Die fortschreitende Globalisierung erhöht durch die Erweiterung der Märkte und der Zunahme ausländischer Konkurrenz auch für dt. Unternehmen die Notwendigkeit, verstärkt auf fremden Märkten tätig zu sein. Dies steigert den Bedarf an geeignetem Personal in den Unternehmen. Zum einen werden qualifizierte Führungskräfte (FK) gebraucht, die in den lokalen Niederlassungen vor Ort als Vertreter der Muttergesellschaft tätig sind, zum anderen werden auch im Stammhaus international erfahrene Manager benötigt, die mit nötigen Weitblick und einer weltoffenen Geisteshaltung die weltweiten Geschäfte planen und koordinieren. Für beide Anliegen ist die Entsendung ein adäquates Mittel. Sie kann sowohl der Kontrolle und Koordination der Tochter wie auch zunehmend als Entwicklungsmaßnahme für angehende Topmanager dienen, für die in immer mehr Unternehmen die internationale Erfahrung als Kriterium für eine Beförderung vorausgesetzt wird. Eine Entsendung kann folglich einen wichtigen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten, verursacht aber auch nicht zu unterschätzende Kosten: bis der Entsandte im Gastland ist, fallen Auswahl- und Vorbereitungskosten an und die Ausgaben vor Ort können leicht das 2-3fache des bisherigen Jahresgehaltes ausmachen.4Das Scheitern der Entsendung kann wesentlich teurer werden: neben dem Verlust des bisher bezahlten Auslandsgehalts und der Zusatzkosten, kann der immaterielle Schaden durch das Verlieren von Image, Kunden oder Marktanteilen vor Ort sowie der möglichen Kündigung des betroffenen Managers weit schwerer wiegen. Außer der vorzeitigen Rückkehr kann sich auch das Verbleiben des unzufriedenen Entsandten im Gastland negativ für die Firma auswirken, wenn dieser aufgrund seiner unzureichenden, wenig motivierten Leistung Markt-/Umsatzchancen im Gastland ungenutzt verstreichen läßt.Daher sollten die Unternehmen eigentlich ein großes Interesse an der erfolgreichen Durchführung einer Entsendung haben. Dennoch ist der Fach-und Forschungsliteratur zu entnehmen, daß bereits der adäquaten Auswahl geeigneter Kandidaten meistens nicht die notwendige Relevanz eingeräumt wird. Entsandte werden weiterhin häufig noch nach Verfügbarkeit oder fachlicher Kompetenz ausgewählt, wobei völlig außer acht gelassen wird, daß die meisten Entsendungen nicht an fachlichem Kompetenzmangel scheitern, sondern vor allem an einer unzureichenden Anpassung des Entsandten oder seiner Familie an das Leben und Arbeiten im kulturell unterschiedlichen Gastland.[...]
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Anmerkungen
1 Einleitung
1.1 Zentrale Fragestellungen
1.2 Begründung für Konzentration auf Führungskräfte, deren Auswahl und Anpassung
1.3 Vorgehensweise
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Entsendung von Führungskräften - Motive, Strategien und weitere maßgebliche Einflußfaktoren
2.1.1 Motive f ü r Entsendungen
2.1.2 Entsendungsbeeinflussende Rahmenbedingungen
2.2 Qualifikationsprofil internationaler Führungskräfte
2.3 Interkulturelle Anpassung
2.4 Auslandserfolg und -mißerfolg
2.4.1 Die Erfolgskriterien der interkulturellen Managementforschung
2.4.2 Erfolgskriterien und -beurteilung in der Realit ä t der Unternehmen
2.5 Kulturvergleichende Managementforschung
2.6 Fähigkeiten und Fertigkeiten
3 Erstellung des anpassungsrelevanten Profils
3.1 Auswahl der Einflußfaktoren und Gliederung des Profils
3.1.1 Kriterien f ü r die Auswahl der Pr ä diktoren
3.1.2 Entwicklung der Gliederung 39
3.2 Darstellung der Individualfaktoren
3.2.1 Individualfaktoren - pers ö nlichkeitsbedingt
3.2.2 Individualfaktoren - erfahrungsbedingt
4 Begegnung des Profils mit der französischen Kultur
4.1 Kulturelle Besonderheiten Frankreichs
4.1.1 Wesentliche Einflu ß faktoren auf Wirtschaft Frankreichs
4.1.2 Argumente f ü r und gegen eine Angleichung des deutschen und
franz ö sischen Wirtschaftsstils
4.2 Anpassung des Profils an französische Gegebenheiten
4.2.1 Individualfaktoren - pers ö nlichkeitsbedingt
4.2.2 Individualfaktoren - erfahrungsbedingt
5 Fazit / Ausblick
5.1 Zentrale Ergebnisse
5.2 Kritische Stellungnahme
5.3 Aussicht
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Übersicht über zentrale Fragestellungen
Abbildung 2: Herleitung und Inhalt des Anforderungsprofils
Abbildung 3: U-Kurve der Anpassung nach Oberg
Abbildung 4: Arten der Anpassung nach Berry
Abbildung 5: Hypothetisches Modell von Harrison & Shaffer
Abbildung 6: Endgültiges Modell von Harrison & Shaffer
Abbildung 7: Schichtenmodell der Umweltberücksichtigung nach Dülfer
Abbildung 8: Entwicklung der Gliederung
Abbildung 9: Gliederungsschema des Profils
Abbildung 10: Modell der Motivationsfaktoren nach Marr & Schmölz
Abbildung 11: Aktualisiertes Anforderungsprofil
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anmerkungen
1) Mein Dank gilt allen, die mich durch ihre wertvollen Hinweise, ihren unverbrüchlichen Glauben, ihre unverzichtbare Hilfe durch Kulinarisches und aufmunternde Worte oder auf andere helfende Art und Weise bei der Erstellung dieser Arbeit unterstützt haben.
2) Wenn im Text der männliche Begriff „Entsandter“, „Manager“ oder andere männliche Bezeichnungen verwendet werden, sind immer auch die weiblichen Vertreter des jeweiligen Berufs/Begriffs inbegriffen. Wenn über einen nur für Frauen relevanten Sachverhalt geschrieben wird, wird explizit die weibliche Form des Begriffs benutzt.
3) Sollten sich hinter einer Literaturangabe in einer Fußnote keine Seitenzahlen finden, so liegt dies daran, daß die Studie nur in der Internet-Version verfügbar war und ohne Seitenzahlen veröffentlich wurde, oder sich im Text auf die Studie als ganzes bezogen wird.
4) Verweise auf andere Kapitel werden mit (s. Kapitelnummer) gekennzeichnet. Bei (s.u.) und (s.o.) wird immer auf einen Sachverhalt im gleichen Abschnitt verwiesen.
5) Da ich hinter diesem Werk stehe und viel Energie und Herzblut in diese Arbeit gesteckt habe, wird darauf verzichtet, die Verwendung des Wörtchens „ich“ durch die Nutzung der dritten Person (bspw. der Autor / der Verfasser) oder durch umständliche Formulierungen zu umgehen.
6) Diese Arbeit wurde nach den Regeln der „alten“ deutschen Rechtschreibung verfaßt. Bis zur endgültigen Klärung dieses Dauerstreits macht es m. M. nach keinen Sinn, Regeln anzuwenden, die sich jederzeit wieder ändern können.
1 Einleitung
“ Im Ausland erfolgreich zu arbeiten, ist wesentlich schwerer als im eigenen Land. ” 1
Die fortschreitende Globalisierung erhöht durch die Erweiterung der Märkte und der Zunahme ausländischer Konkurrenz auch für dt. Unternehmen die Notwendigkeit, verstärkt auf fremden Märkten tätig zu sein. Dies steigert den Bedarf an geeignetem Personal in den Unternehmen. Zum einen werden qualifizierte Führungskräfte (FK) gebraucht, die in den lokalen Niederlassungen vor Ort als Vertreter der Muttergesellschaft2 tätig sind, zum anderen werden auch im Stammhaus international erfahrene Manager benötigt, die mit nötigen Weitblick und einer weltoffenen Geisteshaltung die weltweiten Geschäfte planen und koordinieren. Für beide Anliegen ist die Entsendung ein adäquates Mittel. Sie kann sowohl der Kontrolle und Koordination der Tochter wie auch zunehmend als Entwicklungsmaßnahme für angehende Topmanager dienen, für die in immer mehr Unternehmen die internationale Erfahrung als Kriterium für eine Beförderung vorausgesetzt wird.3
Eine Entsendung kann folglich einen wichtigen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten, verursacht aber auch nicht zu unterschätzende Kosten: bis der Entsandte im Gastland ist, fallen Auswahl- und Vorbereitungskosten an und die Ausgaben vor Ort können leicht das 2-3fache des bisherigen Jahresgehaltes ausmachen.4 Das Scheitern der Entsendung kann wesentlich teurer werden: neben dem Verlust des bisher bezahlten Auslandsgehalts und der Zusatzkosten, kann der immaterielle Schaden durch das Verlieren von Image, Kunden oder Marktanteilen vor Ort sowie der möglichen Kündigung des betroffenen Managers weit schwerer wiegen. Außer der vorzeitigen Rückkehr kann sich auch das Verbleiben des unzufriedenen Entsandten im Gastland negativ für die Firma auswirken, wenn dieser aufgrund seiner unzureichenden, wenig motivierten Leistung Markt-/Umsatzchancen im Gastland ungenutzt verstreichen läßt.5
Daher sollten die Unternehmen eigentlich ein großes Interesse an der erfolgreichen Durchführung einer Entsendung haben. Dennoch ist der Fach- und Forschungsliteratur zu entnehmen, daß bereits der adäquaten Auswahl geeigneter Kandidaten meistens nicht die notwendige Relevanz eingeräumt wird. Entsandte werden weiterhin häufig noch nach Verfügbarkeit oder fachlicher Kompetenz ausgewählt6, wobei völlig außer acht gelassen wird, daß die meisten Entsendungen nicht an fachlichem Kompetenzmangel scheitern, sondern vor allem an einer unzureichenden Anpassung des Entsandten oder seiner Familie an das Leben und Arbeiten im kulturell unterschiedlichen Gastland.
Die interkulturelle Management-Forschung (IMF) fordert anhand der Ergebnisse von Studien zu Einflußfaktoren des Entsendungserfolges eine stärkere Berücksichtigung interkultureller Fähigkeiten und weiterer individueller Merkmale eines Entsandten, die bereits bei der Auswahl des Kandidaten aufgrund ihrer jeweiligen Ausprägung darauf schließen lassen, ob der Anpassungsprozeß im Gastland erfolgreich verlaufen wird. Die wichtigsten dieser individuellen Prädiktoren7 sollen in dieser Arbeit in einem „Profil“ zusammengefaßt und samt ihrer Auswirkungen auf die Anpassung dargestellt werden, damit sie in übersichtlicher Form auch für die Unternehmenspraxis eine nützliche Anregung sein können.
Je nach Landeskultur sollten diese Prädiktoren bei der Auswahl eine spezifische Ausprägung haben, damit sie bei der anschließenden lokalen Anpassung unterstützend wirken können. Diese Ausprägungen gilt es anhand einer intensiven Beschäftigung mit der Kultur des Gastlandes herauszuarbeiten. Dieser Prozeß wird im zweiten Teil der Arbeit am Beispiel Frankreichs durchgeführt.
Als Länderbeispiel wurde Frankreich gewählt, weil es einerseits Deutschlands wichtigster Handelspartner ist und für den dt. Export eine ebenso große Rolle wie Japan und USA zusammengenommen spielt8. Andererseits treten wegen der häufig fälschlicherweise getroffenen Annahme der kulturellen Ähnlichkeit gerade in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Angehörigen beider Länder verstärkt Mißverständnisse auf. Auf die dafür mitverantwortlichen kulturellen Eigenheiten Frankreichs und deren Auswirkungen auf die Anpassung von dt. Führungskräften in Frankreich nimmt diese Arbeit Bezug und will die Aufmerksamkeit der Personalverantwortlichen hierfür schärfen, damit die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Entsendung nach Frankreich erhöht werden kann.
1.1 Zentrale Fragestellungen
Gegenstand der Arbeit ist eine Analyse und Beschreibung wichtiger individueller Einflußfaktoren auf den Anpassungsprozeß von Führungskräften in fremden Ländern; im zweiten Hauptteil erfolgt eine Fokussierung auf diejenigen Ausprägungen der gefundenen Faktoren, die besonders hilfreich für eine bessere Anpassung an die französische Kultur mit ihren speziellen Arbeits- und Lebensbedingungen sind. Dazu sollen folgende Fragen beantwortet werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Übersicht über zentrale Fragestellungen (eigene Darstellung)
Frage 1: Was macht einen erfolgreichen Auslandseinsatz aus? Welche Kriterien werden zur Beurteilung des Entsendungserfolges benutzt?
Frage 2: Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Anpassung und dem Entsendungserfolg?
Frage 3: Welche persönlichen Prädiktoren9 erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Anpassungsprozeßes eines Entsandten? Wie wirken sie sich auf die Anpassung aus?
Frage 4: Welche Ausprägung dieser gefundenen Prädiktoren ist für eine
Anpassung in Frankreich besonders vorteilhaft bzw. erleichtern den Umgang mit den fr. kulturellen Besonderheiten?
1.2 Begründung für Konzentration auf Führungskräfte, deren Auswahl und Anpassung
Die Beschränkung der Untersuchung auf die Anpassung von Führungskräften ist bewußt gewählt: zwar kommen Auslandsaufenthalte auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen vor, allerdings unterscheidet sich die berufliche Entsendung davon in folgenden Aspekten, welche die Anpassung zusätzlich erschweren können: ein ausländisches Unternehmen mit seiner landesspezifisch geprägten Unternehmenskultur und -struktur stellt eine besondere Herausforderung dar, die Erfüllung des Entsendungsauftrags schafft einen hohen Erwartungsdruck und durch die meist von oben getroffene Entscheidung zur Entsendung in ein bestimmtes Land ist die Affinität zum künftigen Gastland oft geringer als bei Studenten oder Wissenschaftlern, die sich ihr Gastland eher selbst wählen können.10
Beruflich lassen sich verschiedene Gruppen von Entsandten ausmachen: Spezialisten, normale Angestellte und Führungskräfte. Während die beiden ersten Gruppen auch im Ausland weitestgehend ihre bisherige Arbeit fortsetzen, geht die Entsendung letzterer oft mit einer Erweiterung ihrer Zuständigkeitsbereiche und der Entscheidungsautonomie einher, was mehr Anpassungsleistung erfordert. Neben den für alle Gruppen notwendigen Faktoren für eine erfolgreiche Anpassung kommen für die Führungskräfte deshalb zusätzliche Einflüsse hinzu, die bei einer umfassenden Analyse nicht außer acht gelassen werden sollten. Auch belegen viele Studien, daß Führungskräfte aus dem mittleren und oberen Management tatsächlich am häufigsten entsendet werden.11
Die Personalarbeit im Rahmen einer Entsendung läßt sich in 4 idealtypische Bereiche gliedern:12
- Auswahl des zu entsendenden MA
- Vorbereitung/Training des Mitarbeiters (und idealerweise seiner Familie)
- Betreuung während der Entsendung
- Wiedereingliederung nach Rückkehr
Die Konzentration auf die Auswahl hat mehrere Gründe: erstens ist die Auswahl eines geeigneten Kandidaten die wichtigste Voraussetzung für den Erfolg der Entsendung. Denn je besser der Kandidat geeignet ist, desto effektiver kann die Vorbereitung genutzt werden und desto geringer sollten die Probleme während der Entsendung sein. Zudem zeigt sich, daß gerade in dieser entscheidenden Phase durch die Verwendung falscher bzw. unzureichender Auswahlkriterien, unpassenden Auswahlinstrumenten und - verfahren viel Erfolgspotential ungenutzt bleibt. Weil aber die Analyse aller aufgeführten Auswahlprobleme zu umfangreich würde, wird sich die weitere Arbeit nur mit der Findung geeigneter Auswahlkriterien für eine höhere Wahrscheinlichkeit der Erfüllung der Erfolgskriterien beschäftigen.
Bis zum Anfang der 90er Jahre wird das Fehlen von geprüften und sogar ungeprüfter Kriterien erfolgreicher Auslandstätigkeit beklagt. Grund hierfür war, daß fast jeder Forscher seine eigene Definition von Erfolg verwendete, so daß sich die Ergebnisse der Studien nur schwer vergleichen ließen oder darauf aufzubauen war. BLACKS Anpassung (s. 2.3) ist seit ihrer Definition das am meisten benutzte, am besten erforschte und validierte13 Erfolgskonstrukt der Entsendungsforschung geworden. Seine Studie trug signifikant zur Steigerung der Aussagefähigkeit und Nützlichkeit der IMF bei, denn in den vergangen achtzehn Jahren seit ihrem Verfassen sind etliche Studien über Einflußfaktoren auf diese Anpassung durchgeführt worden. Die Fülle an Studien und Ergebnissen und das daraus resultierende Verlangen, die wichtigsten dieser Ergebnisse übersichtlich und kompakt darzustellen, sind Teil der Motivation, diese Arbeit zu schreiben.
Was die Anpassung weiterhin sehr geeignet für diese Arbeit macht, ist ihre Unabhängigkeit von Branche und Land sowie eine weittestgehende Unabhängigkeit von der Position des Entsandten oder des Zwecks der Entsendung. Dadurch müssen nicht jedesmal zahlreiche Ausnahmen angeführt werden, sondern sie erlaubt die Konzentration auf die wesentlichen Wirkungszusammenhänge zwischen den Prädiktoren und der Anpassung. Zudem ist der (reibungslosere) Anpassungsprozeß für nahezu jeden Entsandten wichtig, da ihn die Zufriedenheit mit sich und seinem neuen Umfeld erst in die Lage versetzt, gute Leistung erbringen zu können und nicht vorzeitig heimreisen zu wollen.
1.3 Vorgehensweise
In Kapitel 2 werden die theoretischen Grundlagen erläutert. In 2.1 werden Einflußfaktoren auf den Entsendungskontext und damit auf die Ausprägungen der Prädiktoren der Anpassung dargestellt. In 2.2 wird das Anforderungsprofil für Entsandte erstellt und die Anpassung wird in 2.3 ausführlich erläutert. In 2.4 folgen die Erfolgskriterien der IMF und aus der Unternehmensrealität, in. 2.5 wird Kultur und ihr Einfluß auf den Entsandten aufgezeigt und in 2.6 werden Fähigkeiten und Fertigkeiten definitorisch getrennt. In Kapitel 3 werden die wichtigsten Prädiktoren aus den Studien der IMF extrahiert und mitsamt ihrer Zusammenhänge mit der Anpassung und anderen Erfolgskriterien dargestellt. Zunächst werden in Kap. 3.1 die Kriterien für die Auswahl der Prädiktoren aufgeführt und die Gliederung diskutiert, bevor in Kap. 3.2 deren Auflistung erfolgt. In Kapitel 4 erfolgt die Konfrontation der gefundenen erfolgsrelevanten Prädiktoren aus Kap. 3 mit den kulturellen Besonderheiten Frankreichs. Dabei wird überprüft, ob die international gültigen Prädiktoren auch für Frankreich eine Relevanz haben. Außerdem werden die für die Prädiktoren relevanten Kulturmerkmale angeführt, um zu ermitteln, welche Ausprägung des jeweiligen Prädiktors dem Entsandten bei der Anpassung in Frankreich am besten dient. In Kapitel 5 werde ich die Ergebnisse zusammenfassen und einen Vergleich hinsichtlich der beiden Profile anstellen. Nach einer kritischen Betrachtung der Vorgehensweise wird die Arbeit mit einem Ausblick schließen.
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Entsendung von Führungskräften - Motive, Strategien und weitere maßgebliche Einflußfaktoren
Unter einer Entsendung versteht man die zielgerichtete Überstellung eines Angestellten eines Unternehmens für einen längeren Zeitraum (mind. 6 Monate) von einem Standort des Unternehmens, meist der Unternehmenszentrale, in eine Filiale im Ausland. Über die zu erfüllenden Ziele wird im Normalfall eine mündliche oder schriftliche Vereinbarung zwischen Führungskraft und Vorgesetztem getroffen. Die vereinbarten Ziele lassen sich aus dem Motiv der Entsendung ableiten. Diese wiederum beeinflussen die Ausprägung der jeweiligen Eigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkeiten des Entsandten, die dieser braucht, um seine Entsendung erfolgreich (Def. s.2.4.) abschließen zu können. Wird der Entsandte bspw. zur Verbesserung der Koordination zw. Mutter und Tochter ins Ausland geschickt, ist die Bedeutung der generell wichtigen interkulturellen Kommunikationsfähigkeit des Entsandten noch höher als bei anderen Entsendungsmotiven. Wird er eingesetzt, um die Tochtergesellschaft für die Mutter zu führen, sind neben einer stärkeren Loyalität gegenüber der Mutter auch eine ausgeprägtere Führungskompetenz vorteilhaft.
2.1.1 Motive für Entsendungen
Es gibt zahlreiche Gründe, warum Unternehmen ihre Mitarbeiter ins Ausland schicken. Viele Studien haben in den letzten drei Jahrzehnten die Motive für Entsendungen seitens der Unternehmen untersucht, aber abgesehen von dem erst in den letzen 10-15 Jahren aufgekommenen Trend, Entsendungen verstärkt auch als Instrument der Personalentwicklung zu nutzen um Managern internationale Erfahrung zu ermöglichen, sind die der Reihenfolge ihrer Bedeutung nach aufgeführten häufigsten Entsendungsmotive die gleichen geblieben:14
Der Know-How-Transfer ist das wichtigste und zugleich vielschichtigste Motiv. Ausmaß, Art und Richtung des Technologie-/Wissenstransfers hängen u.a. von der Internationalisierungsstrategie (s.u.) und vom technologischen Entwicklungsstand der Mutter- wie der Tochtergesellschaft ab. Auch die Erweiterung des Wissens über einen spezifischen Sachverhalt, z.B. bessere Kenntnis der Marktverhältnisse in einem bestimmten Land, kann hier das Motiv für eine Entsendung sein.
Die Ausübung einer Kontrollfunktion ist ebenfalls ein bedeutendes Motiv, um eine FK zu entsenden. Weil der Entsandte hierfür häufig auf Geschäftsführerebene angesiedelt ist, wird der Umfang seiner Aufgaben meist durch eine hierfür typische Erweiterung des Verantwortungsbereiches umfangreicher und komplexer. Sie reicht dann von der Führung der Mitarbeiter und der Verantwortung für das Betriebsergebnis über die Überwachung der Umsetzung von unternehmensweiten Zielen und Vorgaben bis hin zur Repräsentanz der Muttergesellschaft bei Entscheidern vor Ort.
Entsandte werden auch zur Verbesserung von Koordination und Kommunikation ins Ausland geschickt. Hier fungiert der Entsandte als Kommunikationsschnittstelle zwischen der Mutter und der Tochter - zur Vertretung der Mutterinteressen bei der Tochter und/oder umgekehrt und der Sicherstellung und Verbesserung der Informationsübermittlung.
Die Entsendung als Personalentwicklungsmaßnahme gewinnt aus mehreren Gründen zunehmend an Bedeutung. Erstens können Führungsnachwuchskräfte durch das Sammeln interkultureller Erfahrungen besser auf die Übernahme von Führungsaufgaben in international tätigen Unternehmen vorbereitet werden. MENDENHALL, JENSEN et al. haben dazu festgestellt, daß eine Entsendung die größte Einzelmaßnahme ist, um globale Managementfähigkeiten zu entwickeln.15 Zweitens werden wegen der Annahme, daß sich Führungspotential besonders in Situationen, in denen hohe Selbstständigkeit sowie Streß- und Ambiguitätstoleranz16 erforderlich sind, gut beurteilen läßt, Entsendungen als Instrument der Personalbeurteilung eingesetzt. Und schließlich gewinnt durch die gestiegene
Attraktivität internationaler Erfahrung auf dem globalen Arbeitsmarkt der Aspekt des Haltens vielversprechender Führungskräfte an Bedeutung. Da immer mehr international orientierte Führungskräfte eine Entsendung als förderlich für ihre persönliche Entwicklung und Karriere sehen, sollten die Unternehmen ihnen, soweit es mit den Unternehmenszielen vereinbar ist, dieses Verlangen erfüllen und sie ins Ausland schicken um ihren Wechsel zur Konkurrenz zu vermeiden.17
Weitere Motive können bspw. sein: das Ausgleichen von fehlendem Fachwissen in Töchtergesellschaften durch Entsenden eines Spezialisten, Hilfe bei lokal nicht oder nur schwer zu bewältigenden Problemen, die Ausbildung lokaler Arbeitnehmer u.a.18
2.1.2 Entsendungsbeeinflussende Rahmenbedingungen
Neben dem Motiv bestimmen weitere Faktoren den Kontext einer Entsendung. Der Internationalisierungsgrad beeinflußt z.B. welchen Stellenwert Entsendungen für das Unternehmen generell haben, ob eine erfolgreiche Anpassung (Def. s.2.3) des Entsandten, der Beziehungsaufbau mit GLA oder eine Rücksichtnahme auf die Kultur im Gastland von Bedeutung sind. Aus der Internationalisierungsstrategie lassen sich u.a. die Nationalität der Entsandten und die Richtung, in die entsandt wird, ableiten. Auch entscheidet sie darüber, ob überhaupt entsandt oder eher auf lokale Führungskräfte zurückgegriffen wird.
2.1.2.1 Der Internationalisierungsgrad
Die globale Stellenbesetzungspolitik eines Unternehmens ergibt sich im Normalfall aus der Art und dem Ausmaß des Auslandsgeschäfts. In der Literatur werden idealtypisch drei Grade der Internationalisierung und drei dementsprechende Strategien beschrieben.19
Bei internationalen Unternehmen liegt der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Aktivitäten im Heimatland. Die Ausweitung des Geschäfts ins Ausland kann hier eher als lukratives Zusatzgeschäft betrachtet werden. Die auch als Exportstrategie bekannte Internationalisierungsstrategie zeichnet sich vor allem durch eine weitgehende Übertragung von Strukturen und Systemen der Muttergesellschaft auf alle Auslandstöchter aus. Die Umsetzung dieses zentralistischen Führungskonzeptes wird deshalb meist von entsandten Stammhausdelegierten durchgeführt.
Wenn das Auslandsgeschäft eine gewisse Größe erreicht und der Tochtergesellschaft eine größere Autonomie zur Erreichung ihrer Ziele eingeräumt wird, spricht man von einem multinationalen Unternehmen, welches eine „Strategie der nationalen Anpassung“ verfolgt. D.h. die Tochtergesellschaften versuchen, ihr lokales Geschäft durch maximale Anpassung an nationale Gegebenheiten zu optimieren, weshalb überwiegend lokale Führungskräfte eingesetzt werden und Entsendungen eine geringere Bedeutung haben.
Als global bezeichnet man jene Unternehmen, die versuchen, durch eine weltweite Vereinheitlichung von Strukturen, Systemen, Prozessen etc. Standardisierungs- vorteile zu erzielen. Um dies zu unterstützen, sind die wichtigsten Entscheidungs- kompetenzen in der Muttergesellschaft zentralisiert. Die Übertragung dieser Konzepte in die aus Kontrollgründen meist 100-prozentigen Töchtergesellschaften geschieht normalerweise durch die Entsendung von Stammhausdelegierten.
Es gibt noch eine vierte Unternehmensform, die sich sowohl durch eine Strategie der nationalen Anpassung und einer gleichzeitigen Ausnutzung der weltweiten Standardisierungsvorteile auszeichnet. Dieser transnationale Unternehmenstyp kommt aber bisher in der Realität zu selten vor und ist deshalb zu wenig relevant, um hier weiter betrachtet zu werden.20
2.1.2.2 Die Internationalisierungsstrategie
Der Spagat zwischen nationaler Anpassung und weltweiter Vereinheitlichung spiegelt sich auch in der Internationalisierungsstrategie wider, die idealerweise aus zum Internationalisierungsgrad passenden Zielen generiert werden sollte und das Ausmaß der Entsendungen stark beeinflußt:21
Bei der ethnozentrischen Strategie liegt der kulturelle Fokus auf der „Stammhauskultur“ der Mutter. Ziel ist hier die Übertragung dieser Kultur sowie von im Heimatland bewährten Prozessen auf die Tochtergesellschaften, weil das Auslandsgeschäft zu gering ausfällt oder als zu unwichtig erachtet wird, um eigene Strategien für die Töchter zu entwickeln. Hierbei werden hauptsächlich Stammhausdelegierte eingesetzt, um heimische Verfahren und Know-How zu übertragen und die Töchter zu kontrollieren. Entsendungen vom Ausland in die Zentrale finden sehr selten statt.
Bei der polyzentrischen Strategie, die meist von multinationalen Unternehmen angewandt wird, wird versucht, durch die Entwicklung gastlandspezifischer Strategien die Marktnähe der relativ autonomen Tochtergesellschaften zu maximieren. Hier ist die Bedeutung des Know-How-Transfers geringer und auch die Kontrolle bzw. Koordination der Tochter sind seltener nötig, was zu einem geringen Ausmaß an Entsendungen führt, die dann hauptsächlich aus Gründen der Personalentwicklung und Kommunikationsverbesserung geschehen.
Bei der geozentrischen Strategie wird auch versucht, eine Vereinheitlichung der Prozesse zu erreichen, allerdings eher um Kosten zu sparen und die Komplexität der weltweiten Aktivitäten zu reduzieren. Hier stehen eher Kostenaspekte denn Vorstellungen der Überlegenheit der eigenen Kultur im Vordergrund des Handelns. Es finden Entsendungen vom Stammhaus ins Ausland und umgekehrt statt, was der Schaffung einer globalen gemeinsamen Unternehmenskultur dient, die wiederum das Commitment22 und die Motivation der Mitarbeiter fördern kann. Die vorrangigen Entsendungsziele sind die Verbesserung der weltweiten Kommunikation durch den Aufbau von Beziehungsnetzwerken sowie der bidirektionale Know-How-Transfer.
In der Praxis verfolgen die meisten Unternehmen bisher eine ethno- oder polyzentrische Strategie, wie Domsch und Lichtenberger 1992 festgestellt haben.23 Die erfolgreiche Beherrschung der anspruchsvolleren geozentrischen Doppelstrategie der gleichzeitigen lokalen Anpassung und der Vereinheitlichung andererseits scheinen bisher erst wenige Unternehmen gemeistert zu haben.
2.1.2.3. Weitere Einflußfaktoren auf Art und Umfang der Entsendungen
Neben den oben genannten Faktoren haben u.a. noch Branchenzugehörigkeit, Größe und Alter der Mutter und Tochter, Entwicklungsstand des Ziellandes, und eine generelle Verfügbarkeit von passenden FK einen stärkeren Einfluß auf den Kontext der Entsendung.24
Zudem streben nicht alle Unternehmen die Integration bzw. Anpassung ihrer Entsandten an die lokale Kultur an - das hängt von ihrer Internationalisierungs- strategie ab. Für die Übertragung der Unternehmenskultur der Mutter- auf die Tochtergesellschaft kann eine (zu) starke Anpassung sogar abträglich sein. Allerdings benötigt der Entsandte selbst für diese Form des „Wissens“transfers eine gewisse Akzeptanz durch die Mitarbeiter der Tochtergesellschaften, damit die neuen Prinzipien und Prozesse auch angewandt werden. Wenn sich der Stammhaus- delegierte gar nicht anpaßt und auch seine kulturelle Überlegenheit deutlich zeigt, dann kann er sogar die Durchführung seines Entsendungsziels gefährden. Da die Erfüllung der anderen Entsendungsziele (Kontrolle, Koordination oder Personal- entwicklung) noch stärker der Mithilfe der lokalen Beschäftigten bedarf, ist eine ange- messene Anpassung des Entsandten in beinah jedem Fall förderlich und trägt zum Entsendungserfolg bei (s. 2.4.).
2.2 Qualifikationsprofil internationaler Führungskräfte
Nachdem die Motive für eine Entsendung und dadurch auch die Entsendungsziele festgelegt sind, sollte bei der Besetzung von Führungspositionen im Ausland die Auswahl eines Entsandten (wie bei jeder Stellenbesetzung) anhand eines Vergleichs des Anforderungsprofils25 der Stelle mit dem Qualifikationsprofil26 der möglichen Bewerber durchgeführt werden.27 Dieses wird vor allem aus den zu erfüllenden Entsendungszielen und den Anforderungen des ausländischen Arbeitsplatzes abgeleitet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Herleitung und Inhalt des Anforderungsprofils (eigene Darstellung)
Hierbei sind die beruflichen Qualifikationen einer im Inland erfolgreichen Führungs- kraft (ausgeprägte Fach-, Führungs- und Sozialkompetenz) auch weiterhin maß- gebliche Kriterien des zukünftigen Anforderungsprofils - sie werden in dieser Arbeit aber als Grundlage für den Auslandserfolg vorausgesetzt und nicht weiter unter- sucht.28 Dieses Profil erfolgsrelevanter Eigenschaften kann laut TUNG je nach Entsendungsmotiv (s.o.) und -land andere Schwerpunkte und Ausprägungen der Qualifikationen erfordern, da der Entsandte im Ausland neben seinen bisherigen Arbeitsaufgaben meist noch zusätzliche Funktionen zu erfüllen hat.29 Es kommt z.B. oft vor, daß der Entscheidungs- und Verantwortungsbereich bei einer Entsendung größer als bisher wird und das Aufgabenspektrum vielfältiger. Auch erwartet man von ihm, daß er ab einer gewissen Führungsebene die Mutter sowohl intern wie auch bei externen Kontakten repräsentiert und sich dementsprechend zu verhalten weiß.30
Neben den passenden beruflichen Fähigkeiten muß bei der Auswahl geeigneter Kandidaten auch auf das Vorhandensein von interkulturellen Qualifikationen geachtet werden, welche die Voraussetzung dafür sind, daß der Kandidat sein Können in einer fremden Kultur ebenso effizient und wirkungsvoll wie im Inland einsetzen kann.31 Denn zusätzlich zu den Anforderungen, die an einem einheimischen Arbeitsplatz an ihn gestellt werden, wird er im Ausland mit folgenden kulturellen Herausforderungen konfrontiert:32
- Anpassen/Gewöhnen an eine neue Kultur mit abweichenden Lebensbedingungen, Werten, Verhaltens- und Kommunikationsweisen ihrer Mitglieder
- Erlernen des Umgangs mit Kollegen und Vorgesetzten, die am Arbeitsplatz andere Arbeits- und Managementmethoden gewohnt sind Æ Entwicklung eines kulturspezifisch angepaßten Führungsstils
- Umgehen mit dem Verlust von gewohnten, kraftgebenden sozialen Bindungen und Bestätigung bringenden Aktivitäten und der Notwendigkeit, beides zu ersetzen
- Bewältigen des mit der Anpassung verbundenen körperlichen/mentalen Streß
Um diese möglichst erfolgreich/reibungslos bewältigen zu können, benötigt der Entsandte interkulturelle (Handlungs-)Kompetenz, also einen „ Komplex von analytisch-strategischen F ä higkeiten, die das Interpretations- und Handlungsspektrum des betreffenden Individuums in interpersonaler Interaktion mit Mitgliedern anderer Kulturen erweitern. In diese analytisch-strategischen F ä higkeiten sind Wissen ü ber andere Kulturen generell, die Ver ä nderung von Einstellungen und eine Sensibilit ä t gegen ü ber kulturbedingter Andersartigkeit integriert. “ 33
Laut HUMMEL umfaßt dieser „Komplex“ für international erfolgreiche Manager:
- Gute Fremdsprachenkenntnisse
- Internationale Erfahrung durch Auslandstätigkeiten und - aufenthalte während des Studiums oder der Mitarbeit in internationalen Projekten
- Sensibilität für interkulturelle Belange (Verständnis für unterschiedliche Kulturen, Religionen, Werte und Normen etc.)
- Kosmopolitisches Verhalten (entsprechendes persönliches Auftreten, Sprachgewandtheit,
- Flexibilität des eigenen sozialen Verhaltens und Anpassungsfähigkeit an neue Situationen)
- Beziehungsqualitäten (Fähigkeit, langfristige Beziehungen aufbauen informelle private Kontakte knüpfen und in internationalen Teams arbeiten zu können)
- Toleranz und Offenheit (Neugier, Vorurteilsfreiheit, positives Denken u.a.)34
BARMEYERS Auflistung der Bestandteile der interkulturellen Kompetenz, die er mittels ausführlicher Literaturanalyse erstellt hat, umfaßt neben den obengenannten noch folgende essentielle Kompetenzen:
- Fähigkeit, mit Streß umzugehen
- Ambiguitätstoleranz
- Selbstreflexion und Ethnorelativismus (Bewußtsein, daß auch eigenes
Handeln und Denken von erlernten kulturellen Werten und Vorstellungen beeinflußt wird und Fähigkeit, diese kulturspezifischen Verhaltensweisen zu hinterfragen und ggf. zu ändern)35
Abschließend läßt sich feststellen, daß die interkulturelle Kompetenz eine wichtige Schlüsselqualifikation ist, und für den Erfolg im Ausland mindestens so ausschlaggebend sein kann wie die auch im Inland wichtigen professionellen Fertigkeiten. BERGMANN bestätigt:
„ Dabei macht interkulturelle Kompetenz das Fehlen von anderen n ö tigen F ä higkeiten nicht wett. Aber umgekehrt werden die f ä higsten Spezialisten scheitern, wenn es ihnen an dieser F ä higkeit mangelt. Das ist leider nicht selten. “ 36
2.3 Interkulturelle Anpassung
Menschen erwerben durch ihre Erziehung, ihre Schulbildung und ihr Aufwachsen innerhalb einer Kultur einen kulturspezifischen Bezugsrahmen, der sich meist aus den in dieser Kultur vorhandenen, typischen Werten, Einstellungen und Normen ergibt, und ihr Handeln und Denken beeinflußt und bestimmt. Er ist maßgeblich verantwortlich dafür, wie ein Mensch Eindrücke und Informationen aufnimmt, sie interpretiert und wie er darauf reagieren soll/zu reagieren hat.37 Bei einer Auslandsentsendung kommt es meist vor, daß der lokale Bezugsrahmen nicht oder nur in geringem Ausmaß dem des Heimatlandes des Entsandten entspricht, ihm also zumindest anfangs noch keine ausreichenden Anhaltspunkte für richtiges Verhalten gibt. In diesem Fall muß der Entsandte die Umwelt beobachten, um herauszufinden, was in der „neuen“ Kultur als angemessen angesehen wird, und sein Verhalten sowie seinen Bezugsrahmen gegebenenfalls daran anpassen.38 In diesem Kontext kann die Anpassung als fortlaufender Prozeß definiert werden, bei dem der Entsandte durch konstante psychische Änderungen versucht, den internen Konflikt zwischen den Anforderungen der neuen Umgebung und seinem bisherigen Verhalten sowie seinen bisherigen Einstellungen zu reduzieren um seine mentale Gesundheit zu erhalten sowie den durch die Konfrontation mit einer „fremden“ Kultur aufkommenden Streß zu minimieren.39 TORBIÖRN definiert das Ergebnis erfolgreicher Anpassung folgendermaßen:
„ Successful adjustment, therefore, can be characterized as a state of ‘ homeostasis ’ 40 whereby an individual maintains a balanced psychological state which results in effective functioning. ” 41
Anpassung nach BLACK
In seiner Studie aus dem Jahr 1988 ermittelte BLACK durch Faktoranalyse die bis heute gültigen drei Dimensionen der Anpassung42, welche durch weiterführende Arbeiten überprüft und bestätigt wurden43. Da seine Ergebnisse den schon früher definierten Dimensionen der Anpassung aus dem Bereich der Kulturforschung44 konzeptionell sehr ähnlich sind, erlangten sie schnell eine hohe Akzeptanz und wurden zur Grundlage für viele folgende Studien zur Entsendung. Seine drei Dimensionen werden wie folgt definiert:45
- Die allgemeine (kulturelle) Anpassung drückt aus, wie zufriedenstellend der
Entsandte im Ausland mit den Dingen des alltäglichen Lebens zurechtkommt. Dazu gehört die Anpassung an die im Gastland vorherrschenden Lebensbedingungen, das Unterhaltungs- und Erholungsangebot vor Ort, das lokale Gesundheitswesen, sowie an andere Einkaufsmöglichkeiten und Nahrung.
- Die berufliche Anpassung bezieht sich darauf, wie zufrieden der Entsandte mit den neuen und zumeist erweiterten Anforderungen seiner Arbeit, der Zusammenarbeit mit einheimischen Kollegen und der Führung seiner einheimischen Mitarbeitern ist bzw. damit umgehen kann. Auch die Einstellung auf lokal abweichende Leistungsstandards, Arbeitswerte und - erwartungen sowie Planungs- und Arbeitstechniken gehören hierzu.
- Unter der Anpassung an die Interaktion mit Gastlandangehörigen (GLA)
versteht man den Grad der Zufriedenheit des Entsandten mit der Anpassung an den Umgang/die Kommunikation mit Einheimischen im Alltag und in der Arbeit sowie an deren spezifischen Kommunikationsstil.46
Der vorgestellte dreidimensionale Ansatz ist ein ausreichend vielschichtiges Modell für die Anpassung und wird der weiten Verbreitung, der hohen Akzeptanz, der großen Anzahl an Studien und Ergebnissen als auch in Ermangelung anderer valider Modelle als Grundlage für die weitere Arbeit dienen.
Die Anpassung nach SEEMANN
Der deutsche Forscher Axel SEEMANN hat die bisher einzige Studie zur Anpassung deutscher Führungskräfte in Frankreich durchgeführt. Weil er allerdings seine eigene Definition der Anpassung der Studie zugrunde legte, können seine Ergebnisse bezüglich der Zusammenhänge der Prädiktoren mit seinen Anpassungsdimensionen bei der Erstellung des Profils in Kapitel 3 nicht berücksichtigt werden. Dies hat seinen Grund in der Absicht, für die Profilerstellung nur Prädiktoren zu berücksichtigen, die sich positiv auf BLACKS Dimensionen der Anpassung auswirken, um die Konsistenz des Profils zu gewährleisten. Allerdings werden SEEMANNS Ergebnisse in die anschließende Diskussion, welche Prädiktoren für einen Erfolg in Frankreich notwendig sind, als wertvolle Argumente mit einfließen. Damit der Leser den Unterschied zwischen beiden Konstrukten nachvollziehen kann, sei seine Definition von Anpassung hier erwähnt:
„ ...eine Person ist dann im Ausland beruflich integriert, wenn es ihr gelingt, ihre beruflichen Aufgaben ebenso erfolgreich und f ü r sich und andere, wie z.B. die Mitarbeiter, zufrieden stellend zu gestalten, wie dies im Heimatland m ö glich war. Im privaten Bereich l äß t sich eine gelungene Anpassung einer Person daran erkennen, da ß sie an dem Leben im Gastland ebenso problemlos teilnehmen kann, wie dies im Heimatland der Fall war “ . 47
Im Gegensatz zur Erfragung von BLACKS Anpassung48 bietet er den Entsandten bei ihrer Befragung gleich einen Vergleichsmaßstab für erfolgreiche Anpassung (...so zufriedenstellend wie im Heimatland...) an. BLACKS Anpassung wurde außerdem bei Entsandten aus vielen Nationalitäten untersucht, während SEEMANNS Anpassung nur unter dt. Entsandten abgefragt wurde. Daher sind in Seemanns
Anpassung, die berufliche Anpassung wird auch mit Anpassung an das Arbeitsumfeld/die Arbeit betitelt und die Anpassung an die Interaktion heißt auch Anpassung an Umgang mit GLA.
Ergebnissen immer auch implizit Vergleiche mit der Situation der Entsandten in Deutschland enthalten, was sie für Kapitel 4 sehr relevant macht.
Anpassung im Zeitverlauf - die U-Kurve
Wie sich aus der Definition der Anpassung (s.o.) erkennen läßt, stellt sie einen Prozeß dar, der je nach Entsandtem im Gastland unterschiedlich lange dauern kann. Einige Forscher haben diesen untersucht, und stellten dabei verschiedene Stadien der Anpassung fest, in denen die Zufriedenheit des Entsandten und die Intensität der Anpassung jeweils unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Als bekanntestes Modell gilt das Kulturschock-Modell von OBERG, in welchem vier Phasen unterschieden werden können:49
- Honeymoon: anfängliche Begeisterung und Faszination für die fremde Kultur mit oberflächlich freundlichen Beziehungen, Verhaltensunterschiede kommen noch nicht zum Tragen.
- „Kulturschock“: Unterschiede in Sprache, Kultur, Werte werden stärker
wahrgenommen und führen zum Gefühl der Unzulänglichkeit, Angst, Ablehnung wegen Unwissen über angemessenes Verhalten. Der Kontakt zu Landsleuten wird gesucht.
- Erholung: zunehmende Sprachkenntnisse ermöglichen eine bessere Anpassung an die fremde Kultur, die Einstellung wird wieder positiver.
- Anpassung: die Veränderungen sind weitgehend abgeschlossen, die Andersartigkeit des Gastlandes wird akzeptiert, Ängste treten kaum mehr auf.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: U-Kurve der Anpassung nach Oberg (1960) (eigene Darstellung)
Zwei Arten der Anpassung
In der Zeitspanne zwischen Auswahl und Entsendung kommt es laut mehreren Forschern50 bereits zu ersten Anpassungsreaktionen seitens des künftigen Entsandten und seiner Familie. Die mentale Vorbereitung auf den bevorstehenden Wechsel der Lebensumgebung und der sozialen Kontakte findet statt, um mit dem aufkommenden Streß wegen des Umzugs in eine unbekannte Kultur besser umgehen zu können. Diese streßreduzierende antizipatorische Anpassung kann sich signifikant auf die spätere Anpassung im Gastland auswirken und wird ihrerseits von drei Hauptfaktoren beeinflußt51: zum einen spielt die vorherige Auslands- erfahrung eine wesentliche Rolle, weil man dabei bereits einen oder mehrere Anpassungsprozesse in fremden Ländern erlebt hat, typische Anpassungsprobleme kennt und evtl. schon Mechanismen dafür erlernt/entwickelt hat. Um so wichtiger sind sie, wenn die bereits „erlebten“ Kulturen der zukünftigen Gastlandkultur ähnlich sind. Zum anderen helfen schon vorhandene oder durch interkulturelles Training vermit- telte Sprachfertigkeiten und Wissen über das Land und dessen Kultur ausschlag- gebend dabei, realistischere Erwartungen an die Entsendung zu stellen. Je realis- tischer diese vor der Abreise bereits sind, desto kürzer werden Honeymoon- und Kulturschock-Phase.52
Auch das Gefühl, daß die Entsendung für das Unternehmen wichtig ist, trägt positiv zur antizipatorischen Anpassung bei. Hierfür sind das Ausmaß der Vorbereitungen, der Einbezug der Familie in Entscheidung und Training, die Qualität des Trainings, die vorgesehene Betreuung während der Entsendung, der Wiedereingliederungsplan für seine Rückkehr ausschlaggebend - kurz, alles was eine professionelle Planung erkennen läßt und dem Entsandten Sicherheit für seine getroffene Entscheidung gibt.53 Hier kann ein Unternehmen bei sorgfältiger Planung und Umsetzung eine gute Basis für die erwünschte gelungene Anpassung des Entsandten im Gastland errichten, oder bereits im Vorfeld großen Schaden im Verhältnis zum Entsandten anrichten.
Die zweite Phase der Anpassung wird „in-country“-Anpassung genannt. Sie findet im Gastland statt und läuft idealtypisch in den vier verschiedenen Phasen des oben dargestellten Anpassungsmodells ab. Die in Kapitel 3 aufgeführten Prädiktoren sind derart ausgesucht, daß sie neben einer antizipatorischen eine möglichst hohe und zufriedenstellende Anpassung im Gastland bewirken sollen. Der Abschnitt zur antizipatorischen Anpassung ist deshalb ausführlicher, weil die Funktionsweise der bereits im Vorfeld ablaufenden gedanklichen Anpassung sowie die dafür besonders wichtigen drei Prädiktoren aufgezeigt werden sollen.
Die Einstellung zur Anpassung
Mitentscheidend für eine erfolgreiche Anpassung ist außerdem die grundsätzliche Einstellung des zu Entsendenden bezüglich der Art der Anpassung im Gastland. BERRY hat hierzu ein Modell erstellt, welches die vier verschiedenen Formen anhand von zwei Fragen klassifiziert.54 Die erste fragt ab, ob der Entsandte Wert darauf legt, seine eigenen kulturellen Werte und Einstellungen beizubehalten und die zweite erfaßt, ob er Beziehungen zu Gastlandangehörigen für wichtig erachtet. Anhand der Antworten können vier Ausprägungen unterschieden werden (siehe Abbildung ):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Arten der Anpassung nach Berry (1980)
Assimilation findet statt, wenn der Entsandte seine eigene Kultur als unwichtig einstuft und für den Anschluß an Gruppen im Gastland eher bereit ist, ihre Werte und Einstellungen zu übernehmen. Das Gegenteil dazu ist die Separation, welche durch den starken Wunsch der Erhaltung der eigenen kulturellen Identität geprägt ist und der Entsandte weniger Interesse an Kontakten zu Gastlandangehörigen und der fremden Kultur hat. Von Marginalisierung spricht man, wenn der Entsandte weder Interesse an der eigenen noch der neuen Kultur hat, und Integration findet statt, wenn der Entsandte neben der Erhaltung seiner eigenen kulturellen Identität ein starkes Interesse für die Kultur des Gastlandes zeigt.
BERRY, KIM et al. haben zudem nachgewiesen, daß unter den vier Einstellungen zur Anpassung die der „Integration“ der beste Prädiktor für geistige Gesundheit und den geringsten mentalen Streß im Gastland ist, was wiederum die Anpassung fördert, wohingegen die Marginalisierung viel körperlichen und geistigen Streß durch die ständige Ablehnung beider Kulturen aufgrund der Nichtanpassung verspricht. Die beiden Mischformen „Separation“ und „Assimilation“ sind keine eindeutigen Prädiktoren und können sich je nach Ausprägung positiv oder negativ auf den Anpassungsprozeß auswirken.55
Auch TORBIÖRN sieht die Integration als beste Strategie für einen Anpassungserfolg im Ausland. Er fand heraus, daß diejenigen, die den meisten Kontakt mit Einheimischen hatten, wegen der intensiven Konfrontation mit der Gastlandkultur zwar den größten Streß in den Anfangsphasen der Anpassung (s.o.) durchlebten, im weiteren Verlauf der Entsendung aber die höchste Zufriedenheit aller Entsandten aufzuweisen hatten.56
Weil die anderen drei Formen der Einstellung zur Anpassung nicht oder nur wenig zu einer besseren Anpassung beitragen, wird für den weiteren Verlauf der Arbeit davon ausgegangen, daß ein erfolgsversprechender Entsendungskandidat eine integrationistische Einstellung zur Anpassung vertritt.
2.4 Auslandserfolg und -mißerfolg
“ In expatriation, success can be defined as successful cultural adjustment that leads to personal growth as much as it can be defined as high performance at work. ” 57
Bereits die Festlegung der Erfolgskriterien für die Beurteilung einer Arbeit im Heimatland ist meist kein leichtes Unterfangen. Bei einer Entsendung wird diese Beurteilung aufgrund der Komplexität der zu erfüllenden Anforderungen durch den Entsandten allerdings noch schwieriger. Erfolgreich zu sein bedeutet in diesem Kontext für den Entsandten nicht nur, daß er seine Ziele vereinbarungsgemäß erledigt, sondern daß er gleichzeitig dafür sorgt, sich gut im Gastland einzuleben, damit seine Leistungs- und Handlungsfähigkeit gewährleistet ist und bleibt und sein Wohlbefinden aufgrund der notwendigen erfolgreichen Anpassung gut genug ist, um die Entsendung nicht vorzeitig abbrechen zu wollen. Das besagt zumindest der aktuelle Stand der IMF, aus der sich laut CALIGIURI über die Jahre hinweg drei Kriterien herauskristallisiert haben, die im Großteil der Studien einzeln oder gemeinsam verwendet werden: die vertragsgemäße Beendigung der Entsendung, das Ausmaß der interkulturellen Anpassung sowie die berufliche Leistung des Entsandten.58
Zwar wird in der Unternehmensrealität der Erfolg der Entsandten (wenn überhaupt) anders definiert und bewertet (siehe 2.4.2), aber da sich diese Arbeit mit den „idealtypischen“ Ergebnissen der Studien der Entsendungsforschung, also den Auswirkungen der Prädiktoren auf die Anpassung und somit auf den Leistungserfolg befaßt, werden im Anschluß zunächst diese Kriterien definiert und samt ihren Auswirkungen dargestellt.
2.4.1 Die Erfolgskriterien der interkulturellen Managementforschung
a) Vertragsgemäße Beendigung der Entsendung
Das planmäßige Beenden der Entsendung ist die Grundvoraussetzung, um den Erfolg einer Entsendung überhaupt beurteilen zu können, es sei denn der Entsandte wurde vorher zurückgerufen oder mußte wegen Gründen, auf die er keinen Einfluß hatte zurückkehren. Kehrt er aus selbstverschuldeten Gründen vorzeitig heim, spricht man vom Scheitern der Entsendung, welches die Unternehmung teuer zu stehen kommen kann und das es zu vermeiden gilt. Neben direkten Kosten zwischen $300.000 und $1.000.00059 je vorzeitiger Rückkehr, können auf das Unternehmen indirekte Kosten zukommen wie bspw. die Kündigung des ehemals Entsandten, geringere Produktivität und Moral in der Tochtergesellschaft, verlorene Geschäfts- chancen oder Markt/-Wettbewerbsanteile sowie Beziehungsschwierigkeiten mit lokalen Interessengruppen.60 Auch dem Entsandten können indirekte Kosten ent- stehen, wie z.B. den Verlust von Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl, Akzeptanz unter seinen Kollegen, geringere Motivation und der Unwille, zukünftigen Entsandte mit Rat und Hilfe zu unterstützen.61
HARZING führt an, daß dieses Kriterium für die Erfolgsbewertung vorsichtig angewendet werden sollte, weil nicht alle unzufriedenen Entsandten heimkehren, sondern auch als „stayer“ ineffektiv auf ihrem Auslandsposten verbleiben, und dadurch die Unternehmung (potentiell) mehr schädigen können als durch ihre Heimkehr. Auch lassen nicht alle Gründe einer vorzeitigen Rückkehr auf ein direktes Versagen des Entsandten schließen: z.B. kann die Unternehmung jederzeit entscheiden, daß sie die Fähigkeiten des Entsandten an einem anderen Ort der Welt dringender braucht oder das Engagement in jenem Land vorzeitig beenden. Auch familiäre Gründe, wie kranke Eltern oder eine schlecht angepaßte Familie, können den Entsandten zu einer verfrühten Rückkehr bewegen.62
In der IMF wird vertragsgemäße Beendigung der Entsendung in seiner negativen Weise verwendet und als Wille, die Entsendung vorzeitig abzubrechen, bezeichnet. Es kann als Erfolgskriterium von den Ausprägungen persönlicher, beruflicher und Umfeldfaktoren (z.B. führen schlechte Lebensbedingungen im Gastland zu direktem Anstieg des Heimkehrwillens63 ) wie auch den Dimensionen der Anpassung direkt beeinflußt werden.64 Häufiger spielt der Heimkehrwillen allerdings eher die Rolle eines Moderators65 zwischen den Dimensionen der Anpassung und den Dimensionen der Leistung des Entsandten und ist dann ein Maßstab für die Leistungsbereitschaft des Entsandten. Denn ist ein Entsandter gut angepaßt, verringert sich seine Absicht, vorzeitig heimzukehren, er fühlt sich zufriedener mit seiner Situation und kann bestenfalls eine höhere/hohe Leistung erbringen.66
Es läßt sich folglich die Behauptung aufstellen, daß es sich beim Kriterium der Rückkehrabsicht wie mit den Hygienefaktoren und Motivatoren bei Herzberg67 verhält: es ist besser für den Entsendungserfolg, wenn der vorzeitige Heimkehrwille nicht da oder nur sehr minimal ausgeprägt ist, allerdings führt sein Nichtvorhandensein nicht zwangsläufig zu einer besseren Leistung.
b) Interkulturelle Anpassung im Gastland
„ A high level of adjustment is certainly positive for the person him/herself, but if it does not guarantee good performance in the task it can by no means indicate that an assignment would be successful from the company's point of view. ” 68
Auch bei einem Jobwechsel im Heimatland muß sich ein Arbeitnehmer an eine neue Arbeitsumgebung und andere Kollegen gewöhnen, allerdings muß er sich nicht zeitgleich mit dem Leben in einer fremden Kultur auseinandersetzen. Weil dies bei einer Entsendung der Fall ist, wird die Anpassung in der Entsendungsliteratur als essentieller Teil des Erfolgs angesehen.
Obwohl schon seit längerem ein vermuteter impliziter Zusammenhang zwischen Anpassung und Erfolg den meisten IMF-Studien als Basis zugrunde gelegt wurde69, stellten HARRISON und SHAFFER fest, daß trotz der großen Anzahl an Studien über die Determinanten der Anpassung bis zur Erstellung ihres Modells (Abbildung u. Abbildung ) im Jahr 2005 erst wenige Versuche unternommen worden waren, um die Konsequenzen einer erfolgreichen Anpassung auf den Entsendungserfolg zu erforschen.70 KRAIMER et al. hatten zwar schon 2001 einen positiven Zusammenhang zwischen der Anpassung und der Leistung festgestellt,71 aber erst in ihrem Modell wurde die Wirkungsrichtung des Zusammenhangs zwischen den Dimensionen der Anpassung und der Leistung klar nachgewiesen und inzwischen von SHAFFER, FERZANDI et al. bestätigt.72
Das große Verdienst von HARRISON und SHAFFER ist, daß sie das erste vollständige Modell aus den wichtigsten Konstrukten der Entsendungsforschung (Anpassung und Leistung) konstruierten, und damit erfolgreich die vermutete Hierarchie der Erfolgskriterien nachweisen konnten. Sie legten ihrem Modell die Annahme zugrunde, daß die drei Dimensionen der Anpassung des Entsandten einen direkten Einfluß auf seine (als Moderatorvariable) Leistungsbereitschaft und dadurch auf seine Leistung haben.
Denn je besser er angepaßt sei, desto weniger Energie benötige er, um Unstim- migkeiten im Denken (Ambiguitätsempfinden, Kognitionsdissonanzen, Frus-tration etc.) oder andere Folgen der Nicht-Anpassung wie Streß, körperliche Nieder- geschlagenheit oder Unwohlsein zu negieren, weshalb er mehr seiner begrenzten persönlichen Ressourcen (Zeit und Kraft) auf die beruflich zu verrichtenden Aufgaben konzentrieren kann. Wenn die Leistung dann als zufrieden-stellend empfunden wird, hat dies wiederum einen positiven Einfluß auf den weiteren Verlauf der Anpassung. Letztlich erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, daß der Entsandte seine Entsendungsziele dank besserer Anpassung erfolgreich erfüllt.73
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: hypothetisches Modell von Harrison & Shaffer (2005), S. 1456
Nach der Auswertung ihrer Umfrage konnten die Annahmen größtenteils bestätigt werden: jede Anpassungsdimension war mit mindestens einer Variablen der Leistungsbereitschaft signifikant verknüpft und diese hatten auf mindestens eine Dimension des Erfolgs einen positiven Einfluß. Aufgrund der Ergebnisse modifizierten sie ihr ursprüngliches Modell hinsichtlich der Stärke und Signifikanz der jeweils ermittelten Zusammenhänge (Abbildung ).74
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: endgültiges Modell von Harrison & Shaffer (2005), S.1470
Die für die weitere Arbeit wichtige Erkenntnis der Studie ist, daß es den Forschern gelungen ist, einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Anpassung und den Erfolgsfaktoren der Leistung des Entsandten herzustellen. Somit kann das Vorhaben, ein Profil anhand der die Anpassung beeinflussenden Faktoren aufzustellen, mit theoretischer Untermauerung weiterverfolgt werden.
Eine erfolgreiche Anpassung im Gastland führt außerdem zu mehr Zufriedenheit des Entsandten mit seiner Situation und verringert dadurch auch signifikant die Absicht, die Entsendung vorzeitig abzubrechen. BLACK und STEPHENS fanden heraus, daß je besser der Entsandte an sein neues Lebensumfeld und den Umgang mit GLA angepaßt sei, desto geringer sei der Wille, zum vorzeitigen Abbruch.75 Auch TAKEUCHI konnte einen Zusammenhang feststellen zwischen einer gelungenen Anpassung ans Lebens- und Arbeitsumfeld und einer geringeren Absicht, vorzeitig heimzureisen.76
Wenn die Anpassung allerdings zu erfolgreich verläuft, kann das auch negative Folgen für Unternehmen und Entsandten haben.
[...]
1 zit. nach Hall (1984), S.122
2 Muttergesellschaft, im folgenden auch Mutter genannt. Tochtergesellschaft, im folgenden auch Tochter genannt.
3 vgl. GMAC Global Relocation Services (2004), S.2
4 vgl. Studie der Management Mobility Consulting (2001). Neben dem Gehalt werden hierzu auch Auslandszulage, Mietkosten, Lebenshaltungskostenausgleich, Schulgeld für Kinder sowie Sonderleistungen wie etwa Heimflüge gezählt.
5 siehe 2.4
6 vgl. Seemann (2000), S.144f
7 Ein Prädiktor ist eine Variable, die aufgrund eines bestehenden Zusammenhangs zur Vorhersage eines Kriteriums eingesetzt werden kann. Die Güte eines Prädiktors wird durch folgende Anforderungen bestimmt: er muß objektiv, reliabel, valide und durch eine vom Kandidaten akzeptierten Art und Weise erfaßbar sein.
8 Quelle: IDW - Institut der deutschen Wirtschaft und DFIHK (dt.-fr. IHK)
9 Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werden die Begriffe Merkmale, Eigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkeiten aus stilistischen Gründen synonym für Prädiktor verwendet. Dies erscheint legitim, weil in Kapitel 3 und 4 ausschließlich über Variablen geschrieben wird, denen ein signifikanter Zusammenhang mit der Anpassung nachgewiesen wurde. Somit kann beim Lesen dieser Begriffe grundsätzlich auch von einer signifikanten Relevanz für die Anpassung ausgegangen werden. Einzige Ausnahme sind die zusätzlichen Einflußfaktoren auf die jeweilige Prädiktorausprägung in Kap. 3, diese haben keinen direkten signifikanten Einfluß auf die Anpassung, außer es wird explizit erwähnt.
10 vgl. Seemann (2000), S.12
11 vgl. Bittner & Reisch (1997), S.5; Florkowski & Fogel (1999), S.788; Seemann (2000), S. 195
12 vgl. Holtbrügge (2003), S.209
13 Die Anpassung ist laut IMF-Studien ein valides (gültiges, angemessenes, taugliches) Instrument, um auf den Entsendungserfolg schließen zu können.
14 vgl. Torbiörn (1982), S.23ff; Holtbrügge (2003), S. 206ff; Seemann (2000), S.56f, Stahl (2004), S.895f
15 vgl. Mendenhall, Jensen et al (2003), S. 271f
16 Fähigkeit, andere Sichtweisen zu akzeptieren und Mehrdeutigkeiten zu ertragen
17 vgl. Stahl (2004), S. 888f
18 vgl. Aycan (1997), S. 443
19 vgl. Holtbrügge 2003, S.128ff
20 vgl. Holtbrügge (2003), S.130; Hoyer (2005), S.63
21 vgl. Perlmutter (1969), S. 12f; Aycan (1997a), S.11; Hoyer (2005), S.59f
22 Identifikation mit der Organisation
23 vgl. Domsch & Lichtenberger (1991), S. 376f
24 vgl. Kenter (1989), S.1932f
25 Im Anforderungsprofil (auch Eignungs- oder Kompetenzprofil genannt) sind die relevanten MußAnforderungen (Mindestanforderungen, KO-Kriterien) und Wunschanforderungen (nice to have) für eine zu besetzende Stelle formuliert. Es wird ergänzend zur und anhand der Stellenbeschreibung erstellt. vgl. Studer (1999), S.26f
26 Es besteht aus den vorhandenen Eigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkeiten des Bewerbers. vgl. Dülfer (2001), S.556
27 vgl. Dülfer (2001), S.556ff
28 vgl. Aycan (1997b), S.444; Seemann (2000), S. 87f
29 vgl. Tung (1981), S.68
30 vgl. Seemann (2000), S.87f
31 vgl. Barmeyer (1996) S.64f
32 vgl. Bittner & Reisch (1997), S.12ff
33 vgl. Knapp & Knapp-Pothoff (1990), S.83
34 vgl. Hummel & Thomas (2004), S.22
35 vgl. Barmeyer (1996), S.62f
36 vgl. Bergmann (1993), S.208
37 vgl.Torbiörn (1982), S. 55ff
38 vgl. Holtbrügge (2005), S.3
39 vgl. Berry (1992), S. 73; Holtbrügge (2005), S. 3
40 Kontinuierlicher Vorgang, um das interne Gleichgewicht durch Anpassung an Veränderungen der äußeren Umfelds zu erhalten.
41 zit. nach Torbiörn (1982), S. 54
42 vgl. Black (1988a)
43 vgl. Black & Stephens (1989); Black, Mendenhall et al. (1991); Shaffer, Harrison et al. (1999) u.a.
44 Psychologische Anpassung bezieht sich auf die Fähigkeit, geistige Gesundheit und Zufriedenheit im Ausland aufrechtzuerhalten oder nach erfolgter Anpassung wiederherzustellen. Sie wird ausgedrückt durch Zufriedenheit mit diversen Bereichen des Lebens im Auslands und einer relativen Zufriedenheit durch den Vergleich der eigenen Situation mit denen anderer Personen aus derselben Referenzgruppe im Herkunfts- oder Gastland. Soziokulturelle Anpassung bezieht sich auf den Fortschritt eines Entsandten, sich in der neuen Kultur einzuleben und im Umgang mit Gastlandangehörigen so effektiv zu werden wie im Heimatland. Dazu gehört auch die Schaffung persönlicher Beziehungen zu Gastlandangehörigen. Berufliche Anpassung drückt sich aus durch den Grad der effizienten Erfüllung der Aufgaben des Entsandten und des Vorhandenseins/Aufkommens von positiven Einstellungen gegenüber dem neuen Job.
45 vgl. Shaffer, Harrison et al. (1999); Holtbrügge (2005), S.4; Takeuchi (2002), S. 1227
46 Auf die drei Dimensionen wird sich im weiteren Text aus stilistischen Gründen teilweise mit leicht abgewandelten Bezeichnungen bezogen: bspw. heißt die allgemeine Anpassung auch generelle
47 zit. nach Seemann (2000), S.23/24
48 Blacks Dimensionen werden mit Fragen des Typs „wie zufrieden sind Sie mit “ abgefragt. Der Entsandte kann seine subjektive Einschätzung auf einer Skala von 1-7 („gar nicht“ bis „sehr“) ohne expliziten Vergleichsmaßstab ankreuzen.
49 vgl. Oberg (1960), S.177ff
50 vgl. Black, Mendenhall et al. (1991), S. 301f, Black & Mendenhall (1991), Torbiörn (1982), S.90ff
51 vgl. Black, Mendenhall et al. (1991), S. 306
52 vgl. Black & Mendenhall (1991)
53 vgl. Black, Mendenhall et al. (1991), S.307f
54 vgl. Berry (1980), S. 224ff
55 vgl. Berry, Kim et al. (1987), S.497f
56 vgl. Torbiörn (1982), S. 54-60
57 zit. nach Jordan & Cartwright (1998), S.92
58 vgl. Caligiuri (1997), S.117f
59 vgl. Black & Gregersen (1999), S.52
60 vgl. Black & Gregersen (1991)
61 vgl. Takeuchi (2002), S.1225
62 vgl. Harzing (1995), S.458
63 vgl. Birdseye & Hill (1995)
64 vgl. Caligiuri (1997), S.132
65 Moderator = Variable, welche die Stärke des Zusammenhangs zwischen zwei anderen Variablen/Faktoren beeinflußt.
66 vgl. Shaffer, Ferzandi et al. (2006), S.30f, S.45
67 vgl. Herzberg et al. (2002), S.113-120
68 zit. nach Holopainen & Björkman (2005), S.39
69 vgl. Harrison & Shaffer (2005), S.1455
70 Tung (1981), Aycan (1997b), Kraimer (2001) u.a.
71 vgl. Kraimer (2001), S.93
72 vgl. Shaffer, Ferzandi et al. (2006)
73 vgl. Harrison & Shaffer (2005), S.1455f
74 vgl. Harrison & Shaffer (2005), S.1470f
75 vgl. Black & Stephens (1989), S.537
76 vgl. Takeuchi (2002), S.1238
- Arbeit zitieren
- Thomas Gemeinhardt (Autor:in), 2006, Deutsche Führungskräfte in Frankreich - eine Analyse erfolgsrelevanter Faktoren der Anpassung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59126
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