Seit September 2003 unterrichte ich an der ###-Schule in ### die Fächer Mathematik, Biologie, Chemie und Wahlpflichtunterricht. Auffallend ist der große Anteil der Leistungsverweigerer. Infolgedessen verlassen in jedem Jahrgang einige Schüler nach der 7. oder 8. Klasse ohne Hauptschulabschluss die Schule. In der derzeitigen Klasse 6a unterrichte ich seit der 5. Klasse die Fächer Mathematik und Chemie (insgesamt 5-stündig). Der Reiz einer neuen Schule ließ bei den Schülern bereits in der 5. Klasse nach und sehr bald haben sich trotz vielfältiger Bemühungen der Lehrerinnen und Lehrer, dem entgegenzuwirken, bei einem großen Teil der Schüler dem Lernen nicht förderliche Verhaltensweisen herauskristallisiert. Die Situation verschärfte sich noch dadurch, dass zu Schuljahresbeginn die Klasse um drei Wiederholer auf 29 Mädchen und Jungen vergrößert wurde. Im Rahmen einer Aktionsforschung in der Eingangsphase der Ausbildung am Studienseminar Kleve habe ich im März 2004 Ursachen für Verzögerungen des Unterrichtsgeschehens in dieser Klasse aufgezeichnet (s. Anlage 1). Die meisten Ursachen für die Beeinträchtigungen des Unterrichtsablaufs und mithin auch des Lernerfolgs vieler Schüler liegen im Lernverhalten der Schüler. Aber ist Lernverhalten eine konstante Größe, oder lässt es sich unter geeigneten Bedingungen zumindest partiell beeinflussen? Welche Bereiche im Lernverhalten sind veränderbar? Gibt es allgemeine Gesetzmäßigkeiten, oder reagieren Schüler individuell? Welche Faktoren begünstigen ein positives Lernverhalten? Handlungsorientierter Unterricht wird sozialisationstheoretisch als „Reaktion auf gravierende Veränderungen in den Bedingungen des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen heute“ und lerntheoretisch als „Konsequenz aus grundlegenden Ergebnissen der modernen Lernforschung“ gesehen (GUDJONS 1997a, S. 111). Schließlich sieht GUDJONS handlungsorientierten Unterricht als „Versuch einer Antwort auf die herbe Kritik einer modernen Schule: Trennung von Schule und Leben, Verkopfung des Unterrichts, Entfremdung und fehlende Sinnhaftigkeit der Lernprozesse, Motivationsverlust, Schulfrust, Lehrerdominanz…“. Der Idealtypus handlungsorientierten Lernens ist nach BÖNSCH (1998) die Projektarbeit.
Inhaltsverzeichnis
1 Ausgangssituation und Fragestellung
2 Lernverhalten und Lerngruppe
2.1 Lernverhalten – Begriff
2.2 Lernverhalten der Schüler der Klasse 6a im Schulalltag
3 Projektwoche
3.1 Projektthema „Wildgänse am Niederrhein“ – Kurzinformation
3.2 Legitimation
3.3 Der Projektbegriff in der pädagogischen Literatur
3.4 Darstellung der Projektwoche
3.4.1 Charakterisierung
3.4.2 Zeittafel
3.4.3 Beschreibung ausgewählter Projekteinheiten
3.4.4 Abfolge der Projekteinheiten
3.4.5 Organisationsablauf
4 Untersuchungsmethoden
4.1 Unstrukturierte Beobachtungen an der Gesamtgruppe
4.2 Strukturierte Beobachtungen an ausgewählten Schülern
4.3 Einfache Programmreflexion
4.4 Abschließende Reflexion über die Projektwoche im Vergleich zum Schulalltag
4.5 Soziometrie
5 Ergebnisse
5.1 Unstrukturierte Beobachtungen an der Gesamtgruppe
5.2 Strukturierte Beobachtungen an ausgewählten Schülern
5.3 Einfache Programmreflexion
5.4 Abschließende Reflexion über die Projektwoche im Vergleich zum Schulalltag
6 Diskussion
6.1 Variabilität im Lernverhalten
6.2 Das Lernverhalten beeinflussende Faktoren
6.3 Möglichkeiten und Grenzen im Schulalltag
7 Zusammenfassung und Ausblick
8. Quellenverzeichnis
Tabellen
Tab. 1 Langfristige Auswirkungen der Projektarbeit auf Schüler
Tab. 2 Beobachtungsraster zum Lernverhalten im Vergleich
Tab. 3 Klassifizierung des Lernverhaltens in der Klasse 6a im Schulalltag
Tab. 4 Zeittafel
Tab. 5 Abfolge der Unterrichtseinheiten
Tab. 6 Organisationsablauf
Tab. 7 Lernverhalten ausgewählter Schülerinnen und Schüler
Tab. 8 Auswertung Programmreflexion
Abbildungen
Abb. 1 Wildgänse beim Äsen
Abb. 2 Legitimation
Abb. 3 Charakterisierung der Projektwoche**
Abb. 4 Programmreflexion
Anhang
Anhang 1 Ursachen für Verzögerungen des Unterrichtsgeschehens
in der Klasse 5a, ungewichtet*
Anhang 2 Genehmigung des Schulleiters*
Anhang 3 Antrag auf Sonderurlaub Begleitperson*
Anhang 4 Einverständniserklärung der Eltern*
Anhang 5 Fragebogen zur Klassenfahrt*
Anhang 6 Vertragsabschluss Buchung einer Einrichtung*
Anhang 7 Einladung zum Eltern-Informationsabend*
Anhang 8 Informationsschreiben*
Anhang 9 Fahrradkontrolle durch die Polizei*
Anhang 10 Regelung der Teilnahme am Besuch des Unterrichts in einer anderen Klasse für von der Fahrt befreite oder ausgeschlossene Schüler*
Anhang 11 Kostenabrechnung*
Anhang 12 Merkmalsbogen zur Einschätzung des Lernverhaltens ausgewählter Schülerinnen und Schüler
Anhang 13 Bildtexte zum Elternabend*
Anhang 14 CD mit Bild- und Textmaterial *
* aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht veröffentlichte Materialien
** Originalkarte nicht digitalisierbar
1 Ausgangssituation und Fragestellung
Seit September 2003 unterrichte ich an der ###-Schule in ### die Fächer Mathematik, Biologie, Chemie und Wahlpflichtunterricht. Auffallend ist der große Anteil der Leistungsverweigerer. Infolgedessen verlassen in jedem Jahrgang einige Schüler nach der 7. oder 8. Klasse ohne Hauptschulabschluss die Schule.
In der derzeitigen Klasse 6a unterrichte ich seit der 5. Klasse die Fächer Mathematik und Chemie (insgesamt 5-stündig). Der Reiz einer neuen Schule ließ bei den Schülern bereits in der 5. Klasse nach und sehr bald haben sich trotz vielfältiger Bemühungen der Lehrerinnen und Lehrer, dem entgegenzuwirken, bei einem großen Teil der Schüler dem Lernen nicht förderliche Verhaltensweisen herauskristallisiert. Die Situation verschärfte sich noch dadurch, dass zu Schuljahresbeginn die Klasse um drei Wiederholer auf 29 Mädchen und Jungen vergrößert wurde. Im Rahmen einer Aktionsforschung in der Eingangsphase der Ausbildung am Studienseminar Kleve habe ich im März 2004 Ursachen für Verzögerungen des Unterrichtsgeschehens in dieser Klasse aufgezeichnet (s. Anlage 1). Die meisten Ursachen für die Beeinträchtigungen des Unterrichtsablaufs und mithin auch des Lernerfolgs vieler Schüler liegen im Lernverhalten der Schüler.
Aber ist Lernverhalten eine konstante Größe, oder lässt es sich unter geeigneten Bedingungen zumindest partiell beeinflussen? Welche Bereiche im Lernverhalten sind veränderbar? Gibt es allgemeine Gesetzmäßigkeiten, oder reagieren Schüler individuell? Welche Faktoren begünstigen ein positives Lernverhalten?
Handlungsorientierter Unterricht wird sozialisationstheoretisch als „Reaktion auf gravierende Veränderungen in den Bedingungen des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen heute“ und lerntheoretisch als „Konsequenz aus grundlegenden Ergebnissen der modernen Lernforschung“ gesehen (GUDJONS 1997a, S. 111). Schließlich sieht GUDJONS handlungsorientierten Unterricht als „Versuch einer Antwort auf die herbe Kritik einer modernen Schule: Trennung von Schule und Leben, Verkopfung des Unterrichts, Entfremdung und fehlende Sinnhaftigkeit der Lernprozesse, Motivationsverlust, Schulfrust, Lehrerdominanz…“. Der Idealtypus handlungsorientierten Lernens ist nach BÖNSCH (1998) die Projektarbeit.
Grundlage der hier vorliegenden Lernverhaltensanalyse sind Erhebungen, die während einer fünftägigen Projektwoche entstanden sind, die ich zusammen mit der Klassenlehrerin und einer weiteren Begleitperson mit der Klasse 6a zum Thema „Wildgänse am Niederrhein“ durchgeführt habe. Als außerschulischer Lernort wurde die Jugendbildungsstätte Forsthaus Hasenacker in Sonsbeck-Labbeck gewählt. Um eine Vorstellung von der Projektwoche zu erhalten, sei auf die Bilder auf der beiliegenden CD und die dazugehörigen Bildtexte (Anhang 13) verwiesen.
Die Analyse entspricht in ihrer Intention und Struktur einer Aktionsforschung, also der systematischen Untersuchung einer beruflichen Situation, „die von Lehrern selbst durchgeführt wird, in der Absicht, diese zu verbessern“ (J. ELLIOT zitiert in ALTRICHTER und Posch (1998)). Demzufolge schließt die Studie ab mit der Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen einer Umsetzung der für ein positives Lernverhalten als förderlich erkannten Faktoren im Schulalltag sowie nach der Nachhaltigkeit dieser Maßnahme.
In der Literatur findet man vor allem Beschreibungen der Inhalte oder des Ablaufs von Projekten bzw. projektartigen Veranstaltungen (LEPEL und SCHUSTER (1995), STAATSINSTITUT FÜR SCHULPÄDAGOGIK UND BILDUNGSFORSCHUNG (1994), LANDESINSTITUT FÜR SCHULE UND WEITERBILDUNG (1988) u. a.),
oder es werden Ergebnisse bzw. Produkte beschrieben (TENGER 1999, HAUSTEIN 1999). Die Schulpädagogik beschäftigt sich in der Theorie damit, was ein Projekt ausmacht, differenziert in verschiedene Abstufungen je nach Annäherung an aufgestellte Qualitätsstandards und trifft in der Regel allgemeine Aussagen über (meist positive) Auswirkungen auf die Schülerschaft. So stellte HEDEWIG (1993) auf Grundlage einer Befragung ein Meinungsbild von 47 Lehrern, die Projekte durchgeführt haben, über langfristige Auswirkungen der Projektarbeit auf Schüler in einer Tabelle dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Langfristige Auswirkungen der Projektarbeit auf Schüler (HEDEWIG (1993))
Seltener findet man systematische, detaillierte Untersuchungen über Prozesse während eines Projekts. Allerdings sind mir keine differenzierten Analysen des Lernverhaltens während einer Projektwoche bekannt; dazu mag diese Arbeit einen Beitrag leisten.
2 Lernverhalten und Lerngruppe
2.1 Lernverhalten – Begriff
Das Wort „lernen“ geht auf die gotische Bezeichnung für „ich weiß“ (lais) und das indogermanische Wort für „gehen“ (lis) zurück (DUDEN (1989)). Demnach ist das Lernverhalten das Verhalten, das ein Schüler auf den Weg zum Wissen zeigt.
In der Biologie ist Verhalten als „die Gesamtheit aller beobachtbaren Veränderungen bei Tieren und Menschen als Antwort auf innere und äußere Reize“ definiert (PEWS-HOCKE und KEMNITZ (2001)). Man unterscheidet angeborenes und erworbenes Verhalten.
Die Beschäftigung mit dem Lernverhalten fällt vor allem in die diagnostische Tätigkeit einer Lehrperson, etwa um Schüler adäquat zu fördern, zu beraten, im Unterricht zu differenzieren oder um Kopfnoten zu ermitteln. Entsprechend befasst sich die schulpädagogische Literatur insbesondere mit der Aufstellung von Indikatoren, um „Lernverhalten“ begrifflich zu fassen und ein geeignetes Messinstrument zu erhalten.
Die Merkmalskataloge zeigen weitgehende Übereinstimmungen auf, wenn auch die Begriffswahl variiert und damit der Blick auf andere Aspekte gelenkt wird. Auch weitere Untergliederungen sind unterschiedlich ausdifferenziert. Die folgende Tabelle zeigt den Versuch eines Vergleichs von drei verschiedenen Beobachtungsrastern. Die Fähigkeit zur Interaktion und Kommunikation ist nach JÜRGENS (1992) Bestandteil des Lernverhaltens, während HAVEMANN (2005) das Sozialverhalten neben das Lernverhalten stellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 2: Beobachtungsraster zum Lernverhalten im Vergleich
2.2 Lernverhalten der Schüler der Klasse 6a im Schulalltag
Seit Beginn ihres Eintritts in die Sekundarstufe I unterrichte ich die Klasse 6a in den Fächern Mathematik und Chemie (5-stündig). Aus den Beobachtungen in meinem eigenen Unterricht, ergänzt durch Gespräche mit der Klassenlehrerin, Kollegen sowie dem Sozialarbeiter der Schule ergibt sich die in Tab. 3 dargestellte Skizzierung der Klasse bezüglich des Lernverhaltens. Die Abweichungen im Lernverhalten einzelner Schüler in den verschiedenen Fächern und bei verschiedenen Lehrpersonen sind erstaunlich gering. Auf der anderen Seite sind bei einigen Schülern über längere Zeit auch Entwicklungen festzustellen. In der Tabelle festgehalten ist das Lernverhalten der Schüler im Schulalltag vor der Projektwoche.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 3: Klassifizierung des Lernverhaltens in der Klasse 6a im Schulalltag
3 Projektwoche
3.1 Projektthema „Wildgänse am Niederrhein“
- Kurzinformation
Ein ganz besonderes Schauspiel ereignet sich alljährlich am Unteren Niederrhein. In der jahrhundertealten Kulturlandschaft verbringen bis zu 200 000 Wildgänse aus Skandinavien und Sibirien den Winter. Von Mitte November bis Ende Februar sind sie an verschiedenen Plätzen zu beobachten.
Ungefähr 30 Prozent des Gesamtbestandes der nach Westeuropa ziehenden Blässgänse überwintern auf den Wiesen und Weiden des Niederrheins. Wegen seiner besonderen Stellung als Überwinterungs- und Rastgebiet für Wildgänse, aber auch des Vorkommens anderer Vogelarten, fällt der Untere Niederrhein entlang des Rheins zwischen Duisburg und Kleve als Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung unter das Ramsar-Abkommen.
Während eines Tages ziehen die Wildgänse in großen Verbänden von ihren Schlafplätzen zu ihren Äsungsflächen in der Rheinebene, suchen am Mittag zum Trinken Gewässer auf und kehren am Abend zu ihren gewohnten Schlafplätzen zurück. Als soziale Tiere halten die Familienverbände auch in den riesigen Schwärmen über Ruf- und Sichtkontakt eng zusammen. Die Jungvögel müssen über ihre Eltern die Zugwege zu den Brut- und Überwinterungsgebieten erst erlernen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Wildgänse beim Äsen (Foto: Johann Mooij)
Unter die Blässgänse mischen sich häufig weitere Gänsearten, so die Graugans, die Weißwangengans, die Saatgans, die Brandgans oder die Nilgans. Auch die Kurzschnabelgans, die Schneegans, die Streifengans, die Rothalsgans, die Kanadagans und die Rostgans können zeitweise am Niederrhein beobachtet werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.3 Der Projektbegriff in der pädagogischen Literatur
Die Ursprünge der Projektidee liegen in der Reformpädagogik Anfang des letzten Jahrhunderts. Zuerst beschrieben wurde die Projektmethode indes von dem Amerikaner John DEWEY (1916) als „Methode der bildenden Erfahrung“. Dessen Vorstellungen griff 1918 H. KILPATRICK in seinem Aufsatz „The Project Method“ auf. Die deutschen Reformpädagogen gelangten in dieser Zeit zu ähnlichen Vorschlägen. Zu nennen sind hier das Konzept des Gesamtunterrichts von Berthold OTTO (1859 bis 1933), die Planung des Unterrichts durch Schüler bei Hugo GAUDIG (1860 bis 1923) und die Projektarbeit in der Jenaplanschule von Peter PETERSON (1884 bis 1952).
Im Verlauf der Bildungsreform in der Bundesrepublik Deutschland wurde die Projektidee wieder aufgegriffen. GUDJONS (1986) nennt als typische Merkmale für den Projektunterricht:
- bezüglich der Themenwahl: Umwelt- und Situationsbezug, Orientierung an Problemen und Interessen der Beteiligten, gesellschaftliche Praxisrelevanz und Interdisziplinarität,
- bezüglich der Methode: Integration von Lernen und Handeln, Selbstorganisation und Selbstverantwortlichkeit der Lernenden, Planung durch alle Beteiligten, soziales Lernen und Herstellung eines Produkts.
In jüngerer Zeit entstand eine Fülle von Literatur zum Themenbereich „Projekt “ (FREY 2002, GUDJONS 1997b und 2001, HÄNSEL 1997, HEDEWIG 1993, KAISER und KAISER 1977 u. a.). Dabei wird der Projektbegriff unterschiedlich weit gefasst, außerdem werden neben dem Begriff „Projekt“ weitere Begriffe wie „Projektmethode“, „Projektunterricht“, „projektartig“ „projektorientiert“ zur Bezeichnung von Projekten und projektähnlichen Veranstaltungen verwendet.
Einen idealtypischen Projektablauf beschreibt FREY (2002). Die Projektmethode nach FREY (in Anlehnung an die amerikanischen Vorbilder der pädagogischen Reformbewegung verwendet er den Begriff „Projektmethode“) stellt die Selbstorganisation der Teilnehmer in den Vordergrund, angefangen von der Projektinitiative, über die Informationsbeschaffung, die Planung der Arbeitsziele und des Arbeitsrahmens bis hin zur Durchführung einschließlich der Lösung auftretender Konflikte. Wenn nicht alle Merkmale erfüllt werden, spricht FREY von projektartigem Lernen.
Weniger von dem hohen Anspruchs FREYs getragen, jedoch mit weitaus größeren Bezug zu der tatsächlichen Praxis der Projektarbeit ist die Definition von MEYER: „Ein Projekt stellt den gemeinsam von Lehrern, Schülern, hinzugezogenen Eltern, Experten usw. unternommenen Versuch dar, Leben, Lernen und Arbeiten derart zu verbinden, dass ein gesellschaftlich relevantes, zugleich der individuellen Bedürfnis- und Interessenslage der Lehrer und Schüler entsprechendes Thema oder Problem innerhalb und außerhalb des Klassenzimmers aufgearbeitet werden kann.“ (MEYER (1987), S.143/144).
Die Projektarbeit wird als Idealtyp handlungsorientierten Unterrichts gesehen (BÖNSCH (1998)), Gekennzeichnet ist ein Projekt durch einen hohen Grad an Schülerzentrierung. Lehrerzentrierte Formen bis hin zur lehrgangsartigen Bearbeitung von Lerninhalten bezeichnet BÖNSCH als Formen der Projektorientierung.
Andere Autoren grenzen die eigentliche Projektarbeit ebenfalls von projektorientiertem Unterricht ab, den sie wie WESTENDORF-BÖRING (1988) in mehrere Stufen und zwar abhängig von der Erfüllung der von ihnen für ein Projekt aufgestellten Kriterien untergliedern.
Ferner werden Projekte im Hinblick auf die Intentionen, die den Projekten zugrunde liegen, differenziert. Bei überwiegend prozessorientierten Projekten steht der Prozess der Themenfindung, der Planung, der Realisierung und der Interaktion der Lernenden im Mittelpunkt. Der Weg ist das Ziel. Überwiegend produktorientierte Projekte konzentrieren sich auf das zu schaffende Produkt. Neben diesen beiden Reinformen sind die Übergänge fließend (nach HEDEWIG (1993).
Nicht zuletzt sei auf die Richtlinien und Lehrpläne für Hauptschulen in NRW (1993) verwiesen, die Projekte durch folgende Kriterien kennzeichnen:
- die Schüler bestimmen Ziele, Inhalte und Arbeitsschritte weitgehend selbst
- Handlungsbezug
- fächerübergreifender Charakter
- Orientierung auf ein vorweisbares „Werk“
- Wirklichkeitserfahrung
- Integration fachspezifischer Lernanteile von Lehrgängen
- Darstellung gemeinsamer Arbeitsergebnisse über den Unterricht hinaus
Die Projektwoche „Wildgänse am Niederrhein“ habe ich in einem Schaubild (Abb.3, S. 16) dargestellt. Dabei sind die Punkte hervorgehoben, die entsprechend den Richtlinien und LehrpläneN für Hauptschulen in NRW (1993) ein Projekt kennzeichnen.
Statt des allgemeinen, wenn auch in der schulpädagogischen Literatur sehr unterschiedlich verwendeten Begriffs „Projekt“, verwende ich im Folgenden den Begriff „Projektwoche“; er spezifiziert den zeitlichen Rahmen des hier zu untersuchenden Projekts.
Das wesentliche, in fast allen Schriften genannte Merkmal eines Projekts, die Selbstorganisation und Selbstverantwortung der Lernenden, ist in der Projektwoche „Wildgänse am Niederrhein“ nur ansatzweise verwirklicht worden. Allerdings kann dieses Ziel nur schrittweise und nie gänzlich realisiert werden. Die Entfaltung von Selbstorganisation und Selbstverantwortung bei den Lernenden erfordert zudem bestimmte Voraussetzungen, unter anderem ein gewisses Maß an sozialer Kompetenz oder – so KLIPPERT (2002) – auch Methodenkompetenz.
In Anbetracht der derzeitigen Situation in der Klasse hatte ich mich dazu entschlossen, den Schülern sowohl inhaltlich als auch vom Ablauf her einen klar strukturierten Rahmen vorzugeben. Auch wenn die inhaltliche Projektarbeit von mir und nicht von den Schülern organisiert wurde, waren sie damit keineswegs aus ihrer Verantwortung entlassen. Im Gegenteil: Eine Woche lang zusammen mit den Mitschülern auch während der Freizeit zu verbringen, erfüllte viele Schüler zunächst mit Besorgnis, sogar mit Angst (Schüleräußerungen). Insbesondere die Freizeit – auch wenn sie knapp bemessen war – gemeinsam selbst zu organisieren und sich darüber zu verständigen, war eine Herausforderung. Auch die Unterbringung in Vierbettzimmern war für viele nicht ganz einfach. Innerhalb einer fest vorgegebenen Struktur hatten die Schüler somit durchaus einen großen Handlungsspielraum.
3.4 Darstellung der Projektwoche
3.4.1 Charakterisierung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.4.2 Zeittafel
Die Klasse wurde in folgenden Projekteinheiten geteilt:
- Nachterleben: 2 Gruppen zeitversetzt
- Bemalen von Gänsemodellen, Reise nach Sibirien: jeweils parallel. Das Bemalen der Gänsemodelle wurde von der Klassenlehrerin angeleitet und beobachtet.
In Kapitel 3.4.3 beschriebene Projekteinheiten sind durch Fettdruck hervorgehoben
Tab. 4: Zeittafel
3.4.3 Beschreibung ausgewählter Projekteinheiten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4 Untersuchungsmethoden
4.1 Unstrukturierte Beobachtungen an der Gesamtgruppe
Während der in Kap. 3.4.3 beschriebenen acht Projekteinheiten wurden die Schüler in Hinblick auf ihr Lernverhalten beobachtet. Da ich den Unterricht in der Funktion als Lehrerin und Projektleiterin selbst durchgeführt habe, also in die zu beobachtende soziale Situation integriert gewesen bin, handelt es sich um aktiv-teilnehmende Beobachtungen. Die Beobachtungen wurden am gleichen Tag, jedoch häufig erst, nachdem die Schüler abends in ihren Zimmern waren, als Gedächtnisprotokoll notiert. Den Schülern war nicht bekannt, dass ihr Verhalten wissenschaftlich analysiert werden sollte, die Beobachtungen geben daher Aufschluss über ihr tatsächliches Verhalten.
Die Beobachtungen sind unstrukturiert: es sind „nur mehr oder weniger allgemeine Richtlinien, d.h. grobe Hauptkategorien als Rahmen vorgegeben. Innerhalb dieses Rahmens hat der Forscher für seine Beobachtungen freien Spielraum.“ (ATTES-LANDER (1975), S. 147). „Wichtig sind als Merkmale der Beobachtung, dass sie immer selektiv ist, dass das beobachtete Verhalten in definierten Situationen geschehen soll, dass die Situation objektiv beobachtbar und beschreibbar ist und dass Handlungsintentionen nur indirekt erschließbar und interpretierbar sind.“ (GUDJONS (1999), S. 51).
4.2 Strukturierte Beobachtungen an ausgewählten Schülern
Ausgewählte Schüler wurden unter den gleichen Voraussetzungen beobachtet, wie sie in Kap. 4.1 für die Gesamtgruppe beschrieben wurden, nur dass die Beobachtungen strukturiert durchgeführt wurden. Dazu wurde ein Merkmalsbogen zur Einschätzung des Lernverhaltens ausgewählter Schülerinnen und Schüler (s. Anhang 12) auf Grundlage der Publikation von JÜRGENS (1992) entwickelt, der differenzierte Kategorien zur Beobachtung des Lernverhaltens der Schüler zur Auswahl anbietet. Die Aufzeichnungen wurden − wenn möglich − während der Projekteinheiten, sonst im Anschluss daran vorgenommen.
Der Auswahl der Schüler, die beobachtet werden sollten, lag die Tabelle 3 (S. 10) „Klassifizierung des Lernverhaltens in der Klasse 6a im Schulalltag“ zu Grunde. Die ausgewählten Schülerinnen und Schüler sind in der Tabelle durch Fettdruck hervorgehoben. Es wurde berücksichtigt, dass die Auswahl das Spektrum hinsichtlich des Lernverhaltens in der Schule widerspiegelt.
4.3 Einfache Programmreflexion
Im Anschluss an die letzte Lerneinheit während der Projektwoche wurde eine einfache „Programmreflexion“ durchgeführt. Die Schüler der Klasse stellten zunächst gemeinsam den Verlauf der Woche als Eisenbahn dar, wobei jeder Wagon für einen Programmpunkt stand (s. Umschlag). Auf diese Weise erhielten sie die Gelegenheit, die ganze Woche noch einmal Revue passieren zu lassen.
Danach wurden die Schüler aufgefordert, als Antwort auf die Frage „Wie habe ich mich gefühlt?“ für jeden Programmpunkt eines der drei Piktogramme J K L auszuwählen und auf ein Kärtchen mit dem Programmpunkt zu kleben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Programmreflexion
In Bezug auf die empirischen Methoden der Sozialwissenschaften entspricht diese Reflexion einer standardisierten Form der schriftlichen Befragung nach dem Rating-Verfahren (Abstufung einer Antwort). „Im Unterschied zur Beobachtung, die direkt beim Handeln ansetzt, nötigt die Befragung notwendig zu einer reflektierenden Distanzierung von der Praxis des Handelns.“ (GUDJONS (1999), S. 52). In einer Befragung werden Meinungen und Gefühle dargestellt, insofern unterscheiden sie sich grundsätzlich von der Beobachtung.
Trotz der Tatsache, dass die Schüler öffentlich ihre Piktogramme auf die Programmkärtchen geklebt haben, kann eine Beeinflussung ihrer Antwort durch die Meinung von Mitschülern ausgeschlossen werden, da die Befragung sehr zügig durchgeführt wurde und alle damit beschäftigt waren, ihre Piktogramme aufzuzeichnen und aufzukleben.
4.4 Abschließende Reflexion über die Projektwoche im Vergleich zum Schulalltag
Zurück im Schulalltag, fand eine weitere Reflexion statt. Diesmal war der Vergleich der Projektwoche mit dem Schulalltag Gegenstand der Befragung in ungelenkter Form. Die Fragen waren bewusst sehr offen gehalten. Die Schüler wurden aufgefordert, die Fragen „Was war auf der Klassenfahrt anders als im Schulalltag?“ und „Was wünsche ich mir für den Schulalltag?“ auf je einem Kärtchen schriftlich zu beantworten. Die Kärtchen zur ersten Frage wurden eingesammelt, die Frage nach dem Schulalltag mit den Schülern gemeinsam nach Oberbegriffen sortiert.
[...]
- Citation du texte
- Brigitte Haustein (Auteur), 2005, Ist Lernverhalten veränderbar? Analyse während einer außerschulischen Projektwoche mit einer 6. Hauptschulklasse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59702
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