dass die Slowaken eine Art „Alttschechen“ sind und dass die slowakische Sprache ein tschechisches Dialekt ist. […]“ (freie Übersetzung MB).
[30] Hertig, S. 22.
[31] Die Bibel gab es zu der Zeit auf tschechisch.
[32] Lebenslauf Ľudovít Štúr von http://www.stur.sk/zivotop.htm, Stand 30.8.2005: Ľudovít Štúr (1815-1856), evangelischer Gelehrter, studierte Sprachwissenschaften (daher sprach er fließend lateinisch, ungarisch, deutsch, französisch, englisch, altgriechisch, russisch und serbokroatisch), Geschichte und Philosophie in Györ, Pressburg, und Halle, wo er Inspiration in den Werken des deutschen Philosophen J. G. Herder fand. Er war Vorstandsmitglied der Tschechisch-slowakischen Gesellschaft. Er initiierte mehrere Petitionen und schickte Beschwerden gegen die Magyarisierung an den Kaiser Franz Joseph I. Er setzte sich mit Palackýs Gedanken über den Austroslawismus und der Föderalisierung der Monarchie auseinander. 1847 vertrat er die freie Stadt Zvolen [Altsohl] im ungarischen Parlament. In den Jahren 1843-46 kodifizierte er zusammen mit weiteren Gelehrten die slowakische Sprache und deren grammatikalische Regeln, die zum größten Teil bis in die heutige Zeit unverändert geblieben sind. 1848/9 organisierte er einen bewaffneten Aufstand mit dem Ziel der Abspaltung von Ungarn.
[33] Übernommen von Hertig, S. 23.
[34] Metternich gilt im gesamteuropäischen Kontext als ein Politiker, der nach der Napoleon-Periode Frieden und Gleichgewicht geschaffen hat. In slowakischen bzw. tschechischen Geschichtsbüchern wird er aufgrund seiner Machtkonzentration auf der Wiener Hofburg und wegen der Nichtbeachtung der unterschiedlichen Nationalitäten und deren Forderungen nicht derart positiv beschrieben.
[35] Hertig, S. 23.
[36] http://cs.wikipedia.org/wiki/Tom%C3%A1%C5%A1_Garrigue_Masaryk, Stand 20.8.2005: Tomáš G. Masaryk (1850 Hodonín –1937 Lány) wurde 1886 auf einen Schlag einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, als er sich in den Streit um zwei angeblich aus dem Mittelalter stammende, in Wirklichkeit aber zu Anfang des 19. Jahrhunderts gefälschte Handschriften einschaltete. In einer Zeitschrift ließ er die Gegner der Echtheit zu Wort kommen und vertrat vehement die Meinung, dass eine moderne Nation sich nicht auf eine erfundene Vergangenheit berufen solle. Er war einer der Begründer der rationalen politischen Richtung, des Realismus.
[37] Krejčí, S. 156: Der Autor zitiert aus Masaryks Schrift „Česká otázka“ [Tschechische Frage]: „Unsere Politik kann nicht stark genug sein, falls sie durch unser starkes und wahres Interesse für das Schicksal Österreichs nicht getragen wird.
[38] Ebd., S. 156.
[39] Krejči, S. 137.
[40] Ebd., S. 138.
[41] Ebd., S. 149.
[42] Ebd., S. 156: Palacký suchte die Sicherheit des tschechischen Volkes in einem starken Vielvölkerstaat.
[43] Pástor, S. 67: Der Ausnahmezustand wurde bereits am 27. Juli 1914 verhängt.
[44] Kováč, S. 164.
[45] Krejči, S. 161: Nach Masaryk sollte Russland die Allianz zwischen der Tschechoslowakei, Polen und Jugoslawien sichern. Masaryk hatte aber wenig Sympathien für den zaristischen Absolutismus
[46] Kováč, S. 166: Masaryk verwendet paradoxerweise den englischen Ausdruck Bohemia (Böhmen), aber bekennt sich zum gemeinsamen Staat mit den Slowaken.
[47] http://cs.wikipedia.org/wiki/Edvard_Bene%C5%A1, Stand 20.8.2005: Edvard Beneš (1884-1948), studierte in Paris auf der Sorbonne. Organisierte den innenpolitischen Widerstand in Tschechien (Maffia) und kümmerte sich um seine Verbindung mit dem Ausland, u.a. mit Masaryk. Im Sept. 1915 verließ er Tschechien. Er wurde später Außenminister der Ersten Republik und deren Präsident von 1935-38 bzw. 1945-48. Er ist der Autor der bekannten und umstrittenen Dekrete über die Abschiebung der Sudetendeutschen aus der ČSR nach dem Zweiten Weltkrieg.
[48] http://sk.wikipedia.org/wiki/%C5%A0tef%C3%A1nik, Stand 20.8.2005: Milan R. Štefánik (1880-1919) ein französischer Diplomat und Astronom slowakischer Abstammung. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges Kriegspilot. Ritter der französischen Ehrenlegion. Er hatte gute Beziehungen zu der französischen Regierung, u. a. zum Ministerpräsidenten Aristide Briand. In den Kriegsjahren organisierte er tschechoslowakische Truppen im alliierten Ausland und beteiligte sich zusammen mit Masaryk und Beneš an der Konstituierung des Tschechoslowakischen Nationalrates. Ab Juni 1918 General der französischen Armee. Am 4. Mai 1919 wurde er Opfer eines Flugzeugunglücks in der Nähe von Bratislava.
[49] http://encyk.sme.sk/clanok.asp?cl=1135386, Stand 20.8.2005.
[50] http://de.wikipedia.org/wiki/Benes, Stand 20.8.2005.
[51] „Brezová pod Bradlom“ in „The Slovak Spectator“, Vol. 4, No. 9 vom 7. Mai 1998, http://www.slovakspectator.sk/clanok-6739.html, Stand 20.8.2005.
[52] Kováč, S. 166 / Krejči S. 158-160.
[53] Štefánik besuchte nacheinander Italien, Frankreich, Russland, Rumänien und warb die Legionäre mit Erfolg auch in den Vereinigten Staaten. Geeignet für die Aufstellung der Legionen waren gerade Italien und Russland in welchen tschechische und slowakische Soldaten noch in österreichischen Uniformen Gefangene waren.
[54] Pástor, S. 67/68: Auf Wunsch von Štefánik wurde der Name „Tschechoslowakischer Nationalrat“ verwendet.
[55] Diese Forderung Hodžas zur Föderalisierung Österreich-Ungarns kam früher als Wilsons 14-Punkte-Programm, welcher am 8. Januar 1918 im zehnten Punkt diese Idee zum Ausdruck brachte.
[56] von Gogolák, S. 144 / Škvarna, S. 125 / Kováč, S. 171/172.
[57] Junkers, S. 50.
[58] Siehe Kapitel 1.1.2: Der Gelehrtenkreis um Ľudovít Štúr und die Kodifizierung der slowakischen Sprache und Grammatik im Jahre 1843.
[59] Tschechoslawisch ist dem tschechischen bzw. slowakischen Ausdruck „českoslovanský“ gleich.
[60] Krejči, S. 190: Milan R. Štefánik setzte sich für die Verwendung des Ausdruckes „tschechoslowakisch“ ein. Allerdings sind zwei Schriftweisen bekannt: die mit dem Bindestich „tschecho-slowakisch“ und die ohne Bindestrich. Die erste wurde zum Beispiel in den Verträgen von Versailles und Saint-Germain verwendet.
[61] Die zwei Stämme sollten das Staatsvolk darstellen. Sie leugneten dadurch die Existenz der beiden Völker.
[62] Krejči, S. 189.
[63] Ebd., S. 190.
[64] Krejči, S. 190 / Hertig, S. 27 / Průcha, Václav: Economic development and relations 1918-89 in Musil, S. 45.
[65] Hertig, S. 27: Beschreibt die Überlegenheit der Tschechen und Slowaken: „Diese in sich widersprüchliche Lösung ging auf Masaryk zurück und beruhte auf einem numerischen Kalkül: Zusammen mit 2 Millionen Slowaken bildeten die 6 Millionen Tschechen gegenüber den 3 Millionen Deutschen eine klare Mehrheit.“
[66] Verfassung der ČSR vom 29. Februar 1920: http://www.psp.cz/docs/texts/constitution.1920.html, Stand 27.7.2004: Von insgesamt 300 Abgeordneten bildeten 180 die Verfassungsmehrheit.
[67] Kováč, S. 173: Die Legitimität des Tschechoslowakischen Nationalrates in Paris war etwas umstritten. Masaryk war nämlich noch ein tschechischer Abgeordneter im Wiener Reichstag und Milan R. Štefánik war schon längst französischer Staatsbürger.
[68] http://www.upt.pitt.edu/upt_peaslee/Historical_marker.jpg, Stand 21.9.2005: Die „Pennsylvania historical and museum commission“ hat im Jahre 2001 an der „University of Pennsylvania“ ein kleines Denkmal errichtet. In ihm wird die Unterzeichnung des Abkommens von Pittsburgh und Masaryks Rede vor 20 000 Zuhörern erwähnt.
[69] „Slowakische Liga“, „Tschechischer Nationalverband“ und den „Verband der tschechischen Katholiken.“
[70] „Česko-Slovenská Dohoda uzatvorená v Pittsburghu, zo dňa 30. mája 1918.“ [Tschecho-slowakisches Abkommen von Pittsburgh vom 30. Mai 1918], abgedruckt in Kováč, S. 176
[71] Kováč, S. 177.
[72] Ebd.
[73] Ebd.
[74] Kováč, S. 173: Am 6. Januar 1918 sprachen sich tschechische Abgeordnete im Wiener Reichstag für die Gründung des gemeinsamen Staates aus. Während der Demonstrationen am 1. Mai befürworteten auch führende politische Kräfte in der Slowakei den gemeinsamen Staat.
[75] Ebd., S. 174.
[76] Der SNR arbeitete zu dieser Zeit noch als eine Untergrundorganisation.
[77] Škvarna, S. 126 / Pástor, S. 71.
[78] „Deklarácia slovenského národa zo dňa 30. októbra 1918“ [Deklaration des slowakischen Volkes vom 30. Oktober 1918] abgedruckt in Kováč, S. 179.
[79] Kováč, S. 181 / Škvarna, S. 127.
[80] http://de.wikipedia.org/wiki/14-Punkte-Programm, Stand 17.9.2005: „In einer programmatischen Rede vor beiden Häusern des US-Kongresses umriss Präsident Wilson am 8. Januar 1918 in vierzehn Punkten die Grundzüge einer Friedensordnung für das vom 1. Weltkrieg erschütterte Europa.“
[81] Krejči, S. 212.
[82] Krejči, S. 212: Der Autor verwendet hierfür den Begriff „Konflikt des Rechts“ da die Erste Republik mit Hilfe beider Konzepte entstanden ist. Das historische Recht arbeitet mit der Vergangenheit, mit dem Recht der Toten. Das Recht auf Selbstbestimmung beruht auf den natürlichen Rechten der Lebenden.
[83] Ebd., S. 209.
[84] Es gibt keine klare sprachliche Grenze zwischen der Slowakei und Ungarn. Die Bevölkerung in Nordungarn und in der Südslowakei ist gemischt.
[85] Škvarna, S. 126: Edvard Beneš informierte die Alliierten Mächte über die Gründung der provisorischen Regierung.
[86] Krejči, S. 214.
[87] „Česko-Slovenská Dohoda uzatvorená v Pittsburghu, zo dňa 30. mája 1918.“ [Tschecho-slowakisches Abkommen von Pittsburgh vom 30. Mai 1918], Art. 2 abgedruckt in Kováč, S. 176: „Die Slowakei bekommt einen eigenen Landtag und eigene Justiz- und Vollzugsgewalt.“
[88] Kováč, S. 181.
[89] Pástor, S. 71.
[90] „Deklarácia slovenského národa zo dňa 30. októbra 1918“ [Deklaration des slowakischen Volkes vom 30. Oktober 1918], Art. 1., in Kováč, S. 179.
[91] Krejči, S. 214.
[92] Hertig, S. 171.
[93] Die Bevölkerung der Karpatoukraine sprach sich mit Hilfe eines Plebiszits für die Einverleibung in die Tschechoslowakei. Die Karpatoukraine erhielt eine breite Autonomie.
[94] Pástor, S. 72.
[95] Krejči, S. 218: Der Vertrag von Versailles als Friedensvertrag der Entente mit Deutschland vom Juni 1919 sichert die Grenzen der ČSR mit Deutschland und Polen. Die ČSR wird in diesem Vertrag anerkannt. Ebenfalls anerkennt der Vertrag von Saint-Germain vom September 1919 die ČSR und sichert ihre Grenzen mit Österreich. Der Vertrag von Trianon (Juni 1920) zieht die Grenze zwischen der Südslowakei und Ungarn.
[96] Verfassung der ČSR vom 29. Februar 1920: http://www.psp.cz/docs/texts/constitution.1920.html, Stand 27.7.2004.
[97] Ebd.
[98] Hertig, S. 28 / Průcha, Václav: Economic Development and Relations 1918-89 in Musil, S. 54: Der Autor lobt ähnlich wie Hertig die Entwicklung: „[…] the social security and the democratic rights of the population were of a higher standard than those in the neighbouring countries with fascist and authoritarian regimes“.
[99] Junkers, S. 54: Zitiert Hannah Arendt in Elemente und Ursprünge Totaler Herrschaft, Piper, München 1996, S. 562: „…auch die Zustände in der wirklich demokratisch regierten Tschechoslowakei waren vergiftet von diesem allseitigen mörderischen Hass, in welchem etwa die Slowaken kaum noch wussten, wen sie mehr hassten, die Tschechen, welche de facto (wiewohl nicht de jure) das Staatsvolk waren, oder die Ungarn, welche in den slowakischen Gebieten eine kompakte Minderheit bildeten.“
[100] Hertig, S. 29.: „…die Umstände sowohl im tschechischen als auch im slowakischen Landesteil chaotisch waren, ging die Nationalversammlung nicht aus freien Wahlen hervor.“
[101] Pástor, S. 72: Der etwas nationalistische Autor spricht über lediglich 41 slowakische Vertretern in der NZ.
[102] Hertig, S. 30.
[103] Die Präsidenten der Ersten Republik waren: Tomáš G. Masaryk (1918-1935), Edvard Beneš (1935-38), Emil Hácha (1938-1945).
[104] Karpatoukraine, auch Karpatorussland [SK/CZ: Karpatská Rus] genannt, ist ein Gebiet östlich der Slowakei. Es gehörte bis 1919 dem Königreich Ungarn. Durch den Vertrag von Saint-Germain wurde die Karpato-Ukraine Bestandteil der Tschechoslowakei, vom März 1939 bis 1944 wiederum Teil Ungarns, 1944 bis 1945 wieder vorübergehend Teil der Tschechoslowakei und seit Juni 1945 Teil der Sowjetunion (seit 1946 Teil der Ukrainischen Sowjetrepublik, seit 1991 der unabhängigen Ukraine).
[105] Verfassung der ČSR vom 29. Februar 1920, Teil I, § 3, Abs. 3-7: http://www.psp.cz/docs/texts/constitution.1920.html, Stand 27.7.2004.
[106] Die Karpatoukraine mit ihrem Autonomiestatus ist die einzige Ausnahme.
[107] Verfassungsgesetz über die tschechoslowakische Föderation vom 27. Oktober 1968:, Teil III, Art. 31, Abs. 2: http://www.psp.cz/docs/texts/constitution.1968.html, Stand 27.7.2004.
[108] Man nehme an dieser Stelle die Tätigkeit des tschechisch-slowakischen Tandems Masaryk-Štefánik während des Ersten Weltkrieges als Beispiel der Zusammenarbeit.
[109] Verfassung der ČSR vom 29. Februar 1920, Teil VI, § 131:
http://www.psp.cz/docs/texts/constitution.1920.html, Stand 27.7.2004.
[110] Junkers, S. 55 / Průcha, Václav: Economic development and relations in Musil, S. 43.
[111] Junkers, S. 56: [...] Insbesondere die Reform der slowakischen Schrift durch tschechische Professoren, die von den Slowaken als Versuch der „Tschechisierung“ ihrer Sprache gesehen wurde, führte zu einem heftigen politischen und kulturellen Konflikt.
[112] Šujan, Ivan: Hospodárske a sociálne dôsledky česko-slovenského rozchodu [Wirtschaftliche und soziale Folgen des tschechoslowakischen Zerfalls] in Vodička, S. 119.
[113] In dieser Zeit reagierte insb. die slowakische Literatur auf die Urbanisierung. Die Periode der 20er und 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts bereichert die slowakische Literatur mit Werken, die das Dorfleben, welches eng an die Natur gebunden ist, bevorzugen und die Stadt eher negativ darstellen.
[114] Junkers, S.55.
[115] Kováč, S. 195.
[116] Junkers, S. 59.
[117] Junkers, S. 55: „Der sprachlich und ethnisch begründete Nationalismus Masaryks, der zur Staatsideologie der Tschechoslowakei werden sollte, sah die Unterschiede zwischen Tschechen und Slowaken lediglich als vorübergehende an [...]“
[118] Ebd., S. 60.
[119] Kováč, S. 195: „Vor 1918 hatten die Slowaken keine Mittelschule in eigener Sprache. Slowakisch hat man auch in den Grundschule vernachlässigt.“/ Kováč, S. 196: „Erst im Jahre 1919 wurde die erste slowakische Universität gegründet. Allerdings gab es wenige slowakische Professoren. Mehrere Schulen konnten ohne Hilfe tschechischer Lehrer nicht arbeiten.“
[120] Kováč, S. 170: Die französische Regierung anerkannte den tschechoslowakischen Nationalrat am 28. Juli 1918, am 9. August schloss sich die britische, am 3. September die amerikanische und am 3. Oktober die italienische Regierung an.
[121] Kováč, S. 204: Gyula Gömbös war ein alter Freund von Adolf Hitler.
[122] Ebd., S. 204: Bereits im Jahre 1922 schloss die Tschechoslowakei ein Handelsabkommen mit Russland ab. Aber erst am 9. Juni 1934 wurden die diplomatischen Beziehungen aufgenommen.
[123] Milan Hodža war der einzige slowakische Ministerpräsident der Ersten Republik. Er war ein Vertreter des Tschechoslowakismus.
[124] Škvarna, S. 138: Ende Februar 1933 waren beinahe 1 Mio. Menschen (919 083) arbeitslos. Davon etwa 110 Tsd. in der Slowakei.
[125] Pástor, S. 82: für die Sudetendeutsche Partei stimmten über 1,2 Mio. Wähler.
[126] Kováč, S. 205.
[127] Hlinkova slovenská ľudová strana [Hlinkas slowakische Volkspartei], genannt nach ihrem Vorsitzendem, dem respektierten katholischen Priester Andrej Hlinka.
[128] Kissinger, S. 324.
[129] Zitiert aus Kissinger, S. 325: Frankreich würde im Bündnisfall also nicht handeln, sondern beurteilen.
[130] Ebd., S. 326.
[131] Pástor, S. 83.
[132] Kissinger, S. 326 und 332: Hier ist es auch wichtig zu erwähnen, dass die meisten deutschen Generäle keinen Krieg wegen der Tschechoslowakei riskieren wollten. Zitiert nach Kissinger: „Manche Generäle spielten mit Gedanken eines Staatsstreichs gegen Hitler, falls dieser zum Angriff befohlen hätte.“
[133] „The Beneš decrees - A spectre over Central Europe” in „The Economist” vom 15.8.2002.
- Citar trabajo
- Michal Broska (Autor), 2005, Der Zerfall der Tschechoslowakischen Föderativen Republik, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59773
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