Das Ziel dieser Arbeit ist es, nähere Erkenntnisse über das Weinverhalten von Borderline-Persönlichkeitsstörungs-(BPS-)Patienten zu gewinnen. Dafür wird die Erkrankung aus zwei Gesichtspunkten betrachtet, einmal der Häufigkeit des Weinens und zweitens der Formen des Weinens. Dabei stellen sich die folgenden konkreten Fragen: Weinen BPS-Patienten häufiger oder seltener als Depressionspatienten? Und wenn sie weinen, zeigen sie bestimmte Formen des Weinens? Wenn dies der Fall ist, unterscheiden sich die Formen des Weinens von denen der Depressionspatienten? Im folgenden Kapitel werden die allgemeinen Funktionen des emotionalen Weinverhaltens erläutert. Anschließend werden die zahlreichen allgemeinen Einflussfaktoren beschrieben und zum Schluss des Theorieteils wird der bisherige Forschungsstand zum Zusammenhang zwischen dem Weinverhalten und BPS beziehungsweise Depression präsentiert.
Das Weinen im Allgemeinen muss die ein- oder andere überlebenswichtige Funktion haben, ansonsten wäre dieses Verhalten im Verlauf der menschlichen Entwicklung im Zuge der Evolution bereits aussortiert. Trotz der Wichtigkeit des Weinverhaltens wurde dieses im Vergleich zu anderen menschlichen Verhalten psychologisch noch nicht genug erforscht. Im Forschungsbereich ist bekannt, dass Tränen in die drei folgenden Arten unterteilt werden können: basale Tränen, reflektorische Tränen und emotionale Tränen. Die dritte Art des Weinens, die emotionalen Tränen, die in dieser Arbeit im Fokus stehen, sind laut Messmer ausschließlich eine menschliche Ausdrucksform, da diese höhere Gehirnstrukturen voraussetzen. Die Definition emotionalen Weinens lautet: „Emotionale Tränen sind eine komplexe sekretomotorische Antwort und werden als das Vergießen von Tränen ohne okuläre Irritation definiert, oft begleitet von Veränderungen der Gesichtsmuskulatur, Stimmveränderungen und Schluchzen“.
Doch was genau hat es mit den emotionalen Tränen, besonders auf den psychischen Ebenen, eigentlich auf sich? Diese Fragestellung ist angesichts der wissenschaftlichen Forschung relevant, dennoch gelten die bisherigen Forschungsansätze aufgrund der Untestbarkeit der Hypothesen über der Herkunft und Funktion des emotionalen Weinens als eher explorativ. Es gab dennoch bereits einige Forschungsarbeiten zu den Funktionen des emotionalen Weinens, die für die Aufklärung der Mechanismen für dieses Verhalten von Bedeutung sind. Diese werden im folgenden Kapitel dieser Arbeit ausführlich dargestellt.
Inhaltverzeichnis
1 Einleitung
2 Allgemeine Funktion des Weinens
3 Allgemeine Einflussfaktoren des Weinens
4 Theorie zum Weinen und psychischen Erkrankungen
4.1 Zusammenhang zwischen Weinen und BPS
4.2 Zusammenhang zwischen Weinen und Depression
5 Kategoriensystem
6 Herleitung der Fragestellung
7 Methode
7.1 Weinszenen
7.2 Methodik zur Kategorisierung der Weinszenen
8 Ergebnis
8.1 Deskriptive Statistik
8.1.1 Patientendaten
8.1.2 Soziodemographische Daten
8.1.3 Untersuchte Weinszenen
8.2 Interrater-Reliabilität
8.3 Quantitative Analyse
8.3.1 Analyse des Weinverhaltens (weint, weint nicht)
8.3.1.1 Beschreibung
8.3.1.2 Ergebnis
8.3.2 Analyse der Häufigkeit des Weinens
8.3.2.1 Beschreibung
8.3.2.2 Ergebnis
8.3.3 Analyse der dominanten Formen des Weinens
8.3.3.1 Beschreibung
8.3.3.2 Ergebnis
8.3.4 Analyse der Formen des Weinens
8.3.4.1 Beschreibung
8.3.4.2 Ergebnis
9 Diskussion
Literaturverzeichnis
Anhang
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 Aufteilung der Patienten nach Diagnosen
Tabelle 2 Aufteilung der Weinszenen nach Diagnosen
Tabelle 3 Interrater-Reliabilität-Ergebnis
Tabelle 4 Ergebnis des Chi-Quadrat-Tests des Weinverhaltens (weint, weint nicht)
Tabelle 5 Ergebnis des Mann-Whitney-U-Tests
Tabelle 6 Ergebnis des Chi-Quadrat-Tests der dominanten Formen des Weinens
Tabelle 7 Ergebnis des Chi-Quadrat-Tests der Formen des Weinens
Zusammenfassung
In dieser Bachelorarbeit wurde im Rahmen des Forschungsprojekts „Formen und Funktionen des Weinens“ vom Institut für Psychologie der Universität Kassel untersucht, ob ein Zusammenhang zwischen einer diagnostizierten Borderline-Persönlichkeitsstörung und den verschiedenen Formen des Weinens zu beobachten ist. Die Depression hatte dabei die Funktion als Vergleichserkrankung. Die Weinszenen wurden qualitativ, auf Basis eines in einem Forschungsprojekt entwickelten Kategoriensystem der Formen des Weinens, bewertet und anschließend mit einer quantitativen Methode ausgewertet. Dabei wurden zwei explorative Fragestellungen geprüft. Erstens, ob BPS Patienten seltener oder häufiger weinen als Depressionspatienten. Zweitens, ob BPS Patienten die ein oder andere bestimmte Form des Weinens häufiger zeigen im Vergleich zu Depressionspatienten. Das Ergebnis bestätigte die erste Annahme, jedoch wurde kein signifikantes Ergebnis zur zweiten Fragestellung gefunden.
Abstract
This thesis refers to the relationship between diagnosed borderline personality disorder and the various forms of crying. It was part of the research project “Forms and Functions of crying” initiated by the Department of Psychology, University of Kassel. Crying behavior of Borderline personality disorder patients was compared with one of depression patients. The category system of crying forms used for this analysis was developed by a previous research group. In first step crying scenes were assessed with a qualitative method and further analyzed with a quantitative method. The purpose of this analysis is to proof the two following exploratory assumptions. First, Borderline Patients cry more or less often than depression patients. Second, borderline patients cry in a particular form of the category system. The first hypothesis was confirmed. However, the second not.
1 Einleitung
Diese Bachelorarbeit widmet sich der Forschung des Weinverhaltens bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung (in weiterem BPS genannt). Das Weinen im Allgemeinen muss die ein- oder andere überlebenswichtige Funktion haben, ansonsten wäre dieses Verhalten im Verlauf der menschlichen Entwicklung im Zuge der Evolution bereits aussortiert. Trotz der Wichtigkeit des Weinverhaltens, wurde laut Vingerhoets, Cornelius, van Heck, und Becht (2000) selbst am allgemeinen Weinverhalten von Erwachsenen im Vergleich zu anderen menschlichen Verhalten psychologisch noch nicht genug erforscht. Im Forschungsbereich ist bekannt, dass Tränen in die drei folgenden Arten unterteilt werden können: basale Tränen, reflektorische Tränen und emotionale Tränen (Messmer, 2009). Die dritte Art des Weinens, die emotionalen Tränen, die in dieser Arbeit im Fokus stehen, sind laut Messmer (2009) ausschließlich eine menschliche Ausdrucksform, da diese höhere Gehirnstrukturen voraussetzen. Die Definition emotionalen Weinens lautet: „Emotionale Tränen sind eine komplexe sekretomotorische Antwort und werden als das Vergießen von Tränen ohne okuläre Irritation definiert, oft begleitet von Veränderungen der Gesichtsmuskulatur, Stimmveränderungen und Schluchzen“ (Patel, 1993; zit. nach Messmer, 2009, p.597). Doch was genau hat es mit den emotionalen Tränen, besonders auf den psychischen Ebenen, eigentlich auf sich? Diese Fragestellung ist angesichts der wissenschaftlichen Forschung relevant, dennoch gelten die bisherigen Forschungsansätze aufgrund der Untestbarkeit der Hypothesen über der Herkunft und Funktion des emotionalen Weinens als eher explorativ (Vingerhoets et al., 2000). Es gab dennoch bereits einige Forschungsarbeiten zu den Funktionen des emotionalen Weinens die für die Aufklärung der Mechanismen für dieses Verhalten von Bedeutung sind. Diese werden im folgenden Kapitel dieser Arbeit ausführlich dargestellt.
Der Entstehungsmechanismus des Weinens ist ein komplexer Ablauf, bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass das Auftreten des Weinens von vielen Faktoren abhängig gemacht wird. So postulierten beispielsweise im Jahr 1979 Erfran und Spangler mit ihrem kognitiven Modell, der two-factor-theory, dass das Weinen ein Ergebnis der Neubewertung von Erregungsfaktoren und dem Auslösen des emotionalen Konfliktes ist (Vingerhoets et al., 2000). Die Weiteren zahlreichen Einflussfaktoren auf das Weinen werden ebenfalls im folgenden Kapitel detailliert dargestellt.
Während der intensiven Recherchen zur Forschung rund um das Thema Weinen wurden nur wenige empirische Theorien und klinische Studien, die sich spezifisch mit dem Zusammenhängen zwischen dem Weinverhalten von Erwachsenen und psychischen Erkrankungen beschäftigen, gefunden. Die erste Veröffentlichung zu einem möglichen Zusammenhang kam von Patel im Jahre 1993. Jedoch wurden die möglichen Korrelationen zu psychischen Erkrankungen bisher nahezu ausschließlich mit Häufigkeitsanalysen untersucht. Patel (1993) beschrieb in seinem Review eine Studie von Green, McAllister, und Bernat (1987), welche die Häufigkeit des Weinens an neurologischen und psychiatrisch erkrankten Menschen untersuchte. Aus dem Ergebnis dieser Studie leitete Green et al. ab, dass das Weinen eher mit neurologischen als psychologischen Erkrankungen zusammenhängt. Dies könnte aber auch dadurch begründet sein, dass sich bisher den psychischen Erkrankungen nur wenige Studien gewidmet haben, und wenn, dann wurde dabei hauptsächlich die Auffälligkeit in Korrelation zu einer spezifischen psychischen Erkrankung ermittelt.
Insbesondere über die Möglichkeiten der generellen Abgrenzbarkeit der einzelnen Formen des Weinens ist derzeit noch wenig bekannt. Es besteht lediglich eine grobe Kategorisierung über die bekannten Formen, wie Weinen aus Trauer und aus Freude. Erst vor wenigen Jahren wurde von Nelson (2008) eine mögliche Abgrenzung der Weinformen vorgeschlagen. Zusammen mit ihrem Forschungsergebnis verdeutlichte sie die Abgrenzungen der Formen in einer Typologie. Darin spricht sie von drei Weintypen, inhibited, protest und despair. Diese Typologie wurde anhand von Untersuchungen an Kindern erforscht, ohne Bezug zu einer psychischen Erkrankung. Anschließend wurde diese auch auf Erwachsene ausgedehnt. Welche abgrenzbaren Formen des Weinens sich daraus ergeben können gilt als noch nicht ausreichend erforscht.
Zur genaueren Betrachtung möglicher Abgrenzungen der Formen des Weinens und insbesondere dem Zusammenhang zwischen den Formen des Weinens und psychischer Erkrankungen bzw. Diagnosen führten wir im Rahmen eines Projekts am Fachbereich Klinische Psychologie und Psychotherapie eine qualitative Untersuchung durch. Hierbei wurden drei psychische Erkrankungen näher betrachtet, die Borderline-Persönlichkeitsstörung (in weiterem BPS genannt), Angststörung und Depression.
Nach Dammann (2007) ist BPS eine noch nicht vollständig aufgeklärte psychische Erkrankung. Aus diesem Grund ist die Untersuchung des Zusammenhangs mit dem Weinverhalten von großem Interesse. Als Vergleichserkrankung wurde in der Untersuchung die Depression eingesetzt, da die nach Messmer (2009) oft mit ungehemmten Weinen einhergehen soll. Zudem beschrieb er dieses Verhalten als typisches Symptom für diese psychische Erkrankung. Die dritte Erkrankung, die Angststörung, war zwar Bestandteil des Projekts, wurde jedoch in dieser Arbeit nicht berücksichtigt. Diese wurde Aufgrund der Aufteilung der Themenschwerpunkte durch ein anderes Projektmitglied abgehandelt.
Das Ziel dieser Arbeit ist es nähere Erkenntnisse über das Weinverhalten von BPS Patienten zu gewinnen. Dafür wird die Erkrankung aus zwei Gesichtspunkten betrachtet, einmal der Häufigkeit des Weinens und zweitens der Formen des Weinens. Dabei stellen sich die folgenden konkreten Fragen: Weinen BPS Patienten häufiger oder seltener als Depressionspatienten? Und wenn sie weinen, zeigen sie bestimmte Formen des Weinens? Wenn dies der Fall ist, unterscheiden sich die Formen des Weinens von denen der Depressionspatienten? Im folgenden Kapitel werden die allgemeinen Funktionen des emotionalen Weinverhaltens erläutert. Anschließend werden die zahlreichen allgemeinen Einflussfaktoren beschrieben und zum Schluss des Theorieteils wird der bisherige Forschungsstand zum Zusammenhang zwischen dem Weinverhalten und BPS bzw. Depression präsentiert.
2 Allgemeine Funktion des Weinens
Für die Kernfunktionen des Weinens gibt es bisher teilweise sehr unterschiedliche Standpunkte. In einer Veröffentlichung von Vingerhoets et al. (2000) wird dem Weinen ein größeres Funktionsspektrum, als nur der reine Ausdruck von positiven oder negativen Emotionen, zugeschrieben. Die Funktion wird vielmehr als Schutzmechanismus gegen Gifte gesehen, weil es dem Körper in einer Phase von Traurigkeit hilft Schadstoffe auszuscheiden. Nach Frey’s biochemical Aspekt des Weinens ist das Ausscheiden der Schadstoffe, wenn jemand gestresst ist, sogar die Hauptfunktion des Weinens (Vingerhoets et al., 2000). In einer Studie von Frey wurde eine bis zu 24 % höhere Proteinkonzentration bei emotionalen Tränen im Vergleich zu Reflextränen beobachtet (Frey, Sota-Johnson, Hoffman, & McCall, 1981; zit. nach Messmer, 2009). Andere Studien wiederlegen jedoch diese These (Murube, Murube, & Murube, 1999; zit. nach Vingerhoets et al. 2000).
Eine ähnliche Funktion des Weines ist der sogenannte Cathartic Effect. Das bedeutet der Weinprozess sorgt für eine Art "seelische Reinigung". Labott (2012) beschreibt in seinem Beitrag Crying in psychotherapy diesen Vorgang wie folgt: Wenn das traumatisierende Material einer Erfahrung nicht ausgeschieden wird, kann sich dieses in ein psychosomatisches Problem entwickeln. Sobald diese Gefühle herausgelassen werden, sollten die Symptome demnach verschwinden. Dagegen wurde von Vingerhoets et al. (2000) beschrieben, dass zwar einige Studien die emotionale Befreiung als Effekt des Weinens zeigten, dieser Effekt jedoch in anderen Studien nicht beobachtet wurde. Diese Diskrepanz lag am Kontext der Studien.
Die Frage, ob das Weinen tatsächlich Stimmung verbessert, ist besonders in der Forschung der Psychotherapie von Bedeutung. In einer Studie über das Weinen in der Psychotherapie aus dem Jahre 1988 wird berichtet, dass 73 % der Therapeuten den Patienten zum Weinen angeregt haben, wenn sie den Verdacht hatten, dass dieser kurz vor Ausbruch der Tränen steht (Trezza, Hastrup, & Kim, 1988; zit. nach Labott, 2012). Dies passierte auf der Annahme der Therapeuten, dass das Weinen dazu beiträgt die Depressionen beim Patienten zu verringern. Jedoch gilt diese Annahme als umstritten. In einer aktuellen Veröffentlichung wurde beschrieben, dass „man sich nach dem Weinen nur unter bestimmten Umständen besser fühlt, vor allem dann, wenn sich dadurch kognitiv oder in den Beziehungen etwas ändert“ (Miceli & Castelfranchi, 2003; Rottenberg, Bylsma, & Vingerhoets, 2008; zit. nach Schiestl & Bänninger-Huber, 2015, p. 7).
Nicht nur während der Psychotherapie, sondern auch im alltäglichen Leben, z.B. Familienleben, spielt das Weinverhalten eine interessante Rolle. Neben den bisher beschriebenen Funktionen wird es oft auch instrumentalisiert. Nach Vingerhoets et al. (2000) ist das Weinen in der Kommunikation und im Sozialverhalten ein oft genutztes Instrument um Bedürfnisse und Wünsche mitzuteilen und diese zu begünstigen. Bereits Darwin beschrieb ein deutliches Beispiel dafür. Kinder versuchen durch das Weinen, wenn sie Wünsche und Bedürfnisse haben, die Aufmerksamkeit von Bezugspersonen auf sich zu ziehen (Vingerhoets et al., 2000). Dabei ist die durch das Weinen ausgedrückte Hilflosigkeit und Schwäche der Schlüsselfaktor zur Stärkung der gegenseitigen Bindung (Frijda, 1986; zit. nach Vingerhoets et al., 2000). Dieses Zusammenspiel wurde von Vingerhoets (2013) in einem Modell erklärt, wonach eine Situation als nicht bewältigbar bewertet wird, was ein Gefühl von Hilflosigkeit auslöst. Andererseits erhöhen oder senken die Stärke der Bindung oder Zugehörigkeit die Wahrscheinlichkeit des Auftretens des Weinens (Vingerhoets, 2013; zit. nach Schiestl & Bänninger-Huber, 2015). Beobachtet wurden die instrumentalen Vorteile des Weinens ebenfalls in einer Studie von Hendriks, Croon, und Vingerhoets (2008), in welcher die Reaktion der Versuchsteilnehmer auf die weinenden und nicht weinenden Personen abgefragt wurde. Die Teilnehmer würden demnach mehrheitlich weinenden Personen emotionale Unterstützung zusichern, ohne dabei negative Vorbehalte auszudrücken. Die Regressionsanalyse zeigte wiederum, dass die Teilnehmer eine weinende Person weniger positiv bewerteten als eine nicht weinende Person. Interessant dabei ist, die weinenden Personen lösten mehr negative Gefühle bei den Teilnehmern aus. Eine Annahme für dieses Verhalten könnten Irritationen, hervorgerufen durch eine Interpretation als möglichen Täuschungsversuch vom Gegenüber, sein (Frijda, 1986; zit. nach Vingerhoets et al., 2000). Des Weiteren sieht Benecke (2009) in der aggressionshemmenden Wirkung des Weinens noch eine weitere instrumentale Funktion. Eingesetzt als Abwehrfunktion, könnte es zur Vermeidung von Konflikten und Auseinandersetzungen beitragen. Diese aggressionshemmende Wirkung zeigt sich auch beim Lächeln und Lachen.
Neben den hier beschrieben verschiedenen Funktionen des Weinens, wird es zusätzlich von vielen Einflussfaktoren ausgelöst und beeinflusst. Im folgenden Abschnitt werden die allgemeinen Einflussfaktoren näher erläutert.
3 Allgemeine Einflussfaktorendes Weinens
Denkt man an das menschliche Weinverhalten, so wird es oft mit Emotionen wie der Trauer, Verzweiflung, Wut oder Freude assoziiert. Tatsächlich sind Emotionen zwar eine notwendige, aber nicht eine hinreichende Erklärung für das Weinen (Schiestl & Bänninger-Huber, 2015). Die Zusammenhänge zwischen den zahlreichen Einflussfaktoren und dem Mechanismus des Weinens sind komplex. Vingerhoets et al. (2000) schreiben, dass eine ausreichende oder angemessene Klassifikation der Trigger des Weinens durch diese Komplexität erschwert wird. Dennoch konnte Vingerhoets (2009) das in einem Übersichtsmodell des Weinens von Erwachsenen veranschaulichen (siehe Anhang A). In diesen wird nicht nur das Zusammenspiel der Einflussfaktoren betrachtet, sondern auch der Entstehungsmechanismus.
In einer anderen Übersicht nannte Messmer (2009) die sieben Einflussfaktoren. Der Faktor Kultur wird darin an erster Stelle genannt. Der kulturelle Aspekt, sogenannte display rules, wird demnach strenger mit dem Weinen in Verbindung gebracht als alle anderen Emotionsausdrücke, weil das Weinen mit intensiven Emotionen assoziiert wird und als absorbierendes Verhalten gilt (Vingerhoets et al. 2000). Als Beispiel für eine deutliche Differenz der display rules lässt sich zwischen den Nachbarländern Japan und Südkorea beobachten. In Japan herrscht die Erwartungshaltung, dass Tränen oder persönliche Emotionen in der Öffentlichkeit nicht gezeigt werden. In Südkorea hingegen sind Emotionen in der Öffentlichkeit kein Tabu. Bei Beerdigungen zum Beispiel gilt heftiges Weinen als besonderer Ausdruck der Liebe zum Verstorbenen. Häufig werden bei Beerdigungen in Südkorea professionelle Schauspieler, die heftig weinen, unter die Trauernden gemischt, damit die Stimmung besonders dramatisch wirkt.
Der Einfluss von gesellschaftlichen Aspekten, wie der Beruf oder die soziale Schicht wirken ebenfalls auf das Weinverhalten. Die Berufsgruppen wie Therapeuten und Krankenpfleger weinen häufig und Ingenieure, Aktienbroker, Soldaten und Ärzte eher selten (Kottler, 1996; zit. nach Vingerhoets et al. 2000). Dieser Fakt lässt sich durch den Unterschied der Arbeitsumgebung jeweiligen Berufen erklären. Die häufiger weinenden Berufsgruppen kommen bei der Ausübung ihres Berufs eher mit emotional belastenden oder schwierigen Situationen in Berührung. Jedoch reicht dieser Erklärungsversuch nicht aus, da Ärzte seltener weinen.
Neben der beruflichen und sozialen Disposition spielt auch das Geschlecht eine wichtige Rolle. Frauen weinen öfter, intensiver und länger als Männer. Nicht nur die Dauer und Intensität des Weinens ist unterschiedlich, sondern auch die Gründe für das Weinen. Männer weinen tendenziell häufiger aus positiven Gründen und Trauer. Frauen hingegen weinen häufiger aus Sorge, Angst und Leid (Vingerhoets et al. 2000). Was beim Unterschied der Geschlechter sehr interessant ist, dass sich diese Diskrepanz der geschlechterabhängigen Häufigkeit des Weinens sich nicht nur bei gesunden Menschen, sondern auch bei depressiven Patienten zeigt (Vingerhoets, Rottenberg, Cevaal, & Nelson, 2007). Des Weiteren werden von Messmer (2009) neben den bisher genannten Faktoren der Hormonspiegel, Gehirnchemie, Reife bzw. Entwicklung und die individuelle Reizschwelle genannt.
In Bezug auf die individuelle Weinschwelle wird in einigen naturalistischen Studien darauf hingewiesen, dass diese durch physische Verfassungen, wie Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Änderung des Menstruationszyklus oder Schwankungen des Serotoninspiegels abgesenkt werden kann. Dies gilt auch für Änderungen der psychologischen Verfassung, wie schlechte Laune (Vingerhoets et al, 2000; zit. nach Vingerhoets et al. 2007). Des Weiteren wird in der Trait-Forschung der Neurotizismus als zuverlässiger Prädiktor für eine höhere Weinhäufigkeit gesehen. Zudem wird Alexithymia, die sogenannte Gefühlsblindheit, als erschwerend beim Ausdrücken und Ausleben von Emotionen charakterisiert. Diese reduziert die Häufigkeit des Weinens (Peter, Vingerhoets, & van Heck, 2001; Rottenberg, Bylsma, Wolvin, & Vingerhoets, 2008; zit. nach Bylsma, Croon, Vingerhoets, & Rottenberg, 2011).
Ein weiterer Einfluss auf das Weinen zeigt sich an empirischen Daten, wonach Erwachsene häufiger weinen, wenn sie alleine sind (Frey, 1985; Vingerhoets & Becht, 1997; Vingerhoets, Van Geleuken, Van Tilburg, & Van Heck, 1997; zit. nach Vingerhoets et al., 2000). Neben der Anwesenheit weiterer Personen, beeinflussen auch individuelle Faktoren eines Jeden das Weinverhalten. Geiser (2010) beschrieb diesen Fakt mit einem zutreffenden Satz, dass das Weinen eine Interaktion sein soll. In Bereich der Psychotherapie heißt es z.B. das Weinen keine universelle Bedeutung (wie z.B. Traurigkeit) hat, vielmehr variiert es auf Grundlage der Ausdrucksweisen der Patienten und der Beziehung zum Therapeuten (Robinson, Hill, & Kivlighan, 2015). Nelson (2005) sieht in der Situation, wenn ein Patient während der Psychotherapie weint, eine gemeinsame Erfahrung der direkten Verbundenheit und Zugehörigkeit zwischen Patient und Therapeut. Das Weinen reflektiert gleichzeitig eine vergangene Bindungserfahrung des Patienten als auch die aktuelle Bindung mit dem Therapeuten. Im Idealfall schaffen Therapeuten eine Umgebung mit Sicherheit und Vertrauen, sozusagen eine secure base, ein Begriff der von Ainsworth, Blehar, Waters und Wall im Jahre 1978 erstmalig Erwähnung fand. Das ermöglicht den Patienten sich über die eigenen Affekte gewahr zu werden (Robinson et al., 2015).
4 Theorie zum Weinen und psychischen Erkrankungen
4.1 Zusammenhang zwischen Weinen und BPS
In diesem Abschnitt werden die zur Fragestellung relevant erscheinenden Charakteristiken von BPS erläutert. Gemäß der internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD- 10) wird BPS in zwei Typen unterteilt, einem Borderline-Typus und einem Impulsiven Typus. Im DSM-IV gibt es dagegen nur eine Kategorie, wonach mindestens 5 von 9 Kriterien erfüllt sein müssen, damit eine Diagnose gestellt werden kann. Auf die einzelnen Diagnosekriterien wird hier nicht eingegangen. Im Laufe der Forschung wurde versucht das Bild dieser Erkrankung klarer zu machen und Erklärungen zu liefern. Bisher gibt es gemäß der Zusammenfassung von Dammann (2007) vier wesentliche Erklärungsmodelle. Erstens betrachtet das psychodynamische Modell BPS als strukturelle Störung im Bereich der Stabilität und Reife der Persönlichkeitsorganisation. In einem anderen Modell wird BPS als Emotionsregulationsstörung verstanden. Zudem wird BPS auch als posttraumatische Belastungsstörung interpretiert. Und zuletzt wird BPS in einem weiteren Modell als Mentalisierungsstörung gesehen.
Speziell zur Ätiologie von BPS gibt es ein gut strukturiertes Matrixmodell von Doering (2009), welches die Befunde, Einfluss- bzw. Risikofaktoren und Symptome in einer zusammengefassten Übersicht anzeigt. Des Weiteren gibt es das Biosocial Developmental Model (Crowell, Beauchaine, & Linehan, 2009). Dieses Modell zeigt die Entwicklung von BPS von der Interaktion zwischen der biologischen Vulnerabilität und der Umgebungsrisiken, wie der Temperamentseigenschaften des Kindes und die Fähigkeiten und Ressourcen der Bezugspersonen, bis hin zur BPS Diagnose. Insbesondere verdeutlicht es wie sich eine emotionale Dysregulation bei BPS ausprägen kann.
Bei der näheren Betrachtung der verschiedenen Erklärungsmodelle scheint die Affektregulationsstörung für alle Modelle der kleinste gemeinsame Nenner zu sein (Benecke, Bock, & Dammann, 2011). Gemäß dem Biosocial Developmental Model nach Crowell et al. (2009) lässt sich die emotionale Dysregulation bei BPS durch drei Merkmale charakterisieren: erhöhte emotionale Sensibilität, Unfähigkeit intensive emotionale Antworten zu regulieren und die verlangsamte Rückkehr zum emotionalen Grundzustand. Die Unterschiede bei diesen Merkmalen sind bei Patienten mit BPS im Vergleich zu psychisch gesunden oder depressiven Personen empirisch signifikant (Stiglmayr, 2011). Nur Benecke et al. (2011) sprechen nicht von einem globalen Emotionsregulationsdefizit, dass BPS Patienten auf alle Stimuli maladaptiv reagieren lässt. Sie gehen davon aus, dass BPS Patienten nur auf gewissermaßen für sie relevante Stimulusmatierialien reagieren, wie auf das verlassen werden oder auf die traumabezogenen Stimuli.
Gemäß der Zusammenfassung von (Benecke, 2014) wurde der Mechanismus der Affektregulation bei BPS Patienten wie folgt beschrieben. Traumatisierende Erfahrungen begünstigen die grundsätzlichen Verunsicherungen, besonders in Bereich Bindung. Tatsächlich wurden BPS Patienten in zahlreichen Studien mit traumatisierenden Ereignissen, wie z.B. sexuellen Missbrauch, in Verbindung gebracht (Capps, Fiori, Mullin, & Hilsenroth, 2015). Laut der weiteren Erklärung von Benecke (2014) führt eine unsichere Bindung zu negativen Selbst- und Objektrepräsentanzen und zu traumabezogenen passiv-negativen Kernaffekten wie Verzweiflung oder Hilflosigkeit. Derartige Kernaffekte lösen bei BPS Patienten sozusagen dynamische Regulierungsprozesse aus. Eine beschriebene Strategie davon ist die zur Abwehr dienende Affektreaktion. Zum Beispiel schrieb er dem Affekt Wut eine Abwehrfunktion bei Verzweiflung zu. Diese Wut wurde auch von anderen Wissenschaftlern neben der Aggression als einer der zentralen Kernaffekte bei BPS Patienten benannt (Hoffmann, 2015) und wird im DSM-IV als ein Kriterium zur Diagnose gezählt.
Bezogen auf den Zusammenhang zwischen dem Affekt Wut und dem Weinverhalten, berichtete Benecke (2009) im Ergebnis seiner eigenen Untersuchung beim Vergleich des Emotionserlebens der Nichtweinenden und den Weinenden Probanden, dass die Nichtweinenden im Bereich des Emotionserlebens signifikant mehr aggressive Emotionen wie Wut, Ekel oder Reizbarkeit erleben. Daraus lässt sich annehmen, dass der Affekt Wut mit dem Weinen in einem negativen Zusammenhang steht.
Das Projekt „Affektivität, Beziehung und psychische Störung“, woraus dieses Ergebnis stamm, zeigte hierzu weitere interessante Ergebnisse. Benecke (2009) verglich im Projekt 120 Frauen, 18 gesunde und 102 mit unterschiedlichen psychischen Erkrankungen, miteinander. Die Gruppe der Frauen mit psychischen Erkrankungen litt an den Diagnosen: Essstörung, Schmerzstörung, Angst, Depression und BPS. Die Studie zeigte, dass die Gesunden und die mit Essstörungen tendenziell seltener weinen, als Frauen mit Schmerzstörungen, Angst und Depressionen. Jedoch nachdem er in der Auswertung die Gruppe der Gesunden herausnahm, wurde unter den Kreis der psychisch Kranken kein signifikanter Unterschied sichtbar. Somit sind die Diagnosen allein kein zulässiger Prädiktor für die Häufigkeit des Weinens.
Einige Jahre später kam eine Studie von Capps, Fiori, Mullin, und Hilsenroth (2013), mit insgesamt 52 untersuchten Personen die an unterschiedlichen psychischen Erkrankungen litten, zu dem widersprüchlichen Ergebnis, dass Personen mit BPS besonders häufig weinen (Schiestl & Bänninger-Huber, 2015). In einer vertiefenden Studie wurde deutlich, dass nur die Personen mit einer höheren Ausprägung einer emotionalen Dysregulation, BPS Symptomen oder einer traumatischen Erfahrung durch sexuellen Missbrauch tendenziell häufiger weinen (Capps et al., 2015). Das weißt darauf hin, dass sich das Weinverhalten nicht durch Diagnosen, sondern eher durch eine tiefere Ebene, wie die oben genannten einer Diagnose zugrundliegenden Faktoren, spezifizieren lässt.
4.2 Zusammenhang zwischen Weinen und Depression
Dieser Abschnitt enthält eine kurze allgemeine Zusammenfassung zum Thema Depression, die in dieser Arbeit als eine Vergleichserkrankung zu BPS verwendet wird. Anschließend werden die für die Fragestellung relevanten Charakteristiken der Erkrankung erläutert.
Im ICD-10 als auch im DSM-IV wurden depressive Erkrankungen in mehrere Formen eingeteilt und gemeinsam mit anderen affektiven Störungen, wie der Manie oder der Bipolaren Störung, unter der Kategorie der Affektiven Störungen eingeordnet. Diese Bezeichnung wurde aber von Benecke (2014) als eher „unglücklich“ beschrieben, denn alle psychischen Erkrankungen haben mit veränderten Affekten zu tun. Der Begriff Affekt sollte bei diesen Affektiven Störungen eher Stimmung heißen. Außerdem müssen noch viele weitere Symptome neben der Affektveränderung vorhanden sein. Gemäß dem ICD-10 werden depressive Episoden durch die folgenden Hauptmerkmale ausgeprägt: gedrückte Stimmung, Interessenverlust, Freudlosigkeit, Antriebsverminderung und erhöhte Ermüdbarkeit. Die Depression ist eine weltweit stark verbreitete Erkrankung, die besonders häufig in industrialisierten Ländern auftritt. Zum Beispiel lag die die Prävalenzrate für depressive Episoden bezogen auf die EU im Jahre 2011 bei ca. 7% (Wittchen et al., 2011; zit. nach Benecke, 2014).
Obwohl oben im Kapitel 1, im Zitat von Messmer (2009), ungehemmtes Weinverhalten als typisches Symptom für Depression genannt wurde, gelten die Thesen für einen möglichen Zusammenhang zwischen der Weinhäufigkeit und Depressionen als umstritten. Capps et al. (2015) verdeutlichten, dass verstärktes Weinen zwar allgemein als Symptom für depressive Stimmungen gesehen wird, jedoch gibt es einen Mangel an empirischen Belegen für einen Zusammenhang. Bei der näheren Betrachtung der Diagnosekriterien im verschiedenen Editionen von DSM und ICD-10 fällt auf, dass keine einheitliche Formulierung definiert ist. Vingerhoets et al. (2007) führten eine Überarbeitung an den verschiedenen Editionen des DSM durch und beschrieben im Ergebnis, dass das Weinen weder ein notwendiges noch ein ausreichendes Kriterium zur Diagnose einer Stimmungsstörung nach DSM ist. Gleiches gilt auch für die Erklärung im ICD-10.
Für die umstrittenen Ansätze gibt es nach Vingerhoets et al. (2007) zusammengefasst drei wesentliche Ansichten: Erstens gibt es einen simplen linearen Zusammenhang zwischen der Ausprägung von Depressionssymptomen und der Weinhäufigkeit. Das bedeutet, je schwerer die depressiven Symptome sind, desto häufiger weinen die Betroffenen. Nach Vingerhoets et al. (2007) ist dieser Ansatz im Bereich der Messinstrumente der depressiven Symptome dominant. Viele Messinstrumente basieren auf diesem Ansatz. Zweitens gibt es einen Zusammenhang einer höheren Weinhäufigkeit bei milderen Formen der Depression. Bei Patienten mit einer starken Ausprägung wird oft eine Weinunfähigkeit beobachtet. Es gilt die weit verbreitete Annahme, dass stark Depressive eine generelle Weinunfähigkeit aufweisen. Der dritte Ansatz besagt, der Zusammenhang zwischen Depressionen und dem Weinen besteht nur prämorbide und ist mehr eine Nebenerscheinung die den Zusammenhang moderiert, wie zum Beispiel Nelson (2005) erklärt, über die Art der Bindung.
In einem weiteren Bereich der Forschung wird das unterschiedliche Weinverhalten der Depressionspatienten zu positiven oder negativen Antezedenzen gesehen. Diese wurde anhand eines klinisch depressiven Beispiels untersucht. Diese Studie, von Rottenberg, Gross, Wilhelm, Najmi, und Gotlib aus dem Jahr 2002, ergab keinen signifikanten Unterschied in der Wahrscheinlichkeit des Weinens zwischen der depressiven und nicht depressiven Gruppe beim Schauen eines traurigen Films (Vingerhoets et al., 2007). Dagegen wurde in einer anderen Studie beschrieben, dass im Vergleich zur Kontrollgruppe, die Patienten mit einer affektiven Störung auf negativen Antezedenzen mit einer gesteigerten Weinneigung reagieren. Jedoch fällt diese auf positiven Antezedenzen nicht signifikant stärker aus (Rottenberg, Cevaal, & Vingerhoets, 2008).
Des Weiteren gibt es einen interessanten Befund von Bylsma et al. (2011) zu den möglichen Zusammenhängen zwischen der Stimmungsvariabilität, sozusagen der positiven und negativen, dem Drang zum Weinen und der Weinhäufigkeit. Auch wenn die Stichproben auf weibliche Psychologiestudentinnen beschränkt waren ist diese Studie interessant, da eine starke Stimmungsvariabilität generell mit Emotionsregulationsstörungen wie Angst, Depression und BPS in Verbindung gebracht wird. Im Ergebnis zeigt sich, dass der höhere Drang zum Weinen mit einer stark ausgeprägten tagesabhängigen Stimmungsvariabilität in Verbindung gebracht wird. Im Hinblick auf die Maße zur affektiven Instabilität wurden in einer Studie spezifisch BPS Patienten mit Depressionspatienten (Major Depression oder Dysthymie) verglichen. Die Depressionspatienten weisen im Vergleich zu den BPS Patienten eine weniger stark ausgeprägte Variabilität in negativer als auch positiver Affektivität auf (Backenstraß & Mundt, 2011).
Das heißt, theoretisch müssen Depressionspatienten einen niedrigeren Drang zum Weinen aufweisen als BPS Patienten. Diese Schlussfolgerung muss vorsichtig interpretiert werden, denn dieser positive Zusammengang zwischen der höheren Stimmungsvariabilität und dem höheren Drang zum Weinen wird nur erkennbar, wenn die Stimmungsdisposition, die mit dem Drang zum Weinen und der Weinhäufigkeit im Zusammenhang steht, zur Auswertung herangezogen wurde (Bylsma et al., 2011). Das heißt, Personen mit hoher negativer und geringer positiver Stimmungsdisposition werden tendenziell mit einem höheren Drang zum Weinen und einer höheren Weinhäufigkeit assoziiert.
5 Kategoriensystem
Im Folgenden wird das bei dieser quantitativen Untersuchung verwendete ursprünglichen Kategoriensystem der Formen des emotionalen Weinens präsentiert. Dieses wurde bei unserer Untersuchung weiter optimiert, wie in Kapitel 7.2 näher erläutert.
Das ursprünglichen Kategoriensystem der Formen des emotionalen Weinens ist im Rahmen der verschiedenen Projektarbeiten im Fachgebiet der klinischen Psychologie und Psychotherapie mit einem qualitativen Verfahren zur Theoriegenerierung, der Grounded Theory, entstanden. Dieses wurde durch weitere Teilprojekte fortlaufend optimiert. Im Folgenden zeigt eine kurze Zusammenfassung die Entwicklung des Kategoriensystems.
Zunächst unterteilt sich das Weinverhalten in zwei Hauptformen, den natürlichen und den nicht-natürlichen Weinformen bzw. den Sonderformen des Weinens. Zu den natürlichen Weinformen gehören Leidendes Weinen, Überforderndes Weinen und Trauendes Weinen. Solche Weinverhalten wirken den Interaktionspartnern gegenüber eher authentisch. Die nicht-natürlichen Weinformen unterteilen sich wiederum in vier Weinformen, Unsicheres Weinen, Monoton-Niedergeschlagenes Weinen, Unterdrücktes Weinen und Überspieltes Weinen. An diesen Unterkategorien der Sonderformen wurden bei der letzten Modifikation große Änderungen vorgenommen. Unterdrücktes Weinen wurde von den Sonderformen des Weinens ausgenommen und auf die gleiche Ebene wie die anderen natürlichen Weinformen gestellt. Die anderen drei Sonderweinformen wurden abgeschafft. Hinzu kam eine neue Kategorie das Positiv Berührende Weinen. Daraus resultiert das aktuellste Kategoriensystem der Formen des emotionalen Weinens mit insgesamt fünf Kategorien bestehend aus: Leidendes Weinen, Überforderndes Weinen, Trauendes Weinen, Unterdrücktes Weinen und Positiv Berührendes Weinen.
Die Kategorisierung der Weinformen:
In die Kategorie Leidend Weinen werden Personen zugeordnet die sich von anderen Personen nicht angemessen behandelt fühlen. Krankheiten und Schuldgefühle werden häufig thematisiert und sie hinterlassen gelegentlich den Eindruck, dass sie Mitleid mit sich bzw. anderen zu haben. Oft werden gleich mehrere belastendende Ereignisse genannt und/oder beklagt. Dabei liegt der Fokus meist auf den Themen Gewalt und emotionale Verletzungen. Vergangene Situationen und Erlebnisse scheinen sie stark zu berühren und weiterhin zu beschäftigen.
In die Kategorie Weinen aus Überforderung werden Personen zugeordnet die aus aktuellen Situationen heraus weinen. Auslöser kann generelle Überforderung oder Unzufriedenheit mit der aktuellen Lebenssituation sein. Beziehungsproblematiken, die Angst, Verzweiflung, Unsicherheit verursachen gelten als häufigsten Auslöser. Darüber hinaus können ein ausgeprägtes Schuldbewusstsein oder auch Schwierigkeiten im sozialen Umfeld eine Rolle spielen. Betroffene Personen erwecken einen hilfesuchenden und/oder ratlosen Eindruck, der mit ausgeprägten Zukunftsängsten einhergeht.
In die Kategorie Trauer/Traurigkeit werden Personen zugeordnet die von Verlustängsten und/oder tatsächlichen Verlusten, wie dem Verlust von wichtigen Personen, Fähigkeiten, Vergangenheit oder Existenz, betroffen sind. Dabei scheinen sie häufig berührt und emotional involviert zu sein. Betroffene Personen rufen sich das Verlustereignis immer wieder auf und versetzen sich gedanklich zurück zum Zeitpunkt des Verlustes. Dies führt in den meisten Fällen zu einer ausgeprägten Niedergeschlagenheit.
In die Kategorie Unterdrückend werden Personen zugeordnet die bemüht sind den Tränenfluss nach Möglichkeit zu unterdrücken bzw. zu überspielen. Aufgrund der Tatsache, dass dadurch der gewöhnliche Emotionsausdruck unterdrückt wird, wirkt das Verhalten auf den Gegenüber oft aufgesetzt. Dies zeigt sich auch an der herabgesetzten Reaktionsfähigkeit dieser Personen in der Kommunikation, was insbesondere durch die Vermeidung des direkten Blickkontaktes sowie durch kreisende Augenbewegungen zum Ausdruck gebracht wird. Auch das überspielen des Weinens, z.B. mit Lachen, ist häufig zu beobachten. Dieser Personenkreis neigt gelegentlich zu einem starren Blick bzw. einer Art Affektstarre, die oft gepaart mit Freudlosigkeit, Abgeschlagenheit und einer erstarten Mimik einhergeht. Generell ist eine ausgeprägte Angespanntheit zu beobachten, die Betroffene mit auffälligen Verhaltensmustern, wie mit den Lippen pressen und beißen, zur Geltung bringen. Die Sprache und Stimme unterliegt in manchen Fällen einer aufgesetzten Intonation, die zusätzlich mit der entsprechenden Mimik unterstrichen werden kann, u.a. mit auffällig aufgerissenen Augen.
In die Kategorie Positiv berührt werden Personen zugeordnet die ein Lächeln in Kombination mit Tränenfluss zeigen. Dies geht in der Regel mit positiven und erfreulichen Berichten zu Erlebnissen und Erfahrungen einher. Das Meistern von scheinbar unerreichbaren Zielen oder die Erfüllung lang ersehnter Wünsche gelten als häufigste Auslöser.
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