Ich habe am Thema Kindheit und Sport neben dem wissenschaftlichen Aspekt als Kinder- und Jugendtrainer auch ein persönliches Interesse. In meiner Sportart Judo ist auffällig, dass ca. 80% der Judokämpfer im Alter zwischen 6 und 13 Jahren sind. Dieses Phänomen zieht sich sowohl durch die Statistiken der einzelnen Landesverbände als auch die Gesamtstatistik des Deutschen Judo Bundes. Der Trend zu Kampfsportarten ist nach Werner Schmidt ein typisches „kindheitsbezogenes Übergangsphänomen“. Für mich stellen sich an dieser Stelle einige Fragen: Ist die „Verkindlichung“ ein allgemeines Phänomen des Sports? Warum betreiben so viele Kinder Sport? Betreiben wirklich so viele Kinder Sport, angesichts der Klagen über Bewegungsarmut und motorische Unterentwicklung von Kindern? Bringen Eltern ihre Kinder zum Sport, weil diese dort auch erzogen werden sollen? Ist nur ein sportliches Kind ein gesellschaftlich akzeptiertes Kind? Dient der Sport primär der Gesundheit z.B. von übergewichtigen Kindern? Meine Erfahrung in meinem persönlichen Umfeld zeigt, dass nahezu alle Kinder irgendeine sportliche Aktivität ausführen oder, dass deren Eltern eine ihrem Kind Spaß machende Sportart suchen. Denn, so der Konsens in meinem Bekanntenkreis: „Kinder müssen Sport treiben, egal, was es ist“. Hier stellt sich wiederum die Frage, warum ist das so? Meine These ist: Die moderne Kindheit wird stark vom Sport beeinflusst und ist in Teilen sogar vom Sport bestimmt. In den nachfolgenden Ausführungen versuche ich ausgelöst durch die Seminarveranstaltung: „Kindheit als Thema der Sozialpädagogik“ die oben gestellten Fragen zu beantworten und meine persönlichen Erfahrungswerte wissenschaftlich zu untermauern. Mir ist klar, dass ich von den vielen Facetten dieses Themenkomplexes nur einige wenige ansprechen kann und mit jeder Antwort auch wieder viele neue Fragen aufwerfen werde. Im ersten Teil werde ich versuchen die für die Beantwortung der Fragen notwendigen Begriffe zu klären und die historische Entwicklung näher zu beleuchten. Danach folgt das zentrale Kapitel über die Bedeutung des Sports in der modernen Kindheit, in dem u.a. auch das meiner Grundthese entgegenstehende Phänomen der Bewegungsarmut beleuchtet wird. Im abschließenden Resümee werde ich Teilaspekte der beantworteten Fragen nochmals aufgreifen und in einer Gesamtbetrachtung zu meinen Ausführungen zu einem abschließenden Ergebnis zusammenfassen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2. Begriffsdefinitionen
2.1 moderne Kindheit
2.2 Sport
3. Historische Entwicklung
3.1 Sport im gesellschaftlichen Kontext
3.2 Sport als Teil der Erziehung
3.3 Die Position des Sports im Wertekanon
4. Die Bedeutung des Sports in der modernen Kindheit
4.1. Das Phänomen der Bewegungsarmut
4.2. Sportlichkeit als Sozialindikator?
4.3. Gesundheit versus Freizeitvergnügen
5. Resümee
6. Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Ich habe am Thema Kindheit und Sport neben dem wissenschaftlichen Aspekt als Kinder- und Jugendtrainer auch ein persönliches Interesse. In meiner Sportart Judo ist auffällig, dass ca. 80% der Judokämpfer im Alter zwischen 6 und 13 Jahren sind. Dieses Phänomen zieht sich sowohl durch die Statistiken der einzelnen Landesverbände als auch die Gesamtstatistik des Deutschen Judo Bundes. Der Trend zu Kampfsportarten ist nach Werner Schmidt[1] ein typisches „kindheitsbezogenes Übergangsphänomen“.
Für mich stellen sich an dieser Stelle einige Fragen: Ist die „Verkindlichung“ ein allgemeines Phänomen des Sports? Warum betreiben so viele Kinder Sport? Betreiben wirklich so viele Kinder Sport, angesichts der Klagen über Bewegungsarmut und motorische Unterentwicklung von Kindern? Bringen Eltern ihre Kinder zum Sport, weil diese dort auch erzogen werden sollen? Ist nur ein sportliches Kind ein gesellschaftlich akzeptiertes Kind? Dient der Sport primär der Gesundheit z.B. von übergewichtigen Kindern?
Meine Erfahrung in meinem persönlichen Umfeld zeigt, dass nahezu alle Kinder irgendeine sportliche Aktivität ausführen oder, dass deren Eltern eine ihrem Kind Spaß machende Sportart suchen. Denn, so der Konsens in meinem Bekanntenkreis: „Kinder müssen Sport treiben, egal, was es ist“. Hier stellt sich wiederum die Frage, warum ist das so?
Meine These ist: Die moderne Kindheit wird stark vom Sport beeinflusst und ist in Teilen sogar vom Sport bestimmt.
In den nachfolgenden Ausführungen versuche ich ausgelöst durch die Seminarveranstaltung: „Kindheit als Thema der Sozialpädagogik“ die oben gestellten Fragen zu beantworten und meine persönlichen Erfahrungswerte wissenschaftlich zu untermauern. Mir ist klar, dass ich von den vielen Facetten dieses Themenkomplexes nur einige wenige ansprechen kann und mit jeder Antwort auch wieder viele neue Fragen aufwerfen werde.
Im ersten Teil werde ich versuchen die für die Beantwortung der Fragen notwendigen Begriffe zu klären und die historische Entwicklung näher zu beleuchten. Danach folgt das zentrale Kapitel über die Bedeutung des Sports in der modernen Kindheit, in dem u.a. auch das meiner Grundthese entgegenstehende Phänomen der Bewegungsarmut beleuchtet wird. Im abschließenden Resümee werde ich Teilaspekte der beantworteten Fragen nochmals aufgreifen und in einer Gesamtbetrachtung zu meinen Ausführungen zu einem abschließenden Ergebnis zusammenfassen.
2. Begriffsdefinitionen
2.1 moderne Kindheit
Zunächst möchte ich festhalten, dass es bei der Kindheit zwar um Kinder geht, aber der Begriff Kindheit und alle Begriffvariationen nicht von Kindern, sondern von Erwachsenen definiert sind. Es ist also nicht möglich sich mit der Kindheit zu beschäftigen ohne von Erwachsenen zu sprechen.
Christa Berg unterscheidet beim Kindheitsbegriff zwischen: Projekten, Utopien, Mythen, dem Forschungsgegenstand und der Kindheit als Erinnerung.[2] Etymologisch bedeutet das Wort, zurückgehend auf das germanische Wort „ kénpa-, kenda, <<gezeugt, geboren>>“[3]. Im Wörterbuch der Pädagogik ist folgendes zum Begriff Kindheit zu finden: „Was Kindheit meint, ist jeweils abhängig von dem Bild, dass Erwachsene von Erziehung, Stellung und Funktion des Kindes in der Gesellschaft haben, und ist durch historisch entstandene Vorstellungen geprägt, die einmal Folge eines Komplexen gesellschaftlichen Modernisierungsprozesses und zum anderen Ertrag pädagogischer Ideen über Kindheit sind.“[4] Im 18. und 19. Jahrhundert erwachte in Europa ein bis dahin unbekanntes Interesse an der Kindheit.[5] Rousseau „entdeckte“ die Kindheit als eigenständige Phase, Kinder sollten nicht länger als „kleine Erwachsene“ gelten.[6] Durch diese Entwicklung entstand ein eigener sozialer Status der Kindheit, in dem Schonung und affektive Zuwendung eine Rolle spielten. Kinder wurden Erziehungsobjekte.[7] In der Forschung war ein Interesse an Kindern und der Kindheit geweckt, da bis zu diesem Zeitpunkt nur wenig über die tatsächliche Lebenswirklichkeit von Kindern bekannt war. Wie bereits am Anfang des Kapitels beschrieben, wurde zunächst sehr die Sicht der Erwachsenen auf die Kindheit thematisiert und weniger die der Kinder selbst. „Kindheit als strukturelle Komponente im organisierten sozialen Leben wird in einem permanenten gesellschaftlichen Prozess geschaffen und rekonstruiert.“[8] In Kindheitsdiscoursen werden oftmals nur die Verluste bestimmter Dinge beklagt: „Raumverlust, Verlust des Spielerischen, Verlust des Kindspezifischen...“[9], aber die neu gewonnenen Facetten werden häufig nur kurz in den Blick genommen.
Heute haben sich die Lebensbedingungen von Kindern stark verändert und sie verändern sich stetig. „In diesem Zuge modernisiert sich Kindheit aufgrund des Wandels zentraler, Kindheitsbestimmender Größen.“[10]
Für die wissenschaftliche Bewertung der modernen Kindheit bietet es sich an in zwei Kindheitsprojekte zu unterscheiden:
1. „Das zukunftsorientierte Entwicklungs-, Erziehungs- und Bildungsprojekt der bürgerlichen Erwachsenengesellschaft
2. Das gegenwartsorientierte Autonomieprojekt der Kinder.
Das Leben...in der Spannung beider Kindheitsprojekte wird als eine entscheidende Modernisierungsfacette von Kindheit aufgefasst.“[11] Ein kommerzielles System bildet den heutigen Kindheitskontext, wozu auch der Sport in seiner Organisiertheit in Vereinen und Verbänden gehört.[12]
Charakteristisches Merkmal moderner Kindheit nach Wilk und Qvortrup ist, dass Kinder zunehmend zu einer Minderheit in unserer (der westlichen) Gesellschaft werden. Sie haben wenig Anteil an materiellen Ressourcen und ihnen werden in vielen Bereichen durch ihren rechtlichen Status keine Mitbestimmungsmöglichkeiten zugestanden.[13]
2.2 Sport
Das Wort Sport wurde aus dem Englischen übernommen und diente in den 20 Jahren des 19. Jahrhunderts „ als umfassende Bezeichnung für alle mit der planmäßigen Körperschulung und mit der körperlichen Betätigung im Wettkampf und Wettspiel zusammenhängenden Belanget.“[14] Das englische Wort Sport seinerseits bedeutet eigentlich <<Zerstreuung, Vergnügen, Zeitvertreib, Spiel>>.[15] Sport ist kein einheitliches System . „Jütting (1989) unterscheidet…drei Handlungs-Systeme des Sports: a. das professionelle Sportsystem, b. das alltagskulturelle Sportsystem, c. das mediale Sportsystem.“[16] Obwohl es keine einheitliche Definition von Sport gibt, lassen sich allgemeine Merkmale für Sport angeben. Solche Merkmale sind beispielsweise Zweckfreiheit, Streben nach Leistungsverbesserung und Leistungsvergleich. Sport besteht von wenigen Ausnahmen abgesehen aus großmotorischen Aktivitäten, er dient der Freizeitgestaltung und Entspannung. Er ist als nahezu lebenswichtig charakterisiert, da man mit seiner Hilfe einen Ausgleich zum Alltag, also zu den Lebensbedingungen einer Industriellen Überflussgesellschaft hat.[17] Einige Sportarten brauchen eine frühe Förderung der Kinder, so dass diese im Jugendalter hohe und höchste sportliche Leistungen erbringen können.[18]
[...]
[1] Schmidt, Werner, 1995, S. 22
[2] vgl. Berg, Christa, 2004, S. 497
[3] Duden, 2001, S. 405
[4] Böhm, Winfried, 2000, S. 296
[5] vgl. Hengst, Heinz, 1999, S. 10
[6] vgl. Krüger, Michael, 1999, S. 42
[7] vgl. Hengst, Heinz, 1999, S. 11
[8] Gieß-Stüber, Petra, 1999, S. 173
[9] vgl. Kleine, Wilhelm/Schulz, Norbert 1999, S. 9
[10] ebd., S. 7
[11] ebd., S. 7 f
[12] vgl. ebd., S. 8
[13] vgl. Gieß-Stüber, Petra, 1999, S. 169
[14] Duden, 2001, S. 792
[15] vgl., ebd.
[16] Hasenberg, Ralph/Zinnecker, Jürgen,1999, S. 87
[17] vgl. Böhm, Winfried, 2000, S. 509
[18] vgl. ebd., S. 53
- Citar trabajo
- Dirk Neibecker (Autor), 2006, Kindheit und Sport. Die Bedeutung des Sports in der modernen Kindheit, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59236
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