Olivfarbene Parkas und Beatles, freie Liebe und Kommunen, wem fällt das nicht ein, wenn die Rede von den 68ern ist? Diese Assoziation, die nur einem Teil des Bildes der jungen Menschen gerecht wird, betrachtet die vorliegende Arbeit differenziert und fügt eine politische Dimension hinzu. Die Errungenschaften der 68er waren mehr als ein Klischee, denn die Mischung aus politischer und jugendkultureller Sprengkraft verlieh der Protestbewegung ihre Massenwirkung. Einer der zentralen Punkte, mit denen sich die Historiker nach den Geschehnissen der 68er befassen, ist die Frage nach der Wirksamkeit der Revolte. Waren die 68er Revolutionäre ohne Revolution? Die Experten schwanken in Ihrer Einschätzung zwischen neuer gesellschaftlicher Wegweisung und der resignierenden Bilanz eines Scheiterns. Wir schreiben das Jahr 2007 und so mancher Slogan auf den Bannern der 68er hat noch nichts an Aktualität eingebüßt.
Inhalt
1 Einleitung
2 Die 68er- wer waren sie?
2.1 Die Außerparlamentarische Opposition (APO) und der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS)
3 Ziele und Feindbilder
4 Begründungstheorie
5 Berlin als Ausgangszentrum des Protestes
6 Radikalisierung des SDS
7. Kritikkatalog des SDS
7.1 Springerkonzern und Pressekonzentration
7.2 Demokratieverständnis
7.3 Hochschulpolitik.
7.4 Lebensformen
8 Schlussbemerkungen
9 Bibliografie
1 Einleitung
Wenn der Begriff „Die 68er“ fällt, so werden damit häufig langhaarige Kommunenmitglieder verbunden, die freie Liebe praktizierten, olivfarbene Parkas trugen, Beatles hörten, Salinger lasen und rebellierend auf die Straße gingen.
Diese Darstellung, die nur einem Teil des Bildes der jungen Menschen gerecht wird, soll in meiner Arbeit differenziert betrachtet werden und durch eine politische Dimension ergänzt werden. Ihre Errungenschaften waren mehr als ein Klischee.
Gerade diese Mischung aus politischer und jugendkultureller Sprengkraft verlieh der Protestbewegung ihre Massenwirkung.
Auch heute, knapp 40 Jahre nach der unruhigen Zeit der späten 60er, bleibt die Frage, ob die Studentenbewegung eine revolutionäre oder nur eine rebellierende Gruppierung war, unbeantwortet. Christoph Kleßmann greift diese polare Spannbreite schon im fragenden Titel seines Aufsatzes „1968- Studentenrevolte oder Kulturrevolution?“[1] auf. Es existieren mehrere Denkmodelle und Analysen von Historikern, die die studentischen Aktivitäten beurteilen. Diese stelle ich in meiner Arbeit gegenüber.
Die historische Debatte um die `68er ist nicht abgeschlossen. Sie wird u.a. aktuell und konkret mit dem Politiker Joschka Fischer verbunden, dem Presseberichten zufolge vorgeworfen wurde, die spätere Terroristin Magrit Schiller beherbergt und Molotowcoctails geworfen zu haben. Das eingeleitete Verfahren wurde eingestellt.
Ich werde in meiner vorliegenden Arbeit die Beweggründe der `68er für ihr Aufbegehren gegen überkommene kulturelle, politische und soziale Normen schildern. Durch die deutliche Dominanz von Studenten wird die Bewegung auch häufig Studentenbewegung genannt, woran ich mich begrifflich anschließe.
Obwohl die Studentenbewegung auch in anderen Ländern Wellen schlug und keineswegs ein deutsches, sondern ein weltweites Phänomen war- man denke dabei an ähnliche Aktionen in Frankreich, die Kritiker des Vietnam- Krieges in den USA, die unter Mao Zedong inszenierte Kulturrevolution oder auch an die Befreiungskämpfe unter Che Guevara in Cuba- so will ich mich auf die nationalen Geschehnisse beschränken.
Experten, wie der Soziologe Helmut Schelsky, glaubten nicht an eine revolutionäre Jugend und waren von der Ruhe überzeugt, die keinen Sturm andeutete: „Aber was sich auch ereignen mag, diese Generation wird nie revolutionär, in flammender kollektiver Leidenschaft auf die Dinge reagieren. Sie trägt kein Bedürfnis in sich, elitäre Gemeinschaften zu stiften oder Ordnungsprinzipien zu verwirklichen.“[2] Auch Ludwig von Friedeburg, der spätere hessische Kultusminister, schloss sich diesem sicheren Gefühl an:
Überall erscheint die Welt ohne Alternativen, paßt man sich den jeweiligen Gegebenheiten an, ohne sich zu engagieren, und sucht sein persönliches Glück im Familienleben oder Berufskarriere. In der modernen Gesellschaft bilden Studenten kaum mehr ein Ferment produktiver Unruhe. Es geht nicht mehr darum, sein Leben oder gar die Welt zu verändern, sondern dessen Angebote bereitwillig anzunehmen, um sich in ihr so wie es nun einmal ist, angemessen und distanziert einzurichten.[3]
Darin hatten sich die beiden getäuscht. Die Studenten überraschten. Langguth weist jedoch in seiner Feststellung: „Allerdings ist die Vermutung falsch, erst mit jener Studentenrevolte habe es ein Aufbegehren gegen die Politik im Nachkriegsdeutschland gegeben“[4] auf den Umstand hin, dass viele Protestaktivitäten in den 50ern und zu Beginn der 60er wie die „Ohne- Mich“ Bewegung oder die „Schwabinger Krawalle“ nicht die nötige Aufmerksamkeit erhalten hatten, um sie ernst zu nehmen. Der Boden war folglich bereits bereitet.
2. Die 68er- wer waren sie?
Die 68er Bewegung kann weder eindimensional als Jugendbewegung noch als einfacher Generationskonflikt verstanden werden. Sie war mehr als das, denn sie war eindeutig von Studenten und Schülern dominiert, während die große Jugendmasse zunächst nur am Rand stand. Diese intellektuelle Dominanz schloss einen großen Teil der Jugendlichen aus.
Margarita von Brentano spricht sogar von einem “privilegiertem Protest“[5], der Intellektuelle in ihren Informations- und Bildungschancen gegenüber der Arbeiterschaft bevorzuge.
Ferner war die Veränderung der Gesellschaft nach 1968 beträchtlich, wie Ingrid Gilcher- Holtey es ausdrückt: „Eine Veränderung der Mentalitätsstrukturen mitbewirkt zu haben ist eine Wirkung, die der 68er – Bewegung zugerechnet werden kann“[6]. Ein solches Umdenken kann nicht nur als eine von der Universität auf die Straße getragene Studentenrevolte definiert werden.
Genausowenig können die Auseinandersetzungen als schlichter Generationskonflikt betrachtet werden. Brüche zwischen Älteren und Jüngeren existierten stets, wie z. B. in der Wandervogelbewegung zu Beginn des letzten Jahrhunderts. Der Unterschied liegt vor allem in den vordergründig politischen Motiven der Studentenbewegung.
2.1 Die Außerparlamentarische Opposition (APO) und der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS)
Der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) galt als Zentrum der Protestbewegung.
In ihm waren größtenteils Studenten, Oberschüler, Künstler beteiligt, die im Fokus der politischen Aktionen standen. Lediglich 5% der nichtakademischen Jugend nahm Max Kaases Untersuchungen zufolge an den Sommerdemonstrationen im Jahre 1968 teil.[7]
Gerade die Studenten waren, wie empirische Untersuchungen belegen, keine Gammler oder Hippies, wie sie oftmals von Zeitgenossen dargestellt wurden, sondern eine ernst zu nehmende Gruppe politisch engagierter, häufig älterer Studenten.[8]
Ihr fehlendes, klar umrissenes Programm und die damit verbundene Orientierung an vielfältigen Strömungen sowie die Beschäftigung mit verschiedensten Themen, von Sexualität über bildungs- und regierungspolitischen Diskursen bis hin zu Öffentlichkeitsarbeit, verschaffte Jugendlichen mit unterschiedlichen Interessen eine breite Integrationsfähigkeit.
Dennoch gelang es den Studenten in Deutschland nicht wie beispielsweise der parallel in Frankreich stattfindenden Bewegung, einen Solidarisierungseffekt in nichtakademischen Kreisen der Bevölkerung zu erreichen. Dies lag nach Meinung Wolfgang Kraushaars nicht zuletzt an der Verhinderung durch deutsche Gewerkschaften, die ein Aktionsbündnis mit den Studenten, wie es in Frankreich geschah, verhindern wollten. Während in Frankreich die Gewerkschaften zu einem 24-stündigem Generalstreik aufriefen, um eine Solidarisierung mit den Studenten herbeizuführen, rief der DGB hierzulande zeitgleich zum Sternenmarsch der Studentenbewegung eine groß angelegte Kundgebung aus. Kraushaar fasst diesen Eindruck zusammen: „Während es in Frankreich zu einer spektakulären Fusion zwischen Arbeiter- und Studentenbewegung kam, wurde in der Bundesrepublik die ohnehin existierende Kluft durch die Veranstaltungspolitik der Gewerkschaften zementiert.“[9]
Der SDS, der den Kern der Außerparlamentarischen Opposition (APO) bildete, blieb zum Einen im wesentlichen auf junge Menschen beschränkt und konnte zum Anderen im bürgerlichen Milieu kaum Fuß fassen. Insbesondere im Zuge ihrer extrempolitischen Haltung und dem zunehmenem Chaos verlor der SDS den Kontakt zu den Arbeitern, die ein gemäßigteres Vorgehen anstrebten. Kleßmann konstatiert dazu: „Die typischen Veranstaltungsformen der Studentenbewegung und ihre zum Teil anarchistischen und utopischen Vorstellungen standen andererseits zu sehr im Widerspruch zum gewerkschaftlichen Organisations- und Politikverständnis, als daß es hier noch Kommunikationsmöglichkeiten gab.“[10]
Kleßmann ist ferner der Auffassung, dass die APO „oftmals nur eine – allerdings wichtige - Verstärkerfunktion [ausgeübt habe].“[11] Er drückt damit aus, dass ihre Forderungen nicht unbekannt und innovativ waren, sondern Strömungen und sich anbahnende Veränderungen von ihnen bewusst gemacht und vorangetrieben wurden, was jedoch ebenfalls eine wichtige Herausforderung war.
Der Autor macht die schmale soziale Grundlage für das Scheitern der Studenten verantwortlich, die Arbeiterschaft zu gewinnen. Einen maßgeblichen Grund für verspielte Reformchancen sieht er im elitären Jargon der Sprecher. Auch ein fehlendes revolutionäres Bewusstsein in der Arbeiterschaft hält er für einen hemmenden Faktor. Dutschke selbst schätzt „Die Bedeutung der Universität als Ausgangspunkt der Politisierung und damit der Veränderung der Gesellschaft“, indem „wir Studenten [...] eine Chance haben, die den Massen der Gesellschaft systematisch verweigert wird: Wir können die spezifische menschliche Verstandeskraft in kritische Vernunft umsetzen.“[12] An anderer Stelle äußert sich Dutschke wie folgt: „Wir müssen ausgebildet sein, um überhaupt eine politische Chance zu haben. Wir politischen Studenten müssen nachweisen, daß keine unglücklichen Neurotiker, sondern bewußt ausgebildete und klar sich die Zukunft vorstellende Menschen tätig sind.“[13] Obwohl der junge Soziologiestudent Dutschke an die Verstandeskraft appellierte, blieben seine initiierten Aktionen emotionsgeladen. Er verstand sich und seine Kommilitonen privilegiert durch Intellektualität als Vorreiter für eine politische Mobilisierung. Durch Aufklärung und Aktionen setzte er auf Veränderungen. Er betrachtet somit die Hochschule als Keimzelle und Ursprungsort für eine politische Umwälzung.
[...]
[1] Kleßmann, Christoph, „1968 – Studentenrevolte oder Kulturrevolution“. In: Revolution in Deutschland? 1789-1989. Hrsg. von Manfred Hettling. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1991.S.90
[2] Schelsky, Helmut zitiert in: Langguth, Gerd: Mythos 68`. Die Gewaltphilosophie von Rudi Dutschke.
München: Olzog 2001. S. 17.
[3] Von Friedeburg, Ludwig zitiert in: ebd.
[4] Ebd. S. 18
[5] Margarita von Brentano zitiert in: Kleßmann Christoph, Revolution in Deutschland? 1789-1989. Hrsg: Manfred Hettling, Vandenhoeck & Ruprecht, Goettingen 1991.S. 93.
[6] Gilcher-Holtey, Ingrid: Die 68er Bewegung. Deutschland Westeuropa USA. 2. Auflage. München:. Beck 2003. S.127.
[7] Vgl. Max Kaase zitiert in: Langguth, Gerd: Mythos` 68. Die Gewaltphilosophie von Rudi Dutschke. München: Olzog 2001. S.17.
[8] Vgl. Kleßmann, Christoph: Zwei Staaten, eine Nation. Deutsche Geschichte 1955-1970. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 1988. S. 285.
[9] Kraushaar, Wolfgang: 1968 als Mythos, Chiffre und Zäsur. Hamburg: HIS Verlagsgesellschaft 2000. S. 21.
[10] Voigt und Wilma zitiert in: Kleßmann, Christoph: Zwei Staaten, eine Nation. Deutsche Geschichte 1955-1970. Bonn: Vandenhoek & Ruprecht 1988. S.273.
[11] Kleßmann, Christoph: Zwei Staaten, eine Nation. Deutsche Geschichte 1955-1970. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 1988. S.282.
[12] Spiegel- Interview mit Rudi Dutschke: „Wir fordern die Enteignung Axel Springers“. In: Der Spiegel 28 (1967) S.30.
[13] Ebd. S. 33.
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