Die neunziger Jahre brachten in mehreren westlichen Demokratien das Ende einer konservativen Regierungsära. In den Vereinigten Staaten wurde 1992 der Demokrat Bill Clinton nach 12 Jahren republikanischer Präsidentschaft zum Präsidenten gewählt. In Großbritannien errang New Labour mit Tony Blair nach 18 Jahren konservativer Regierung einen erdrutschartigen Sieg. In Deutschland beendete die SPD nach 16 Jahren Helmut Kohl-Regierung die Vorherrschaft von CDU/CSU. Mit Gerhard Schröder erreichte die SPD zum zweiten Mal seit Bestehen der Bundesrepublik mehr Stimmen als die Union.
Alle drei Wahlsiege waren gewaltig und alle drei waren zumindest auch Folge gelungener professioneller und personalisierter Wahlkampagnen. Alle drei Spitzenkandidaten galten als mediengewandt und telegen, und präsentierten sich als Modernisierer. Ihre Kampagnen zielten vor allem auf die Akquisition der Wechselwähler. Die Parallelität der Ereignisse sorgte für ähnliche Erklärungen des Wahlausgangs: die Wähler wollten nicht nur einen Regierungs-, sondern auch einen Politikwechsel. Jedes der drei Duelle (Clinton gegen Bush, Blair gegen Major, Schröder gegen Kohl) wird als Bestätigung für die in den letzten Jahren immer wieder postulierte "Personalisierung der Politik" herangezogen (Brettschneider 2002, 13f; Klein/Ohr 2000, S. 199f).
Unter Personalisierung von Politik werden zwei Dimensionen gefasst. Zum einen stehen immer stärker die Kandidaten und immer weniger die Parteien im Mittelpunkt der Wahlkampagnen und im Mittelpunkt der Medienberichterstattung. Wahlkampf wird immer mehr auf Personen zugeschnitten: der Kandidat wird zur Hauptbotschaft der Partei. Diese Dimension der Personalisierung wird auch als allgemeine oder globale Personalisierung bezeichnet (Lass 1995, 10). Zum anderen werden persönliche Charakteristika der Kandidaten wichtiger als politische Positionen (Klein/Ohr 2000, 2001, 94). Letzteres wird auch als spezifische Personalisierung bezeichnet (Lass 1995, 10).
Gliederung
1. Einleitung
2. Theoretischer Rahmen: Warum Personalisierung?
1. Institutionelle Rahmenbedingungen
2. Sozialer Wandel: Dealignment, Wechselwähler, Komplexität
3. Massenmedien: Zur Rolle des Fernsehens
3. Empirischer Teil
1. Personalisierung der Wahlkampfführung
2. Personalisierung der Medienberichterstattung
3. Personalisierung des Wählerverhaltens
4. Zusammenfassung
4. Resümee
5. Literatur
1. Einleitung
Die neunziger Jahre brachten in mehreren westlichen Demokratien das Ende einer konservativen Regierungsära. In den Vereinigten Staaten wurde 1992 der Demokrat Bill Clinton nach 12 Jahren republikanischer Präsidentschaft zum Präsidenten gewählt. In Großbritannien errang New Labour mit Tony Blair nach 18 Jahren konservativer Regierung einen erdrutschartigen Sieg. In Deutschland beendete die SPD nach 16 Jahren Helmut Kohl-Regierung die Vorherrschaft von CDU/CSU. Mit Gerhard Schröder erreichte die SPD zum zweiten Mal seit Bestehen der Bundesrepublik mehr Stimmen als die Union.
Alle drei Wahlsiege waren gewaltig und alle drei waren zumindest auch Folge gelungener professioneller und personalisierter Wahlkampagnen. Alle drei Spitzenkandidaten galten als mediengewandt und telegen, und präsentierten sich als Modernisierer. Ihre Kampagnen zielten vor allem auf die Akquisition der Wechselwähler. Die Parallelität der Ereignisse sorgte für ähnliche Erklärungen des Wahlausgangs: die Wähler wollten nicht nur einen Regierungs-, sondern auch einen Politikwechsel. Jedes der drei Duelle (Clinton gegen Bush, Blair gegen Major, Schröder gegen Kohl) wird als Bestätigung für die in den letzten Jahren immer wieder postulierte „Personalisierung der Politik“ herangezogen (Brettschneider 2002, 13f; Klein/Ohr 2000, S. 199f).
Unter Personalisierung von Politik werden zwei Dimensionen gefasst. Zum einen stehen immer stärker die Kandidaten und immer weniger die Parteien im Mittelpunkt der Wahlkampagnen und im Mittelpunkt der Medienberichterstattung. Wahlkampf wird immer mehr auf Personen zugeschnitten: der Kandidat wird zur Hauptbotschaft der Partei. Diese Dimension der Personalisierung wird auch als allgemeine oder globale Personalisierung bezeichnet (Lass 1995, 10). Zum anderen werden persönliche Charakteristika der Kandidaten wichtiger als politische Positionen (Klein/Ohr 2000, 2001, 94). Letzteres wird auch als spezifische Personalisierung bezeichnet (Lass 1995, 10).
Während politische Inhalte und Prozesse nur abstrakt vermittelbar und schwer mediatisierbar sind, erscheinen Personen für die visuelle Darstellung von Politik geradezu prädestiniert. Die Kandidaten gelten folglich als wichtigste Repräsentanten des politischen Produkts. Parteien und politische Inhalte fungieren hingegen oftmals nur als Attribute von Personen und deren Images (Strohmeier 2002, 41). John F. Kennedy wird zugeschrieben, als erster Präsidentschaftskandidat 1960 dank des Mediums Fernsehen und dank einer gelungenen Personalisierung gewonnen zu haben. Als erster Politiker wurde Kennedy mit Frau und Kindern in entspannter privater Atmosphäre im Fernsehen gezeigt. Diese Art der Kampagnenführung wurde bei Willy Brandt 1972 übernommen. Diese Wahl ging als „Willy-Wahl“ in die Geschichte ein (Brettschneider 2002, 15). An diesen Beispielen kann man auch sehen: Personalisierung gab es bereits vor den 1990er-Wahlkampagnen. Sarcinelli zufolge verbindet der erfolgreiche Politikertypus „politischen Instinkt, Populismus, Stimmungs- und Problemsensibilität, Konzentration auf das Wesentliche, virtuose Medienpräsenz und Pragmatismus miteinander.“ (Sarcinelli 1998, S. 291f) Bereits Max Weber hat bekanntlich den Typus der „Charismatischen Herrschaft“ als eine Herrschaftsform vorgestellt: die charismatische Herrschaft unterscheidet sich durch ein hohes Maß an Personengebundenheit vom Typ der traditionalen und der legalen Herrschaft. Daran sieht man, dass es das Phänomen der Personalisierung vor der Entstehung der repräsentativen Demokratie und, wenn man an Politiker wie Charles DeGaulle und Franklin D. Roosevelt denkt, sicher auch in der repräsentativen Demokratie, bereits vor Kennedy gab. „Politische Führer als Verkörperung politischer Ideale und Ziele und als Vertreter politischer Bewegungen und Parteien hat es zu allen Zeiten gegeben. Die Personalisierung der Politik ist so alt wie die Politik selbst.“ (Radunski 1980, 15)
Dennoch steht die These im Raum, der Trend zur Personalisierung nehme seit den 1960er Jahren in den westlichen Demokratien zu, das heißt Personalisierung kennzeichne nicht nur den Umgang mit Ausnahmepolitikern, sondern zunehmend alle Wahlkampagnen. Zum einen gilt, die Personalisierungstendenzen nehmen in den westlichen Demokratien generell zu, zum anderen ist ausgemacht, in welchem Land die Personalisierungstendenzen am weitesten fortgeschritten sind. Strittig ist nur, ob es sich um Modernisierungstendenzen oder um „Amerikanisierung“[1] handelt.
Der US-amerikanische Wahlkampf und der damit verbundene Professionalisierungs- und Personalisierungsgrad hat Vorbildcharakter für viele westliche Demokratien. Dies liegt unter anderem am politischen System der USA, da dort erheblich mehr Wahlkämpfe zu bestreiten sind als das in anderen Ländern der Fall ist. In den Vereinigten Staaten werden viele Ämter, egal ob auf bundesstaatlicher (Präsident, Senatoren, Repräsentanten), einzelstaatlicher (Gouverneure, Länderparlamentsabgeordnete) oder auf lokaler Ebene (Bürgermeister, Gemeinderäte, Sheriffs, Richter) per Wahl besetzt. Dort gibt es deshalb viel häufiger die Gelegenheit, neue Wahlkampftechniken auszuprobieren und auf diesem Gebiet zu experimentieren. Amerikanische Wahlkämpfe, besonders Präsidentschaftswahlkämpfe, dauern wesentlich länger und sind viel kapitalintensiver als etwa Kampagnen für Bundestagswahlkämpfe in Deutschland (vgl. Heidner 2004, 4).
Die vorliegende Arbeit hat es sich zum Ziel gesetzt, das Phänomen der Personalisierung in USA und in Deutschland zu vergleichen. Hat tatsächlich eine Personalisierung der Wahlkampfstrategien und des Wahlverhaltens zugenommen? Ist der Grad der Personalisierung in den Vereinigten Staaten tatsächlich stärker als in Deutschland? Welche Rolle spielt der Trend zur Personalisierung, – wenn es ihn denn gibt – in den sich spätestens seit 1990 verändernden Wahlkampagnen?
Die Arbeit gliedert sich wie folgt: Zunächst werde ich auf die Diskussion um die Personalisierung von Politik eingehen, die dann als theoretischer Bezugsrahmen für die weitere Arbeit gelten wird. In diesem Theorie-Teil werden erstens die institutionellen Rahmenbedingungen von Deutschland und den USA verglichen. Inwiefern fördert das amerikanische Präsidialsystem das Phänomen der Personalisierung, und wo liegen die Grenzen der Personalisierung im deutschen System? Zweitens werden in diesem Theorie-Kapitel verschiedene Erklärungsstränge zum zunehmenden Phänomen der Personalisierung diskutiert. Als Gründe für eine zunehmende Personalisierung in beiden Ländern gelten eine wachsende Komplexität des Politischen und ein Anstieg der Wechselwähler. Drittens wird auf die Rolle des Fernsehens eingegangen.
Im zweiten Teil der Arbeit werden, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, empirische Untersuchungen zum Phänomen der Personalisierung ausgewertet. Der empirische Teil folgt im Aufbau Brettschneiders (2002) drei Dimensionen der Personalisierung: Personalisierung der Wahlkampfführung, Personalisierung der Medienberichterstattung und Personalisierung des Wählerverhaltens. Zu jeder Dimension werden die Ergebnisse empirischer Studien vorgestellt. Die Untersuchungen wurden so ausgewählt, dass jeweils zumindest eine empirische Arbeit zu jeder Dimension von Personalisierung vorliegt.
2. Theoretischer Rahmen: Warum Personalisierung?
Wenn es einen unterschiedlichen Grad der Personalisierung in den Vereinigten Staaten und in der Bundesrepublik Deutschland gibt, so können als Basis dieser Gründe die unterschiedlichen institutionellen Rahmenbedingungen gelten. Der amerikanische Präsident stellt die Regierung dar: in der Form der geschlossenen Exekutive fungiert er als Staats-, Regierungs- und Parteichef. Der deutsche Bundeskanzler verfügt formal nicht über eine solch starke Position. Die Form der doppelten Exekutive macht ihn zum Regierungs-, nicht aber zum Staatschef. Die formale Diskussion ist wichtig, da davon ausgegangen werden kann: je exponierter und einflussreicher das Amt des Regierungschefs ist, desto wichtiger dürfte für Wähler die Frage sein, wer dieses Amt ausüben soll. Weiter kann davon ausgegangen werden, dass je unabhängiger der Regierungschef von seiner Partei ist, desto stärker dürfte der eigenständige Einfluss der Kandidatenorientierungen auf das Wählerverhalten ausfallen.
Verschiedene Erklärungsstränge werden hinzugezogen, um das Phänomen einer Personalisierung von Politik – so es sie denn gibt – zu erklären. Zum einen werden eine zunehmende Komplexität des politischen Geschehens und die zunehmende Auflösung traditioneller Wählerschichten genannt. Die Auflösung traditioneller Milieus, so ein verbreiteter Gedankengang, führt zu nachlassendem Klassenwählen, zu nachlassender Parteiidentifikation und damit zu verstärktem Wechselwählen. Neben der Zunahme der Wechselwähler gilt vor allem die enorm gestiegene Bedeutung des Fernsehens als zentral für eine Personalisierung in der Darstellung des Politischen. Das Fernsehen habe aufgrund seines spezifischen Formats die Tendenz, politische Resultate auf das Handeln einzelner Personen und ihre persönlichen Eigenschaften zurückzuführen.
Die genannten Faktoren werden im folgenden Kapitel sowohl für den amerikanischen als auch den deutschen Raum diskutiert. Dieses erste Kapitel soll zum einen klären welche Gründe für eine zunehmende Personalisierung des Politischen in beiden Ländern sprechen, zum anderen beleuchten welche Unterschiede es hinsichtlich des Personalisierungsgrades in beiden Ländern gibt. Damit soll dieser erste Teil den theoretischen Rahmen für das folgende empirische Kapitel liefern.
2.1. Institutionelle Rahmenbedingungen: Personalisierung und politisches System
Im folgenden werden die Faktoren, die im amerikanischen politischen System den Trend zur Personalisierung begünstigen, dargestellt. Hauptsächlich wird dabei auf die amerikanischen Besonderheiten hinsichtlich Stellung des Präsidenten, Wahlsystem und Partei eingegangen. Die deutschen Gegebenheiten hinsichtlich dieser Faktoren werden, zumindest auf der diskutierten Ebene, als bekannt vorausgesetzt.[2]
In der Präsidialdemokratie der Vereinigten Staaten von Amerika ist der Präsident zugleich Staatsoberhaupt, Regierungschef und Oberbefehlshaber der Streitkräfte. „Die einfachste Konstruktion einer geschlossenen Exekutive besteht in den USA: Der Präsident ist Staatsoberhaupt, Regierungschef und einziger verantwortlicher Minister in einer Person.“ (Steffani 1983, 4) Der Präsident wird zusammen mit dem Vizepräsidenten indirekt durch Wahlmänner für vier Jahre ins Amt gewählt. Er ernennt mit Zustimmung des Senats die Mitglieder der Regierung sowie die der obersten Bundesbehörden. Er hat das Recht, mit Zustimmung des Senats Verträge zu schließen, er schlägt Gesetze vor und versucht, sie im Kongress durchzubringen. Der Präsident hat gegenüber den Beschlüssen des Kongresses ein suspendierendes Vetorecht. Er vertritt sein Land nach außen hin und führt als politischer Chef seine Partei.
Wahlen nehmen im politischen Willensbildungsprozess in den USA einen besonderen Stellenwert ein. Kein anderes Land führt so viele Wahlen durch und besetzt eine solche Vielzahl von politischen Ämtern mit gewählten Vertretern (Heidner 2004, 9). Die Amerikaner wählen ihre Präsidenten nicht direkt, sondern stimmen zunächst auf Einzelstaatenebene für Wahlmänner (Elektoren) ab. Diese wiederum wählen im electoral college (nationales Elektorengremium) den Präsidenten. Die Elektoren werden in den einzelnen Bundesstaaten gewählt. Die Anzahl der Wahlmänner hängt von der Größe des Einzelstaates und der Zahl der Abgeordneten ab, die der betreffende Staat in den Kongress entsendet. Insgesamt sind im ganzen Land 538 Elektoren zu wählen. Das amerikanische Wahlgesetz bestimmt, dass der Präsident im Elektorat mit einer absoluten Mehrheit von 270 Elektorenstimmen zu wählen ist. Bei der Verteilung der Wahlmännerstimmen auf die Kandidaten herrscht das the-winner-takes-it-all -Prinzip. Derjenige Kandidat, der in einem Staat die Mehrheit der Wählerstimmen gewinnt, erhält folglich die gesamten Elektorenstimmen dieses Staates. Der Wahlkampf konzentriert sich deshalb auf die Staaten mit den meisten Wahlmännern und auf die „swing-states“ – die Staaten, die als unsicher gelten.
Die amerikanischen Präsidentschaftskandidaten werden nicht von den Parteien bestimmt, sondern in Vorwahlen, sogenannten primaries, ermittelt. Ursprünglich lag der Ausleseprozess der Kandidaten für das Weiße Haus bei den Parteien selbst. Dies änderte sich aber bereits um die Jahrhundertwende. Zu diesem Zeitpunkt führten verschiedene Staaten Gesetzesbestimmungen zur Demokratisierung ihrer Vorwahlen ein. Die erste Vorwahl fand 1898 in Georgia statt (Heidner 2004, 12). Das heutige gültige Vorwahlsystem ist in den verschiedenen Staaten unterschiedlich organisiert. Die Vorwahlen lassen sich in primaries und caucuses unterscheiden.
Weitgehend durchgesetzt hat sich das System der primaries (Wattenberg 1991, 157). Es gibt verschiedene Arten primaries, von denen offene (open primaries) und geschlossene (closed primaries) die wichtigsten sind. Bei den open primaries kann jeder registrierte Wähler ungeachtet seiner Parteizugehörigkeit teilnehmen. Bei den closed primaries hingegen können nur die Wähler teilnehmen, die vorher ihre Parteizugehörigkeit offiziell registriert haben.[3] Das amerikanische Vorwahlsystem bedingt eine starke Tendenz zur Persönlichkeitswahl, denn es steht praktisch jedem offen. Die jeweiligen Parteiapparate haben bei der Kandidatur kein Mitspracherecht und kein Auswahlprivileg. Sie offerieren im Gegenzug aber auch keine finanzielle Hilfe im Vorwahlkampf. Auch hinsichtlich des the-winner-takes-it-all- Prinzip kann vermutet werden, dass es einen größeren Konkurrenzdruck zwischen den Kandidaten schafft als das deutsche Verhältniswahlrecht.
Die Parteien im amerikanischen Zweiparteiensystem kennen keinen durchorganisierten hierarchischen Aufbau, wie er in der Struktur deutscher Parteien angelegt ist. Die Demokratische und die Republikanische Partei sind auf lokaler und einzelstaatlicher Ebene höchst unterschiedlich organisiert, so dass das amerikanische Parteiensystem aus vielen lokalen Basisorganisationen besteht, die miteinander nur locker verbunden sind. In den Parteien gibt es keine geregelte, formale Mitgliedschaft. Es gibt lediglich Parteianhänger. Die Parteien verstehen sich als relativ lose Zusammenschlüsse zum Zwecke des Wahlsiegs. Die amerikanischen Parteien sind weltweit die einzigen, die keine Nominierungsfunktion haben. Die Entkopplung von Kandidat und Partei zeigt sich außerdem in der häufig in Kontrast zur eigenen Partei stehenden inhaltlichen Positionierung der Kandidaten. Zwar sind die Kandidaten nach wie vor das Bindeglied zwischen Regierten und Regierenden, aber ihr Einfluss auf den Wahlprozess ist, verglichen mit dem deutschen System, äußerst gering.
Die Konsequenz der aufgeführten Merkmale ist ein extern geführter, professioneller Wahlkampf, der auf die Bedürfnisse des Kandidaten zugeschnitten ist. Die Partei hat hierbei kein Mitspracherecht, sie agiert im Hintergrund. Die Person des Kandidaten steht im Vordergrund und bestimmt die Wahlkampfführung. Die Personalisierung des Wahlgeschehens wird bereits auf dem Stimmzettel ersichtlich. Die US-amerikanische Variante des Mehrheitswahlrechts sieht nur die Kandidatur von Einzelpersonen vor, Parteilisten sind auf den Stimmzetteln nicht vertreten.
„In der Struktur des politischen Systems der USA ist ein starker Grad an Personalisierung verankert. Sie wird durch die herausragende Position des Präsidenten, das personenbezogene Mehrheitswahlsystem, das Auswahlverfahren für die Vorwahlen und das amerikanische Zweiparteiensystem begünstigt, so dass sich im Präsidentschaftswahlkampf nahezu alles um die Person der – üblicherweise – zwei Spitzenkandidaten dreht.“ (Heidner 2004, 19)
Die Zentrierung des amerikanischen Wahlkampfes auf den Präsidentschaftskandidaten erscheint vor dem Hintergrund dieser Merkmale des Präsidialsystems sinnvoll. Die beiden Kandidaten der Republikaner und der Demokraten stellen selbstverständlich die Hauptakteure des Wahlkampfes dar. Anders gelagert sind die Traditionen in parlamentarischen Demokratien wie etwa in Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland.
Premierminister und Bundeskanzler werden nicht direkt vom Volk, sondern vom Parlament gewählt, sie sind außerdem vom Vertrauen der Parlamentsmehrheit abhängig. Zudem ist der deutsche Bundeskanzler wegen des Verhältniswahlrechts meist Kopf einer Koalition und dadurch in seiner Handlungsfähigkeit zusätzlich eingeschränkt. Das Volk wählt Wahlkreiskandidaten oder Parteilisten. Dementsprechend standen lange Zeit die Parteien und ihr gesamtes Führungspersonal im Mittelpunkt des Wahlkampfes. Jäger ist deshalb der Meinung: „Die Bundesrepublik Deutschland ist (…) ein Parteienstaat. Trotz allen Geredes über die Krise der Parteien oder des Parteiensystems haben die deutschen Parteien an Bedeutung eher zugenommen – auch im Zeitalter des Fernsehens.“ (Jäger 1992, 66)
Auf der anderen Seite führte auch in Deutschland die herausgehobene Stellung des Bundeskanzlers immer wieder zur Charakterisierung der Bundesrepublik als „Kanzlerdemokratie“. „Die Bundestagswahlen sind Kanzlerwahlen. Dies veranlasste die Volksparteien schon früher, einzelne Politiker besonders zu exponieren. Die Wahlkämpfe der Union waren bereits seit 1953 stark auf die Person des Spitzenkandidaten zugeschnitten. In der Regel wird die Tendenz, Kandidaten statt Parteien in den Mittelpunkt des Wahlkampfes zu stellen, auch als ein Aspekt der „Amerikanisierung“ von Wahlkämpfen angesehen. Und das zu Recht, wie man an diesen systemischen Voraussetzungen sieht. Eine zunehmende Personalisierung auch der deutschen Wahlkämpfe lässt dann auch die Wahl im parlamentarischen Wahlsystem zunehmend als Präsidentenwahl erscheinen. Manche vermuten vor diesem Hintergrund sogar eine Verschiebung hin zu einem präsidentiellen System (vgl. Lass 1995, 11f).
[...]
[1] Zur Amerikanisierungsthese vgl. Kamps 2000, 9-21.
[2] Auf einer allgemeineren Ebene zur Unterscheidung parlamentarischer und präsidentieller Regierungssysteme, vgl. Steffani 1983.
[3] Für eine ausführliche Darstellung des amerikanischen Vorwahlsystems, vgl. Filzmaier/Plasser (2001).
- Citation du texte
- Susanne Fohler (Auteur), 2006, Phantom Personalisierung - Gibt es einen Trend zur Personalisierung in der Politik? Personalisierung im Vergleich: USA - Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58809
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