Die Hausarbeit hat es sich zur Aufgabe gemacht, anhand von Harry G. Frankfurts Konzeption einer Theorie zum freien Willen, eine philosophische Interpretation des Problems anzubieten. Im ersten Teil der Arbeit werden Harry G. Frankfurts Überlegungen anhand der Texte „Wil-lensfreiheit und der Begriff der Person“ bzw. „Drei Konzepte freien Handelns“ aus seinem Buch „Freiheit und Selbstbestimmung“ inhaltlich wiedergegeben. Im zweiten Teil werden diese ausgewählten Textabschnitte hinsichtlich ihrer inhaltlichen Schwerpunkte analysiert und interpretiert. Darüber hinaus soll im zweiten Teil aber auch auf die Gegenargumente zur Wil-lensfreiheit von Seiten Gerhard Roths bzw. John R. Earles aus dem Bereich der Neurobiologie eingegangen werden. Einschränkend muss jedoch gesagt werden, dass diese Arbeit zum Thema Willensfreiheit in gewisser Weise unvollständig bleibt, da allein schon die Vorstellung weiterer philosophischer Standpunkte (z.B. Immanuel Kants Theorie des menschlichen Willens) den Rahmen einer Proseminararbeit sprengen würde.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Hauptteil: „Das Problem der Willensfreiheit“
1. Inhaltliche Wiedergabe ausgewählter Textabschnitte
1.1 Willensfreiheit und der Begriff der Person
1.2 Drei Konzepte freien Handelns
2. Analyse und Interpretation der Textabschnitte
2.1 Die inhaltlichen Schwerpunkte Frankfurts Theorie
2.2 Die neurobiologische Kritik an der Willensfreiheit an zwei Beispielen
a) Gerhard Roth
b) John R. Searle
Eigenanalyse und Wertung des Gesamtproblems
Literaturverzeichnis
Einleitung
Der Begriff Wille steht im Mittelpunkt jeder Handlungs- oder Entscheidungstheorie, insbesondere jeder Ethik oder Moraltheorie. Nichts symbolisiert die Freiheit des menschlichen Individuums besser als die Freiheit des eigenen Willens. Dabei scheint jeder Angriff auf die Willensfreiheit „die Fundamente menschlicher Entscheidungsfähigkeit und moralischen Selbstverständnisses anzutasten und einen damit unverträglichen Determinismus zur Folge zu haben.“[1] Doch gerade zum Ende des 20. bzw. zu Beginn des 21. Jahrhunderts wird der Begriff der Willensfreiheit immer mehr angezweifelt. Die wissenschaftlichen Gegenstimmen zum freien Willen kommen dabei aber mehrheitlich nicht aus dem Bereich der wissenschaftlichen Philosophie, der Ethik oder der Theologie, sondern vor allem aus dem Bereich der Naturwissenschaften (speziell der Neurobiologie). Zu dieser aktuellen Debatte fand im Januar 2005 ein in Frankfurt/Main tagendes Philosophie-Symposium mit dem Titel „Das Gehirn und seine Freiheit – wird Ethik durch Hirnphysiologie überflüssig?“ statt. Vertreter dieses Treffens waren u.a. der an der Uni Bremen arbeitende Hirnforscher Gerhard Roth, der Philosoph Klaus-Jürgen Grün (Organisator des Symposiums) und der Philosoph Marcus Willaschek. Roths populäre These lautet: ‚Bevor uns etwas bewusst wird, ist längst eine Entscheidung im Unterbewusstsein gefallen.’[2] Damit widerspricht er jeglicher absoluten menschlichen Handlungsfreiheit. Immerhin waren sich Hirnforscher und Philosophen, trotz heftiger Divergenzen darüber einig, dass der freie Wille an bestimmte Hirnfunktionen gekoppelt sei. Marcus Willaschek plädierte dabei schlichtend für eine neue Sichtweise der Willensfreiheit, indem man „nicht leichtfertig verschiedene Zusammenhänge – Naturwissenschaften und ethische Kategorien – miteinander vermischen“[3] dürfe. Denn die Willensfreiheit naturwissenschaftlich zu verneinen, bedeute ja nicht, das alte Konzept der moralischen Verantwortung zu leugnen.
Die Hausarbeit hat es sich zur Aufgabe gemacht, anhand von Harry G. Frankfurts Konzeption einer Theorie zum freien Willen, eine philosophische Interpretation des Problems anzubieten. Im ersten Teil der Arbeit werden Harry G. Frankfurts Überlegungen anhand der Texte „Willensfreiheit und der Begriff der Person“ bzw. „Drei Konzepte freien Handelns“ aus seinem Buch „Freiheit und Selbstbestimmung“ inhaltlich wiedergegeben. Im zweiten Teil werden diese ausgewählten Textabschnitte hinsichtlich ihrer inhaltlichen Schwerpunkte analysiert und interpretiert. Darüber hinaus soll im zweiten Teil aber auch auf die Gegenargumente zur Willensfreiheit von Seiten Gerhard Roths bzw. John R. Earles aus dem Bereich der Neurobiologie eingegangen werden. Einschränkend muss jedoch gesagt werden, dass diese Arbeit zum Thema Willensfreiheit in gewisser Weise unvollständig bleibt, da allein schon die Vorstellung weiterer philosophischer Standpunkte (z.B. Immanuel Kants Theorie des menschlichen Willens) den Rahmen einer Proseminararbeit sprengen würde. Die Arbeit wird mit einer abschließenden Eigenanalyse beendet, die eine Wertung meinerseits beinhaltet.
Hauptteil: „Das Problem der Willensfreiheit“
1. Inhaltliche Wiedergabe ausgewählter Textabschnitte
1.1 Willensfreiheit und der Begriff der Person
Bei der[4] Erklärung des Begriffs einer Person hält sich Frankfurt zunächst an die Definition von P.F. Strawson, d.h. eine Person ist ein Typ von Entitäten, dem Bewusstseinszustände, als auch Körpereigenschaften auf ein Individuum zugleich zugeschrieben werden können. Allerdings bemerkt er, dass es kein gebräuchliches Wort gibt, das die Art von Entitäten hinreichend definiert. Eine Person im Sinne des Wortes ist der Singular zum Begriff Menschen, also die Zugehörigkeit zu einer biologischen Spezies. Eine Person im philosophischen Sinne umfasst aber vielmehr, nämlich alle Attribute, die Gegenstand sind, wenn es darum geht, uns selbst als Menschen zu begreifen. Und eben diese Attribute sind die Quelle all dessen, was wir in unserem Leben als das wichtigste bzw. als das am schwersten zu verstehende halten. Der Begriff von uns selbst als Personen darf nicht notwendig artspezifisch verstanden werden. Der wesentliche Unterschied zwischen Personen und anderen Kreaturen liegt in der Struktur des Willens einer Person. Wünsche und Motive haben zwar alle Mitglieder einer Art, aber nur Menschen sind dazu fähig, Wünsche zweiter Stufe zu bilden. Tiere dagegen können zwar Wünsche erster Stufe bilden, sie sind aber im Gegensatz zum Menschen nicht dazu fähig, sich reflektierend selbst zu bewerten und somit Wünsche zweiter Stufe zu bilden.
Die Worte „mögen/wünschen“ sind begrifflich nur schwer fassbar. Ein Satz der Form „A möchte Xen“ deckt laut Frankfurt beispielsweise einen großen Bereich verschiedener Möglichkeiten ab. Eine Unterscheidung zwischen Wünschen erster bzw. zweiter Stufe ist dabei nur schwer möglich, da diese Wünsche bewusst, unbewusst oder irrtümlich sein können.
Im Falle des Satzes „A möchte Xen“ (Wunsch erster Ordnung) lässt sich, für sich allein genommen, nicht zeigen, wie stark A’s Wunsch zu Xen ist. Es spielt dabei keine Rolle, was A wirklich tut oder plant zu tun , um Xen zu haben oder warum A Xen haben möchte. Nur wenn der Satz auf eine zweite Art und auf das Wort „Wille“ im besonderen Sinne gebraucht wird, dann beschreibt der Satz A’s Willen.
Der Wille ist nach Frankfurts Definition der Wunsch oder die Wünsche, die jemanden zu Handlungen bewegen, die man auch tatsächlich ausführt (oder ausführen würde, wenn man handeln würde). Der Wille ist dabei identisch mit einem oder mehreren Wünschen erster Stufe. Er ist der Begriff eines effektiven oder handlungswirksamen Wunsches, der eine Person dazu bringt (oder bringen würde), den ganzen Weg bis zu seiner Handlung zu gehen. Er ist jedoch nicht mit dem Begriff vergleichbar, einfach etwas zu beabsichtigen.
Im Falle des Satzes „A möchte Xen“ (Wunsch zweiter Stufe, der sich auf Xen’s Wunsch erster Ordnung bezieht) kann A einen bestimmten Wunsch haben (Xen), aber zugleich eindeutig wünschen, dass dieser Wunsch unerfüllt bleibt (Bsp. des Psychotherapeuten, der das Gefühl eines drogensüchtigen Patienten hätte, aber letztendlich nicht soweit geht, die Droge tatsächlich zu gebrauchen). Ein Wunsch etwas bestimmtes zu wünschen, heißt also nicht, dass es auch ein Wunsch ist, da der Wille ein anderer sein kann, als der Wunsch erster Ordnung. Im Falle des Satzes „A wünscht, dass er zu Xen wünscht“ (A möchte, dass es sein Wille sei), ist der Wunsch zu Xen der effektive Wunsch, der zum Handeln führt. A möchte Xen und wünscht, dass sein Wunsch zu Xen, nicht irgendeiner, sondern sein Wille ist (Bsp. jemand möchte von dem Wunsch motiviert sein, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren).
Hat jemand einen Wunsch zweiter Stufe und möchte er, dass genau dieser Wunsch sein Wille ist, so spricht Frankfurt in diesem besonderen Fall von Volitionen zweiter Stufe. Zur Bildung von Volitionen zweiter Stufe sind aber nur Personen fähig, die Dank ihrer Vernunft sich eines eigenen Willens kritisch bewusst sind. Überhaupt setzt die Willensstruktur ein vernünftiges Wesen voraus. Dagegen sind sog. „Triebhafte“ keine Personen, da sie zwar Wünsche erster und zweiter Stufe, aber keine Volitionen zweiter Stufe bilden können. Ihnen ist ihr Wille gleichgültig. Sie werden durch Wünsche angetrieben, etwas bestimmtes zu tun, ohne dass sie von ihnen bewegt werden oder dass sie durch andere Wünsche zum Handeln veranlasst werden. Dabei kann ein Triebhafter sich durchaus vernünftig verhalten und ebenso handeln, was ihn aber unterscheidet, ist, dass er sich der Wünschbarkeit seiner Wünsche verschließt und dabei die Frage übergeht, was sein Wille ist (Bsp. der beiden Drogensüchtigen; einer hasst seine Sucht und versucht sie unablässig zu bekämpfen, der andere wird dagegen von der Sucht getrieben). Letztendlich handelt eine Person, indem sie entweder durch den Willen, den sie haben möchte oder durch den Willen den sie los sein möchte, geleitet wird. Wenn ein Triebhafter handelt, gilt keines von beiden.
Wie steht es aber mit der Freiheit des Willens von Personen, die Volitionen zweiter Stufe bilden können? Laut Frankfurt, kann die Freiheit des Willens für ein Wesen, das er als eine Person versteht, auch zum Problem werden. Freisein (oder Freiheit) im philosophischen Sinne bedeutet, „Tun, was man tun möchte“. Dieser Begriff deckt aber nur die Idee des freien Handelns ab. Er enthält nichts von der Idee eines Handelnden, dessen Willen auch frei ist. Somit ist die Freiheit, eben alles zu tun, was man möchte, keine Bedingung für einen freien Willen. Der enger gefasste Begriff der Willensfreiheit betrifft nicht das Verhältnis zwischen dem, was jemand tut und dem, was er tun möchte, sondern er betrifft die Wünsche selbst. Willensfreiheit bedeutet, den Willen zu haben, den man haben möchte. Frankfurt schließt aber dennoch nicht aus, dass es einen Widerstreit zwischen Wünschen zweiter Stufe geben kann, so dass es eben keine Volitionen zweiter Stufe gibt. Ebenso kann es sein, dass unter den Wünschen zweiter Stufe ein Widerstreit besteht, Wünsche oder Volitionen höherer Stufe zu haben. In diesen Fällen besteht die Gefahr einer Willensparalyse, einer Entzweiung des Willens oder einer Zerstörung der Person. Ebenso kann die Übereinstimmung des Willens einer Person mit höherstufigen Volitionen auch ohne Nachdenken, also spontan entstehen.
Frankfurt betont nachdrücklich, dass die Willensfreiheit etwas Wünschenswertes ist. Sich eines freien Willens zu erfreuen, bedeutet die Erfüllung der Wünsche zweiter oder höherer Stufe. Wo diese Freiheit fehlt, tritt Enttäuschung ein. Jemand, der frei ist, zu tun, was er möchte, braucht aber zwangsläufig nicht den Willen zu haben, den er haben möchte. Handlungs- und Willensfreiheit zu haben bedeutet, alle Freiheit zu haben, die wünschbar oder denkbar ist (egal, was man sonst hat oder nicht hat). Frankfurt stellt sich aber auch die kritische Frage, ob eine Theorie der Willensfreiheit über die Bedingungen der Handlungs- und Willensfreiheit hinaus, auch eine Bedingung der moralischen Verantwortung bereitstellen muss? Es kann ja nicht sein, dass jemand nur dann für seine Handlung moralisch verantwortlich ist, wenn sein Willen während einer Handlung frei war. Er meint, dass jemand auch dann eine Tat moralisch zu verantworten hat, wenn sein Wille nicht frei war. Schließlich hätte dieser Jemand sich auch einen anderen Willen bilden können, als er es tatsächlich tat. In der Lage zu sein, zu seinem Willen zu machen, was man möchte, schließt also moralische Verantwortung nicht aus. Von Bedeutung ist aber, ob eine Person, das, was sie tat, auch frei tat oder aus eigenem Willen. Für die Einschätzung moralischer Verantwortung ist es somit unerheblich, ob die Alternativen, gegen die man sich entscheidet, auch wirklich im Bereich des Möglichen lagen (Bsp. des Drogensüchtigen, dessen Zustand ihm angenehm ist). Egal ob eine Kausalität des Willens möglich wäre, egal ob es eine Zufälligkeit des Willens gibt, immer bleibt man moralisch für das verantwortlich, was man tat, ob mit oder ohne freien Willen. Frankfurts Begriff der Willensfreiheit bleibt dem Problem des Determinismus gegenüber neutral.
[...]
[1] SCHÖPF, Alfred, Art. Wille, in: Handbuch der philosophischen Grundbegriffe Bd. 6 Transzendenz-Zweck, 1974, S. 1702.
[2] Globus, Nicht anders können, in: TA (Thüringer Allgemeine), 24. Januar 2005.
[3] Ebd.
[4] Vgl. FRANKFURT, Harry G./BETZLER, Monika [Hrsg.], Freiheit und Selbstbestimmung: ausgewählte Texte, Berlin, 2001, S. 65-83.
- Citation du texte
- Klaus Genschmar (Auteur), 2005, Das Problem der Willensfreiheit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59700
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