Nach einer kurzen Begrüßung und zwei organisatorischen Informationen, beginnt die Vorlesung mit dem Thema „Lernen sichtbar machen. John Hatties Empfehlungen für erfolgreichen Unterricht“. Zunächst wird John Hattie vorgestellt: er ist einer der bekanntesten Unterrichtsforscher und führte u.a. die Studie „visible learning“ durch, um Lernen sichtbar zu machen. Hattie wertete empirische Studien aus und schrieb dazu entsprechende Empfehlungen, bspw. die berühmte Hattie-Studie, über die in der heutigen Sitzung gesprochen wird. Mit Hattie gab es eine Globalisierung in der Didaktik, er wurde international bekannt. Er wurde 1950 in Neuseeland geboren. Es gibt zwei deutsche Ausgaben seiner Werke, „Lernen sichtbar machen“ und „Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen“. In Deutschland wird das ganze betreut und weitergearbeitet von Klaus Zierer, der als deutscher Repräsentant der Studie gelten kann. Die Erstausgabe erschien 2009, in Deutsch im Jahre 2013.
Protokoll
Nach einer kurzen Begrüßung und zwei organisatorischen Informationen, beginnt die Vorlesung mit dem Thema „Lernen sichtbar machen. John Hatties Empfehlungen für erfolgreichen Unterricht“. Zunächst wird John Hattie vorgestellt: er ist einer der bekanntesten Unterrichtsforscher und führte u.a. die Studie „visible learning“ durch, um Lernen sichtbar zu machen. Hattie wertete empirische Studien aus und schrieb dazu entsprechende Empfehlungen, bspw. die berühmte Hattie-Studie, über die in der heutigen Sitzung gesprochen wird. Mit Hattie gab es eine Globalisierung in der Didaktik, er wurde international bekannt. Er wurde 1950 in Neuseeland geboren. Es gibt zwei deutsche Ausgaben seiner Werke, „Lernen sichtbar machen“ und „Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen“. In Deutschland wird das ganze betreut und weitergearbeitet von Klaus Zierer, der als deutscher Repräsentant der Studie gelten kann. Die Erstausgabe erschien 2009, in Deutsch im Jahre 2013.
Dann werden die Ausgangspunkte aufgeführt. Die zentrale Frage von Didaktik und der Forschung ist, welche Faktoren am stärksten zum Lernerfolg bei Schülern beitragen. Dieser Frage nahm auch Hattie sich an. Erstens ist es das Produkt von Unterricht und zweitens kommt es darauf an, wie gut der Lehrer ist, das Klassen- bzw. Unterrichtsklima und die Methoden, die den Unterrichtserfolg erzeugen. Bedingungen, Prozesse, Ergebnisse: mit diesem Produktionsmodell soll der Lernerfolg entschlüsselt werden. Als weiterer Ausgangspunkt kommt eine alte Problematik hinzu: normative Setzungen und/oder persönliche Erfahrungen/Überzeugungen treffen auf wissenschaftlich und empirisch begründete Antworten. Dabei hat das Wissenschaftliche einen höheren Status, als das Erfahrungswissen. Als Analogie dazu verwendet der Dozent die ärztliche Kunst, die sich entweder auf Erfahrung oder auf Aberglauben stützt, wobei letzteres weniger repräsentativ ist, als die medizinische Forschung. Die Zauberformel heute lautet „evidenzbasierend“ (evidence based decision making). Als Beispiel werden Krankenkassen genommen: diese übernehmen keinerlei Kosten für Homöopathie, jedoch für Medizin. Übertragen auf die Lehrer bedeutet dies: man muss so verfahren, wie es vorgeschrieben und am besten ist, wer aus persönlicher Überzeugung abweicht, versagt und sollte besser an einer Privatschule unterrichten.
Der nächste Punkt ist Hatties Rahmen. Er hat bis heute ungefähr 1200 Metaanalysen ausgewertet mit über 80.000 Einzelstudien. Metaanalysen sind Zusammenfassungen mehrerer Einzelstudien und die Schilderung der jeweiligen Ergebnisse. Der Nachteil hierbei ist, dass sich Metaanalysen mit Studien aus der Vergangenheit beschäftigen (müssen), da diese ja erst erhoben und ausgewertet werden müssen. Die Einzelstudien stammen somit hauptsächlich aus den 1980ern und 1990ern. Aus diesen Massen an Untersuchungen ermittelte Hattie 138 Einzelfaktoren und untersuchte diese auf ihre Effektstärke (ein statistisches Maß d für die praktische Bedeutsamkeit eines Zusammenhangs). Dabei ist ein Wert von 0,2 als klein zu bewerten, 0,4 als mittel und ab 0,6 als groß. In der Medizin gilt ein Wert erst ab 0,5 oder 0,6 als groß, Hatties Bewertung ist dabei etwas weicher. Die nächste Folie zeigt eine Beispielgrafik einer Normalverteilungskurve, um Standardabweichungen und Effektstärke zu veranschaulichen. Als nächstes erscheint eine Übersicht über Bereiche und Effekte. Anhand der Tabelle kann man ableiten, welche durchschnittlichen Effekte die wichtigsten Determinanten schulischen Lernens sind. Dazu werden Studien im Bereich Schüler, Familien, Schule, Lehrer, Lehrpläne und Unterricht aufgeführt. Als Ergnis wird folgendes festgehalten: der Lehrer ist der stärkste Effekt mit 0,49. Dazu zitiert der Dozent John Hattie mit „teachers matter!“. Danach folgen die Lehrpläne mit 0,45, dann der Unterricht mit 0,42. Der Faktor Schule ist eher schwach mit 0,23. Der Durchschnitt liegt bei 0,4, sodass nach Hattie nur diejenigen Faktoren interessant sind, die über dem Durchschnitt liegen.
Der Dozent führt fort, dass es drei Faktoren gibt, die den Lernerfolg …erstens am stärksten befördern, nämlich die Selbsteinschätzung des Leistungstandes durch den Schüler; die ständige Rückmeldung zum Lernfortschritt von Lehrer zu Schüler; ein gutes Klassenklima; das Engagement des Lehrers für seinen Beruf (passionate teacher) …zweitens nur schwach beeinflussen, nämlich jahrgangsübergreifender Unterricht; die Steuerung des Lernens durch den Schüler selbst; die Klassengröße; Leistungsgruppierung (Leistungskurse, Grundkurse etc.); Hausaufgaben und die Lehrerbildung …drittens stark negativ beeinflussen, nämlich ein Familienumzug; (lange) Sommerferien; Sitzenbleiben und die Sozialpolitik. Hierbei ist ein Punkt kritisch und hat international viel Staunen hervorgebracht: dass die Steuerung des Lernens durch den Schüler selbst in Hatties Studie als nicht besonders förderlich betrachtet wird und schülerzentrale Verfahren kritisiert werden, denn eigentlich sind diese Methoden bei heutigen Didaktikern meist hochangesehen.
Auf der nächsten Folie geht es um zwei Leitbilder für Lehrer: erstens der Lehrer als Herausforderer (activator) und zweitens als Erleichterer (facilitator). Das Ergebnis hierbei ist, dass der activator einen Faktor von 0,6 hat, der facilitator einen Faktor von 0,17, was bedeutet, dass es eine Diskrepanz dazu gibt, dass das Selbstlernen des Schülers laut Hattie nur einen durchschnittlichen Lerneffekt erzielt.
Daraufhin führt die Vorlesung zu Hatties zentralen Aussagen: es ist überaus wichtig, dass das Unterrichten für den Schüler erkennbar ist (visible) und dass umgekehrt das Lernen der Schüler für den Lehrer erkennbar ist. Hattie befürwortet visible teaching, Transparenz. „Je mehr der Schüler zum Lehrer wird und der Lehrer zum Schüler, desto bessere Ergebnisse gibt es!“ und „Diejenigen Lehrer, die ständig ihre Wirkung auf die Schüler beobachten, sind besonders einflussreich bei der Leistungssteigerung ihrer Schüler!“ und „Know thy impact!“ – so wird Hattie zitiert.
Die folgende Folie fasst die leitenden Thesen zusammen: die Schüler sollen sich als ihre eigenen Lehrer sehen und Lehrer sollten das Lernen mit den Augen ihrer Schüler sehen; ein konstruktivistisches Unterrichtskonzept wird abgelehnt, wobei eine Idee zentral ist, nämlich die lehrerzentrierte Schülerorientierung, das bedeutet eindeutiges Unterrichten (so auch Hattie in einem Interview), in einem unterstützenden Unterrichtsklima, wobei der Lehrer die Schüler durch den Stoff führt nach den drei Säulen kognitive Aktivierung, gute Klassenführung und lernförderliches Klima. Es kommt nicht auf den Lehrer selbst an, sondern auf das, was gute Lehrer tun: „Some teachers matter more than others!“ – dies beschreibt den „hattieschen“ Ideallehrer.
An die leitenden Thesen wird die Kritik an Hattie angeschlossen. Erstens die Kritik des „produktionistischen“ Unverständnisses: Schule ist kein Betrieb, Unterrichten kein Produzieren, es geht in der Schule um Bildung und kritisches Bewusstsein. Zweitens die Kritik des naiv-unreflektierten Umgangs mit der Blick/Sehen-Metaphorik: Lehrer und Schüler werden als Kontrollinstanzen instrumentalisiert, alles muss transparent sein und erinnert eher an „Big Brother“. Der Dozent wirft eine kleine persönliche Erinnerung an einen Emailaustausch mit Hattie ein, in dem er feststellen musste, dass John Hattie alles andere als kritikfähig sei. Trotzdem zeugen seine Studien von großem Erfolg, so der Dozent weiter, Hattie spräche mittlerweile nicht mehr vor Wissenschaftlern, sondern nur noch vor Lehrern. Drittens die Kritik der Orientierung am Durchschnittsschüler: die Wirkfaktoren werden nicht auf bestimmte Schülergruppen bezogen, z.B. gibt es keine Differenzierung zwischen Grundschule und Gymnasium. Viertens die Kritik an der veralteten Datenbasis. Fünftens die Unterschätzung des indirekten Effekts der Lehrerbildung: diese beeinflusst das Lehrerhandeln und damit auch den Lernerfolg bei Schülern. Lehrerbildung ist fast nur in Deutschland so aufwandreich und ausführlich, in anderen Ländern kaum oder gar nicht. Hattie meint, dass die Erstausbildung der Lehrerschaft unbedeutend sei, während die Weiterbildung äußerst wichtig wäre. Als sechsten und letzten Kritikpunkt wird die Kritik an der Metaanalyse genannt: die Eindeutigkeit wird qua statistischer Auswertungsmethodik erzeugt bzw. suggeriert. Die Folien mit weiterer Kritik, bspw. von Snook, werden übersprungen.
Anschließend thematisiert der Dozent Hatties Stellung in Deutschland. Er wurde popularisiert durch Beiträge in großen deutschen Tageszeitungen, wobei die Darstellungen sehr verkürzt waren und immer dasselbe Ergebnis dabei rauskam: auf den Lehrer kommt es an. Das ist zwar richtig, aber die empirische Basis dafür war eher schmal. Über die negativen Erfolgsfaktoren wurde auch berichtet, auch darüber, dass Sitzenbleiben nichts bringt und Hausaufgaben eine schwache Wirkung haben. In der konservativen Presse stieß das auf Unverständnis, von links kam die Antwort, es komme auf das System und die Institution an. Schulstrukturdebatten sind laut Hattie sinnlos, man sollte keinen offenen Unterricht führen, sondern nur Frontalunterricht machen. Deutschlands Motto war „Auf den Lehrer kommt es an!“, doch das ist falsch, stellt der Dozent fest, denn es kommt auf das Handeln des guten Lehrers an. Als Beispiel nennt er die aktuelle Debatte über Sitzenbleiben und kommt zu der Schlussfolgerung, die Öffentlichkeit picke sich nur das raus, was sie als positiv und wirksam erachtet und ignoriert das, was belegt worden ist. Der Dozent fährt fort und erläutert, dass das Idealbild eines Lehrers ein Minimalkonzept enthalten sollte, damit alle dazu verpflichtet werden, dieses Minimum an Kompetenz nicht zu unterschreiten. Aber wie soll das praktisch umgesetzt werden? Es wäre ein zu großer Aufwand zu kontrollieren, wer das Ziel erreicht und wenn nicht, was mit diesen Lehrkräften dann passieren soll und daher wird dieses Konzept in Deutschland nicht umgesetzt. Anders in den USA, dort werden die 3% der schlechtesten Lehrer entlassen.
Zuletzt kommen die Abschlussthesen: erstens ist Hatties weltweiter Erfolg nur zu erlären durch das Bedürfnis bzw. die Sehnsucht der bildungsinteressierten Öffentlichkeit nach Eindeutigkeit. Kein Pädagoge zuvor hat das getan, aber Hattie brachte diesen Forschungsfortschritt. Zweitens wird Hattie zum Teil selektiv und interessengeleitet benutzt, um pädagogisch konservative Positionen zu begründen und alte und neue reformpädagogische Positionen abzuwerten. Drittens verstärkt der Erfolg der Hattie-Studie den globalen Siegeszug eines bestimmten („produktionistischen“) Unterrichtsverständnisses – unter Ansehung von internationaler und regionaler Kulturen. Und viertens wird es im Feld von Pädagogik und Schule immer Differenzen zwischen Wissenschaft im engeren Sinne und den Interessen der interessierten Öffentlichkeit, wie Lehrern, Eltern und Politikern geben, da es grundsätzliche Differenzen zwischen den Wissensformen gibt.
Die Vorlesung endet ohne Fragen oder Ergänzungen.
[...]
- Citation du texte
- Celina Bludau (Auteur), 2019, Allgemeine Didaktik und empirische Unterrichtsforschung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/589410