Verhandlungen über Kulturgrenzen hinweg sind zu einem alltäglichen Bestandteil im Wirtschaftsleben geworden. Im Zeitalter der Globalisierung ist die Welt zusammengerückt. Die Weltökonomie hat sich in den letzten Jahrzehnten auf nie gekannte Weise internationalisiert. Das Wachstum des internationalen Handels übersteigt seit Jahren das Wachstum des Weltoutputs und bereitet die Grundlage für Zukunftsmärkte. Ein Indiz dafür sind bspw. die Wirtschaftswachstumsraten, die interkontinental gestiegen sind und vor allem aus den gesteigerten Export- und Importaktivitäten der Länder resultieren. So konnte China bspw. im Jahr 2004 ein Wirtschaftswachstum von +9,0%, Russland von +6,5%, Indien von +6,4% und die USA von +4,7%, gegenüber dem Vorjahr erreichen (WTO International Trade Statistics 1993-2004, OECD, DBR, 2002). Firmen in Ländern, die noch vor 50 Jahren kaum erreichbar waren, sind heute dank E-mail, Internet und Multimediakonferenz direkte Geschäfts- und Handelspartner. Wie dringlich und aktuell die Frage interkultureller Kompetenz im Geschäftsleben geworden ist, beweisen die Zahl der Lehrgänge und Schulungen, die in dieser Richtung angeboten werden. Dieses Buch bietet einen leichten und doch umfangreichen Einstieg in sehr komplexe Themata – Kulturen und Verhandlungen - damit auch Ihre kommenden Geschäftsverhandlungen in anderen Ländern erfolgreich verlaufen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Terminologische Abgrenzung und Begriffsklärung
2.1 Die Verhandlung
2.2 Verhandlungsformen – Unterschiede zwischen politischen und geschäftlichen Interaktionen
2.3 Kultur
3 Besonderheiten und Probleme in interkulturellen Verhandlungen
3.1 Die Verhandlung im interkulturellen Kontext: Modelle und Erklärungsansätze
3.2 Analyse von Einzelelementen in ihrer Auswirkung auf interkulturelle Verhandlungen
3.2.1 Kommunikation
3.2.2 Werte und deren Einflüsse am Beispiel von Gesichtswahrung
3.2.3 Einstellungen am Beispiel von Zeitverständnis
3.2.4 Emotionen und Verhalten
3.2.5 Verhandlungsstil, Rituale, Verhandlungsstrukturen
3.2.6 Entscheidungsfindung, Risikoabwägung und Kompromissbereitschaft
4 Lösungsansätze für Probleme in interkulturellen Verhandlungen
4.1 Lösungen zur Vorbeugung von Konfikten in interkulturellen Verhandlungen
4.2 Lösungen bei Auftreten von Konflikten in interkulturellen Verhandlungen
4.3 Mediation und Diplomatie als Lösung von Problemen in interkulturellen Verhandlungen?
5 Zusammenfassung der Ergebnisse und kritische Würdigung
6 Ausblick
Literaturverzeichnis
Eidesstattliche Versicherung
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Einfaches Kommunikationsmode
Abb. 2: Einfluss von Kultur auf das Kommunikationsmode
Einleitung
Verhandlungen zwischen Individuen und Gruppen sind ein inhärenter Bestandteil menschlicher Interaktionen und immer dann notwendig, wenn unterschiedliche Sichtweisen, Interessen oder Absichten zweier oder mehrerer Akteure adressiert und – idealerweise – zu einem von beiden Seiten getragenen Konsens gebracht werden müssen. Damit sind sie ein universelles Mittel des Interessenausgleichs und der Konfliktbewältigung. Die Fähigkeit, erfolgreich zu verhandeln, wird von soziologischer und anthropologischer Seite daher zu Recht als eine kommunikative Schlüssel- qualifikation gewertet (Boyatzis et. al. 1995, S. 85). Ob eine Verhandlung gleich welcher Art erfolgreich ist, wird jedoch von vielen Aspekten beeinflusst. Auf den Verlauf und das Ergebnis einer Verhandlung wirken sich machtpolitische und gruppendynamische Konstellationen z. Bsp. ebenso aus wie die Verfassung und Eigeninteressen der beteiligten Akteure, der Zeitpunkt, zu dem die Verhandlung geführt wird, die Tiefe der Interessengegensätze oder der äußere Rahmen, in dem man zusammentrifft. Somit ist jede Verhandlung ein äußerst komplexes Phänomen. Wenn zu dieser Komplexität nun als zusätzlicher Faktor noch eine interkulturelle Komponente hinzu kommt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es zu fundamentalen Missverständnissen und unüberwindbaren Schwierigkeiten kommt, die einen Abbruch oder gar ein Scheitern der Verhandlung mit sich bringen können.
Verhandlungen über Kulturgrenzen hinweg sind zu einem alltäglichen Bestandteil im Wirtschaftsleben geworden. Im Zeitalter der Globalisierung ist die Welt zusammengerückt. Die Weltökonomie hat sich in den letzten Jahrzehnten auf nie gekannte Weise internationalisiert. Das Wachstum des internationalen Handels übersteigt seit Jahren das Wachstum des Weltoutputs und bereitet die Grundlage für Zukunftsmärkte. Ein Indiz dafür sind bspw. die Wirtschaftswachstumsraten, die interkontinental gestiegen sind und vor allem aus den gesteigerten Export- und Importaktivitäten der Länder resultieren. So konnte China bspw. im Jahr 2004 ein Wirtschaftswachstum von +9,0%, Russland von +6,5%, Indien von +6,4% und die USA von +4,7%, gegenüber dem Vorjahr erreichen (WTO International Trade Statistics 1993-2004, OECD, DBR, 2002). Firmen in Ländern, die noch vor 50 Jahren kaum erreichbar waren, sind heute dank E-mail, Internet und Multimediakonferenz direkte Geschäfts- und Handelspartner. Die moderne Kommunikations-, Informations- und Transporttechnologie und Deregulierung der Weltmärkte hat u.a. dazu geführt, dass die „Global Player“ der Weltwirtschaft Mitarbeiter verschiedenster kultureller Herkunft und Nationalität beschäftigen und sie als „Expats“ in ihre weltweiten Niederlassungen entsenden, um sie u.a. in Verhandlungen einzusetzen und ihre interkulturelle Kompetenz zu nutzen. Wie dringlich und aktuell die Frage interkultureller Kompetenz im Geschäftsleben geworden ist, beweisen die unzähligen populärwissenschaftlichen Publikationen und Buchreihen sowie die Zahl der Lehrgänge und Schulungen, die in dieser Richtung angeboten werden. Es überrascht daher nicht, dass das Thema „interkulturelle Verhandlung“ seit den 90er Jahren auch in der ökonomischen Fachliteratur an Bedeutung gewonnen hat und sogar ein Institut für „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation“ an der Universität Jena eingerichtet wurde. Grundlegend sind neben E.T. Halls (1969) Ausführungen zur interkulturellen Kommunikationsforschung die Felduntersuchungen, die Hofstede (2001) in den ausgehenden 70er Jahren in 64 Niederlassungen (in 53 Ländern) der Firma IBM durchgeführt hat und aus denen er 1980 seine Theorie der „Kulturdimensionen“ ableitete. Ferner haben Forscher aus dem amerikanischen Raum wie z. Bsp. Hopmann (1996), Cohen (1997), Brett (2000) und Salacuse (2003) auf der Basis empirischer Untersuchungen und eigener Erfahrungen oder Beobachtungen theoretische Grundlagen zu diesem Thema erarbeitet.
In Abgrenzung zu anderen Verhandlungsarten wie Kompromissverhandlungen, Kooperationsverhandlungen, Ultimaten, politischen Verhandlungen oder Koalitionsverhandlungen liegt einer der Schwerpunkte in der wirtschafts-wissenschaftlichen Forschung zur interkulturellen Problematik auf der mündlich geführten Geschäftsverhandlung, die im Mittelpunkt dieser Diplomarbeit steht. Die mündlich geführte internationale Geschäftsverhandlung ist eine im modernen Wirtschaftsleben häufige und typische Verhandlungssituation, die sich dadurch auszeichnet, dass Probleme und Besonderheiten, die aus interkulturellen Faktoren und Dimensionen resultieren, besonders starken Einfluss auf Verlauf und Resultat, im besten Falle den erfolgreichen Vertragsabschluss, haben. Die interkulturelle Verhandlung zeichnet sich durch spezifische Handlungsweisen, Akteure, Stilelemente und Konfliktpotentiale aus und lässt sich so von anderen internationalen Verhandlungsarten, z. Bsp. politischen oder diplomatischen, abgrenzen. Im Unterschied zu schriftlichen Geschäftsverhandlungen, die mittelbar und oft zeitversetzt geführt werden, prallen bei der mündlichen Geschäftsverhandlung, insbesondere, wenn sie in Form eines persönlichen Zusammentreffens erfolgt, die kulturellen Identitäten, Erwartungen und Eigenheiten der Teilnehmer unvermittelt und unverzögert aufeinander. Kulturell bestimmte Aspekte wie Körpersprache, Mimik und Kleidungsstil der Beteiligten oder die gewählten Bewirtungsformen, die bei schriftlichen und auch bei mündlichen Verhandlungen am Telefon bedeutungslos sind, können auf den Erfolg eines internationalen Meetings gravierende Auswirkungen haben.
Diese Diplomarbeit wird im Anschluss an eine Diskussion der theoretischen Grundlagen einzelne Elemente der mündlichen Geschäfts-verhandlung extrahieren und anhand spezifischer Beispiele und allgemeingültiger Merkmale auf interkultureller Ebene analysieren. Anschließend werden Wege aufgezeigt, wie mit Problemen, die im Verlauf einer Verhandlung aus kulturellen Unterschieden resultieren können, umgegangen werden kann und wie sie vermieden und gelöst werden können. Im ersten Kapitel werden die Begriffe „Verhandlung“ und „Kultur“ inhaltlich definiert und die Eigenschaften und Aspekte einer geschäftlichen Verhandlung im internationalen Kontext erläutert. Im Anschluss daran wird die kulturelle Dimension in Verhandlungen unter Diskussion einschlägiger Kulturmodelle, wie z. Bsp. Hofstedes Kultur-dimensionen erörtert und ein Überblick über die verschiedenen Theorien und Modellansätze zu interkulturellen Verhandlungen gegeben. Anschließend werden die herausgearbeiteten Elemente, die eine Verhandlung im interkulturellen Kontext prägen, im einzelnen und in ihrem Zusammenspiel detaillierter analysiert. Die Rolle von Aspekten wie z. Bsp. verbaler und nonverbaler Kommunikation, von Werten, Emotionen, Stereotypen, aber auch von Verhandlungsführung und Verhandlungszielen werden anhand von Beispielen verdeutlicht. Das vierte Kapitel zeigt Wege zur Vermeidung, Minimierung und Lösung interkultureller Probleme und Besonderheiten bei mündlichen Geschäftsverhandlungen auf. Dabei wird zwischen Lösungswegen vor und während des Auftretens eines interkulturellen Konfliktes unterschieden. Abschließend wird diskutiert, inwieweit Mediation und Diplomatie als Methoden der Konfliktbewältigung in interkulturellen Verhandlungen Lösungen bieten können, und inwieweit sich diese Modelle auf internationale Geschäftsverhandlungen übertragen lassen. Nach einer Zusammenfassung der Ergebnisse und ihrer kritischen Würdigung wird im letzten Kapitel ein Ausblick auf zukünftige Forschungsschwerpunkte auf diesem Themengebiet gewagt.
2. Kapitel Terminologische Abgrenzung und Begriffsklärung
2.1 Die Verhandlung
Je nachdem, ob man einen soziologischen, psychologischen, historiographischen oder anderen Blickwinkel einnimmt, lassen sich unterschiedliche Parameter heranziehen, um den Begriff „Verhandlung“ inhaltlich und formal in seiner ganzen Komplexität von anderen Phänomenen abzugrenzen. Eine alles umfassende Gesamtdefinition erscheint hier daher nicht sinnvoll. Vielmehr bietet es sich an, den Begriff „Verhandlung“ sozusagen auf seinen kleinsten gemeinsamen Nenner zu bringen.
Dieser besteht nach Faure und Hofstede darin, dass sich erstens zwei oder mehrere Parteien in einem Interessenkonflikt befinden; dass zweitens ihre Ziele und Absichten divergieren; drittens ein gemeinsames Interesse an einer Vereinbarung besteht und viertens ein Kommunikations- und Interaktionsprozess stattfindet (vgl. Faure, 2003, S. 183 & Hofstede, 2000, S. 435).
Auch Salacuse definiert Verhandlung als einen Kommunikationsprozess, bei dem zwei oder mehrere Personen einen Ausgleich ihrer individuellen Interessen durch gemeinsame Aktion erstreben (vgl. Salacuse, 2003, S. 7).
Damit ist „Verhandlung“ zusammenfassend als ein kommunikativer Interaktionsprozess zweier oder mehrerer Akteure zum Ausgleich verschiedener Interessen oder Zielkonflikte mit den Ziel einer gemeinsamen Vereinbarung definiert.
Hilfreich ist auch die Definition, die J. Mulholland anbietet: Sie sieht Verhandlung als ein Genre der Konversation, in dem verschiedene Regeln zum Ausgleich divergierender Interessen existieren. Dieser Ausgleich ist nur möglich, wenn die Akteure Grundsatzentscheidungen treffen und miteinander agieren (vgl. Mulholland, 1991, S. 40f.). Innerhalb des Aktionsverlaufs unterscheidet sie „generische Aktivitäten“, die dem Sprecher und Hörer zugeordnet werden können.
Anhand des vereinfachten Kommunikationsmodells (Abb. 1) kann dieser Interaktionsprozess verdeutlicht werden: Ein Sender hat eine Nachricht, Absicht oder Information, die einer anderen Person mitgeteilt werden soll. Diese Nachricht muss zunächst in verbale und nonverbale Zeichen und Aktionen kodiert und dann übermittelt werden. Diese Zeichen und Aktionen werden im „Kommunikationskanal“ (Übertragungsmedium) transportiert und unterliegen dabei externen Einflüssen (wie z. B. Umwelt, Geräuschen usw.), die die Nachricht verändern können. Der Empfänger erhält diese Nachricht und decodiert sie, indem er die übermittelten Zeichen und Aktionen mittels seines individuellen Entzifferungssystems interpretiert. Er handelt dann auf Grundlage der decodierten Informationen und gibt seinen Rücklauf (Feedback) an den Sender. Szalay betont, dass nur der Code reist – also die Worte und Zeichen –, nicht aber die Idee (vgl. Cohen, 1997, S. 25ff.). Solange Sender und Empfänger eine gemeinsame Wertvorstellung haben und über einen gemeinsamen Dechiffrierungskodex verfügen, spielen externe Faktoren eine untergeordnete Rolle und die Zeichen können problemlos interpretiert werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Einfaches Kommunikationsmodell
Sobald aber die Entschlüsselungssysteme, die Sender und Empfänger benutzen, verschieden sind und beide somit nicht über die gleichen Wertvorstellungen, Erfahrungen und das gleiche Wissen verfügen, kann es zu grundsätzlichen Verständnisschwierigkeiten kommen. Eine von vielen möglichen Ursachen, dass der Empfänger die ihm gesendeten Signale nicht ohne Probleme decodieren kann, ist ein unterschiedlicher kultureller Hintergrund.
Im folgenden möchte ich zunächst die verschiedenen Verhandlungsformen näher untersuchen, da sich die Diplomarbeit auf eine ganz bestimmte Form der internationalen Verhandlung konzentrieren wird – die mündlich geführte Geschäftsverhandlung im interkulturellen Kontext.
2.2 Verhandlungsformen – Unterschiede zwischen politischen und geschäftlichen Interaktionen
Im Rahmen der Verhandlungsforschung existieren verschiedene Modelle, auf deren Basis zwischen verschiedenen Einflüssen auf Verhandlungen und daraus resultierenden Verhandlungsformen unterschieden wird.
Fayerweather/Kapoor/Dupont stellen in ihrem Modell fünf Faktoren heraus, die eine Verhandlung bestimmen (vgl. Fayerweather/Kapoor, 1976 nach Dupont, 1991, S. 378): Es handelt sich um die Verhandlungssituation, die „funktionellen Gebiete“, wie z. Bsp. Produktion, Marketing, usw., den Verhandlungsmechanismus, die Umwelt (wirtschaftlich, politisch, usw.) und den Gesamtkontext (bspw. Macht, Vorfahren, usw.).
Besonders hilfreich für unsere Zwecke ist der von Dupont/Fayerweather/Kapoor definierte Faktor „Umwelt“. Darunter lassen sich, ähnlich wie unter Faures „Externen Strukturen“ (vgl. Faure, 2003, S. 7) sämtliche sozialen, politischen und kulturellen Strukturen und Formen fassen, die das Umfeld einer Verhandlung bestimmen.
Auf der Grundlage dieser Modelle lassen sich Verhandlungen in verschiedenen Kontexten, einschließlich des interkulturellen Kontextes, näher analysieren und verschiedene Verhandlungsformen wie z. Bsp. die Geschäftsverhandlungen, Koalitionsverhandlungen, diplomatische Verhandlungen usw. einordnen. Die internationale Verhandlung ist dadurch charakterisiert, dass sich Akteure unterschiedlicher Nationen gegenüberstehen. Im Fall von politisch-diplomatischen Verhandlungen sind dies einzelne Staaten oder Staatenbündnisse, die ihre Meinungsverschiedenheiten und Interessenkonflikte im Rahmen von Diplomatie friedlich oder unter Einsatz von militärischen oder wirtschaftlichen (Druck-)Mitteln lösen wollen. Bei internationalen politischen Verhandlungen spielen häufig Machtaspekte und die politische Herkunft der beteiligten Akteure eine gewichtige Rolle. Um die in Konflikt stehenden Staaten in ihrem Ziel zu unterstützen, einen Kompromiss zu erreichen, wurden internationale Institutionen und Organisationen wie z. Bsp. die UNO geschaffen, welche eine internationale politische Verhandlungskultur, also einen gemeinsamen „Verhaltenskodex“ entwickelt haben. Dieser Kodex, der von professionellen Unterhändlern und Vermittlern in diesen Gremien geteilt wird, trägt wesentlich zum Erfolg solcherart institutionalisierter politischer Verhandlungen bei. In Kapitel 4.3 wird diskutiert, in wie weit solche Möglichkeiten auch in interkulturellen Geschäftsverhandlungen zur Verfügung stehen, um Probleme zu minimieren.
Auch in einer internationalen Geschäftsverhandlung stehen sich Akteure unterschiedlicher Nationen gegenüber, um ihre Interessensgegensätze zu verhandeln. Im Mittelpunkt stehen wirtschaftliche Interessen zum Ziele der Gewinnerzielung und Effizienzsteigerung. Die Akteure verfügen, zumal wenn sie verschiedenen Firmen angehören und damit nicht einmal eine gemeinsame Unternehmenskultur teilen, im Unterschied zu Diplomaten über keine ritualisierte gemeinsame Verhandlungskultur, die über den Gebrauch verschiedener Sprachen, Verhandlungsgewohnheiten und Zeitverständnisse hinweghelfen könnte. Nach Hofstede sind es dann im Unterschied zu Berufsdiplomaten, und vor allem, wenn sie erstmals mit einer Firma dieser Nation konfrontiert sind, „... Amateure, die Ihre Verhandlung nur unzureichend vorbereiten“ (vgl. Hofstede, 2001, S. 437). Vor allem bei mündlichen Geschäftsverhandlungen sind unvorbereitete Verhandlungsführer, die mit dem kulturellen Hintergrund der Gegenpartei nicht vertraut sind, unvermittelt und plötzlich mit fremden Wertvorstellungen und unbekannten Erwartungen konfrontiert. Dies gilt zwar auch bei schriftlichen oder fernmündlichen Geschäftsverhandlungen auf internationaler Ebene, doch wirken dabei die zeitliche Versetzung des Informationsaustausches und die Mittelbarkeit als mildernde Puffer, die Faktoren wie z. Bsp. Körpersprache, Kleidung oder auch Gerüche neutralisieren. Bei der internationalen mündlich geführten Geschäftsverhandlung ist somit der kulturelle Hintergrund der Verhandlungsteilnehmer von enormer Bedeutung, um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen und Komplikationen während der Verhandlung zu vermeiden.
Um die Reichweite des Einflusses von kulturellen Unterschieden auf eine Verhandlung verstehen und im Detail analysieren zu können, muss zunächst der in diesem Kontext verwendete Begriff „Kultur“ näher eingegrenzt bzw. diskutiert werden.
2.3 Kultur
Der Kulturbegriff, wie er in der interkulturellen Wirtschaftsforschung Anwendung findet, wurde in Teilen der Anthropologie, Ethnologie, Soziologie und Psychologie entliehen. Die Tatsache, dass es innerhalb dieser Disziplinen pluralistische, teils widersprüchliche Definitionen von „Kultur“ gibt, verdeutlicht, wie schwierig der Begriff im Detail zu fassen ist. Es soll deshalb hier auch nicht versucht werden, eine allgemeingültige Definition vorzulegen. Statt dessen soll untersucht werden, wie sich der Kulturbegriff in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung entwickelt hat.
Anfang der 50er Jahren wurde „Kultur“ in den Wirtschaftswissenschaften als Gegenstand eingeführt. Kultur wurde als Muster von und für Verhaltensweisen gedeutet (vgl. Kröber/Kluckhohn, 1952). In den 80er Jahren definiert Hofstede Kultur im Rahmen seines Modells der „Kulturdimensionen“ als kollektive Bewusstseinsprogrammierung (vgl. Hofstede, 1980), durch die der Einzelne zum Wohl der Gruppe erzogen wird. Damit ist gemeint, dass der Einzelne durch das unbewusste Hineinwachsen in die Kultur der Gruppe, in die er hineingestellt ist, geprägt wird. Doch erst Schein macht den Schritt von einem statischen und beschreibenden Kulturbegriff („Kultur“ im Sinne einer Eigenschaft) zu einem Kulturbegriff, der interkulturelle Interaktion als Element miteinschließt. Schein definiert Kultur als e in „... Muster gemeinsamer Grundprämissen, das die Gruppe bei der Bewältigung ihrer Probleme externer Anpassung und interner Integration erlernt hat, das sich bewährt hat und somit als bindend gilt und das daher an neue Mitglieder als rational und emotional korrekter Ansatz für den Umgang mit diesen Problemen weitergegeben wir d“ (Schein, 1995, S. 25). Der Gruppe ist es demnach ermöglicht, aus externen Anpassungen zu lernen und Probleme zu lösen. Diese Anpassungen kann z. Bsp. durch den Kontakt zu einer neuen Kultur oder Gruppe bewirkt werden. Im Ergebnis können durch den Austausch mit der Umwelt Probleme gelöst werden. Diese Erfahrungen werden wiederum an die einzelnen Gruppenmitglieder und deren Nachfahren weitergegeben, was im Zeitablauf den Wandel der Gruppenkultur bewirkt.
In der amerikanischen Forschung waren es Deal/Kenneth & Griffin, die eine ähnliche Definition entwickelten, welche die Kultur als eine Sammlung von Werten umreißt, die durch Hauptakteure („Helden“) und Symbole dargestellt wird (Kap. 3). Sie betonen, dass Helden als „personifizierte“ geteilte Werte einer Gruppe zu verstehen sind und die Gruppenkultur durch den Einsatz von Symbolen in der Wirkung auf andere Gruppen verstärkt wird. Im gleichen Sinn spricht Cohen von Kultur als „Human Software“, die durch Ideen, Meinungen, Gebräuche und Annahmen, also durch die kulturelle „Programmierung“, zum Ausdruck kommt (vgl. Cohen, 1997, S. 12). Hopmann erweitert diese Definitionen und betont die geteilten Werte einer Gruppe von Menschen gemeinsamer Herkunft und die Existenz anderer gemeinsamer kognitiver Attribute (vgl. Hopmann, 1996, S. 138).
Generell lässt sich also keine einheitliche Begriffsverwendung beobachten. Allen Definitionen ist jedoch die Betonung auf geteilte Werte, Normen, Meinungen und Ideale gleich. Im Kontext interkultureller Verhandlungen ist es essentiell, Kultur in diesem Sinne als einen Prozess, nicht als einen festgeschriebenen Zustand zu begreifen: Um nicht in Stereotypisierungen und Formalisierungen zu verfallen, muss berücksichtigt werden, dass sich die kulturellen Werte und Normen einer Gruppe, die sich in ihrem Verhalten, ihren Traditionen und ihren Ideologien äußern, unaufhaltsam ändern. Eine veränderte Umgebung oder neue Akteure tragen ebenso zum Kulturwandel bei wie z. Bsp. die Begegnung mit anderen Kulturen oder innovative neue Lösungsansätze einzelner Individuen. Ebenso wird aus den erläuterten Definitionen ersichtlich, dass jedes Individuum Mitglied vieler über- und untergeordneter und nebeneinander bestehender Kulturgruppen ist, wobei davon ausgegangen werden kann, dass die Anzahl der gemeinsamen Werte, Sitten und Vorstellungen in Proportion zu den individuellen Unterschieden, die sich aus der Zugehörigkeit von Teilgruppen ergeben, um so geringer wird, je größer die Gruppe ist. Gleichzeitig sind aber gerade die Werte, die von einer großen Gruppe, wie z. Bsp. einer Nation oder Region, geteilt werden, besonders fundamentale und allgemeingültig.
3. Kapitel Besonderheiten und Probleme in interkulturellen Verhandlungen
3.1 Die Verhandlung im interkulturellen Kontext: Modelle und Erklärungsansätze
Wie bereits ausgeführt, ist die Verhandlung, und in unserem speziellen Fall die mündlich geführte Geschäftsverhandlung, auch wenn die Gesprächspartner dieselbe kulturelle Herkunft haben, immer ein an sich sehr komplexes Phänomen, da diverse Teilnehmer mit den ihnen eigenen individuellen Emotionen und Wertvorstellungen und mit verschiedenen Präferenzen unter vielfältigen äußeren Umständen und Gegebenheiten zusammenfinden, um unterschiedlichste, oft vielschichtige Themen zu besprechen. Die multidimensionale Komplexität und die Anzahl der (potentiellen Stör-) Faktoren steigt, wenn der Kommunikationsprozess durch eine interkulturelle Komponente erweitert wird, wenn also zusätzlich und kulturell bedingt, massive oder subtilere Verhaltensunterschiede und multiple Konzepte ins Spiel kommen. Die Gegensätze in Wertvorstellungen, Sichtweisen und die unterschiedlichen Verhandlungstraditionen und –stile, die als gegeben angesehen werden, können, wenn die Teilnehmer aus mangelnder interkultureller Kompetenz oder purer Ignoranz nicht in der Lage sind zu relativieren, eine effiziente Kommunikation nicht nur behindern, sondern schon im Ansatz verhindern. Um einer grundsätzlichen Kollision der Werte und Erwartungen in einer internationalen Verhandlung entgegenzusteuern, ist es nicht nur notwendig, dass sich die Verhandlungspartner der kulturellen Unterschiede bewusst sind und darum wissen, dass die eigenen Normen weder absolut sind noch notgedrungen von der Gegenseite als „normal“ angesehen werden. Es muss auch verhindert werden, dass es zu Stereotypisierungen, Diskriminierungen und Vorurteilen kommt, dass also nicht verifizierte Vorstellungen über „den anderen“ den Umgang bestimmen bzw. das eigene kulturelle System als das überlegene empfunden wird.
Anhand unseres Kommunikationsmodells (Abb. 2) lässt sich die Problematik bei der Informationsbe- und -verarbeitung vereinfacht veranschaulichen: Die Kommunikation kann dadurch gestört werden, dass die Nachricht an sich falsch oder missverständlich formuliert wird, z. Bsp. weil in einer Fremdsprache verhandelt wird, weil nach dem Prinzip der „Stillen Post“ durch notwendige Übersetzungen durch Drittpersonen Inhalte verloren gehen oder modifiziert werden oder weil kulturell bedingt Nachrichten auf eine Weise verklausuliert werden, die die Gegenseite nicht als Verschlüsselung erkennt oder falsch decodiert. Der reibungslose Verhandlungsablauf kann auch dadurch unterbrochen werden, dass die Nachricht im Kern zwar unbeschädigt gesendet und empfangen wird, aber aufgrund der sie begleitenden nonverbalen Signale und Untertöne, z. Bsp. durch Tonfall oder Körpersprache des Senders, vom Empfänger falsch interpretiert wird. In diesem Fall wird in der Folge die Interaktion zwischen Sender und Empfänger weiter beeinträchtigt werden, weil der Empfänger der ursprünglichen Nachricht ein Feedback an den Sender gibt, das durch sein (Miss-)verständnis gefärbt ist. Es kann auch sein, dass aufgrund kultureller Konventionen negatives und positives Feedback verwechselt werden. Dies kann passieren, wenn z. Bsp. Angehörige einer Kultur, die indirekte Verneinungen bevorzugt, auf einen Verhandlungspartner treffen, der eine klare Negierung erwartet. Einige Kulturkreise erachten bspw. Schweigen als eine hohe Kunst der Konversation, andere Kulturen bewerten hingegen Schweigen als negative und abwertende Reaktion. Damit kann Schweigen in unserem Beispiel entweder als positives oder als negatives Feedback interpretiert werden (vgl. Kapitel 3.2.1).
In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Rolle von Riten und Gebräuchen, Symbolen, u.a. hinweisen. Deal/Kennedy haben hierzu Feldbeobachtungen unternommen und festgestellt, dass neben personifizierten und gruppendynamischen Werten auch die täglichen Rituale und Handlungsweisen einer Gruppe die Kultur zum Ausdruck bringen. Beispiele für die unterschiedliche Ausprägung von Ritualen und Handlungsweisen im Verhandlungskontext sind der Ablauf von Besprechungen, die Form der Begrüßung oder die Art der Bewirtung.
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- Citation du texte
- Diplom-Kfm. Björn Kempe (Auteur), 2005, Interkulturelle Verhandlungen. Besonderheiten, Probleme und Lösungsansätze, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59718
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