In der vorliegenden Arbeit soll sich mit den Bestimmungen ausgewählter Lehrpläne für die gymnasiale Oberstufe beschäftigt werden. Bei der Auswahl der Lehrpläne wurde sich erstens an einem Bundesland orientiert, dass traditionell sozialdemokratisch regiert wird und kein Zentralabitur vorsieht, Nordrhein- Westfalen. Zweitens an einem Bundesland, welche traditionell christdemokratisch regiert wird und über ein Zentralabitur verfügt. Der dritte Lehrplan wurde deshalb ausgewählt, da es interessant erscheint, jenes näher zu betrachten was sozusagen in der Mitte dieser beiden „Extreme“ zu finden ist: Thüringen. Dessen Lehrpläne entstanden zu Zeiten der großen Koalition und es wird interessant sein zu untersuchen, inwieweit sich die politischen Kräfte in diesem Lehrplan widerspiegeln. Ebenso soll der Frage nachgegangen werden, auf welche allgemeinen Ziele, fachwissenschaftlichen Ziele und Methoden die einzelnen Bundesländer in der Abiturstufe Wert legen. Ein breites Feld soll die Betrachtung der Inhalte einnehmen. Dabei kommt es darauf an nachzuvollziehen, was, wann und wie gelernt wird. Eng damit verbunden ist die Fragestellung, welche Anforderungen die einzelnen Länder an ihre Schülerinnen und Schüler stellen.
Immer wieder soll in dieser Arbeit der Einfluss des Zentralabiturs auf die Gestaltung des Lehrplans deutlichen gemacht werden. Besonders in Hinblick auf die Dimensionenvielfalt des Geschichtsunterrichtes werden Einflüsse zu erwarten sein. Bevor aber in dieser Arbeit die einzelnen Lehrpläne analysiert werden, um dann in einem weiterem Punkt die Gemeinsamkeiten und Unterschiede mit ihren Ursachen zu betrachten, sollen zunächst einige allgemeine Betrachtungen und Analyseansätze zu Richtlinien, Rahmenplänen bzw. Lehrplänen gemacht werden. Ziel dieser Bemerkungen soll es sein, ein einheitliches Vorgehen bei der Bearbeitung der Lehrpläne zu gewährleisten. Mit dieser Arbeit ist es ferner ein Ziel, deutlich zumachen, welche gesellschaftlichen Gruppen Einfluss auf die Gestaltung der Lehrpläne nehmen und wie die Auswahl der zu vermittelnden Unterrichtsinhalte der Oberstufe geschieht.
Inhalt
1. Vorwort
2. Richtlinienvergleich
2.1. Sinn und Zweck des Lehrplans
2.2. Merkmale der Lehrplananalyse
3. Die Abiturstufe in Thüringen
4. Die Abiturstufe in Nordrhein – Wesfallen
5. Die Abiturstufe in Bayern
6. Differenzen und Gemeinsamkeiten
7. Fazit
Anlagen:
Anlage 1: Historische Dimensionen im Lehrplan Thüringen Grundkurs
Anlage 2: Historische Dimensionen im Lehrplan Thüringen Leistungskurs
Anlage 3: Lerninhalte der Abiturstufe in Thüringen, Bayern und Nordrhein-Westfalen
1. Vorwort
In der vorliegenden Arbeit soll sich mit den Bestimmungen ausgewählter Lehrpläne für die gymnasiale Oberstufe beschäftigt werden. Bei der Auswahl der Lehrpläne wurde sich erstens an einem Bundesland orientiert, dass traditionell sozialdemokratisch regiert wird und kein Zentralabitur vorsieht, Nordrhein-Westfalen. Zweitens an einem Bundesland, welche traditionell christdemokratisch regiert wird und über ein Zentralabitur verfügt. Der dritte Lehrplan wurde deshalb ausgewählt, da es interessant erscheint, jenes näher zu betrachten was sozusagen in der Mitte dieser beiden „Extreme“ zu finden ist: Thüringen. Dessen Lehrpläne entstanden zu Zeiten der großen Koalition und es wird interessant sein zu untersuchen, inwieweit sich die politischen Kräfte in diesem Lehrplan widerspiegeln.
Ebenso soll der Frage nachgegangen werden, auf welche allgemeinen Ziele, fachwissenschaftlichen Ziele und Methoden die einzelnen Bundesländer in der Abiturstufe Wert legen. Ein breites Feld soll die Betrachtung der Inhalte einnehmen. Dabei kommt es darauf an nachzuvollziehen, was, wann und wie gelernt wird. Eng damit verbunden ist die Fragestellung, welche Anforderungen die einzelnen Länder an ihre Schülerinnen und Schüler stellen.
Immer wieder soll in dieser Arbeit der Einfluss des Zentralabiturs auf die Gestaltung des Lehrplans deutlichen gemacht werden. Besonders in Hinblick auf die Dimensionenvielfalt des Geschichtsunterrichtes werden Einflüsse zu erwarten sein. In diesem Zusammenhang wird es nötig sein, generell auf die Vor- und Nachteile eines zentralgesteuerten Abiturs einzugehen.
Im Hinblick auf die Dimensionen des historischen Unterrichtes wird anhand des Thüringer Lehrplans untersucht werden, welchen Anteil einer jeweiligen Dimension zukommt. Gerade bei Thüringen drängt sich mir der Verdacht auf, dass im ersten Teil des Lehrplans so ausdrücklich auf die Notwendigkeit einer Dimensionenvielfalt hingewiesen wird, aber im inhaltlichen Teil keinerlei besondere Berücksichtigung findet.
Bevor aber in dieser Arbeit die einzelnen Lehrpläne analysiert werden, um dann in einem weiterem Punkt die Gemeinsamkeiten und Unterschiede mit ihren Ursachen zu betrachten, sollen zunächst einige allgemeine Betrachtungen und Analyseansätze zu Richtlinien, Rahmenplänen bzw. Lehrplänen gemacht werden. Ziel dieser Bemerkungen soll es sein, ein einheitliches Vorgehen bei der Bearbeitung der Lehrpläne zu gewährleisten.
Mit dieser Arbeit ist es ferner ein Ziel, deutlich zumachen, welche gesellschaftlichen Gruppen Einfluss auf die Gestaltung der Lehrpläne nehmen und wie die Auswahl der zu vermittelnden Unterrichtsinhalte der Oberstufe geschieht.
2. Richtlinienvergleich
2.1. Sinn und Zweck des Lehrplans
Ein Lehrplan (LP), so findet sich die Definition im Brockhaus, ist „die Festlegung von Auswahl, Umfang, Zeitraum, Reihenfolge und Zusammenhang der Lerninhalte (Lehrstoffe) im Rahmen eines umfassenderen Lehrgefüges der einzelnen Schularten oder Schulstoffen.“[1] Die Lehrpläne werden häufig auch durch Rahmenpläne (RP) oder Rahmenrichtlinien (RRL) benannt, wobei der Begriff Lehrplan sich auf alte Bezeichnungen zurück führen lässt, wo es eine höhere Verbindlichkeit des Stoffes gab. Heutzutage werden diese Begriffe meist synonym verwendet.[2]
Die Lehrpläne werden von den Kultusministerien der Länder erlassen und können nicht als ein Werk betrachtet werden, welche die jeweiligen Bildungsideale enthalten. Vielmehr ist ein Lehrplan ein Kompromiss zwischen den verschieden Interessen der politischen Gruppen. Parteien, Kirchen und Verbände haben genau so ihren Anteil wie Wissenschaft, Wirtschaft und Gewerkschaften – z.B. in der sog. Anhörungsrunde. Zentrale Bestandteile des Lehrplans sind die Nennung der Ziele und die damit verbundenen Aussagen über Inhalt, Methoden und Medien. Gerade dieses Verbinden der einzelnen Teile stellt sich in den deutschen Richtlinien als uneinheitlich dar.
Bei Jeismann und Schönemann findet sich in Bezug auf Geschichte die Definition: „Rahmenpläne sind der komprimierte Ausdruck der offiziellen sanktionierten Zielsetzungen historisch – politischen Lernens“. Sie betonen weiter, dass die Vermittlungsprozesse, „für die Bildung eines historischen Bewusstseins häufig wichtiger als die konkreten inhaltlichen Aussagen sind.“[3] Ein erneuterer Verweis auf den politischen / staatlichen Einfluss in den Richtlinien. Auch wenn wie bereits beschrieben der Staat (Regierungspartei und Verwaltung) als Vermittler zwischen den Interessengruppen wirken soll, so ist er doch auch immer ein Vertreter seiner Weltanschauungen.[4]
Horst Huss schreibt, „dass Lehrpläne im demokratischen Staat zu Richtlinien werden, die nicht unmittelbare Anweisungen enthalten, sondern nur noch die Grundlage der beabsichtigten Bildung.“[5]
Eine weitere Aufgabe des Lehrplans besteht natürlich darin, den Schüler auf sein künftiges Leben und zurechtfinden in der Gesellschaft vorzubereiten. Dies geschieht von Bundesland zu Bundesland, durch die Anordnung der Ziele, Inhalte und Methoden, anders. (Vgl. 3.-5.).
Mit Hilfe des Lehrplans werden Traditionen / Routinen / Rituale erklärt, vermittelt und somit auch legitimiert.
Schließlich besitzen Lehrpläne auch noch organisatorische Funktionen. Sie beinhalten die Rechtfertigung für den behandelten Unterrichtsstoff (politische Funktion), enthalten eine Auswahl und Systematisierung geeigneter Unterrichtsinhalte (programmatische Funktion) und zeigen Unterstützungen für die schulische Unterrichtsplanung (pragmatische Funktion) auf. Diese Hilfen – welche auch als Einschränkungen gesehen werden - geschehen nicht zuletzt durch die Anordnungen, Reihungen und getroffene Wahl.[6]
Es zeigt sich, dass Richtlinien einen sog. Doppelcharakter besitzen. Einerseits sind sie pädagogische Leitlinien, andererseits rechtswirksame Verwaltungsvorschriften.[7]
2.2. Merkmale der Lehrplananalyse
Zunächst sei festgehalten, dass nach Westphalen in drei Bestandteile des Lehrplans unterschieden werden kann.[8]
Der erste Teil ist der sog. pragmatische Teil. Dieser enthält Aussagen über die Legitimation des Lehrplans, dessen Erstellung, über Leitziele der Schulart und über Leitideen des Fachunterrichtes. Der zweite Teil nach Westphalen ist der sog. fachliche Teil. Dieser Kern des Lernplans enthält die verbindlichen Ziele und Inhalte des Geschichtsunterrichtes und evt. auch Verweise auf die Methodik. Der dritte Teil ist schließlich der sog. unterstützende Teil. Dieser soll Anregungen und Hilfen für die Unterrichtspraxis - z.B. durch Medien, Literatur und Planungshinweise – enthalten. Wie sich zeigen wird, sind die Ausprägungen und Umfänge der einzelnen Teile in den deutschen Bundesländern sehr unterschiedlich. Insofern sind durchaus auch Unterschiede in der Qualität der Richtlinien zu erkennen.
Bei der Analyse sollen auch die Ausprägungen der einzelnen didaktischen Dimensionen von Lehrplänen berücksichtigt werden.[9]
Die Dimensionen, welche sich in normative, funktionale, inhaltliche, organisatorische und kontrollierende Dimension unterscheiden lassen, beziehen sich sowohl auf den Lehrplan im Ganzen, als auch auf die einzelnen Unterrichtseinheiten, welche in ihm beschrieben werden.
Die normative Funktion bezieht sich auf die Normen und Werte der Gesellschaft und auf die Erwartungen an den Heranwachsenden. Die funktionale Dimension entspricht den kognitiven, personellen und sozialen Zielvorstellungen, sowie den schulspezifischen Lern- und Lehrzielen. Die Dritte, die inhaltliche Dimension trifft aussagen über die im Unterricht zu vermittelnden Inhalte und Methoden. An diese schließt sich die Organisatorische Dimension mit ihren Aussagen über Unterrichtsformen, Lehrverfahren und –Strategien an. Die Kontrolldimension sagt aus, welche Formen, Verfahren und Bewertungskriterien bei der Lernerfolgsüberprüfung zu verwenden sind.
Lehrpläne lassen sich zudem in verschiedene Typen unterteilen. Die erste Unterteilung ist die nach der Vollständigkeit, Funktionalität und Reglementierungsdichte. Es lassen sich drei Typen benennen. Ersten der Lehrplantyp, welcher sich in seiner chronologisch-thematischen Abfolge als Themenkatalog darstellt, zweitens der Typ, der durch seine Einarbeitung der neusten Curriculums- und Lernzieldiskussionen absolut überreglementiert ist und der dritte Typ, der eine Art Mittelweg darstellt, und alle didaktischen Dimensionen enthält, aber den Lehrern vor Ort die konkrete Ausführung überlässt.[10]
Eine weitere Unterscheidung der Lehrpläne ist nach dem Reduktionskonzept, Strukturierungskonzept und Konstruktionskonzept möglich.[11] Kurz gesagt, wird bei der Reduktion der historische ‚Stoff’ so reduziert, dass er den Stundentafeln und Fähigkeiten der Schülern entspricht, wobei oftmals ein politischer Einfluss bei der Reduzierung zu erkennen ist. Bei der Strukturierung wird mit Hilfe bestimmter als wichtig empfundener Auswahlkriterien ebenfalls reduziert/selektiert. Es geht hier vor allem um die Strukturierung und Legitimierung traditioneller Inhalte. Bei der Konstruktion wird mit Hilfe von Kriterien ständig neues relevantes Wissen konstruiert, welches sich an den aktuellen Fragen und Problemen der Gegenwart orientiert. Die Schüler erleben so eine Problemorientierung und erkennen schneller die Bedeutsamkeit der Geschichte für das aktuelle und zukünftige Leben.[12] Das Geschichtswissen unter den Generationen ist dann aber nicht mehr einheitlich.
Fragen, welche sich bei der Analyse von Lehrplänen ergeben, zielen also auf die allgemeinen Aufgaben und Ziele, auf die inhaltlichen Schwerpunkte, auf die Vermittlung von Inhalten und Zielen, auf die Legitimation des Geschichtsunterrichtes, auf die Freiräume oder auf die Leistungsbemessung ab. Neben diesen Fragen sollen im folgendem Vergleich von Lehrplänen der Oberstufe die Einbeziehung neuerer geschichtswissenschaftlicher Entwicklungen analysiert werden. Zudem soll der Frage nachgegangen werden, wer Einfluss auf die Ziele und Inhalte des Lehrplanes hat. Es soll überprüft werden, ob aktuelle Entwicklungen genügend Berücksichtigung finden (z.B. Europäisierung, Globalisierung, Terrorismus) und ob die didaktischen Kategorien und Dimensionen der historischen Wahrnehmung genügend berücksichtigt werden. Zudem sollen die Konsequenzen, welche sich aus einem dem Einfluss des Zentralabiturs (Bayern, Thüringen) ergeben, dargestellt werden.
3. Die Abiturstufe in Thüringen
Der Thüringer Lehrplan stammt aus dem Jahr 199, als noch die Große Koalition in Thüringen bestand. Er ist gekennzeichnet durch eine nicht zu übersehende Reglementierung.
Bereits im Vorwort des Kultusministers findet sich die normative Dimension. Es werden hier die zugrunde liegenden Werte und Normen erwähnt und dass die neuesten „Erkenntnisse der nationalen und internationalen Curriculumforschung“ eingeflossen sind.[13]
Es folgt nun auf insgesamt 10 Seiten der sog. pragmatische Teil. Zunächst wird zur Legitimation des Lehrplanes auf das Schulgesetz verwiesen und dann geht es sehr rasch um das „Konzept der Grundbildung“, in welcher Wissensvermittlung, Werteaneignung und Persönlichkeitsentwicklung verzahnt werden. Als grundlegendes Bildungsziel wird die „Entwicklung der Fähigkeit zu vernunftbetonter Selbstbestimmung, zur Freiheit des Denkens, Urteilens und Handelns“[14] genannt. Die sog. Grundbildung beinhaltet aber nicht nur diesen Werteaspekt, sondern auch das Fachwissen. Allerdings schreibt der Lehrplan nicht ein bestimmtes Wissen vor, wie es in Bayern der Fall ist. Daraus ergibt sich, dass jeder Geschichtslehrer selbst - orientiert an den Inhalten - das Grundwissen für seine Schüler bestimmt. Stellt sich die Frage, ob man da noch von einem Grundwissen sprechen kann. Die Erwartungen, welche der Lehrplan an die Schüler stellt, werden in diesem einleitenden Teil besonders in der Beschreibung der Studierfähigkeit deutlich, welche in der Oberstufe entwickelt werden soll.
An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass in Thüringen das Abitur nach der 12 Klasse durch ein schriftliches Zentralabitur abgelegt wird. Der Schüler kann wählen, ob er die Geschichtsprüfung im gesellschaftswissenschaftlichen Teil des Abiturs antritt oder nicht. Lässt er sich in Geschichte prüfen, hat er die Wahl zwischen dem schriftlichen Zentralabitur oder der mündlichen Prüfung, welche von der schulinternen Fachkonferenz entworfen wird. Geschichte ist aber als obligatorisch von der 5-12, in der Oberstufe als Leistung- (6 Stunden) oder Grundfach (2 Stunden) zu belegen.
Die Studierfähigkeit, welche in der Oberstufe ausgebaut und angewandt werden soll, beinhaltet die Entwicklung der Bereitschaft und der Fähigkeit zu kommunizieren und zu kooperieren, die Entwicklung eines selbstständigen Problemlöseverhaltens, die Förderung von Kreativität und Phantasie, die Entwicklung von Selbstbewusstsein und Selbstdisziplin, Leistungsbereitschaft und Konzentrationsfähigkeit, die Entwicklung der Fähigkeit zum systematischen, logischen und vernetzenden Denken, sowie zum kritischen Urteilen.“[15] Es zeigen sich starke kognitive, personelle und soziale Zielsetzungen wie sie charakteristisch für die funktionale Dimension sind.
Des Weiteren beinhaltet dieser umfassende einleitende / pragmatische Teil eine Menge Zielsetzungen und Orientierungsaspekte für die Gestaltung des Unterrichts.
Der Lehrplan nennt drei grundlegenden Ziele für den gesamten Geschichtsunterricht; 1. die Fähigkeit Sachurteile zu fällen, 2. die Herausbildung von Werten (Humanität, Frieden, Demokratie, Toleranz) und 3. die Entwicklung eines historischen Bewusstseins. Gerade das Geschichtsbewusstsein gilt als zentrale Kategorie der Geschichtsdidaktik, da es unserer politischen Ordnung / Kultur sowie dem Erkenntnis und Problemhorizont der gegenwärtigen Geschichtswissenschaft entspricht.[16] Und den Zusammenhang von Vergangenheitsdeutung, Gegenwartsverständnis und aktivem Handeln für die Zukunft beinhaltet.
Im einleitenden Teil findet sich die Aufforderung an den Lehrer: „Der Geschichtsunterricht soll, ausgehend von aktuellen Orientierungsbedürfnissen der Schüler, deren Erfahrungen, Fragen, aber auch Vorstellungen, Überzeugungen und Vorurteile aufgreifen und ein Bewusstsein schaffen, dass Überlieferungen aus der Vergangenheit nutzbar für die Orientierung in der Gegenwart und für die Gestaltung der Zukunft sind.“[17] Die Umsetzung dieser Aufforderung wird von Lehrer zu Lehrer verschieden sein, da der Lehrplan in dieser Hinsicht wenig Anregungen bietet. Dies ist generell das Problem des Thüringer Lehrplans, auch in der Oberstufe. Auf den 10 Seiten, welche den fachlichen - 37 Seiten umfassenden – Ausführungen vorangestellt sind, werden so viele Ideale der Geschichtsdidaktik beschrieben, dass kaum Forderungen offenen bleiben. Es muss überprüft werden, inwieweit diese Ankündigungen im fachlichem Teil des Lehrplans Anwendung finden.
Neben all diesen Zielen in der Thüringer Oberstufe seien auch die Kompetenzen (Sach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz), welche im Lehrplan genau beschrieben werden, nicht vergessen.
Wendet man sich nun der inhaltlichen Dimension des Thüringer Lehrplans zu, so wird rasch deutlich, dass die Lerninhalte auch in der Oberstufe chronologisch angeordnet sind. (Die Oberstufe beginnt in Thüringen in der 10/II, wobei die Qualifikationsphase die Klassen 11 und 12 umfasst.) Wie in der 5. Klasse beginnt die 10/II wieder mit der Antike. Die Frage nach dem sog. „Zweiten Durchgang“ ist durchaus berechtigt! Vielleicht betont deshalb der Lehrplan in seinen Ausführungen für den Unterricht in der Oberstufe, dass sich anhand thematischer Schwerpunkte tiefergehend mit den Grundlagen gegenwärtiger Entwicklungen und Probleme auseinandergesetzt werden soll und dabei sowohl Multiperspektivität und historisch – kontroverse Standpunkte, d.h. neueste Forschungsergebnisse, einzubeziehen sind.[18] An dieser Stelle zeigt sich der Verweis auf die Priorität für Neuere- /Neuste- und Zeitgeschichte bzw. auf europäische und globale Entwicklungen.
[...]
[1] Artikel Lehrplan: in: Brockhaus Enzyklopädie. In 24 Bänden, Bd. 13, 19. aktual. Aufl., F.A. Brockhaus Verlag, Mannheim 1990, S. 221.
[2] Vgl. Westphalen, Klaus: Lehrplan – Richtlinien – Curriculum, Ernst Klett Verlag, Stuttgart 1985, S.12.
[3] Jeismann, Karl-Ernst / Schönemann, Bernd: Geschichte amtlich. Lehrpläne und Richtlinien der Bundesländer. Analyse, Vergleich, Kritik, Diesterweg Verlag, Frankfurt / M. 1989, S. 8.
[4] Vgl. Kuss, Horst: Geschichtsunterricht und Lehrplan. Lehrplananalyse und Lehrplankritik am Beispiel der Lehrpläne Bayern, Nordrhein- Westfalen und Berlin, in: GWU 48., (1997), S. 534.
[5] Ebd., S. 534.
[6] Vgl. Hopmann, Stefan / Künzli, Rudolf: Entscheidungsfelder der Lehrplanarbeit, in: dies. (Hrsg.), Lehrpläne. Wie sie entwickelt werden und was von ihnen erwartet wird, Verlag Rüegger, Chur, Zürich 1998, S. 18.
[7] Vgl. Fröhlich, Klaus: Richtlinien, Lehrpläne, in: Bergmann, Klaus / Kuhn, Anette (Hrsg.): Handbuch der Geschichtsdidaktik, 2. Aufl., Pädagogischer Verlag Schwann, Düsseldorf 1980, S. 315.
[8] Vgl. Westphalen, Klaus: lehrplan – Richtlinien – Curriculum, Stuttgart 1985, S. 58.
[9] Vgl. ebd. S. 43f.
[10] Vgl. Jeismann, Karl-Ernst / Schönemann, Bernd: Geschichte amtlich., Frankfurt / M. 1989, S. 31-34.
[11] Vgl. Pandel, Hans-Jürgen: Strategien geschichtsdidaktischer Richtlinienmodernisierung. Reduktion – Strukturierung – Konstruktion, in: Keuffer, Josef (Hrsg.): Modernisierung von Rahmenrichtlinien. Beiträge zur Rahmenrichtlinienentwicklung, Weinheim 1997, S. 111-117.
[12] Uffelmann, Uwe: Problemorientierung, in: Bergmann, Klaus / Kuhn, Anette (Hrsg.): Handbuch der Geschichtsdidaktik, 2. Aufl., Pädagogischer Verlag Schwann, Düsseldorf 1980, S. 197f.
[13] Thüringer Kultusministerium (Hrsg.): Thüringer Lehrplan für das Gymnasium. Geschichte, Erfurt 1999, S. 1.
[14] Vgl. ebd. S. 5.
[15] Vgl. Thüringer Kultusministerium (Hrsg.): Thüringer Lehrplan für das Gymnasium. Geschichte, Erfurt 1999, S. 6.
[16] Vgl. Jeismann / Schönenmann: Geschichte amtlich, Frankfurt / M. 1989, S. 40.
[17] Thüringer Kultusministerium (Hrsg.): Thüringer Lehrplan für das Gymnasium. Geschichte, Erfurt 1999, S. 7.
[18] Vgl. Thüringer Kultusministerium (Hrsg.): Thüringer Lehrplan für das Gymnasium. Geschichte, Erfurt 1999, S. 30.
- Citation du texte
- Christian Tischner (Auteur), 2003, Ein Lehrplanvergleich - Der Geschichtsunterricht in der Abiturstufe in den Ländern Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Bayern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59247
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