Aus dem Buch "Nach allen Regeln der Kunst" ,1995
Hrsg.: Volmerg, B./ Leithäuser, Th./ Neuberger, O./ Ortmann, G./ Sievers, B.
Kore-Verlag, Freiburg
Referat über das 3. Kapitel (Autor: Thomas Leithäuser):
Doppeltes Spiel um die Nachfolge
Was ist eine Organisation? Und in welcher Weise machen Motive, Handeln und Interessen ihrer Mitglieder die Organisation aus? Das waren die Ausgangsfragen für die Bremer Forschungsgruppe, die zum Entstehen dieses Buches geführt ha¬ben.
Da die Konflikte an der Hamburger Hochschule für bildende Künste (HfbK) unter sehr verschiedenen Aspekten interpretiert wer¬den können, ist die erste Voraussetzung, zunächst die einzelnen Stufen der Konflikteskalation zu kennen; dies ist im ersten Referat geschehen.
Unsere Aufgabe ist es, Euch das dritte Kapitel genauer vorzustellen, in welchem Thomas Leithäuser die Konflikte als eine Geschichte über das Problem der Nachfolge betrachtet. Anhand des Materials nimmt er den Führungsstil des Präsidenten a.D. unter die Lupe, insbesondere seine Bemühungen, diesen seinen Führungsstil in der Nachfolgerin durchzusetzen. Er untersucht die Frage, was passiert, wenn die Person im Amt wechselt und die Nachfolgerin einen anderen Stil einführen will.
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Aus dem Buch "Nach allen Regeln der Kunst" ,1995
Hrsg.: Volmerg, B./ Leithäuser, Th./ Neuberger, O./ Ortmann, G./ Sievers, B.
Kore-Verlag, Freiburg
Referat über das 3. Kapitel (Autor: Thomas Leithäuser):
Doppeltes Spiel um die Nachfolge
Was ist eine Organisation? Und in welcher Weise machen Motive, Handeln und Interessen ihrer Mitglieder die Organisation aus? Das waren die Ausgangsfragen für die Bremer Forschungsgruppe, die zum Entstehen dieses Buches geführt haben.
Da die Konflikte an der Hamburger Hochschule für bildende Künste (HfbK) unter sehr verschiedenen Aspekten interpretiert werden können, ist die erste Voraussetzung, zunächst die einzelnen Stufen der Konflikteskalation zu kennen; dies ist im ersten Referat geschehen.
Unsere Aufgabe ist es, Euch das dritte Kapitel genauer vorzustellen, in welchem Thomas Leithäuser die Konflikte als eine Geschichte über das Problem der Nachfolge betrachtet. Anhand des Materials nimmt er den Führungsstil des Präsidenten a.D. unter die Lupe, insbesondere seine Bemühungen, diesen seinen Führungsstil in der Nachfolgerin durchzusetzen. Er untersucht die Frage, was passiert, wenn die Person im Amt wechselt und die Nachfolgerin einen anderen Stil einführen will.
Der theoretische Hintergrund unseres Referats bezieht sich
erstens darauf, grundsätzlich die Formen von Herrschaft anhand eines Textes von Max Weber darzustellen -
zweitens darauf, ob sozialpsychologische Theorien über Industriebetriebe und die sog. "betriebliche Lebenswelt" auch für eine Hochschule relevant sind; dafür haben wir einen weiteren Text von Thomas Leithäuser verwendet -
drittens auf die Erläuterung des sog. "regressiven Milieus" anhand eines Textes von Otto Kernberg
und viertens auf die Darstellung der sog. "verborgenen Situation" nach Konrad Thomas.
Thomas Leithäuser gibt selbst folgende Quellenliteratur in diesem Kapitel an:
Wilfried Bion, 1971 Paul Parin, 1978
Otto Kernberg, 1988 Konrad Thomas, 1964
Leithäuser, Volmerg 1979 Max Weber, 1956
Alfred Lorenzer, 1972 Jürgen Wilhelm, 1983
Außerhalb der sozialpsychologischen Literatur zitiert er zum Ende des Kapitels
D. H. Lawrence, Novellist, mit der "Erzählung über die Frau, die davonritt".
Weitere Literaturverweise im Text beziehen sich auf die anderen Autoren des gemeinsamen Buches und auf deren an anderen Stellen erschienene Fachliteratur.
Wir selbst haben aus der angegebenen Quellenliteratur Max Weber, Konrad Thomas, Otto Kernberg und Thomas Leithäuser ausgewählt, und haben noch Ausführungen von Hilarion Petzold aus dem Sammelband "Integrative Therapie" (1993) hinzugezogen.
Das 25-seitige Kapitel beginnt mit einer kritischen Charakterisierung der aktuellen Lage an Universitäten und Hochschulen: Forschung, Lehre und Verwaltung sollen ihre Leistungen angesichts knapperer Gelder steigern, gleichzeitig werden die traditionellen Positionen von Professoren gestärkt, und Hochschulgesetze drängen demokratische Prozesse zurück. Hochschullehrer sollen gleichzeitig effizient forschen, lehren und die Verwaltung fachlich handhaben können. Die wenigsten können all diese Qualifikationen aufweisen, denn jeder hat seine Vorlieben und Schwächen. Studenten und Wimis werden in eine Minderheitenposition gedrängt - anstelle demokratischen Aushandelns ist die traditionelle Professorenherrschaft anzutreffen.
Die folgenden Erklärungen, die Thomas Leithäuser zu den Herrschaftsstrukturen an Hochschulen allgemein und dann insbesondere für die Kunsthochschule in Hamburg verwendet, basieren auf den drei reinen Formen der legitimen Herrschaft des Soziologen Max Weber. Er schrieb diese 1956 nieder.
Thomas Leithäuser selbst verwendet in dem von ihm geschriebenen Kapitel nur die legitimen Herrschaftstypen: Legale Herrschaft und traditionelle Herrschaft. Er läßt die Form der charismatischen Herrschaft aus seinem Text heraus. Der Vollständigkeit halber stellen wir jedoch alle drei Herrschaftsformen vor. Zunächst fangen wir mit der charismatischen Herrschaft an: diese ist bestimmt durch die affektuelle Hingabe an die Gestalt des Herren und ihre (göttlichen) Gnadengaben, (Charisma) speziell an magische Fähigkeiten (beispielsweise Gurus in Indien, die vorgeben, magische Fähigkeiten zu haben, was jedoch meist nur chemische oder illusorische Tricks sind, oder Medizinmänner in Afrika, welche zum Teil einen eigenen kleinen "Hofstaat" besitzen); Offenbarungen (angebliche Propheten, Nachfolger irgendwelcher Heiligen etc.) oder Heldentum (heldenhafter Guerillakämpfer wird in irgendeiner Form ein Anführer, Staatsmann oder ähnliches), und alles, was sonst noch in die Richtung geht. In heutiger Zeit seien auch noch Idole aus Musik, Film, Fernsehen und sonstigen Unterhaltungsbranchen genannt. Das Ganze geht sogar soweit, daß beispielsweise ein Steffi-Graf-Anhänger eine andere Tennisspielerin - Monika Seles -. mit einem Messer angriff, da er es wohl nicht aushalten konnte, daß diese seiner charismatischen Führerin direkte Konkurrenz machte.
Laut Weber stellen Dinge wie das ewig Neue, Außerwerktägliche, Niedagewesene und die emotionale Hingenommenheit die Ursachen der persönlichen Hingebung dar. Ein Beispiel für die emotionale Hingebung sind unserer Ansicht nach Liedtexte, mit denen sich die Fans identifizieren können oder welche sie emotional berühren. Die reinsten Typen der charismatischen Herrschaft, so Weber, sind die Herrschaft des Propheten, des Kriegshelden, sowie die des großen Demagogen. Hier wäre als Beispiel Adolf Hitler zu nennen, wobei wir jedoch der Meinung sind, daß in seinem Falle alle drei Herrschaftsformen gleichzeitig anzuwenden sind.
Der Herrschaftsverband ist, so sagt Weber, die Vergemeinschaftung in der Gemeinde oder Gefolgschaft. Der Typus des Befehlenden ist der >>Führer<<. Der Typus des Gehorchenden ist der >>Jünger<<. Ganz ausschließlich dem Führer rein persönlich um seiner persönlichen, unwerktäglichen Qualitäten willen wird gehorcht, nicht wegen gesatzter Stellung oder traditioneller Würde. (Max Weber, S.159)
Daher funktioniert die charismatische Herrschaft auch nur solange, wie ihm jene nichtalltäglichen Qualitäten zugeschrieben werden. Wird der illusorische Trick des Guru offensichtlich, ist der Guerillakämpfer Präsident und hat keine Lösung parat, um die Grundbedürfnisse seines Volkes zu decken, stellt sich der Liedsänger auf einmal als Drogendealer heraus oder ähnliches, so sinkt die charismatische Herrschaft oder endet gar.
Webers Meinung nach ist der Verwaltungsstab des >>Führers<< ausgesucht nach Charisma und persönlicher Hingabe.
Es fehlt der rationale Begriff der >>Kompetenz<< ebenso wie der
ständische des >>Privilegs<<. (Max Weber, S.159)
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