Im Zuge der Aufsehen erregenden Bilanzierungsskandale in börsennotierten Unternehmen wie Enron oder Worldcom ist die Corporate Governance sowie ihre Umsetzung zu einem stark diskutierten Thema geworden. Doch nicht nur Aktiengesellschaften aus den westlichen Industrienationen sind dieser Diskussion ausgesetzt. Auch in Transformationsökonomien wie der Volksrepublik China (VRC), wo sich im Speziellen der Börsenmarkt und diesbezügliche gesetzliche Regelungen noch in der Aufbauphase befinden, kam es in den letzten Jahren zunehmend zu "Enron-Vorfällen". Ein bekannteres Beispiel ist die Lantian Co. Ltd., dem lange gelobten ersten ökologischen Agrarunternehmen an einer der zwei chinesischen Börsen (Shanghai 1996). In den Skandal im Jahr 2001 waren nicht nur Unternehmensmitglieder sondern auch Banken und Behörden verwickelt. Verschiedene Untersuchungen belegen, dass Unternehmen, die den Standards der Corporate Governance folgen, auf internationalen Märkten mit geringeren Kapitalkosten und höherer Börsenkapitalisierung rechnen können. Die chinesischen Behörden haben dies erkannt und versuchen nun Corporate Governance-Mechanismen im Markt zu implementieren.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Hintergrund und Problemstellung
1.2 Gang der Untersuchung
2 Grundlagen
2.1 Definition von Corporate Governance
2.2 Abgrenzung dualistischer/monistischer Ansatz
2.3 Corporate Governance in der VRC
2.3.1 Transformation des chinesischen Marktes
2.3.2 Organisationsstruktur in chinesischen Aktiengesellschaften
3 Umsetzungsprobleme der Corporate Governance in Aktiengesellschaften der VRC
3.1 Unternehmensinterne Probleme
3.1.1 Unternehmensziele und -zweck
3.1.2 Fehlen von Anreizmechanismen
3.1.3 Ämterhäufung
3.1.4 Insiderkontrolle
3.1.5 Machtlosigkeit des Aufsichtsrates
3.1.6 Informationsasymmetrie
3.2 Unternehmensexterne Probleme
3.2.1 Nicht-handelbare Aktien
3.2.2 Konzentrierter Aktienbesitz
3.2.3 Die Rolle des Staates
3.2.4 Eingeschränkte Regulierungsbehörde (CSRC)
3.2.5 Der chinesische Bankensektor
3.2.6 Unterentwicklung des Kapitalmarktes
3.2.7 Niedrige Hürden für die Börsenzulassung
3.2.8 Handlung und Haftung
3.3 Ausblick
3.3.1 Liberalisierung und Privatisierung
3.3.2 Company Law 2005 (neues GesG)
4 Fazit
5 Literatur- und Quellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Hintergrund und Problemstellung
Im Zuge der Aufsehen erregenden Bilanzierungsskandale in börsennotierten
Unternehmen wie Enron oder Worldcom ist die Corporate Governance sowie ihre
Umsetzung zu einem stark diskutierten Thema geworden. Doch nicht nur Aktiengesellschaften aus den westlichen Industrienationen sind dieser Diskussion ausgesetzt. Auch in Transformationsökonomien wie der Volksrepublik China (VRC), wo sich im Speziellen der Börsenmarkt und diesbezügliche gesetzliche Regelungen noch in der Aufbauphase befinden, kam es in den letzten Jahren zunehmend zu "Enron-Vorfällen". Ein bekannteres Beispiel ist die Lantian Co. Ltd., dem lange gelobten
ersten ökologischen Agrarunternehmen an einer der zwei chinesischen Börsen
(Shanghai 1996). In den Skandal im Jahr 2001 waren nicht nur Unternehmens-mitglieder sondern auch Banken und Behörden verwickelt.[1]
Verschiedene Untersuchungen belegen, dass Unternehmen, die den Standards der Corporate Governance folgen, auf internationalen Märkten mit geringeren
Kapitalkosten und höherer Börsenkapitalisierung rechnen können.[2] Die chinesischen Behörden haben dies erkannt und versuchen nun Corporate Governance-Mechanismen im Markt zu implementieren.
1.2 Gang der Untersuchung
In der folgenden Arbeit werde ich mich mit dem Thema der Corporate Governance und den auftretenden Umsetzungsschwierigkeiten in Aktiengesellschaften der VRC auseinandersetzen. Dabei werde ich den Blick vorrangig auf börsennotierte Kapitalgesellschaften richten, da Corporate Governance in anderen Rechtsformen von
Unternehmungen bisher noch keine oder kaum Anwendung findet.
Im Verlauf dieser Arbeit werde ich zunächst die relevanten Grundlagen wie Definition und vorherrschende Ansätze der Corporate Governance sowie die chinesische Transformationsökonomie und die Organisationsstruktur der Unternehmensführung in Aktiengesellschaften klären. Im folgenden Kernteil der Arbeit werde ich die offensichtlichen Umsetzungsprobleme der Corporate Governance in Aktiengesellschaften der VRC darlegen und knapp diskutieren. Abschließend werde ich einen Blick auf die zukünftigen Entwicklungen bzw. die der jüngeren Vergangenheit werfen und die zu erwartenden Veränderungen auf dem Gebiet der Corporate Governance in der VRC ansprechen.
2 Grundlagen
2.1 Definition von Corporate Governance
Die gängigsten Übersetzungen des Begriffs der Corporate Governance (chinesisch:
qiyezhilijiegou oder qiyedudaojizhi) sind Unternehmensführung, Unternehmens-kontrolle oder Unternehmensverfassung.[3] Inhaltlich geht es bei Corporate
Governance um die effiziente Leitung und Kontrolle von Unternehmen durch deren
Spitzenorganisation mit dem Ziel der langfristigen Wertsteigerung.[4]
Laut dem "Lexikon des Controlling" von Schulte ist Corporate Governance die
"Beherrschung und Überwachung" der Kapitalgesellschaft, wobei in der Regel große, börsengehandelte Kapitalgesellschaften betrachtet werden, in denen Eigentümer
nahezu vollständig außenstehend sind. Dieser Rahmen der Beherrschung und
Überwachung besteht aus gesetzlichen bzw. gesellschaftsrechtlichen und
vertraglichen Regelungen, welche Kompetenzen in Form von Informations-,
Entscheidungs- und Kontrollrechten sowie Verantwortung und Haftung verteilen. Die die Beherrschung und Überwachung ausführenden Gruppen werden in unternehmensinterne und unternehmensexterne Gruppen unterteilt. Interne Gruppen sind die Unternehmensleitung, obere Managementebenen und Arbeitnehmer; externe sind Anteilseigner, Fremdkapitalgeber, Kunden und Zulieferer sowie Öffentlichkeit und Staat. Der Aufsichtsrat, im Auftrag der Eigentümer, und der Wirtschaftsprüfer, als
Unternehmensunabhängiger, werden je nach Auffassung entweder zu der externen oder internen Gruppe gezählt.[5]
2.2 Abgrenzung dualistischer/monistischer Ansatz
Innerhalb der Corporate Governance gibt es für die Organisationsstruktur des Unternehmens zwei grundlegende Ansätze. Zum einen gibt es den dualistischen Ansatz (Two-Tier-Modell), welcher vor allem in Deutschland seine extremste Ausprägung findet. Zum anderen gibt es den monistischen Ansatz (One-Tier-Modell), der vor
allem im angloamerikanischen Wirtschaftsleben in ausgeprägter Form vertreten ist.[6]
Bei beiden Ansätzen sind die Aufgaben der Hauptversammlung bzw. des
Shareholder Meeting vergleichbar. Sie bestehen im Wesentlichen aus der
Interessenvertretung der Aktionäre, und bestimmen alle das Aktienkapital und den verfassungsmäßigen Aufbau der Gesellschaft betreffenden Fragen (Verwendung des Bilanzgewinns, Satzungsänderungen, Fusionen, etc.).[7]
Für das monistische Modell charakteristisch, ist die in einem Organ zusammengefasste Leitungs- und Kontrollkompetenz, im "Board of Directors". Dieses Board,
gewählt vom Shareholder Meeting, bildet zur Durchführung seiner unterschiedlichen Aufgaben mehrere Ausschüsse (Committees). Das Audit Committee übernimmt hier vorwiegend die Aufgabe zur Kontrolle der Unternehmensleitung. Es wird hauptsächlich gebildet aus unternehmensexternen unabhängigen Mitgliedern (non-executive
directors/outside directors), die meist keine weiteren Führungsaufgaben übernehmen. Die eigentlichen Managementaufgaben übernimmt das Executive Committee. Eine auffällige Besonderheit im monistischen Modell ist die zentrale und herausragende Machtposition des leitenden Managers (Chief Executive Officer – CEO), der vom Board of Directors ernannt wird. Er nimmt oftmals in Personalunion zusätzlich die Position des Vorsitzenden des Board of Directors (Chairman of the Board) ein sowie gelegentlich die des "Chief Operating Officer". Ein nicht unbedeutender Teil der
Leitungsfunktion wird vom Board of Directors an den CEO und den ihm unterstellten Führungsapparat delegiert.[8]
Im Gegensatz dazu ist für das dualistische Modell die eindeutige Aufteilung der
Leitungs- und der Kontrollkompetenz auf zwei von einander getrennte Organe kennzeichnend. Die Unternehmensführung obliegt dem Vorstand, welcher vom Aufsichtsrat bestellt wird. In der Regel wird von ihm auch ein Vorstandsvorsitzender ernannt, der aber zum Beispiel in der deutschen Ausprägung des dualistischen Modells kaum Sonderrechte genießt. Die Aufgabe die Führungstätigkeit des Vorstandes zu
kontrollieren, übernimmt der für das dualistische Modell charakteristische Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat wird von der Hauptversammlung gewählt. Eine auffällige
Machtkonzentration wie im monistischen Modell tritt beim dualistischen Modell in der Regel nicht auf.[9]
Im Laufe der Zeit haben sich sehr unterschiedliche Mischformen und Ausprägungen aus beiden Ansätzen entwickelt[10] – so auch der chinesische Ansatz der Corporate Governance.
2.3 Corporate Governance in der VRC
Seit der Gründung der Börsen in Shanghai (1990) und Shenzhen (1991) haben die zuständigen chinesischen Behörden sich intensiv mit den Fragen der Corporate
Governance beschäftigt.[11] So erließ die chinesische Wertpapieraufsichtskommission (China Securities Regulatory Commission – CSRC) im Jahr 2002 den "Standard der Corporate Governance börsenzugelassener Gesellschaften" (Chinesischer
Corporate Governance-Kodex). Weiterhin trat bereits 1994 das chinesische Gesellschaftsgesetz (GesG) in Kraft, welches durch die, ebenfalls von der CSRC
herausgegebenen, Satzungsanleitungen für Aktiengesellschaften ergänzt wird.[12]
2.3.1 Transformation des chinesischen Marktes
Im Vergleich zum auch als "Schocktherapie" bezeichneten Ansatz der früheren Ostblockstaaten (ehem. Sowjetunion und osteuropäische Staaten), versucht sich China bei der Liberalisierung und Privatisierung des chinesischen Wirtschaftslebens in
einer schrittweisen, graduellen Annäherung an marktwirtschaftliche Rahmen-bedingungen.[13]
Die Grundlagen für diese Transformation der chinesischen Wirtschaft wurden mit Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen und der Sonderstellung von 14
chinesischen Küstenstädten sowie der Aufnahme in die WTO im Jahre 2001 gelegt. Mit diesem sichtbaren Beginn der Öffnung des chinesischen Marktes haben sich die Effizienz der Verwaltung verbessert und die Kosten für die Teilnahme am
Wirtschaftsleben in China deutlich verringert.[14]
In diesem Zusammenhang, kann die derzeitige intensive Auseinandersetzung mit der Corporate Governance in China, als ein Anzeichen für eine baldige und endgültige Transformation von der Planwirtschaft zur (sozialistischen) Marktwirtschaft gesehen werden.[15]
2.3.2 Organisationsstruktur in chinesischen Aktiengesellschaften
Das chinesische GesG gibt für die Organisationsstruktur chinesischer Aktiengesellschaften die Hauptversammlung, den Aufsichtsrat sowie den Vorstand und einen
leitenden Manager (CEO) als wesentliche Unternehmenselemente vor.[16]
2.3.2.1 Hauptversammlung
Nach Artikel 102 GesG ist das Machtorgan einer chinesischen Aktiengesellschaft die Hauptversammlung. Machtorgan bedeutet hier nicht Geschäftsführung, sondern das Treffen von für die Gesellschaft wesentlichen Entscheidungen. Im Unterschied zur deutschen Hauptversammlung wählt sie z.B. nicht nur die Mitglieder des Aufsichts-rates, sondern ebenfalls die Mitglieder des Vorstandes. Über die Besetzung hinaus entscheidet sie auch über die Vergütung der Mitglieder dieser zwei Unternehmensorgane. Weitere wesentliche Entscheidungszuständigkeiten sind die Prüfung,
Diskussion und Genehmigung von: Bericht von Vorstand und Aufsichtsrat, Entwurf für den Jahreshaushalt, Jahresschlussrechnung sowie Gewinnteilungsplan und
Verlustausgleichsentwurf. Auffallend ist des Weiteren die, gemäß Artikel 103 Nr. 1 GesG, der Hauptversammlung zustehende Befugnis, über die Geschäftspolitik und die Investitionsplanung zu entscheiden. Diese Befugnis erscheint sehr umfangreich, da es sich hierbei um die inhaltlichen Kernbereiche der Unternehmensführung
handelt.[17]
Die Hauptversammlung wird geleitet von dem Vorstandsvorsitzenden.[18]
2.3.2.2 Vorstand
Im Gegensatz zur Hauptversammlung ist der Vorstand in China nicht nur rechtlich zwingendes, sondern auch ständiges Organ. Nach außen wird er rechtlich allein vom Vorstandsvorsitzenden vertreten. Seine wichtigsten Aufgaben sind: Entwurf für den Jahreshaushalt, Jahresschlussrechnung, Erstellung von Gewinnverteilungs- und Verslustausgleichsplan sowie Planung von Kapitalerhöhung oder -herabsetzung und Entwurf von Plänen für Verschmelzung, Spaltung oder Auflösung der Gesellschaft. Auch über die Anstellung, Kündigung und Vergütung des leitenden Managers (CEO) entscheidet der Vorstand. Über seine Tätigkeit hat er der von ihm einzuberufenden Hauptversammlung zu berichten. Die Beschlüsse der Hauptversammlung sind von ihm umzusetzen, d.h. der Vorstand wird als Exekutivorgan angesehen, das eng an die Hauptversammlung als Legitimationsorgan gebunden ist.
Dem GesG zufolge, hat der Vorstand (wie auch die Hauptversammlung) über die Geschäfts- und Investitionsplanung zu entscheiden, was in letzter Konsequenz zu Kompetenzgerangel führen kann.[19]
[...]
[1] vgl. Shi/Weisert, 2002, S.42
[2] vgl. Rechkemmer, 2003, S.8
[3] vgl. Böcking, 2003, S.248
[4] vgl. Rechkemmer, 2003, S.3
[5] vgl. Honold, 1996, S.152
[6] vgl Wulfetange, 2002, S.93; Schewe, 2005, S.68
[7] vgl. Schewe, 2005, S.79 f.
[8] vgl. Schewe, 2005, S.70 ff.
[9] vgl. Schewe, 2005, S.78
[10] vgl. Schewe, 2005, S.68
[11] vgl. Shi/Weisert, 2002, S.40
[12] vgl. Tam, 1999, S.10; http://www.chinapolitik.de, 2002, S.2
[13] vgl. Walder, 1996, S.2
[14] vgl. Yan, 2005, S.39; Umlauf, 2006, S.24
[15] vgl. Tenev/Zhang/Brefort, 2002, S.28; Comberg, 2000, S.52 f.
[16] vgl. Comberg, 2000, S.51 f.
[17] vgl. Comberg, 2000, S.88 ff.
[18] vgl. Comberg, 2000, S.106
[19] vgl. Comberg, 2000, S.137 ff.
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