Im Jahr 1852 trat das österreichische Strafgesetzbuch in Kraft, dass allerdings nur eine Neuausgabe des StGB von 1803 war. In ihm waren unter anderem die §§ 144ff 1 festgehalten, die sich auf den Schwangerschaftsabbruch bezogen. Trotz dieser Gesetze stieg die Dunkelziffer der Abtreibungen in den Folgejahren. Deshalb entstanden im Jahr 1934 § 344 und § 357a und 1937 das „Bundesgesetz zum Schutze des keimenden Lebens“ um den Abbrüchen entgegenzuwirken.2 Diese blieben bis auf das „Bundesgesetz zum Schutze des keimenden Lebens“, das nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr in das Gesetz aufgenommen wurde3, bis 1975 bestehen. Trotz heftiger Kritik einzelner Organisationen, die eine Liberalisierung des Gesetzes forderten, wie auch der 1919 gegründete Bund gegen den Mutterschaftszwang und den rassenhygienischen Gesetzen der Deutschen in den Jahren des Zweiten Weltkrieges, änderte sich daran nichts. Die Fristenregelung, die am 1.1.1975 in Kraft trat, legalisiert eine Abtreibung in den ersten drei Monaten, da in diesem Zeitraum eine Abtreibung für die Mutter weniger gefährlich sei als später. Weiterhin erlaubte sie die Abtreibung zwischen dem vierten und sechsten Monat, im Falle einer Medizinische-, Eugenische- oder einer Unmündigkeitsindikation und vom siebten bis neunten Monat, wenn eine unabwendbare Lebensgefahr für die Mutter besteht.
Wie war und ist die Stellung der Frau in der Alpenrepublik und wie reagierte ihre Bevölkerung, deren Politiker und Ärzte, aber vor allem die Kirche auf die legislativen Regelungen? Diesen Fragen wird sich hier gewidmet.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Die Entwicklung von der medizinischen Indikation zur Fristenregelung
2.1 1945 bis 1954: Die große Koalition
2.2 1954 bis 1966: Der Stillstand
2.3 1966 bis 1970: ÖVP ist Regierungspartei
2.4 1970 bis 1975: Vorarbeit zur Fristenregelung
2.5 Ab 1975: Die Fristenregelung
3. Darstellung der Abtreibungsgesetze von 1852 und 1975
3.1 Abtreibungsgesetz von 1852
3.1.1 Verschärfungen des Abtreibungsgesetzes
3.2 Die Fristenregelung von 1975
3.3 Die Gesetze im Vergleich
4. Die Fristenregelung in der Praxis
4.1 Verurteilungen seit der Fristenregelung
4.2 Verhütungsmittel
5. Reaktionen auf die Einführung der Fristenregelung der
5.1 Politik
5.2 Kirche
5.3 Laienorganisationen
5.4 Bevölkerung
5.5 Ärzte
6. Pro und Contra - Maßnahmen zur Fristenlösung
6.1 Flankierende und unterstützende Maßnahmen
6.1.1 Der „Auersperg Skandal“
6.1.2 „Aktionskomitee zur Abschaffung des § 144“
6.1.3 Die Rechtssprechung
6.2 Bemühungen gegen die Fristenregelung und ihre Durchsetzung
6.2.1 Konservative Organisationen
6.2.1.1 „Aktion Leben“
6.2.1.2 „Geborene für Ungeborene“
6.2.2 Die ÖVP
6.3 Familienpolitische Maßnahmen
7. Stellung der Frau
7.1 in der Politik
7.2 in der Gesellschaft
7.3 Meinung der österreichischen Frauen zur Fristenregelung
8. Indikationserläuterungen
9. Abkürzungsverzeichnis
10. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Im Jahr 1852 trat das österreichische Strafgesetzbuch in Kraft, dass allerdings nur eine Neuausgabe des StGB von 1803 war. In ihm waren unter anderem die §§ 144ff1 festgehalten, die sich auf den Schwangerschaftsabbruch bezogen. Trotz dieser Gesetze stieg die Dunkelziffer der Abtreibungen in den Folgejahren. Deshalb entstanden im Jahr 1934 § 344 und § 357a und 1937 das „Bundesgesetz zum Schutze des keimenden Lebens“ um den Abbrüchen entgegenzuwirken.2 Diese blieben bis auf das „Bundesgesetz zum Schutze des keimenden Lebens“, das nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr in das Gesetz aufgenommen wurde3, bis 1975 bestehen. Trotz heftiger Kritik einzelner Organisationen, die eine Liberalisierung des Gesetzes forderten, wie auch der 1919 gegründete Bund gegen den Mutterschaftszwang und den rassenhygienischen Gesetzen der Deutschen in den Jahren des Zweiten Weltkrieges, änderte sich daran nichts.
Zwar erlaubten die Gesetze von 1852 keinen Schwangerschaftsabbruch, jedoch wurde dies gebilligt, wenn die Schwangerschaft oder ihre Fortsetzung das Leben der Mutter gefährdete und diese Gefahr von einem Arzt bestätigt wurde.4
Nach 1975 löste dann eine kombinierte Fristen- und Indikationsregelung5 das Gesetz von 1852 ab.6 Diese Regelung erlaubte die Abtreibung innerhalb der ersten drei Monate.
2. Die Entwicklung von der medizinischen Indikation zur Fristenregelung
2.1 1945 bis 1954: Die große Koalition
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ließen die Alliierten, in der nun wieder- gegründeten Republik Österreich, drei Parteien zu: die ÖVP, die SPÖ und die KPÖ. Diese bildeten eine große Koalition, welche den Zweck hatte, Österreich nach dem Krieg wieder aufzubauen.
Die Gesetze aus den Vorkriegsjahren wurden wiedereingeführt, darunter auch § 144 bis § 148, die sich auf den Schwangerschaftsabbruch bezogen.1 Die Durchführung des Abtreibungsgesetzes war in den ersten Jahren sehr schwer zu gewährleisten, da große Teile der weiblichen Bevölkerung Österreichs während des Krieges von Soldaten vergewaltigt worden waren. Dadurch kam es zu einer erheblichen Zahl von ungewollten Schwangerschaften.2 Der Abbruch dieser Schwangerschaften war zwar nicht legal, wurde jedoch von Staat und Kirche toleriert. Ab 1946 kehrte man aber wieder zum Gesetzesalltag zurück.
Aus den Reihen der SPÖ-Frauen wurde zum ersten Mal die Forderung gestellt, welche eine Abschaffung der Abtreibungsparagraphen für notwendig hielt. Diese Forderung wurde jedoch im Hinblick auf die Koalition mit der konservativen ÖVP, die ihre Meinung eng an der der katholische Kirche angelegt hatte, von der SPÖ-Führung verworfen. Die Ziele der SPÖ waren jetzt die Abtreibung nicht mehr als Verbrechen, sondern als Vergehen zu ahnden, was eine geringere Strafe zur Folge hätte Ein weitere Ziel war die Errichtung von Beratungszentren für schwangere Frauen.3 In den folgenden Jahren ebbten die Diskussionen über die Abtreibungsgesetze, durch die weiteren Versuche sich der ÖVP anzunähern, ab. Erst Anfang der fünfziger Jahre gewann die Diskussion um die § 144ff wieder an Bedeutung, da die Geburtenzahlen absanken. Die SPÖ forderte nun eine Reform des Gesetzes, sowie eine gleichberechtigtere Stellung der Frau. Im Gegensatz dazu führten ÖVP und die Kirche den Geburtenrückgang auf den Verfall der Moral und den zunehmenden Wohlstand der Bevölkerung zurück. Sie lehnten eine Lockerung daher konsequent ab. Somit scheiterten alle Versuche, die Abtreibungsgesetze zu reformieren.
2.2 1954 bis 1966: Der Stillstand
Im Dezember 1953 beschloss der Nationalrat Österreichs eine Reform des StGB durchzuführen. Im Folgejahr stimmte eine Enquete, bestehend aus Politikern, Juristen und Ärzten, diesem Beschluss zu. Im Oktober 1954 wurde eine Kommission mit der Reform des StGB beauftragt. Diese Kommission, der nicht nur Politiker angehörten, sondern auch Menschen aus dem öffentlichen Leben, sollte eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung finden.
Die Kommission einigte sich schließlich auf einen Entwurf, in dem die eugenische und
ethische der medizinischen Indikation1 untergeordnet waren. So entstand der § 97.2 Dieser Entschluss, der untergeordneten Indikationen, kam durch ÖVP-Politiker zustande, die sich vehement gegen eine eindeutige eugenische und ethische Indikation aussprachen. Die Forderung der SPÖ, die Abtreibung als Vergehen und nicht als Verbrechen zu ahnden, wurde zwar nicht eindeutig aufgeführt, lässt sich aber aus dem Kontext des Entwurfes entnehmen.
Die katholische Kirche und ihre Laienverbände sprachen sich öffentlich gegen diesen Entwurf aus. Sie forderten, dass eine Abtreibung nur aus medizinischen Gründen und auch dann nur nach einem Gutachten einer eigens dafür eingerichteten Kommission gewährt werden dürfe. Die SPÖ hingegen verzichtete auf eine öffentliche Stellungnahme, um sich nicht von ihrer Koalitionspartei und deren Standpunkt zu entfernen. Das Thema Abtreibung wurde auch aus ihrem Wahlprogramm gestrichen, da nicht nur die Annäherung an den Standpunkt der Koalitionspartei, sondern auch eine Aussöhnung mit der katholischen Kirche das Ziel der SPÖ war.
Als 1959 wieder ein Geburtenrückgang zu verzeichnen war, wurde von der konservativen Seite ein höheres Strafmass und eine stärkere Kontrolle statt einer Liberalisierung gefordert.
Seit dem Ende der fünfziger Jahre war die Erhaltung der Koalition nicht mehr primäres Ziel der Parteien, da der Wiederaufbau Österreichs abgeschlossen war, somit wurde ein gemeinsamer Konsens in Bezug auf die Reform immer schwieriger. Auch die erneuten Reformversuche aus den Jahren 1964 und 1966 von Minister Borda fielen, trotz des Versuches einen gemeinsamen Konsens zu finden, dieser Entfremdung der Parteien zum Opfer.3
2.3 1966 bis 1970: ÖVP ist Regierungspartei
Ab dem Jahr 1966 war die ÖVP die Regierungspartei in Österreich. Die SPÖ arbeitete nun mit Hilfe der Öffentlichkeit und versuchte deren Stimmen für sich zu gewinnen. Sie sprach sich nun auch entschieden gegen die Reform von 1966 aus. Die gleiche Meinung vertrat die Sozialisten auch bei dem Reformentwurf von 1968, welcher dem §§ 144ff entsprach. Durch den vehementen Widerspruch seitens der SPÖ kam man wieder zu keiner Einigung und in der laufenden Gesetzgebungsperiode wurde die Diskussion nicht wieder aufgenommen.
Jedoch war am Ende der sechziger Jahre in der ÖVP eine liberalere Meinung und eine Loslösung in Teilbereichen von den Ansichten der katholischen Kirche sichtbar.
2.4 1970 bis 1975: Vorarbeit zur Fristenregelung
Auch Bordas Reformentwurf von 1971, der eine medizinische, eugenische, ethische und soziale Indikation1 enthielt, konnte sich nicht durchsetzen. Durch die Entwicklung in den benachbarten Ländern, die von einem Abtreibungsverbot zu einer eher liberaleren Meinung und einer liberaleren Gesetzgebung wechselten, wurde auch Österreich beeinflusst. Durch den Druck der Öffentlichkeit und dadurch dass nun die SPÖ Regierungspartei war, kam 1972 der Parteitagsbeschluss zustande, der eine Fristenregelung in Österreich vorsah. Trotz Proteste der Kirche, ihrer Laienverbände und der ÖVP trat dieses Gesetz im sehr katholisch geprägten Österreich, in dem 88 % der Bevölkerung dem katholischen Glauben angehören, am 1.1.1975 mit 92 : 89 Stimmen in Kraft.2 Somit war Österreich, abgesehen von Skandinavien, das erste Land auf unserem Kontinent in dem eine weitestgehende Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes durchgeführt wurde.3
2.5 Ab 1975: Die Fristenregelung
Nachdem die Fristenregelung von der SPÖ durchgesetzt wurde, hielt sich diese zu dem Thema völlig bedeckt. Im Gegensatz dazu propagierte die katholische Kirche weiter gegen die neue Regelung des Schwangerschaftsabbruches. Allerdings wurde dieses Gesetz auch nicht mehr reformiert als die Volkspartei wieder in Österreich regierte, da es in der Bevölkerung auf eine breite Akzeptanz stieß.4
3. Darstellung der Abtreibungsgesetze von 1852 und 1975
An den Abtreibungsgesetzes von 1852, in dem die medizinische Indikation nur gebilligt wurde, und 1975, der Fristenlösung, wird die Entwicklung dieser ersichtlich.
3.1 Abtreibungsgesetz von 1852
- 144 Eine Frauenperson, welche absichtlich was immer für eine Handlung unternimmt, wodurch die Abtreibung ihrer Leibesfrucht verursacht, oder ihrer Entbindung auf solche Art, dass das Kind tot zur Welt kommt, bewirkt wird, macht sich eines Verbrechens schuldig.
- 145 Ist die Abtreibung versucht , aber nicht erfolgt, so soll die Strafe auf Kerker zwischen sechs Monaten und einem Jahr ausgemessen; die zustande gebrachte Abtreibung mit schweren Kerker zwischen einem und fünf Jahren bestraft werden.
- 146 Zu eben dieser Strafe, jedoch mit Verschärfung, ist der Vater des Abgetriebenen Kindes zu bestrafen, wenn er mit an dem Verbrechen Schuld trägt.
- 147 Diesen Verbrechen macht sich auch derjenige schuldig, der aus was immer für einer Absicht, wider Wissen und Willen der Mutter, die Abtreibung ihrer Leibesfruchtbewirkt oder zu bewirken versucht.
- 148 Ein solcher Verbrecher soll mit schweren Kerker zwischen einem und fünf Jahren; oder wenn zugleich der Mutter durch das Verbrechen Gefahr am Leben oder Nachteil an der Gesundheit zugezogen worden ist, zwischen fünf und zehn Jahren bestraft werden.1
3.1.1 Verschärfungen des Abtreibungsgesetzes
Den Paragraphen 144ff wurden im Jahr 1934 § 344 und § 357a, wegen zu hohen Missbrauch der Freiräume, die das Gesetz bot, hinzugefügt. Danach war eine Abtreibung nur aus medizinischer Sicht erlaubt (§ 344) und das auch nur, wenn ein Arzt sich davon überzeugt hatte (§ 357a). 1937 trat dann das Bundesgesetz zum Schutz des keimenden Lebens in Kraft, das besagte, dass eine aus drei Ärzten bestehende Kommission über eine Abtreibung aus medizinischen Gründen zu entscheiden hätte.2 Dieses Gesetz trat nach dem Zweiten Weltkrieg und den damit verbundenen deutschen rassenhygienischen Indikation nicht wieder in Kraft.3
3.2 Die Fristenregelung von 1975
- 96. (1) Wer mit der Einwilligung der Schwangeren deren Schwangerschaft abbricht, ist mit einer
Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, begeht er dir Tat gewerbsmäßig, mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
(2) Ist der unmittelbare Täter kein Arzt, so ist er mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren begeht er dir Tat gewerbsmäßig oder hat sie den Tod der Schwangeren zur Folge, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
(3) Eine Frau, die den Abbruch ihrer Schwangerschaft selbst vornimmt oder durch einen anderen zulässt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahren zu bestrafen.
- 97. (1) Die Tat ist nach § 96 nicht strafbar,
1. wenn der Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft nach vorhergehender ärztlichen Beratung von einem Arzt vorgenommen wird; oder
2. wenn der Schwangerschaftsabbruch zur Abwendung einer nicht anders abwendbaren ernsten Gefahr für das Leben oder eines schweren Schadens für die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren erforderlich ist oder eine ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein werde, oder die Schwangere zur Zeit der Schwängerung unmündig gewesen ist und in allen diesen Fällen der Abbruch von einem Arzt vorgenommen wird; oder
3. wenn der Schwangerschaftsabbruch zur Rettung der Schwangeren aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Lebensgefahr unter Umständen vorgenommen wird, unter denen ärztliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist.
(2) Kein Arzt ist verpflichtet, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen oder an ihm mitzuwirken, es sei denn, dass der Abbruch ohne Aufschub notwendig ist, um die Schwangere aus einer unmittelbar drohenden, nicht anders abwendbaren Lebensgefahr zu retten. Dies gilt auch für die im Krankenpflegefachdienst, in medizinisch-technischen Diensten oder im Sanitätshilfsdienst tätigen Personen.
(3) Niemand darf wegen der Durchführung eines straflosen Schwangerschaftsabbruchs oder der Mitwirkung daran oder wegen der Weigerung, einen solchen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen oder daran mitzuwirken, in welcher Art immer benachteiligt werden.
- 98. (1) Wer ohne Einwilligung der Schwangeren deren Schwangerschaft abbricht, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, hat die Tat den Tod der Schwangeren zur Folge, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
(2) Der Täter ist nach Abs. 1 nicht zu bestrafen, wenn der Schwangerschaftsabbruch zur Rettung der Schwangeren aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Lebensgefahr unter Umständen vorgenommen wird, unter denen die Einwilligung der Schwangeren nicht rechtzeitig zu erlangen ist.1
3.3 Die Gesetze im Vergleich
Im Gegensatz zu der Fristenregelung, die am 1.1.1975 in Kraft trat, wurde eine medizinische Indikation in dem Gesetz von 1852 nicht anerkannt,2 sie wurde nur im Laufe der Jahre toleriert.3 Die Fristenregelung legalisiert eine Abtreibung in den ersten drei Monaten, da in diesem Zeitraum eine Abtreibung für die Mutter weniger gefährlich sei als später. Weiterhin erlaubte sie die Abtreibung zwischen dem vierten und sechsten Monat, im Falle einer Medizinische-, Eugenische- oder einer Unmündigkeitsindikation1 und vom siebten bis neunten Monat, wenn eine unabwendbare Lebensgefahr für die Mutter besteht.2
In § 97 Abs. 1 Zeile 4 wird die Unmündigkeit erwähnt. Das heißt, dass die Schwangere ihr 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Zwischen dem 14. Lebensjahr und dem Tag der Volljährigkeit darf nur abgetrieben werden, wenn die Schwanger dies will. Ihr Vormund muss sich dann ihrem Willen fügen oder eine andere Indikation, zum Beispiel die soziale Indikation, nachweisen, um eine Abtreibung durchzusetzen.3
Das Inkrafttreten der Fristenregelung ist zwar eine Liberalisierung der Rechtssprechung im Bezug auf den Schwangerschaftsabbruch, jedoch wurde die Rechtslage bei einer Abtreibung nach einer Vergewaltigung wiederum nicht explizit aufgeführt.4
Wenn man die Entwicklungen betrachtet, die die Abtreibungsgesetze im Laufe der Jahre erfahren haben, sieht man, wie die Liberalisierung in den Prozess integriert wurde, da vor dem Inkrafttreten des StGB von 1852, die Abtreibung in Österreich noch mit dem Tod bestraft wurde.5
4. Die Fristenregelung in der Praxis
Über die Umsetzung der Fristenregelung, sowie ihre sozialen Auswirkungen ist nicht viel bekannt, da trotz der Abtreibungsliberalisierung von 1975 das Thema in Österreich tabuisiert wird.6 Dies geht sogar soweit, dass die durchgeführten Abbrüche nicht registriert werden. Heute gibt es nur drei Gründe, warum die Abtreibung in der Öffentlichkeit steht: als politisches Thema, als Skandal, oder wenn der Rückgang der Geburtenrate erkannt wird. Die Möglichkeit für eine österreichische Frau, einen Schwangerschaftsabbruch auf der Basis der Fristenregelung durchführen zu lassen, besteht fast nur in den Bundesländern, in denen die SPÖ führende Partei ist, hauptsächlich aber in Wien. In Österreich existieren drei Arten von Kliniken, in denen Abtreibungen durchgeführt werden können:
Abbruch- bzw. Privatklinken, Belegspitäler1 und Privatpraxen. In Österreichs westlichen, konservativen, von der ÖVP geprägten Gebieten, einen Abbruch vornehmen
zu lassen ist fast unmöglich.2
Dadurch, dass Schwangerschaftsabbrüche ein Tabuthema sind, gibt es für Frauen so gut wie keine Informationen über Kosten und Möglichkeiten der Abtreibungsdurchführung. Zwar existieren ca. 160 Beratungsstellen in Österreich, die Beratung bei Familienproblemen anbieten, aber selbst dort fehlen Informationen zu diesem Thema. Für Abtreibung zu werben, ist verboten und wird bei wiederrechtlichem Gebrauch bestraft. Somit können Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, ihre Preise individuell bestimmen, da die Frauen keine Vergleichsmöglichkeiten haben.3
[...]
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3 Mesner, Maria: Frauensache? Zur Auseinandersetzung um den Schwangerschaftsabbruch in Österreich. Hrsg.: Weinzierl, Erika/ Mattel, Siegfried/ Rathkolb, Oliver, Bd. 23, Wien 1994. S. 34
4 Ketting, Evert/ van Praag, Philip: Schwangerschaftsabbruch. Gesetz und Praxis im internationalen Vergleich. Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT), Tübinger Reihe, Bd. 5, 1. Aufl., Tübingen 1985. S. 30
5 s. Seite 7
6 Enigl, Marianne et al.: Der weibliche Körper als Schlachtfeld. Hrsg.: Enigl, Marianne/ Perthold, Sabine, Wien 1993. S. 103
1 Mesner, Maria: Frauensache? Zur Auseinandersetzung um den Schwangerschaftsabbruch in Österreich. Hrsg.: Weinzierl, Erika/ Mattel, Siegfried/ Rathkolb, Oliver, Bd. 23, Wien 1994. S. 33
2 Ebd. S. 36f
3 Ebd. S. 78ff
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2 Mesner, Maria: Frauensache? Zur Auseinandersetzung um den Schwangerschaftsabbruch in Österreich. Hrsg.: Weinzierl, Erika/ Mattel, Siegfried/ Rathkolb, Oliver, Bd. 23, Wien 1994. S. 132
3 Ebd. S. 149ff
1 s. Seite 20
2 Enigl, Marianne et al.: Der weibliche Körper als Schlachtfeld. Hrsg.: Enigl, Marianne/ Perthold, Sabine, Wien 1993. S. 111
3 Ketting, Evert/ van Praag, Philip: Schwangerschaftsabbruch. Gesetz und Praxis im internationalen Vergleich. Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT), Tübinger Reihe, Bd. 5, 1. Aufl., Tübingen 1985. S. 31
4 Enigl, Marianne et al.: Der weibliche Körper als Schlachtfeld. Hrsg.: Enigl, Marianne/ Perthold, Sabine, Wien 1993. S. 103
1 Mesner, Maria: Frauensache? Zur Auseinandersetzung um den Schwangerschaftsabbruch in Österreich. Hrsg.: Weinzierl, Erika/ Mattel, Siegfried/ Rathkolb, Oliver, Bd. 23, Wien 1994. S. 16f
2 Ebd. S. 22f
3 Ebd. S. 34
1 Enigl, Marianne et al.: Der weibliche Körper als Schlachtfeld. Hrsg.: Enigl, Marianne/ Perthold, Sabine, Wien 1993. S. 123f
2 Ebd. S. 111
3 Ketting, Evert/ van Praag, Philip: Schwangerschaftsabbruch. Gesetz und Praxis im internationalen Vergleich. Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT), Tübinger Reihe, Bd. 5, 1. Aufl., Tübingen 1985. S. 30
1 s. Seite 20
2 Bosch et al.: Schwangerschaftsabbruch im internationalen Vergleich. Hrsg.: Eser, Albin/Koch, Hans-Georg,Bd 21.1, 1. Aufl., Baden-Baden 1988. S. 1100
3 Ebd. S. 1108f
4 Ebd. S. 1101
5 Enigl, Marianne et al.: Der weibliche Körper als Schlachtfeld. Hrsg.: Enigl, Marianne/ Perthold, Sabine, Wien 1993. S 110
6 Ebd. S. 114
1 Ärzte kommen dorthin und nutzen nur die technischen Möglichkeiten um Abtreibungen durchzuführen.
2 Mesner, Maria: Frauensache? Zur Auseinandersetzung um den Schwangerschaftsabbruch in Österreich. Hrsg.: Weinzierl, Erika/ Mattel, Siegfried/ Rathkolb, Oliver, Bd. 23, Wien 1994. S. 237ff
3 Ketting, Evert/ van Praag, Philip: Schwangerschaftsabbruch. Gesetz und Praxis im internationalen Vergleich. Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT), Tübinger Reihe, Bd. 5, 1. Aufl., Tübingen 1985. S. 84f
- Quote paper
- Sebastian Gottschalch (Author), 2001, Die Abtreibungsentwicklung Österreichs im 20. Jahrhundert, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59003
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