Wie erreicht man seine individuelle Work-Life-Balance? Um diese Frage zu klären, werden in dieser Hausarbeit verschiedene Modelle zum Erreichen der Balance angeführt. Des Weiteren werden diese Modelle auf die Protagonistin Louisa Clark aus dem Film "Ein ganzes halbes Jahr" von 2016 übertragen, um deren Anwendbarkeit zu testen. Dieser Film eignet sich besonders gut für die Thematik, weil die ausgewählte Filmfigur im Laufe des Filmes durch verändernde Entscheidungen ihre Lebensbalance erlangt.
Die Work-Life-Balance bekommt im gegenwärtigen Alltag immer mehr Bedeutung, weil durch den Drang nach Erfolg im Arbeitsbereich andere Lebensbereiche vernachlässigt werden. So entsteht eine Unzufriedenheit beim Individuum, die nur durch Veränderungen im eigenen Verhalten aufgehoben werden kann.
Der Begriff wird auf verschiedenste Weise definiert. Manche Autor*innen wie Bettina Spangler im Werk "Work Life Balance" von 2004, stellen den Begriff als Balance zwischen dem beruflichen und privaten Lebensbereich dar, bei der eine selbstbestimmte Handlungsweise für ein Gleichgewicht verlangt wird. Die Zeit rückt dabei in den Hintergrund, da es mehr um die eigene Einstellung, als um die Verringerung der Arbeitsstunden geht.
In anderen Werken wie in "30 Minuten Work-Life-Balance" von 2016 führt der Autor Lothar Seiwert ein Zeitmodell an, sodass die Balance durch die prozentuale Gewichtung der verschiedenen Lebensbereiche anhand der zeitlichen Investition gemessen wird. Eine dritte Erklärung liefert Christoph J. Schmidt-Lellek aus dem Werk "Praxeologie des Coachings" von 2009, bei der die Bezeichnung des Begriffs Work-Life-Balance kritisiert wird, weil die Bereiche Arbeit und Leben ungenau definiert und nicht auf gleicher Ebene wiederzufinden sind. Es wird dabei der Arbeitsbereich als Teil des gesamten Lebens interpretiert. Die Balance der überschneidenden Bereiche ist ein andauernder Prozess. Die Veröffentlichungsjahre der Quellen über verschiedene Definitionen der Work-Life-Balance zeigen die Aktualität der Thematik im gegenwärtigen Kontext.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Modelle zur Work-Life-Balance
2.1 Das Lebensmodell
2.2 Das Heuristische Modell der vier Tätigkeitsdimensionen
3. Die Filmfigur als Forschungsgegenstand
3.1 Der Film „Ein ganzes halbes Jahr“
3.2 Die Protagonistin „Louisa Clark“
4. Modelle zur Work-Life-Balance anhand der Protagonistin „Louisa Clark“
4.1 Die Anwendung vom Lebensmodell
4.2 Die Anwendung vom Heuristischen Modell
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
7. Abbildungsverzeichnis
8. Filmverzeichnis
1. Einleitung
Die Work-Life-Balance bekommt im gegenwärtigen Alltag immer mehr Bedeutung, weil durch den Drang nach Erfolg im Arbeitsbereich andere Lebensbereiche vernachlässigt werden. So entsteht eine Unzufriedenheit beim Individuum, die nur durch Veränderungen im eigenen Verhalten aufgehoben werden kann (vgl. Schmidt-Lellek 2009: 157). Der Begriff wird auf verschiedenste Weise definiert. Manche Autor*innen wie Bettina Spangler im Werk „Work Life Balance“ von 2004, stellen den Begriff als Balance zwischen dem beruflichen und privaten Lebensbereich dar, bei der eine selbstbestimmte Handlungsweise für ein Gleichgewicht verlangt wird. Die Zeit rückt dabei in den Hintergrund, da es mehr um die eigene Einstellung, als um die Verringerung der Arbeitsstunden geht (vgl. Work Life Balance Expert Group 2004: 16, 21). In anderen Werken wie in „30 Minuten Work-Life-Balance“ von 2016 führt der Autor Lothar Seiwert ein Zeitmodell an, sodass die Balance durch die prozentuale Gewichtung der verschiedenen Lebensbereiche anhand der zeitlichen Investition gemessen wird (vgl. Seiwert 2016: 22f.). Eine dritte Erklärung liefert Christoph J. Schmidt-Lellek aus dem Werk „Praxeologie des Coachings“ von 2009, bei der die Bezeichnung des Begriffs Work-Life-Balance kritisiert wird, weil die Bereiche „Arbeit“ und „Leben“ ungenau definiert und nicht auf gleicher Ebene wiederzufinden sind. Es wird dabei der Arbeitsbereich als Teil des gesamten Lebens interpretiert. Die Balance der überschneidenden Bereiche ist ein andauernder Prozess (vgl. Schmidt-Lellek 2009: 159f.). Die Veröffentlichungsjahre der Quellen über verschiedene Definitionen der Work-Life-Balance zeigen die Aktualität der Thematik im gegenwärtigen Kontext.
Insgesamt zielen alle Definitionen auf das gleiche zentrale Problem ab: Wie erreicht man seine individuelle Work-Life-Balance? – Um diese Frage zu klären, werden in dieser Hausarbeit verschiedene Modelle zum Erreichen der Balance angeführt. Des Weiteren werden diese Modelle auf die Protagonistin „Louisa Clark“ aus dem Film „Ein ganzes halbes Jahr“ von 2016 übertragen, um deren Anwendbarkeit zu testen. Dieser Film eignet sich besonders gut für die Thematik, weil die ausgewählte Filmfigur im Laufe des Filmes durch verändernde Entscheidungen ihre Lebensbalance erlangt.
2. Modelle zur Work-Life-Balance
Bei der richtigen Balance zwischen der Erwerbstätigkeit und dem Leben ist der Bereich der Zeiteinteilung ebenso wichtig wie Sicherung von Erholungsphasen. Eine Studie von 2003 der Forscher Greenhaus, Collins und Saw hat unter 350 Erwerbstätigen, den Einfluss des relativen zeitlichen Involvements in den individuellen Lebensbereichen erforscht. „Die Ergebnisse zeigen, dass das Ausmaß der Balance keine Bedeutung für die selbstberichtete Lebensqualität hatte.“(Ulich, Wiese 2011: 40). So kann ein Individuum, trotz zeitweisem Überwiegen eines Lebensbereichs, ein ausgeglichenes Leben führen. Die zeitliche Gewichtung der Bereiche gestaltet sich individuell und der persönlichen Zufriedenheit angepasst (vgl. Ulich, Wiese 2011: 40f.). Wenn jedoch ein Ungleichgewicht im Leben eines Individuums vorhanden ist, werden Work-Life-Balance Modelle zu dessen Erklärung angeführt. Außerdem dienen sie der Hilfestellung und Richtlinie zum (Wieder-)Aufbau einer entsprechenden Balance.
Mit Modellen zur Work-Life-Balance beschäftigen sich zum einen die Sozial- und Geisteswissenschaften, weil die Ausgeglichenheit von Individuen bei dem Einzelnen sowie in der Gesellschaft gemessen werden kann. Je nachdem wie ausbalanciert das Leben von einem Individuum ist, wird sein Handeln in der Gesellschaft beeinflusst. Beispielsweise wenn die meiste Energie für den Arbeitsbereich genutzt wird, fehlen diese Ressourcen im Bereich der Familie und des Freundeskreises. Daraus resultiert eine sozialschwächere Bindung an andere Individuen im privaten Umfeld und es entsteht eine Dysbalance. Zum anderen nutzen wirtschaftsorientierte Forscher*innen den Begriff der Work-Life-Balance immer mehr für sich, da daraus wirtschaftliche Erfolge beziehungsweise Misserfolge abgeleitet werden können. Darüber hinaus wird die individuelle Entscheidungsfreiheit, durch die immer vielfältiger werdenden Möglichkeiten in der Arbeitswelt, zur Belastung. Die allgemeinverbindlichen Wertorientierungen bieten dem Individuum folglich keine Sicherheit mehr. So rückt der Wunsch nach einer Work-Life-Balance mehr in Fokus und bildet eine Thematik, die ihren Schwerpunkt in der Kombination aus Arbeits- und Lebensbereich setzt (vgl. Schmidt-Lellek 2009: 157f.).
Im Folgenden werden zwei verschiedene Modelle der Work-Life-Balance angeführt, um die Variation in diesem Themenfeld deutlich zu machen.
2.1 Das Lebensmodell
Die Grundannahme des Lebensmodells der Work Life Balance Expert Group ist, dass die Work-Life-Balance keine universalen Handlungsweisen benötigt, sondern einen individuellen Prozess voraussetzt. Bei jedem Individuum setzt das Modell in verschiedensten Lebensbereichen an und muss somit unterschiedlich behandelt werden.
Ein Ungleichgewicht herrscht meistens, wenn die nützlichen Maßnahmen erkannt aber nicht umgesetzt werden. Das Lebensmodell soll daher die Lebensbereiche aufzeigen, in denen eine neue Handlungsweise nötig ist, um eine Work-Life-Balance zu erreichen (vgl. Work Life Balance Expert Group 2004: 7).
Das Schaubild des Lebensmodells (Abbildung 2.1) zeigt ein Individuum, das „Ich“, das auf einem Balance-Balken steht und durch den Einfluss der sechs Lebensbereiche, sowie der Anforderungen und Ressourcen an sich selbst und von außen versucht, eine Lebensbalance zu erreichen. Die Balance besteht hierbei zwischen dem Beruf und dem Privatem, sodass diese beiden Felder getrennt voneinander betrachtet werden. Zur Herstellung des Gleichgewichts muss das Individuum die eigenen Stärken und Schwächen erkennen und akzeptieren, sowie die Stärken und Schwächen der Individuen in seinem Umfeld respektieren. Daraus folgt die Kraft und Energie für eine erfolgreiche Lebensführung und eine innere Ausgeglichenheit. Ein weiterer Einflussfaktor ist eine selbstkritische Sicht auf die eigenen Verhaltensweisen und Entscheidungen, die stetig hinterfragt werden müssen. So können gegebenenfalls Korrekturen vorgenommen werden, um eine Lebensbalance zu erhalten. Das häufigste Problem bei einer fehlenden Lebensbalance ist die Unterdrückung eigener Bedürfnisse (ebd.: 16ff.).
Das „Ich“ stellt die Leitzentrale dar, in der alle Entscheidungen des Individuums rational getroffen werden. Die physische Interaktion mit der Außenwelt wird durch den Kopf des Individuums bestimmt. Es besitzt sieben Funktionen: Hören, Ordnen, Moderieren, Kontrollieren, Entwickeln, miteinander vereinbaren und authentisch bleiben, die dafür sorgen, dass alle Lebensbereiche wahrgenommen und bei Entscheidungen nach individuellen Prioritäten beachtet werden. Der Balken, der vom Individuum ausbalanciert werden muss, wird auf der einen Seite von den Anforderungen und auf der anderen Seite von Ressourcen geprägt. Die Anforderungen hat das Individuum an sich selbst, jedoch werden sie gleichermaßen von anderen Individuen gestellt. Die Anforderungen der Umwelt müssen mit den persönlichen Bedürfnissen abgeglichen werden, damit sich das Individuum seiner Verhaltensweise treu bleibt. Die Ressourcen stellen alle Mittel dar, die dem Individuum in seinem Handeln zur Verfügung stehen (vgl. Work Life Balance Expert Group 2004: 19ff.).
Die sechs Lebensbereiche des Individuums, die die Work-Life-Balance beeinflussen sind folgende: Beziehungen und Partnerschaft, Leistung und Arbeit, Sinn und Werte, Körper und Gesundheit, Handlungskompetenz sowie Kultur und Umfeld. Es wird auf Basis der Lebensbereiche intuitiv gehandelt und das limbische System im Kopf gesteuert. Außerdem wird ausschließlich die qualitative Leistung in den Lebensbereichen gemessen, sodass die Zeit in Form von Quantität eine untergeordnete Rolle spielt (ebd.: 21).
Der erste Bereich „Beziehungen und Partnerschaft“ repräsentiert alle sozialen Beziehungen eines Individuums und bietet den Ausgangspunkt für alle weiteren Lebensbereiche, weil die Interaktion mit Individuen für viele Ziele als Voraussetzung gilt. Die Überschneidung der Bereiche lässt sich an folgendem Beispiel darstellen: Wenn ein Individuum eine glückliche Partnerschaft führt und ein intaktes Familienleben besitzt, dann wird es auf der Arbeit eine bessere Arbeit leisten, als wenn die sozialen Beziehungen instabil sind. Somit sind die Beziehungen eines Individuums ebenfalls ein wirtschaftlicher Faktor (ebd.: 22, 34). Die „Leistung und Arbeit“ eines Individuums umfasst den gesamten Arbeitsbereich, in Form von der Arbeitsstelle, der Arbeitsweise sowie den Arbeitsbedingungen. Ein zufriedenstellender Job sorgt dabei für Selbstsicherheit und Selbstvertrauen. Außerdem ist das Streben nach Erfolg ein wirtschaftlich wertvoller Faktor, kann aber für die Work-Life-Balance des Individuums einen schlechten Einfluss haben, in dem die anderen Lebensbereiche für das Erreichen des Arbeitsziels vernachlässigt werden (ebd.: 58f.).
Der dritte Lebensbereich meint „Sinn und Werte“, die dem Individuum die Motivation zum Handeln geben. Dabei wird ein persönliches Lebensmotiv gebildet, für das kein übergeordnet gültiger Weg existiert. Die Bildung eines Lebensmotivs ist folglich individuell und auf den Einzelnen angepasst. Für eine erfolgreiche Lebensgestaltung sind Kompetenzen in Form von Selbstreflexion, Eigenaktivität und Ressourcenmanagement wichtig. So kann das Individuum seine eigenen Wertvorstellungen reflektieren und daraufhin anpassen. Dafür muss es regelmäßig aktiv sein und Tätigkeiten ausführen, sowie die gegebenen Ressourcen passend für sich nutzen (vgl. Work Life Balance Expert Group 2004: 22, 82f.). „Körper und Gesundheit“ sind ein weiterer Lebensbereich, in dem die individuell körperlichen und gesundheitlichen Bedürfnisse eines Individuums betrachtet werden. Ein gesunder Zustand wird von Individuen als selbstverständlich vorausgesetzt, und erst wertgeschätzt, wenn er nicht mehr vorhanden ist. Auslöser für einen ungesunden Zustand können permanenter Stress oder Probleme in zwischenmenschlichen Interaktionen sein. Wenn die körperlichen und gesundheitlichen Bedürfnisse des Individuums nicht erfüllt sind, kann das zu einem Verlust der inneren Balance führen. Um die eigene Lebensqualität zu verbessern, benötigt es ein Zusammenspiel aus verschiedenen Felder, wie gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung sowie Erholung (ebd.: 22, 112f.).
Der fünfte Bereich ist die „Handlungskompetenz“ und meint die Fähigkeiten des Individuums zur Umsetzung von Denk- und Verhaltensweisen. Diese Kompetenzen werden im Laufe des Lebens durch verschiedene Erlebnisse und Ereignisse erlangt. Um die individuellen Fähigkeiten auszuschöpfen, wird zudem ein ausgewogenes Selbstmanagement verlangt (ebd.: 22f.). „Kultur und Umfeld“ sind der letzte Lebensbereich, der auf die Work-Life-Balance eines Individuums Einfluss hat. Anders herum ist diese Balance nie unabhängig vom Umfeld des Individuums zu betrachten, weil dadurch in verschiedensten Situationen der Verlauf beeinflusst wird. Als Beispiel dafür gilt die Aufgabe einer Führungsposition im beruflichen wie auch im privaten Kontext als Erweiterung des Selbstmanagements. Die Entwicklung der Fähigkeit und persönlichen Identität in Führungssituationen, ist ohne die Einwirkung von anderen Individuen nicht möglich (ebd.: 23).
Der Kopf, repräsentiert vom „Ich“, und der Bauch, repräsentiert von den sechs Lebensbereichen, stehen in einer Wechselwirkung zueinander. Beide Steuerzentralen des Individuums müssen zusammenarbeiten um eine innere Balance zu erreichen (ebd.: 21).
2.2 Das Heuristische Modell der vier Tätigkeitsdimensionen
Das heuristische Modell basiert auf den Erkenntnissen des Philosophen Martin Seel von 1999 über die „vier idealtypisch unterschiedenen Dimensionen gelingender Praxis“(Schmidt-Lellek 2009: 161). Die vier Dimensionen Arbeit, Interaktion, Spiel sowie Betrachtung und Kontemplation wurden dabei in ihrem Zusammenhang als Work-Life-Balance Modell neu interpretiert. Das Ziel dabei ist ein gelingendes Leben durch eine individuelle Gewichtung der vier Dimensionen zu erreichen, sodass gegebenenfalls zu wenig entwickelte Lebensbereiche mit dem Modell bewusst gemacht werden. Darüber hinaus ist die individuelle Gewichtung kulturell und biographisch abhängig. Trotzdem gilt ein Zugang zu allen vier Dimensionen im Alltag als Voraussetzung für ein individuelles Gleichgewicht (vgl. Schmidt-Lellek 2009: 161). Im anschließenden Schaubild (Abbildung 2.2) ist das heuristische Modell visualisiert. Die vier Tätigkeitsdimensionen befinden sich auf einem Balance-Kreuz, welches in alle vier Richtungen auf individuelle Weise gewichtet werden kann.
Die Tätigkeitsdimensionen Arbeit und Interaktion stellen das zielorientierte Handeln dar. Die Arbeit meint den Prozess, eine Arbeitsanweisung zu erhalten und diese auszuführen. Dabei werden erworbene Fähigkeiten und Kenntnisse zum Teil nicht mehr als Arbeit wahrgenommen, wenn sie sich in der Verhaltensweise gefestigt haben. Das kann zum Beispiel im beruflichen Kontext das Einsortieren von Akten sein, wobei man den Arbeitsablauf regelmäßig wiederholt und somit beim erneuten Wiederholen routiniert handelt. Die gelingende Arbeit erfordert eine Form von Autonomie, wobei sich das Individuum bewusst machen muss, wie man das Arbeitsziel auf einem für sich angenehmen Weg erreicht. Die Gefahr dabei besteht in dem Moment, wenn die Arbeit vollzogen wurde und keine weiteren Aufgaben existieren, mit der sich das Individuum beschäftigen kann. Dann erfolgt ein Zustand, in dem das Individuum keine Aufgabe mehr besitzt, die dem Leben eine Sinnhaftigkeit gibt. Dieser Zustand kann zum Beispiel eintreten, wenn ein Individuum in den Ruhestand geht. Dabei fällt der Arbeitsbereich weg, und es müssen andere Lebensbereiche ausgebaut werden, damit kein Ungleichgewicht entsteht. Folglich müssen die anderen Tätigkeits- und Lebensdimensionen ebenfalls in den Lebensalltag integriert werden (vgl. Schmidt-Lellek 2009: 162).
Die zweite Dimension ist die Interaktion mit Anderen, bei der das Individuum mit seinem Gegenüber in Kontakt tritt. Es wird in zwei Arten von Interaktion unterschieden: Bei der strategischen Art der Interaktion wird das andere Individuum als Objekt zum Erreichen der eigenen Ziele gesehen. So findet zum Beispiel ein schriftlicher Austausch zwischen zwei Arbeitskolleg*innen über ein zukünftiges Projekt nur statt, um die Rahmenbedingungen für den Projektstart festzulegen. Die dialogische Interaktion erfordert hingegen eine wechselseitige Offenheit, sodass das einzelne Individuum nicht nur für den eigenen Zweck handelt. Hierbei kann es um einen privaten Austausch über vergangene Erlebnisse gehen, der auf gegenseitigem Interesse beruht. Diese Art hat außerdem eine zentrale Stellung in einem gelingenden Leben, weil die wechselseitige Anerkennung von Individuen untereinander die personale Identität weiterentwickelt und vorantreibt (vgl. Schmidt-Lellek 2009: 162f.).
Die weiteren Dimensionen Spiel sowie Betrachtung und Kontemplation stehen, im Gegensatz zu den ersten beiden, für vollzugsorientierte Handlungen. Sie tragen ihren Zweck in sich selbst, sodass äußere Einwirkungen in Form von Zielen irrelevant sind. Folglich ist „die Gegenwärtigkeit des eigenen Lebens stärker erfahrbar“(Schmidt-Lellek 2009: 163). Der Tätigkeitsbereich Spiel wird durch einen spielerischen Zugang zur Wirklichkeit geprägt und ist ein Ausdruck für die Freiheit des Individuums. Es gibt sich vollständig dem Geschehen des Spiels im Augenblick hin und erfährt nebenbei die Welt auf eine neue Weise. Die Art des Spiels fordert keine besonderen Ziele und Zwecke, und lässt einen offenen Raum für freie Bewegungen der Fantasie und Kreativität. Das hat zur Folge, dass die Situation sowie der Spielpartner unberechenbare Elemente darstellen, die einen nicht planbaren Verlauf produzieren. Als Beispiele für diese Dimension können Freizeitaktivitäten wie Mannschafts- und Gesellschaftsspiele, Tanzen, Wandern, Theater- sowie Musikspiel angeführt werden. Das Spielen kann durch die Instrumentalisierung von externen Zwecken gefährdet werden, sodass der freizeitliche Sinn verloren geht. Eine weitere Gefahrenquelle bietet das Spiel auf Dauer, wobei die Spieldynamiken nicht mehr mit den sozialen Verbindlichkeiten übereinstimmen und eine Spielleidenschaft zur Spielsucht werden kann. Beide Gefahren können in einem Ungleichgewicht für die Work-Life-Balance enden (vgl. Schmidt-Lellek 2009: 163f.).
Die vierte und letzte Dimension ist die Betrachtung und Kontemplation, bei der kein Gegenüber benötigt wird und somit keine dialogische Auseinandersetzung stattfindet. Es wird dabei ebenfalls zum Selbstzweck gehandelt. Der Begriff der Betrachtung umfasst alle Sinne des Individuums, also den visuellen sowie alle anderen Sinne, wie Hören, Sehen, Riechen, Schmecken und Fühlen. Allesamt dienen der Beobachtung eines Gegenstands oder einer Situation. Durch die Ausübung der Betrachtung, herrscht eine radikale Distanz zu den Belangen und Sorgen der Alltagswelt. Als Beispiel für diesen Tätigkeitsbereich zählt das Hören einer Musik oder das Betrachten eines Bildes. Der Betrachtungszustand kann insoweit gefährdet werden, wenn er als Flucht aus der Realität genutzt wird und die anderen drei Lebensbereiche dabei vernachlässigt werden (vgl. Schmidt-Lellek 2009: 165).
Das heuristische Modell zur Darstellung der vier Tätigkeitsdimensionen Arbeit, Interaktion, Spiel, sowie Betrachtung und Kontemplation, die sich alle überschneiden, dient dem Erlangen einer gelingenden Lebensbalance. Keine Dimension darf im Lebensalltag eines Individuums fehlen, unterentwickelt sein oder dominieren (ebd.: 165).
3. Die Filmfigur als Forschungsgegenstand
Als Forschungsgegenstand für die Work-Life-Balance Modelle wird eine Filmfigur herangezogen. Dafür wird zuerst der Film „Ein ganzes halbes Jahr“ beschrieben, und im Nachhinein die Filmfigur „Louisa Clark“ genauer beleuchtet.
3.1 Der Film „Ein ganzes halbes Jahr“
Im Jahre 2016 wurde der Film Me Before You“, auf Deutsch „Ein ganzes halbes Jahr“, veröffentlicht und basiert auf dem gleichnamigen Buch der britischen Schriftstellerin Jojo Moyes. Er erzählt die Geschichte einer jungen Frau namens „Louisa Clark“, die durch mehrere Zufälle eine Arbeitsstelle erhält, die ihr Leben sowie ihre Lebenseinstellung verändert. Zu diesem Wandel trägt ganz besonders der zweite Hauptdarsteller Sam Claflin als die Figur „William Trainor“ bei, der hierbei die Rolle des schwer behinderten jungen Mannes einnimmt, den sie pflegen soll. Im Folgenden werden zur Beschreibung des Filmverlaufs die Spitznamen Lou und Will, die sich im Film wiederfinden, für die beiden Hauptdarsteller verwendet.
Der Film startet mit einem Rückblick zu dem Zeitpunkt, an dem der sportliche Will sich morgens auf den Weg zur Arbeit macht. Gestresst läuft er durch den Regen und übersieht beim Überqueren der Straße ein herannahendes Motorrad, das ihn daraufhin erfasst (vgl. Sharrock 2016: 01:57 Min.). Im Anschluss daran wird das gegenwärtige Leben von Lou dargestellt, die in einem Café in einer englischen Kleinstadt arbeitet. Zu Ladenschluss wird sie jedoch gekündigt, weil das Café finanzielle Probleme hat (ebd.: 03:24 Min.). Am Abend sitzt Lou mit ihrer Familie am Esstisch und diskutiert über ihren Jobverlust. Sie wohnt noch zu Hause und unterstützt mit ihrem verdienten Geld ihre Familie, weil ihr Vater derzeit arbeitslos ist und die Mutter durch die Pflege des dementen Opas keinen Job ausüben kann. Lou versucht im Jobcenter eine neue Arbeitsstelle vermittelt zu bekommen.
Ihr wird als letzter Ausweg eine Arbeitsstelle in der Pflege angeboten (vgl. Sharrock 2016: 05:30 Min.). Obwohl sie keine Erfahrung in diesem Bereich hat, geht sie zu dem Bewerbungsgespräch, weil der Arbeitsmarkt limitiert ist. Es findet auf einem großen Anwesen statt, zu dem auch die alte Burg gehört, die das Wahrzeichen der Kleinstadt bildet. Die dort lebende Familie hat einen besonderen Ruf bei den Einwohnern der Stadt. Sie gelten als arrogant und unnahbar, weshalb Lou sich versucht sehr schick anzuziehen und einen guten Eindruck zu machen. Das Bewerbungsgespräch findet mit der Hausherrin Pamela Trainor statt. Sie reden über die Krankheit Tetraplegie und Lou stellt überraschenderweise fest, dass es sich bei der Pflegearbeit nicht um den Mann von Pamela Trainor, sondern um Will, den Sohn der Familie handelt. Tetraplegie ist eine Form der Querschnittslähmung, bei der beide Beine sowie Arme betroffen sind. Lou überzeugt, trotz nicht vorhandener Vorkenntnisse über den Job als Pflegerin oder über die Krankheit, durch ihre offene und fröhliche Art. Pamela macht Lou und Will miteinander bekannt, wobei er ihr auf unfreundliche Weise deutlich macht, dass er keine Pflegerin haben will (ebd.: 11:00 Min.).
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- Arbeit zitieren
- Annkatrin Falke (Autor:in), 2019, Modelle der Work-Life-Balance im Film "Ein ganzes halbes Jahr". Das Lebensmodell und das Heuristische Modell der vier Tätigkeitsdimensionen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/591669
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