Der Brockhaus aus dem Jahre 1939 erwähnt als Kennzeichnung des jüdischen Charakters:»[…] Negativismus, Händlergeist, Intellektualismus, Macht- und Geldstreben, Eitelkeit und Empfindlichkeit!«Diese Sammelbegriffe, mit denen der Jude beschrieben wurde, sind Erscheinungsformen einer Judenfeindlichkeit, die man als Antisemitismus bezeichnet. Eine Form des antisemitischen Gedankengutes ist die Vorstellung vom intellektuellen Juden. Geburtsstunde des Begriffs war die Dreyfus-Affäre, die sich in Frankreich Ende des 19. Jahrhunderts ereignete. In dem Justizskandal prägten die Revisionsgegner des Urteils, mit dem der Jude Dreyfus zu Unrecht verurteilt wurde, das Wort. Mit einer nationalistisch-antisemitischen Presse gelang es ihnen, die Verfechter des demokratischen Rechtsstaates zu treffen, indem sie ihnen diesen Begriff zuschrieben. Damit wurde Intellektuell zu einem Schimpfwort, welches mit Begriffen wie abstrakt, instinkt- und heimatlos, antinational, dekadent und jüdisch verbunden war. Die Intellektuellen verstanden sich dagegen selbst als das „Gewissen der Gesellschaft“. Zu diesem Zeitpunkt war die Ansicht noch nicht sehr verbreitet, die Intellektualismus als eine überwiegend jüdische Eigenschaft charakterisierte. Die Vorstellung vom Stereotypen des intellektuellen Juden wurde im ausgehenden 19. und 20. Jahrhunderts von Genetikern, Anthropologen, Künstlern, Wissenschaftlern, Staatsführern und Schriftstellern geprägt. Die Vorstellung, daß der Jude ein intellektueller Typ war, wurde damit assoziiert, daß es ihm an künstlerischen Fähigkeiten, kulturellem Denken und Handeln, Männlichkeit, Kraft und Stärke dafür mangelte. Vielmehr wurde hier das Bild des gerissenen, schlauen „Wucherjuden“ entworfen, dessen Begabung sich nur darin erstreckte, ein scharfsinniger Geldeintreiber zu sein. [...]
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Geburtsstunde des Begriffs des Intellektuellen im Zusammenhang mit der Dreyfus-Affäre
2.1 Entstehung des Begriff des Intellektuellen
3 Ausprägungen des Stereotypen vom intellektuellen Juden im 19. und 20. Jahrhundert
3.1 Intellektualismus als Kompensation für Schöpferkraft, Kunst und Kultur
3.2 Intellektualismus als Kompensation für Männlichkeit, Kraft und Stärke
4 Die Verbreitung des Stereotypen vom intellektuellen Juden als gezieltes Propagandamittel zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland
5 Stereotyp vom „intellektuellen Juden“ im 21. Jahrhundert
6 Zusammenfassung
7 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Der Brockhaus aus dem Jahre 1939 erwähnt als Kennzeichnung des jüdischen Charakters: »[…] Negativismus, Händlergeist, Intellektualismus, Macht- und Geldstreben, Eitelkeit und Empfindlichkeit!«[1] Diese Sammelbegriffe, mit denen der Jude beschrieben wurde, sind Erscheinungsformen einer Judenfeindlichkeit, die man als Antisemitismus bezeichnet. Eine Form des antisemitischen Gedankengutes ist die Vorstellung vom intellektuellen Juden.
Geburtsstunde des Begriffs war die Dreyfus-Affäre, die sich in Frankreich Ende des 19. Jahrhunderts ereignete[2]. In dem Justizskandal prägten die Revisionsgegner des Urteils, mit dem der Jude Dreyfus zu Unrecht verurteilt wurde, das Wort. Mit einer nationalistisch-antisemitischen Presse gelang es ihnen, die Verfechter des demokratischen Rechtsstaates zu treffen, indem sie ihnen diesen Begriff zuschrieben. Damit wurde Intellektuell zu einem Schimpfwort, welches mit Begriffen wie abstrakt, instinkt- und heimatlos, antinational, dekadent und jüdisch verbunden war. Die Intellektuellen verstanden sich dagegen selbst als das „Gewissen der Gesellschaft[3] “. Zu diesem Zeitpunkt war die Ansicht noch nicht sehr verbreitet, die Intellektualismus als eine überwiegend jüdische Eigenschaft charakterisierte.
Die Vorstellung vom Stereotypen des intellektuellen Juden wurde im ausgehenden 19. und 20. Jahrhunderts von Genetikern, Anthropologen, Künstlern, Wissenschaftlern, Staatsführern und Schriftstellern geprägt. Die Vorstellung, daß der Jude ein intellektueller Typ war, wurde damit assoziiert, daß es ihm an künstlerischen Fähigkeiten, kulturellem Denken und Handeln, Männlichkeit, Kraft und Stärke dafür mangelte. Vielmehr wurde hier das Bild des gerissenen, schlauen „Wucherjuden“ entworfen, dessen Begabung sich nur darin erstreckte, ein scharfsinniger Geldeintreiber zu sein. Dem körperlichen Arbeiter, dem Eigenschaften wie Ehrlichkeit, Männlichkeit, Kraft und Naturverbundenheit zugeschrieben wurden, stellte man dem Juden als Intellektuellen gegenüber. Das charakterisierte den Juden als krankhaftes, schwächliches, blutleeres und zersetzendes Wesen. Es war eine Auffassung weit verbreitet, wonach der jüdische Intellektuelle dazu prädestiniert sei, die Rolle des Parasiten unter den „wahren Intellektuellen“, nämlich ihrer „Wirts-Kultur“ zu spielen. So wurde es jüdischen Schriftstellern, Schauspielern, Komponisten und Dichtern abgesprochen, künstlerisch eigenständige Werke hervorzubringen.
Die Verschmelzung der Begriffe Intellektueller und Jude entsprach einer
Ideologie des Nationalsozialismus in Deutschland. Gerade zu dieser Zeit wurde das Stereotyp durch gezielte Propaganda sehr stark verbreitet.
Im Folgenden sollen die Ursprünge des Stereotyps aufgezeigt und wichtigsten Merkmale und Ausprägungen herausgearbeitet werden. Außerdem soll die Tatsache behandelt werden, warum das Stereotyp unter der nationalsozialistischen Herrschaft zu einer großen Popularität kam und welche Funktion es dort erfüllte.
2 Geburtsstunde des Begriffs des Intellektuellen im Zusammenhang mit der Dreyfus-Affäre
Geburtsstunde für den Begriff des „Intellektuellen“ war die Dreyfus-Affäre, die sich in Frankreich in den Jahren 1894 bis 1898 ereignete. Im Lexika taucht der Begriff erst Anfang des 20. Jahrhunderts auf, weshalb anzunehmen ist, dass der Begriff erst Ende des 19. Jahrhunderts aufgekommen ist[4].
Hier ist jedoch festzuhalten, zu diesem Zeitpunkt noch keine Assoziation des Begriffes mit dem Juden stattgefunden hat.
2.1 Entstehung des Begriff des Intellektuellen
Die Dreyfus-Affäre löste am Anfang des 20. Jahrhunderts eine der größten innenpolitischen Krisen Frankreichs aus. Sie entstand aus einem Prozess gegen den französischen Hauptmann Alfred Dreyfus mit jüdischer Abstammung. Er wurde wegen Hochverrats und Spionage angeklagt. Dreyfus wurde vorgeworfen, in einem Brief der deutschen Botschaft geheime Informationen über die französische Armee und deren Ausrüstung mitgeteilt zu haben.
In Wahrheit hatte der Brief ein gewisser Major Esterhazy geschrieben, mit dem Zweck, Dreyfus in den Spionageverdacht zu bringen und zu vernichten. Nach einem schnellen Prozess wurde er degradiert und zu einer lebenslänglichen Deportation verurteilt. Inzwischen verstärkten sich antisemitische Stimmen nicht nur innerhalb der Armee, sondern auch in höchsten Kreisen. Einstimmig herrschte die Überzeugung, dass der Jude Dreyfus ein Verräter war. Obwohl sich die Beweise, die zur Verurteilung Dreyfus führten, als falsch erwiesen, wurde das Urteil nicht revidiert. Emile Zola rach sich in einem offenen Brief an den Präsidenten - "J'accuse" - gegen die Verurteilung aus und verursachte damit eine Welle von Protesten und öffentlichen Debatten. Emile Zola blieb mit seinem Protest gegen Ungerechtigkeit und Willkür nicht allein. Es wurde ein Manifest entworfen, worin gegen die Ungerechtigkeit und Willkür des Gerichtsverfahrens protestiert wurde. Dreyfus-freundliche Zeitungen publizierten Tag für Tag neue Listen von Unterschriften. Die Unterzeichner dieses Manifests verstanden sich selbst als „Intellektuelle“. Sie bestanden zum größten Teil aus Vertretern akademischer Berufe, Künstler und Publizisten. Die Antisemiten und Nationalisten äußerten ihren Unmut gegen die Revision des Urteils, welches die Dreyfusards erwirkten, in großen Demonstrationen und organisierten Gewalttaten. Die erste faschistische Bewegung Europas entstand und führte dazu, dass Frankreich in „zwei Lager gespalten wurde“.
Die Revisionsgegner des Urteils prägten den Begriff des Intellektuellen als Schimpfwort. Für sie war der Jude „Dreyfus“ und seine „intellektuellen Verteidiger“ in dem Sinne gleich, dass sie kein Vaterland besaßen und daher national als unzuverlässig zu gelten hatten[5]. In erster Linie formte jedoch Maurice Barrès diesen Begriff. Er selbst verstand sich als Praktiker und stellte als Gegenpol den Intellektuellen als Theoretiker dar. Seiner Ansicht nach verkennt der Theoretiker die Wirklichkeit und lebt in einer vernunftgeprägten Welt – fernab von jeder Realität. Barrès sorgte durch einschlägige Zeitungsartikel dafür, dass seine Vorstellung vom Intellektuellen ins Bewusstsein der Menschen drang. Sein Ziel war es, das oben beschriebene Bild auf den bis dahin unbekannten Begriff des Intellektuellen zu übertragen. Seine negative Charakterisierung sollte verhindern, dass den Intellektuellen mit ihren Ansichten zu viel Zuspruch und Unterstützung in der Gesellschaft zukamen.
Den Vertretern des Juden Dreyfus konnte eine höchst idealistische Gesinnung und ein hohes Empfinden für Gleichberechtigung, Rechtsstaatlichkeit, Wahrheitsliebe und Demokratie unterstellt werden. Barrés hingegen sah Intellektualismus als Produkt falscher Erziehung an, wobei »der Intellektuelle alles nach einer abstrakten Idee« beurteilte, »ohne den Forderungen der Gegenwart zu gehorchen«[6]. Als Forderung der Gegenwart sah Barrès den Instinkt an, «der einen Schutz darstellt gegen die fremdartige Rasse des Judaismus[7] «. Hieraus wurde ersichtlich, dass Barrès, der unzweifelhaft als Nationalist und Rassist angesehen werden konnte, den Juden zersetzende Eigenschaften zuschrieb. Sie könnten, so seine Befürchtung, das Bewusstsein der Menschen und ihre Ansichten prägen. Dadurch könnte es dem Juden möglich sein, sich ungehindert weiter zu verbreiten. Die Thesen, die Barrés anführte, ließen eher auf das Gedankengut zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland schließen: »Sein anderes Blut schützt ihn gegen die fremdartige Rasse, den Judaismus […]. Die Personen, die da glauben, ein Ideal erreicht zu haben, welches um so höher ist, je mehr sie in sich die Stimme des Blutes und der heimatlichen Instinkte erstickt haben[8] «. Das Bild des Intellektuellen als weltfremden Theoretiker, die Kritik an einer überbetonten geistigen Bildung und Erziehung, der Glaube, die oberste Prioritätssetzung des Einzelnen gelte der Pflichterfüllung dem eigenen Volke gegenüber – all dies entsprach einer Ideologie des Nationalsozialismus. Es wird ersichtlich, daß Barrès dem Juden die Eigenschaft des Zersetzers zuschrieb, vor dem nur der heimatliche Instinkt einen Schutz darstellte. „Halbbildung zerstört den Instinkt, ohne das Gewissen auszubilden. Die Aristokraten fühlen sich nicht mehr eins mit ihrer natürlichen Gruppe.[9] Barrés stellte die Intellektuellen in dem Sinne negativ dar, dass sie als abstrakte Theoretiker kein Nationalempfinden besaßen und auf den Untergang des Vaterlandes hinarbeiteten. Anstatt auf ihre Wurzeln zu schauen, waren die verbildeten Dreyfusards der Idee verfallen, den Juden zu unterstützen. Dies stellte er als krankhafte Eigenschaft dar, die sich nur bei charakterlosen Landesverrätern finden ließe. Damit hatte er bereits ein exaktes Bild vom Intellektuellen entworfen, welches sich später die Nationalsozialisten zur Beschreibung und Charakterisierung des Juden zu eigen machen sollten.
3 Ausprägungen des Stereotypen vom intellektuellen Juden im 19. und 20. Jahrhundert
3.1 Intellektualismus als Kompensation für Schöpferkraft, Kunst und Kultur
Einen entscheidenden Beitrag dazu, dass das Bild des Juden in der Gesellschaft auf eine antisemitische Weise geprägt wurde, hat Adolf Hitler in seinem Werk „Mein Kampf“ geleistet. Sein Werk, von dem Band I 1924 und Band II 1926 veröffentlicht wurde, brachte es zu bis 1943 zu einer Gesamtauflage von 9,8 Millionen[10] Exemplaren. Sein Gedankengut, welches dem Juden intellektuelle Eigenschaften zuschrieb, wurde unter anderem durch Einflüsse von Richard Wagner, Friedrich Nietzsche und Housten Steward Chamberlan geprägt[11]. Ferner hat die Kulturlehre, die Oswald Spengler in seinem Werk: „Der Untergang des Abendlandes“ entwurf, Hitlers Ansicht maßgeblich geprägt. Hier sollte nebenbei betont werden, dass keiner von ihnen eine Rassenvernichtung befürwortet hätte, wie sie unter der nationalsozialistischen Herrschaft betrieben worden war.
Hitlers allgemeine Ansicht über den »Intellektuellen, der bildungsbürgerlich erzogen worden ist«, wurde aus seinem Werk unschwer ersichtlich. Er machte deutlich, welche mißlichen Folgen aus überbetonter geistiger und vernachlässigter körperlicher Bildung erwuchsen. »Nicht in den intellektuellen Gaben liegt die Ursache der kulturbildenden und aufbauenden Fähigkeiten des Ariers«[.] »Die Hingabe des eigenen Lebens für die Gemeinschaft ist die Voraussetzung für jede wahrhaft menschliche Kultur[12] «[.].
[...]
[1] Günther B. Ginzel: Antisemitismus, S. 352
[2] Dietz Bering: Die Intellektuellen, S. 39
[3] Dietz Bering: Die Intellektuellen, S. 54
[4] Die Intellektuellen, Geschichte eines Schimpfwortes, S. 39
[5] Die Intellektuellen, Dietz Bering, S. 32 – 39
[6] Dietz Bering: Die Intellektuellen, S. 45
[7] Dietz Bering: Die Intellektuellen, S. 46
[8] Dietz Bering: Die Intellektuellen, S. 46
[9] Dietz Bering: Die Intellektuellen, S. 47
[10] Wickipedia, Das Internet-Lexikon, siehe „Mein Kampf“
[11] Heinrich Härtle: Deutsche und Juden, S. 12, 14
[12] Adolf Hilter, Mein Kampf S. 326
- Arbeit zitieren
- Anonym,, 2005, Antisemitische Stereotype: Der intellektuelle Jude als Volkszersetzer, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59524
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