Wörtlich übersetzt bedeutet Oral History „mündliche Geschichte“, was aber „[...] fälschlicherweise eine Abgrenzung zur schriftlichen Geschichte [impliziert].“Oral History ist eine andere Bezeichnung für die Befragung bzw. das Interview mit Zeitzeugen in der Geschichtswissenschaft. Hier werden mündliche Quellen in Zusammenarbeit von Interviewer und Zeitzeuge produziert, die zeitgeschichtliche Aspekte betreffen. Doch nicht nur die Geschichtswissenschaft bedient sich der noch relativ jungen Methode, immer stärker wird dieses Vorgehen auch im Geschichtsunterricht der Schulen eingesetzt. So soll Schülern Geschichte erfahrbar und greifbar gemacht werden. Hier schließt sich auch die Fragestellung an, die in dieser Ausarbeitung behandelt werden soll: Welche Vor- und Nachteile ergeben sich, wenn die geschichtswissenschaftliche Methode in den Geschichtsunterricht der Schulen übertragen wird? Zur Definition des Begriffs „Oral History“ findet man in der Literatur eine Fülle von Informationen. Dorothee Wierling definiert Oral History beispielsweise als „[...] Bezeichnung eines Quellentyps und einer Methode, bei denen Erinnerungsinterviews als historische Quellen produziert und ausgewertet werden.“. Viele weitere Autoren und Wissenschaftler befassen sich mit der zeitgeschichtlichen Forschungstechnik. In dieser Ausarbeitung beziehe ich mich auf die Beiträge im Handbuch Geschichtsdidaktik von Dorothee Wierling und in Geschichte Unterrichten von Michael Sauer. Weiterhin geben Gerhard Henke-Bockschatz und Horst W. Heitzer in ihren jeweiligen Ausarbeitungen einen Einblick in die Oral History Forschung und die Übertragung in den Geschichtsunterricht.
Im Folgenden werde ich über den Ursprung und die Geschichte der Oral History, ihren Stellenwert in der Geschichtswissenschaft und im Geschichtsunterricht zu den Vor- und Nachteilen der Oral History für Schüler und den Einsatz im Geschichtsunterricht gelangen.
Inhaltsverzeichnis
1. Was ist „Oral History“?
2. Geschichte und Ursprung der Oral History
3. Oral History in der Geschichtswissenschaft
4. Oral History im Geschichtsunterricht
4.1 Vorteile der Oral History für Schüler
4.2 Gefahren und Risiken der Oral History
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Was ist „Oral History“?
Wörtlich übersetzt bedeutet Oral History „mündliche Geschichte“, was aber „[...] fälschlicherweise eine Abgrenzung zur schriftlichen Geschichte [impliziert].“[1] Oral History ist eine andere Bezeichnung für die Befragung, bzw. das Interview mit Zeitzeugen in der Geschichtswissenschaft. Hier werden mündliche Quellen in Zusammenarbeit von Interviewer und Zeitzeuge produziert, die zeitgeschichtliche Aspekte betreffen. Doch nicht nur die Geschichtswissenschaft bedient sich der noch relativ jungen Methode, immer stärker wird dieses Vorgehen auch im Geschichtsunterricht der Schulen eingesetzt. So soll Schülern Geschichte erfahrbar und greifbar gemacht werden. Hier schließt sich auch die Fragestellung an, die in dieser Ausarbeitung behandelt werden soll: Welche Vor- und Nachteile ergeben sich, wenn die geschichtswissenschaftliche Methode in den Geschichtsunterricht der Schulen übertragen wird?
Zur Definition des Begriffs „Oral History“ findet man in der Literatur eine Fülle von Informationen. Dorothee Wierling definiert Oral History beispielsweise als „[...] Bezeichnung eines Quellentyps und einer Methode, bei denen Erinnerungsinterviews als historische Quellen produziert und ausgewertet werden.“[2]. Viele weitere Autoren und Wissenschaftler befassen sich mit der zeitgeschichtlichen Forschungstechnik. In dieser Ausarbeitung beziehe ich mich auf die Beiträge im Handbuch Geschichtsdidaktik von Dorothee Wierling und in Geschichte Unterrichten von Michael Sauer[3]. Weiterhin geben Gerhard Henke-Bockschatz[4] und Horst W. Heitzer[5] in ihren jeweiligen Ausarbeitungen einen Einblick in die Oral History Forschung und die Übertragung in den Geschichtsunterricht.
Im Folgenden werde ich über den Ursprung und die Geschichte der Oral History, ihren Stellenwert in der Geschichtswissenschaft und im Geschichtsunterricht zu den Vor- und Nachteilen der Oral History für Schüler und den Einsatz im Geschichtsunterricht gelangen.
2. Geschichte und Ursprung der Oral History
Prinzipiell ist die Methode der Zeitzeugenbefragung so alt wie die Geschichtsschreibung selbst. Schon Herodot stützte sich im 5. Jahrhundert vor Christus in seinen Aufzeichnungen der Perserkriege auf die Aussagen von Zeitzeugen. Die Methode „Oral History“ entwickelte sich in der neueren Geschichtsschreibung erst im Amerika der 1930er und 1940er Jahre. Heitzer nennt Allen Nevins, einen amerikanischen Journalisten, der die Oral History initiierte, um die Teilnahme am politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben älterer, für die amerikanische Öffentlichkeit wichtiger Menschen elitebiographisch zu erforschen[6]. Später, um 1940, begannen die Amerikaner, mündliche Quellen auf diese Weise systematisch zu erheben. Sie befassten sich mit der Erforschung schriftloser Kulturen, sozialer Gruppen (Indianer, dunkelhäutige Sklaven, etc.) sowie politischen Entscheidungsprozessen in Experteninterviews zur Zeitgeschichte[7]. In Europa hatte die Oral History ihren Durchbruch erst in den 1970er und 1980er Jahren mit der Erfindung des tragbaren Kassettenrekorders. Historiker nutzten die von traditionellen Geschichtswissenschaftlern skeptisch betrachtete Methode für die sozialgeschichtliche Forschung und die politischen Opfer des Nationalsozialismus. Sie verliehen sozialen Gruppen wie den Unterschichten, Frauen und Minoritäten, die in den schriftlichen Akten nicht genügend berücksichtigt waren, eine Stimme[8]. Auch in der Deutschen Demokratischen Republik wurden etwa seit 1980 biographische Interviews geführt und ausgewertet. Hier ging es vorrangig um „[...]die Erfahrungen der Arbeiterklasse und der Aufbaugeneration der DDR“[9]. Seit 1989 werden auf diese Weise die Erfahrungen der Menschen im ostdeutschen Sozialismus erforscht. Die westdeutsche Oral History orientierte sich in ihren Anfangszeiten an der Britischen “People’s History“, die sich mit der Rekonstruktion des Alltagslebens der Briten befasste. In Deutschland wurden hingegen Erfahrungen der schon genannten politischen Opfer des Nationalsozialismus erforscht. Hierzu zählen auch die Schilderungen der Heimatvertriebenen[10]. Auch die Studentenbewegungen der 1970er Jahre hatten ein wachsendes Interesse an der Geschichte der „kleinen Leute“ und nutzten die Oral History für soziale Zwecke[11]. Die Methode Oral History entwickelte sich seit dieser Zeit „[...] zu einer historischen Erfahrungswissenschaft, die die Erforschung des subjektiven Umgangs mit der eigenen Geschichte in den Mittelpunkt stellt.“[12] In der heutigen Zeit wird Oral History auch als Geschichte „von unten“ bezeichnet, da in den meisten Fällen Privatpersonen mit ihren individuellen Erfahrungen befragt und interviewt werden.
[...]
[1] Vgl. Heitzer, Horst W., Oral History, in: Waltraud Schreiber (Hg.), Erste Begegnungen mit Geschichte: Grundlagen historischen Lernens, Bayerische Studien zur Geschichtsdidaktik Band 1, Neuried 1999, S. 459.
[2] Vgl. Wierling, Dorothee, Oral History, in: Klaus Bergmann et al., Handbuch Geschichtsdidaktik, 5. Auflage, Seelze-Velber 1997, S236.
[3] Sauer, Michael, Geschichte Unterrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik, 2. Auflage, Seelze-Velber 2003.
[4] Henke-Bockschatz, Gerhard, Zeitzeugenbefragung, in: Klaus Bergmann et al. (Hg.), Forum Historisches Lernen, Schwalbach / Ts. 2004, S. 354 – 369.
[5] Heitzer, Oral History, S. 459 – 476.
[6] Heitzer, Oral History, S. 459.
[7] Wierling, Oral History, S. 236.
[8] Ebd.
[9] Vgl. ebd.
[10] Henke-Bockschatz, Zeitzeugenbefragung, S. 355.
[11] Ebd.
[12] Vgl. ebd.
- Quote paper
- Ramona Aulbach (Author), 2005, Oral History. Übertragung einer geschichtswissenschaftliche Methode in den Schulunterricht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59519
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