In den letzten Jahren erhielt der Beruf des Wirtschaftsprüfers häufig Negativschlagzeilen. Grund dafür waren diverse Bilanzfälschungen internationaler Unternehmen, an denen große Wirtschaftsprüfungsunternehmen aktiv beteiligt waren. So wurde u.a. der Enron-Bilanzskandal, an dem die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen beteiligt war, im Jahr 2002 aufgedeckt, was schließlich zum Ausscheiden des Prüfungsunternehmens aus dem Markt führte. Ihre eigentliche Aufgabe, Schutz der Bilanzadressaten, erfüllte Enron nicht, was die Frage aufwirft warum Wirtschaftsprüfungsunternehmen eher dem Management als ihren eigentlichen Auftraggebern, den Bilanzadressaten, dienen. Zur Beantwortung dieser Frage existieren viele Meinungen, wobei immer häufiger die These aufkommt, dass die ständige Erhöhung der Marktkonzentration im Prüfungssektor die Ursache des „Klüngels“ zwischen Mandanten und Prüfern aber auch zwischen Prüfern und Prüfern sei. Es gilt deshalb in dieser Arbeit zu klären, welche ökonomischen Probleme im Wirt-schaftsprüfungssektor existieren und ob diese Probleme im Zusammenhang mit der hohen Konzentration im Prüfungsmarkt stehen. Dazu wird im zweiten Kapitel zunächst eine Einordnung der Branche Wirtschaftsprüfung in den Markt erfolgen, bei der u.a. bestehende ökonomische Besonderheiten, wie das Prinzipal-Agenten Problem, dargestellt werden. Nachdem dann im dritten Kapitel auf die Entwicklung des Wirtschaftsprüfungsmarktes und auf einige Ursachen der Konzentration eingegangen wurde, steht im vierten Kapitel die Diskussion im Mittelpunkt, ob der Wettbewerb im Prüfungssek-tor beschränkt und ein wettbewerbspolitisches Problem ist.
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Darstellung des Problems
2. Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen im Wirtschaftsprüfungssektor
2.1 Die Nachfrage nach Prüfungsleistungen
2.2 Funktionsweise und Stellung der Wirtschaftsprüfer
3. Die Gestaltung des Marktes im Wirtschaftsprüfungssektor
3.1 Die Entwicklung der Prüfungsunternehmen am Markt
3.2 Ursachen des Konzentrationsprozesses
3.2.1 Reputation und Konzentration
3.2.2 Qualitätsmerkmal – Unternehmensgröße
4. Auswirkungen der Marktkonzentration auf den Wettbewerb
4.1 Preisabsprachen: Resultat der Konzentration?
4.2 Fusionen: Effizienzerhöhend oder wettbewerbsbeschränkend?
4.3 Wirkung der Konzentration auf Qualität und Unabhängigkeit
5. Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 Entwicklung der Wirtschaftsprüferanzahl in Deutschland
Tabelle 2 Prüfer in eigener Praxis vs. in WPG in Deutschland
Tabelle 3 Verteilung der Prüfungsmandate 2001
Tabelle 4 Prüfer und Geprüfte im DAX
Tabelle 5 Einflussfaktoren der Kollusion bei Prüfungsleistungen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Darstellung des Problems
In den letzten Jahren erhielt der Beruf des Wirtschaftsprüfers häufig Negativschlagzeilen. Grund dafür waren diverse Bilanzfälschungen internationaler Unternehmen, an denen große Wirtschaftsprüfungsunternehmen aktiv beteiligt waren. So wurde u.a. der Enron-Bilanzskandal, an dem die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen beteiligt war, im Jahr 2002 aufgedeckt, was schließlich zum Ausscheiden des Prüfungsunternehmens aus dem Markt führte. Ihre eigentliche Aufgabe, Schutz der Bilanzadressaten, erfüllte Enron nicht, was die Frage aufwirft warum Wirtschaftsprüfungsunternehmen eher dem Management als ihren eigentlichen Auftraggebern, den Bilanzadressaten, dienen. Zur Beantwortung dieser Frage existieren viele Meinungen, wobei immer häufiger die These aufkommt, dass die ständige Erhöhung der Marktkonzentration im Prüfungssektor die Ursache des „Klüngels“ zwischen Mandanten und Prüfern aber auch zwischen Prüfern und Prüfern sei.
Es gilt deshalb in dieser Arbeit zu klären, welche ökonomischen Probleme im Wirtschaftsprüfungssektor existieren und ob diese Probleme im Zusammenhang mit der hohen Konzentration im Prüfungsmarkt stehen. Dazu wird im zweiten Kapitel zunächst eine Einordnung der Branche Wirtschaftsprüfung in den Markt erfolgen, bei der u.a. bestehende ökonomische Besonderheiten, wie das Prinzipal-Agenten Problem, dargestellt werden. Nachdem dann im dritten Kapitel auf die Entwicklung des Wirtschaftsprüfungsmarktes und auf einige Ursachen der Konzentration eingegangen wurde, steht im vierten Kapitel die Diskussion im Mittelpunkt, ob der Wettbewerb im Prüfungssektor beschränkt und ein wettbewerbspolitisches Problem ist.
2. Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen im Wirtschaftsprüfungssektor
2.1 Die Nachfrage nach Prüfungsleistungen
Im folgenden Abschnitt wird dargestellt, ob eine Prüfung aus wohlfahrtsökonomischer Perspektive wünschenswert ist oder nicht. Danach wird die Notwendigkeit eines gesetzlichen Zwanges von Prüfungen untersucht, wobei hier die Frage im Mittelpunkt steht, ob der Markt die optimale Menge an Prüfungsleistungen nachfragt oder diese nur durch Zwang erreicht werden kann.
Eine der wesentlichen Vorraussetzungen für das Funktionieren von Märkten sind Informationen. Nur sie ermöglichen rationale Entscheidungen und somit die effiziente Allokation von Ressourcen. Grundsätzlich findet deshalb in jedem Unternehmen ein Fluss von Informationen zwischen den Bereichen Planung, Realisation und Steuerung statt, wobei die Soll-Werte der Planung mit den Ist-Werten der Realisierung ständig auf Kongruenz geprüft werden, um bei eventuellen Abweichungen mit adäquaten Entscheidungen reagieren zu können (Marten et al. 2003, S. 1 ff.). Da Informationen somit eine entscheidungsbeeinflussende Wirkung auf die Informationsadressaten[1] haben, ist eine vollständige und korrekte Bereitstellung notwendig. Dabei ist die Aussicht auf den Erhalt vollständiger und korrekter Informationen bei einer geprüften Rechnungslegung wahrscheinlicher als bei einer ungeprüften. Aufgaben einer Prüfung sind daher unter anderem die Minderung von Risiken sowie die Fundierung der Entscheidungsfindung für die Adressaten (Hachmeister 2001, S. 19).
Das oben angesprochene Informationsproblem tangiert den Ansatz der Agency-Theorie. So werden viele Unternehmen nicht von ihren Eigentümern selbst, sondern von der Unternehmensführung geleitet, wobei deren Ziele (z.B. Maximierung des eigenen Einkommens) oft von denen der Inhaber (z.B. Gewinnmaximierung) abweichen. Der Eigentümer eines Unternehmens, der die Entscheidungsbefugnisse an das Management (Agent) delegiert, ist somit der Prinzipal, welcher die Leistung des Agenten aufgrund asymmetrischer Informationsverteilung nicht vollständig beobachten kann (Marten et al. 2003, S. 27 ff.). Der Prinzipal ist sich seines Informationsdefizits gegenüber dem Agenten jedoch bewusst. Zur Verringerung dieses Defizits wird deshalb die Leistung und die Rechenschaft des Agenten von einem unabhängigen Dritten, welcher vom Prinzipal beauftragt wurde, überprüft. Auch der Agent ist sich dieser Situation bewusst, weshalb er im Prüfungsfall mehr im Interesse des Eigentümers handeln wird, als es ohne eine Überprüfung durch einen Dritten der Fall wäre. Die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt ist folglich mit Prüfung höher als ohne (Hachmeister 2001, S. 20).
Welche ökonomischen Gründe existieren jedoch, dass bestimmte Unternehmen zu einer Abschlussprüfung gesetzlich verpflichtet sind? Zur Beantwortung dieser Frage werden zum einen Kosten-Nutzen-Aspekte und zum anderen externe Effekte betrachtet. Ersteres verlangt einen gesetzlichen Zwang, da der Nutzen einer Prüfung erst mit zeitlicher Verzögerung eintritt. Das hat zur Folge, dass ihre Kosten im Zeitpunkt der Abschlussprüfung größer sind als ihr momentaner Nutzen. Ohne eine Prüfungspflicht bestünde deshalb eine zu geringe und wohlfahrtsökonomisch nicht optimale Nachfrage nach Prüfungsleistungen (Marten et al. 2003, S. 36). Außerdem ist eine gesetzlich standardisierte Prüfung kostengünstiger als frei verhandelte Prüfungen, da diese Verhandlungen aufgrund der großen Anzahl anonymer Adressaten einen hohen Aufwand bewirken und deshalb hohe Kosten für die Verhandlungspartner verursachen würden.
Neben den eben genannten Motiven für Pflichtprüfungen werden Informationen entweder gar nicht oder nur im wohlfahrtsökonomisch ineffizienten Umfang bereit gestellt, weil für die handelnden Akteure externe Effekte bestehen. Diese fragen Prüfungsleistungen in zu geringem Umfang aufgrund der Kollektivguteigenschaft von Informationen nach. Ein Kollektivgut liegt deshalb vor, da zum einen niemand nach Informationsveröffentlichung von ihrer Nutzung ausgeschlossen werden kann und zum anderen ein nichtrivalisierender Konsum existiert. Da die Bereitstellungskosten der Informationen (z.B. Honorarkosten des Prüfers) allerdings individuell anfallen und kein Individuum den Anreiz hat, diese zu übernehmen, würde es ohne Staatseingriff zu keiner optimalen Informationsbereitstellung bzw. Nachfrage nach Prüfungsleistungen kommen. (Müller 2004, S. 211; Hachmeister 2001, S. 21).
Aus diesen Gründen besteht die Aufgabe einer standardisierten Prüfungspflicht einerseits im Schutz der Stakeholder sowie der Öffentlichkeit „...vor unfähigem oder selbstsüchtigem Management...“ und andererseits die Funktionsfähigkeit des Marktes durch den Abbau von Informationsasymmetrien zu wahren (Ballwieser 2005, S. 14).
2.2 Funktionsweise und Stellung der Wirtschaftsprüfer
Nachdem im vorangegangen Kapitel ökonomische Motive für die Einführung eines Prüfers vorgestellt wurden, werden nun Aufgaben und Stellung eines Wirtschaftsprüfers[2] und daraus resultierende Probleme für die handelnden Akteure am Markt herausgearbeitet.
Die Bestellung eines Abschlussprüfers ist in § 316 ff. HGB geregelt. Demnach besteht für mittelgroße und große Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 2 und 3 HGB) eine Prüfungspflicht für den Jahresabschluss und Lagebericht. Aufgabe des Prüfers ist es u.a., Fehler und Verstöße im Jahresabschluss zu erkennen, die sich auf die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens wesentlich auswirken. Grundsätzlich wird der Prüfer von den Gesellschaftern also den Eigentümern des Unternehmens gewählt, wobei als Abschlussprüfer nach § 319 Abs. 1 Satz 1 HGB Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in Frage kommen. Besteht die Besorgnis der Befangenheit (§ 319 Abs. 2, 3, 4, 5 und § 319a HGB) eines Prüfers, ist dieser von der Abschlussprüfung ausgeschlossen.
Da der Wirtschaftsprüfer in dem Geflecht zwischen Management und Eigentümern eine eigene Stellung einnimmt, ergibt sich eine neue Prinzipal-Agenten Beziehung. Die oben beschriebene Bestellung des Wirtschaftsprüfers durch die Jahresabschlussadressaten bildet die erste Prinzipal-Agent Beziehung, wobei der Prüfer (Agent) gegenüber den Eigentümern (Prinzipal) einen Informationsvorsprung hat. Die Leistung des Agenten ist demnach für den Prinzipal nicht vollständig beobachtbar, so dass der Agent die Möglichkeit hat, diesen Vorsprung in seinem Interesse auszunutzen. Dieses kann sich beispielsweise in einer schlechteren Prüfungsqualität bei jedoch konstantem Honorar oder in der Gefahr des Verlustes der Unabhängigkeit des Prüfers gegenüber dem Management widerspiegeln. Letzteres könnte sich z.B. darin äußern, dass der Prüfer über festgestellte Unregelmäßigkeiten im Jahresabschluss schweigt, weil er Zuwendungen, z.B. in Form von Quasirenten[3] oder direkten monetären Zahlungen, durch das Management erhält (Marten et al. 2003, S.153). Es kommt daher zu einer Divergenz, die aus der tatsächlichen und der erwarteten Qualität der Prüferleistung resultiert (Weißenberger 1997, S. 2315). Inwiefern die Qualität der Prüfung sowie die Unabhängigkeit des Prüfers von der Größe eines Wirtschaftsprüfungsunternehmens abhängt, ist Thema des vierten Kapitels. Die zweite Prinzipal-Agenten Beziehung, die sich durch die Einführung eines Prüfers ergibt, besteht zwischen dem Management (Agent) und dem Prüfer (Prinzipal), welcher im Auftrag der Informationsadressaten den Agenten kontrollieren soll. Die bereits angesprochenen Quasirenten des Prüfers können eine Ursache der dritten Prinzipal-Agenten Beziehung sein. Werden in der Theorie die Prüfer von den Abschlussadressaten bestellt, so ist dieses in der Praxis generell nicht der Fall. Dort folgen die Eigentümer eines Unternehmens in der Regel dem Vorschlag des Managements, welches sich somit seinen Prüfer selbst aussuchen kann. Handelt ein Unternehmer nun nicht im Interesse der Leitung, läuft dieser Gefahr, in der Folgeperiode nicht wieder bestellt zu werden, was zu einem Verlust seiner Quasirenten führen würde. Das Management, jetzt der Prinzipal, hat somit theoretisch ein Druckmittel gegenüber dem Prüfer (Agent), weshalb der Prinzipal laut Müller dem Agenten den Auftrag erteilen kann, den Abschluss im Sinne des Managements zu gestalten (Müller 2004, S. 213 f.). Nicht ganz so radikal wie Müller sieht Marten diese dritte Agency-Beziehung. Nach seiner Interpretation erwartet die Leitung eine faire Prüfung, was heißt, dass sich der Prüfer zur Klärung evtl. Unregelmäßigkeiten im Jahresabschluss zunächst an die Verantwortlichen wendet (Marten 1999, S. 131 f.).
[...]
[1] Adressaten sind zum einen stakeholder (z.B. Arbeitnehmer, Aufsichtsräte, Eigen- und Fremdkapitalgeber, Aufsichts- und Finanzbehörden sowie Lieferanten) und zum anderen die Öffentlichkeit (Marten et al. 2003, S. 1; Müller 2004, S. 212).
[2] Das Prüfungswesen verteilt sich auf verschiedene Institutionen, um die Informationen bedarfsgerecht anbieten zu können. Diese Prüfungsinstitutionen sind entweder intern oder extern gestaltet, wobei zu ersteren u.a. der Aufsichtsrat, Prüfungsausschüsse und Interne Revisionen gehören. Zur Institution des externen Prüfungswesen gehört neben der steuerlichen Außenprüfung und den Rechnungshöfen der Wirtschaftsprüfer.
[3] Künftige Honorare des Wirtschaftsprüfers werden als Quasirenten bezeichnet (Marten et al. 2003, S. 152).
- Citation du texte
- Silvio Börmck (Auteur), 2006, Marktkonzentration im Wirtschaftsprüfungssektor - ein wettbewerbspolitisches Problem?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59240
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