Wenn von einem Börsengang bzw. IPO (Initial Public Offering) gesprochen wird, so ist damit i.d.R. die Verbriefung der Aktien eines Unternehmens an einer Börse gemeint. Die Möglichkeit des Börsengangs ist ausschließlich für Unternehmen vorbehalten, die gemäß ihrer Rechtsform durch einen Börsengang die Emissionsfähigkeit erhalten. Eine der möglichen Rechtsformen ist die AG (Aktiengesellschaft). Eine weitere mögliche Rechtsform ist die KGaA (Kommanditgesellschaft auf Aktien). Die letzte zu nennende Rechtsform ist die SE (Societas Europae) oder auch europäische Aktiengesellschaft genannt und ist eine Rechtsformmöglichkeit für Unternehmen innerhalb der EU (Europäische Union).
Jedoch sind nicht ausschließlich die Aktien von Unternehmen an einer Wertpapierbörse handelbar. Zusätzlich können Unternehmen weitere Arten von Wertpapieren an einer Börse emittieren. Dabei ist eine bestehende Notierung der Anteile des Unternehmens an einer Börse nicht zwingend notwendig. Es bedarf die Erfüllung anderer Kriterien, auf welche in späteren Kapiteln näher eingegangen wird, die maßgeblich entscheidend für eine Notierung der Wertpapiere sind.
Es können zahlreiche Motive Anlass dazu geben, weshalb sich ein Unternehmen zur Emission von Wertpapieren entscheidet. Diese wissenschaftliche Arbeit fokussiert sich dabei auf das Motiv der Finanzierung mit der Zielsetzung „Wachstum“. Konkret bedeutet dies, ob und in wie weit ein Unternehmen durch den möglichen Finanzierungseffekt, welcher aus der Verbriefung von Wertpapieren resultiert, einen Unternehmenswachstum generieren kann. In diesem Zusammenhang muss jedoch die Definition von Unternehmenswachstum berücksichtigt werden.
Grundsätzlich muss dabei zwischen quantitativen und qualitativem Wachstum differenziert werden. Quantitativer Wachstum ist ein klar zu quantifizierender Mengenwachstum. Bezogen auf ein Unternehmen handelt es sich um positive Wachstumsraten in Bereichen, wie z.B. Umsatzwachstum, Belegschaftswachstum oder Filialausbau. Qualitativer Wachstum bedeutet eine höhere Ergebnisqualität in allen Dimensionen und ist somit schwieriger messbar. Dabei kann es sich beispielsweise um eine Qualitätssteigerung in den Produkten oder Dienstleistungen handeln sowie im ökologischen Nutzen des Unternehmens als auch um eine nachhaltige wirtschaftliche Qualität bzw. Situation.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise
2 Nutzung der Wertpapierbörse zur Wachstumsfinanzierung
2.1 Untersuchung der Finanzierungsmöglichkeiten
2.1.1 Methoden der Außen- und Eigenfinanzierung
2.1.2 Methoden der Außen- und Fremdfinanzierung
2.1.3 Mezzanine-Kapital
2.1.4 Gesamtbetrachtung der Finanzierungsinstrumente
2.2 Erfolgsanalyse real stattgefundener Börsengänge
2.2.1 Ado Properties S.A
2.2.2 Vapiano SE
2.2.3 Abschlussbetrachtung
3 Darstellung des IPO-Ablaufprozesses und Analyse der Kosten
3.1 Planungsphase und Start der Vorbereitungsphase
3.2 Vorbereitungsphase und Start der Prozessphase
3.3 Prozessphase
3.4 Kostenstruktur eines IPO
4 Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Übersicht über Finanzierungsformen
Abbildung 2: Formen der Kapitalerhöhung
Abbildung 3: Übersicht zu den Außenfinanzierungsmethoden
Abbildung 4: Übersicht der Schritte im Zeitverlauf (Planungsphase & Start der Vorbereitungsphase)
Abbildung 5: Übersicht der Schritte im Zeitverlauf (Vorbereitungsphase & Start der Prozessphase)
Abbildung 6: Übersicht der Schritte im Zeitverlauf (Prozessphase)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Daten-Tabelle (Ado Properties S.A.)
Tabelle 2: Daten-Tabelle (Vapiano SE)
Tabelle 3: Möglicher Folgekostenansatz einer Börsennotierung p.a
Tabelle 4: Mindestinhalte des Wertpapierprospekts
Tabelle 5: Übersicht über die Kostenblöcke eines IPO
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Wenn von einem Börsengang bzw. IPO (Initial Public Offering) gesprochen wird, so ist damit i.d.R. die Verbriefung der Aktien eines Unternehmens an einer Börse gemeint. Die Möglichkeit des Börsengangs ist ausschließlich für Unternehmen vorbehalten, die gemäß ihrer Rechtsform durch einen Börsengang die Emissionsfähigkeit erhalten. Eine der möglichen Rechtsformen ist die AG (Aktiengesellschaft). Sie weißt einen nominell fixierten Eigenkapitalanteil auf. Es handelt sich um das in der Bilanz als gezeichnetes Kapital ausgewiesene Grundkapital, das bei der Gründung mindestens € 50.000 betra-gen muss. Die Aktien werden von den Gesellschaftern gehalten und dokumentieren ihre Mitgliedschaft.1 Eine weitere mögliche Rechtsform ist die KGaA (Kommanditgesell-schaft auf Aktien). Diese Rechtsform gehört ebenfalls zu den Kapitalgesellschaften, jedoch mit mindestens einem vollhaftenden Komplementär. Die Kommanditanteile sind in Aktienurkunden verbrieft.2 Die letzte zu nennende Rechtsform ist die SE (Societas Europae) oder auch europäische Aktiengesellschaft genannt und ist eine Rechtsform-möglichkeit für Unternehmen innerhalb der EU (Europäische Union). Im Unterschied zur AG nach deutschem Aktienrecht gilt für die SA ein gezeichnetes Kapital von min-destens € 120.000. Jedoch sind nicht ausschließlich die Aktien von Unternehmen an einer Wertpapierbörse handelbar. Zusätzlich können Unternehmen weitere Arten von Wertpapieren an einer Börse emittieren. Dabei ist eine bestehende Notierung der Antei-le des Unternehmens an einer Börse nicht zwingend notwendig. Es bedarf die Erfüllung anderer Kriterien, auf welche in späteren Kapiteln näher eingegangen wird, die maßgeb-lich entscheidend für eine Notierung der Wertpapiere sind.
Es können zahlreiche Motive Anlass dazu geben, weshalb sich ein Unternehmen zur Emission von Wertpapieren entscheidet. Diese wissenschaftliche Arbeit fokussiert sich dabei auf das Motiv der Finanzierung mit der Zielsetzung „Wachstum“. Konkret bedeu-tet dies, ob und in wie weit ein Unternehmen durch den möglichen Finanzierungseffekt, welcher aus der Verbriefung von Wertpapieren resultiert, einen Unternehmenswachstum generieren kann. In diesem Zusammenhang muss jedoch die Definition von Unternehmenswachstum berücksichtigt werden.
Grundsätzlich muss dabei zwischen quantitativen und qualitativem Wachstum differen-ziert werden. Quantitativer Wachstum ist ein klar zu quantifizierender Mengenwachs-tum. Bezogen auf ein Unternehmen handelt es sich um positive Wachstumsraten in Be-reichen, wie z.B. Umsatzwachstum, Belegschaftswachstum oder Filialausbau. Qualita-tiver Wachstum bedeutet eine höhere Ergebnisqualität in allen Dimensionen und ist somit schwieriger messbar. Dabei kann es sich beispielsweise um eine Qualitätssteige-rung in den Produkten oder Dienstleistungen handeln sowie im ökologischen Nutzen des Unternehmens als auch um eine nachhaltige wirtschaftliche Qualität bzw. Situati-on.3
Der zweite Teil der Ausarbeitung gibt einen strukturierten Überblick über die einzelnen Prozessschritte im Rahmen der erstmaligen Emission der Aktien eines Unternehmens.
1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise
Zu Beginn wird der Begriff „Finanzierung“ erläutert, um eine Klarstellung zu erhalten, auf welche Finanzierungsarten eine kapitalmarktorientierte Wertpapieremission einwir-ken kann. Im Darauffolgenden werden die nach ihrer Kapitalart sortierten relevanten Finanzierungsinstrumente untersucht. Im Rahmen dieser Untersuchung werden die Fi-nanzierungsinstrumente vorgestellt und in ihrer Funktionsweise unter der Berücksichti-gung von mutmaßlichen Vor- und Nachteilen erläutert. Nach Abschluss der Untersu-chung der Finanzierungsinstrumente kommt es zu zwei Erfolgsanalysen real stattgefun-dener Börsengänge. Es gilt herauszufinden, ob bei den analysierten Unternehmen ein ganzheitlicher Unternehmenswachstum, eine Stagnation oder eine negative Entwicklung festzustellen ist. Des Weiteren wird nach den Ursachen für die festgestellte Entwicklung geforscht und überprüft, in wie weit der IPO als auch die verschiedenen Börsenaktivitä-ten Einfluss auf die Entwicklung genommen haben könnten. Als Datengrundlage der Analysen dienen die Informationen aus den Geschäftsberichten vergangener Jahre vor und nach dem Börsengang sowie ausgewählte ergänzende Daten sonstiger Quellen. Das Ziel der Struktur der Untersuchung sowie die Art der Vorgehensweise der Untersu-chung des ersten Abschnitts dieser Bachelorarbeit lautet wie folgt:
Die Erläuterung zu den verschiedenen Finanzierungsarten soll dem Leser einen Ge-samtüberblick zum Thema Finanzierung verschaffen. Es soll ein Eindruck vermittelt werden, in welchem Relevanz-Verhältnis die Möglichkeiten einer kapitalmarktorientier-ten Finanzierung zur gesamten Finanzierungslandschaft stehen. In der daran anschlie-ßenden Thematik werden die einzelnen Instrumente der kapitalmarktorientierten Finan-zierung behandelt, um ein grundlegendes Verständnis beim Leser zu erzeugen und die Ausführungen im Kapitel der Erfolgsanalyse real stattgefundener Börsengänge nach-vollziehbar zu machen. In diesem Kontext ist zu beachten, dass die jeweiligen Instru-mente die Basis der Finanzierung bilden. Dementsprechend ist eine Potenzialanalyse zum Thema Börsengang als Finanzierungsmethode nur mit Hilfe grundlegender Kennt-nisse zu den einzelnen Instrumenten möglich. Aus diesem Grund ist eine weitreichende Erläuterung der Instrumente unabdingbar.
Um eine Potenzialanalyse zu Thema IPO als Finanzierungsmethode vollständig und abschließend bewerten zu können, sollte die Komplexität, der zeitliche und organisato-rische Aufwand des Ablaufprozesses sowie die mit dem IPO verbundenen Kostenkom-ponente bekannt sein. Da es sich bei dem besagten Ablaufprozess um ein zusammen-hängendes Konstrukt handelt, bestehend aus verschiedenen Phasen, welche in zahlrei-che Teilprozesse unterteilt sind, konzentriert sich der zweite Abschnitt dieser Bachelor-arbeit auf die Erläuterung des IPO-Ablaufprozesses.
2 Nutzung der Wertpapierb örse zur Wachstumsfinanzierung
2.1 Untersuchung der Finanzierungsm öglichkeiten
Bevor eine Untersuchung der Finanzierungsmöglichkeiten stattfinden kann, muss der Begriff „Finanzierung“ klar definiert sein. Der Begriff Finanzierung umfasst alle Vor-gänge der Kapitalbeschaffung sowie sämtliche darüberhinausgehenden Kapitaldisposi-tionen, die Kapitalrückzahlung und die Kapitalumschichtung. Die Finanzierung kann somit als Teil der Finanzwirtschaft bzw. als Teil der finanzwirtschaftlichen Entschei-dungen von Unternehmen angesehen werden.4 Dem gegenüber steht folglich die Inves-tition, also die Kapitalverwendung. Eine der originären Aufgaben der betrieblichen Fi-nanzwirtschaft ist die Ermittlung des Kapitalbedarfs in seiner Höhe.
Bevor ein Unternehmen Güter herstellen oder Dienstleistungen erbringen und an seine Kunden verkaufen kann, benötigt es für die Leistungserstellung die erforderlichen Be-triebsmittel. Dazu zählen z.B. Betriebsräume, Maschinen, Mitarbeiter, Roh- und Be-triebsstoffe oder Dienstleistungen. Zur Beschaffung solcher oder ähnlicher Betriebsmit-tel benötigt es wiederum finanzielle Mittel.5 Verfolgt nun ein Unternehmen das Ziel des Wachstums, so wird ein zunehmender Kapitalbedarf die logische Folge sein. Zur De-ckung des Kapitalbedarfs hat es die Möglichkeit verschiedene Finanzierungsformen zu wählen. Die nachfolgende Grafik bietet eine Übersicht der Finanzierungsformen.
Abbildung 1: Übersicht über Finanzierungsformen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: In Anlehnung an Löffler, G., Finanzierung, 2019, S. 3
Zunächst lassen sich die Finanzierungsformen unterscheiden in Eigen- und Fremdkapi-tal: Erhält ein Unternehmen Eigenkapital, so wird der Kapitalgeber Miteigentümer und hat einen Anspruch auf Beteiligung am Unternehmenserfolg. Weiter erhält der Eigen-kapitalgeber das Recht, Einfluss auf die Unternehmensleitung auszuüben. Erhält das Unternehmen Fremdkapital, wird der Kapitalgeber Gläubiger und hat einen der Höhe nach festgelegten Anspruch auf Rückzahlung des Kreditbetrags. Weiterhin erhält er für die Kapitalüberlassung eine laufende Verzinsung zu einem festen oder variablen Zins-satz.
Die Ansprüche des Fremdkapitalgebers müssen vorrangig gegenüber den Ansprüchen des Eigenkapitalgebers erfüllt werden. Einen Anspruch auf Mitbestimmung hat der Fremdkapitalgeber wiederum nicht.6
Die zweite grundlegende Klassifikation ist die Unterscheidung zwischen Innen- und Außenfinanzierung. Hierbei geht es um die Mittelherkunft. Wird das zusätzliche Kapital von Unternehmens externen Personen oder Institutionen zur Verfügung gestellt, wird von einer Außenfinanzierung gesprochen. Hat das Unternehmen die hinzugeführten Mittel durch im Unternehmen stattgefundener Vorgänge des betrieblichen Leistungs-und Umsatzprozesses selbst generiert, spricht man von einer Innenfinanzierung. Wie der Grafik zu entnehmen ist, gibt es für jede Kombinationsmöglichkeit zwischen von Ei-gen-und Fremdkapital sowie Außen- und Innenfinanzierung Maßnahmen, die ergriffen werden können. Im Rahmen der Wachstumsfinanzierung mittels Börsengang bzw. durch eine Börsennotierung ergeben sich Maßnahmen der Außenfinanzierung, zu sehen in den rot markierten Bereichen der Grafik, die dem Zufluss von Eigenkapital sowie Fremdkapital dienen. Auf diese Maßnahmen wird in den folgenden Kapiteln näher ein-gegangen. Die Innenfinanzierung spielt im Rahmen der Finanzierung über den organi-sierten Kapitalmarkt keine bedeutende Rolle.
Noch zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang das Mezzanine-Kapital. Der Hoch-schulprofessor Hans Paul Becker beschreibt den Begriff „Mezzanine-Kapital“ als eine Mischfinanzierung zwischen Eigen- und Fremdkapital. Die Mezzanine-Finanzierungsformen weisen Charakteristika beider Kapitalarten in unterschiedlicher Ausprägung auf.7 Durch einen Börsengang bzw. eine Börsennotierung ergeben sich auch Möglichkeiten der Mezzanine-Finanzierung, auf welche in einem der folgenden Kapitel ebenfalls näher eingegangen wird.
2.1.1 Methoden der Au ßen- und Eigenfinanzierung
In diesem Kapitel geht es darum, die Methoden vorzustellen und zu analysieren, welche einem Unternehmen durch einen Börsengang/-notierung zur Verfügung stehen, mit der Zielsetzung Eigenkapital zu erhalten.
Börsengang/Erstnotierung von Aktien: Bei einem Börsengang bzw. IPO handelt es sich um eine Beteiligungsfinanzierung. Dies bedeutet, dass ein Unternehmen durch den Ver-kauf von Unternehmensanteilen, was im Falle des Börsengangs Aktien sind, Eigenkapi-tal seitens der Investoren erhält. Das erhaltene Eigenkapital steht dem Unternehmen in aller Regel unbefristet und dauerhaft zur Verfügung.
Aktien sind mit einem Nennwert versehen. Werden sie von dem emittierenden Unter-nehmen zu diesem rechnerischen Nennwert ausgegeben, welcher mindestens einen Euro betragen muss, so spricht man von einer Emission zu Pari. Allerdings können Aktien mit einem Aufgeld (Agio) ausgegeben werden. In diesem Falle spricht man von einer Emission über Pari, was in der Praxis die geläufigste Situation ist. In der Bilanz des Unternehmens wird der Nennwert der Aktien im Grundkapital ausgewiesen, während das Aufgeld als Kapitalrücklage bilanziert wird.8 Die Übertragung von Unterneh-mensanteilen wäre auch ohne eine dazwischen geschaltete Börse möglich. Jedoch bietet die Veräußerung von Unternehmensanteilen über eine Börse exklusive Vorteile, welche prinzipiell die Lösung der Probleme sind, die bei außerbörslichem Handel entstehen oder entstehen können.
Potenzielle Kapitalgeber von nicht börsennotierten Unternehmen sehen sich mit dem Problem der mangelnden Fungibilität konfrontiert, da kein organisierter Markt für den Kauf und Verkauf der Gesellschaftsanteile existiert. Ein- bzw. Austritt von Gesellschaf-tern gestaltet sich relativ aufwändig. Die Übertragung von Gesellschaftsanteilen erfor-dert meistens die Zustimmung anderer Gesellschafter, der Gesellschafterwechsel muss notariell beurkundet werden und in das Handelsregister eingetragen werden. Hinzu kommen Bewertungsprobleme, da keine Marktpreise für die Gesellschaftsanteile exis-tieren. In diesem Zusammenhang ist auch die asymmetrische Informationsverteilung zwischen Kapitalnehmer und Kapitalgeber zu berücksichtigen. Diese ist aus finanzie-rungstheoretischer Perspektive ein weiterer möglicher Grund für Probleme bei der Kapi-talbeschaffung. Des Weiteren existieren für den Kapitalgeber mangelnden Diversifizie-rungsmöglichkeiten beim außerbörslichen Handel. Dies hat zur Folge, dass fast aus-schließlich Kapitalgeber in Frage kommen, die sich langfristig an ein Unternehmen bin-den wollen.9 Daraus entsteht für Unternehmen die bedrohliche Situation, dass die erfor-derliche Anzahl an Investoren nicht erreicht werden könnte, welche zur Deckung des Kapitalbedarfs, insbesondere bei der Verfolgung einer kostenintensiven Wachstumsstra-tegie notwendig wären.
Mithilfe eines IPO sollen die vorgestellten Problematiken fast vollständig getilgt wer-den. Durch die Notierung der Unternehmensanteile an einer Börse werden die Aktien durch den täglich stattfindenden Handel im höchsten Maße fungibel sowie auf Grund der Funktion der Börse als Handelsplatz bzw. als Vermittler zwischen Kapitalgebern und Kapitalnehmern. Der Kauf als auch der Verkauf von Unternehmensanteilen erleich-tert sich für die potenziellen Investoren durch die Nutzung des Sekundärmarktes, an welchem die Aktien zwischen den Investoren gehandelt werden. Eine Käufer- bzw. Verkäufersuche ist nicht notwendig und auch auf Makler, Berater oder Notare etc. kann verzichtet werden. Bedeutung erhält auch die Informationsverarbeitungsfunktion der Börse. Unternehmen stellen dabei dem Kapitalmarkt Informationen über die bisher er-wirtschaftete Rendite, die geplante Strategie sowie das damit verbunden Risiko zur Ver-fügung.10
Die Zielsetzung ist dabei, die Informationsasymmetrie zu verringern. Das Publizitätsge-setz verpflichtet Aktiengesellschaften zur regelmäßigen Veröffentlichung eines Jahres-abschlusses und eines Lageberichts. Darüber hinaus müssen börsennotierte Unterneh-men kursrelevante Tatsachen unverzüglich melden (Ad-hoc-Publizität).11 Weiterhin zu nennen, ist das Entstehen von Marktpreisen an einer Börse durch das Aufeinander tref-fen von Angebot und Nachfrage. Darüber hinaus kommt es zu einer Losgrößentrans-formation. Die Börse bündelt demnach die Anlagebeträge einzelner Investoren, sodass eine ausreichende Kapitalbedarfsdeckung gewährleistet wird.
Kapitalerhöhung: Unter einer Kapitalerhöhung versteht man die Aufstockung des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft und die damit verbundene Ausgabe von neuen Aktien (junge Aktien). Durch das Organ der Hauptversammlung muss eine Satzungsän-derung zur Erhöhung des Grundkapitals mit einer qualifizierten Mehrheit erfolgen, wodurch der Vorstand zur Kapitalerhöhung ermächtigt wird.12
Eine qualifizierte Mehrheit bedeutet eine Dreiviertelmehrheit des auf der Hauptver-sammlung anwesenden Grundkapitals. Bei der SE stellen zwei Drittel des anwesenden Grundkapitals eine qualifizierte Mehrheit dar. Es wird zwischen vier verschiedenen Formen von Kapitalerhöhungen unterschieden, von denen drei relevant für das Thema dieser wissenschaftlichen Arbeit sind. Diese drei Formen von Kapitalerhöhungen sind in der nachfolgenden Grafik in roter Farbe markiert.
Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln findet keine Relevanz, da bei einer nomi-nellen Kapitalerhöhung keine Kapitalzufuhr stattfindet. Die Kapitalerhöhung wird aus Gesellschaftsmitteln bestritten. Dies bedeutet, dass das Unternehmen Rücklagen in ge-zeichnetes Kapital umwandelt.13 In der Bilanz findet dementsprechend ein Passivtausch statt. Lediglich die Struktur des Eigenkapitals ändert sich, jedoch nicht die Höhe.
Abbildung 2: Formen der Kapitalerh öhung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: In Anlehnung an Wöltje, J., Investition und Finanzierung, 2017, S. 386
Die ordentliche Kapitalerhöhung erfolgt durch die Ausgabe bzw. Veräußerung neuer Aktien am Kapitalmarkt. Die Verkaufserlöse (Bezugs-/Emissionskurse) fließen der Ge-sellschaft als liquide Mittel zu und erhöhen das Eigenkapital. Dabei ist vom Vorstand und Aufsichtsrat der Beschluss sowie die Durchführung der Kapitalerhöhung zur Ein-tragung ins Handelsregister anzumelden.
Es gilt zu beachten, dass sich die Anzahl der Stückaktien im gleichen Verhältnis wie das Grundkapital erhöht. Die neuen Aktien dürfen nur zu einem Kurs ausgegeben werden, der mindestens dem auf die alten Aktien entfallenen Grundkapitalanteil entspricht. So-mit ist eine Emission unter Pari verboten.14 Bei der genehmigten Kapitalerhöhung wird wie bei der ordentlichen Kapitalerhöhung der Vorstand von der Hauptversammlung ermächtigt, das gezeichnete Kapital zu einem bestimmten Nennbetrag durch Ausgabe neuer Aktien gegen Einlage zu erhöhen. Jedoch erwirbt das Unternehmen im Gegensatz zur ordentlich Kapitalerhöhung durch die Genehmigung ein Recht zur Kapitalerhöhung, welches nicht sofort ausgeübt werden muss, sondern innerhalb einer Frist von maximal fünf Jahren ausgeübt werden kann. Auf diese Weise wird dem Vorstand eine gewisse Flexibilität beschafft. Beispielsweise kann eine günstige Gelegenheit für die Ausgabe neuer Aktien ausgenutzt werden oder Investitionsprojekte, deren Realisierung einer stra-tegischen Geheimhaltung bedarf, finanziert werden. Wie auch bei der ordentlichen Ka-pitalerhöhung, darf das genehmigte Kapital 50% des bisher gezeichneten Kapitals nicht übersteigen.15
Die Durchführung einer ordentlichen sowie einer genehmigten Kapitalerhöhung beginnt mit der Ermittlung des Kapitalbedarfs. Auf Basis dessen wird in der Folge der Ausga-bepreis der neuen Aktien sowie das Bezugsverhältnis festgelegt. Das Bezugsverhältnis ergibt sich aus der Relation zwischen dem bisherigen Grundkapital und dem Betrag, um welchen es sich erhöhen soll. Somit entspricht die Relation dem Verhältnis zwischen der Anzahl alter Aktien und der Anzahl neu auszugebener Aktien.16 Der Bezugs- bzw. Ausgabekurs der neuen Aktien kommt nicht durch Angebot und Nachfrage zustande, sondern wird durch die Organe des emittierenden Unternehmens festgelegt. Während der Nennwert bzw. der anteilig auf eine Stückaktie entfallende Betrag des Grundkapitals als Untergrenze für den Ausgabekurs nicht unterschritten werden darf, bildet der aktuel-le Börsenkurs die Höchstgrenze. Die Aufgabe des Vorstandes ist es, einen Kurs festzu-legen, der einerseits von der Hauptversammlung genehmigt wird und andererseits am Kapitalmarkt angenommen wird.
Grundsätzlich ist der Vorstand an einem möglichst hohen Ausgabekurs interessiert, da der Emissionserlös steigt bzw. die Anzahl der auszugebenden Aktien sinkt. Ein niedri-ger Ausgabekurs wird wiederum besser von der Börse angenommen und bietet eine Art Kaufanreiz durch das geringe Platzierungsrisiko. In der Praxis ist daher ein Abschlag auf den aktuellen Börsenkurs üblich, um einen Mittelweg zu gehen.17 Insofern die neu-en Aktien die gleichen Rechte wie die alten Aktien verbriefen, bildet sich nach Ab-schluss der Kapitalerhöhung an der Börse ein gemeinsamer Marktpreis.
Der entstandene Marktpreis stellt in seiner Höhe einen Mischkurs zwischen dem letzten Börsenkurs der alten Aktien und dem Ausgabekurs der neuen Aktien dar. Da der Aus-gabekurs der neuen Aktien i.d.R. unterhalb des alten Aktienkurses liegt, wird auch der Mischkurs unterhalb des alten Aktienkurses liegen.18
Grundsätzlich hat das emittierende Unternehmen seinen Altaktionären ein Bezugsrecht einzuräumen, wodurch der Aktionär die Möglichkeit erhält, sich die neuen Aktien proportional zu seinen bisherigen Aktien zum Ausgabekurs sichern zu können. Durch die Kaptalerhöhung kommt es zu einer Kapitalverwässerung, der Kurs sinkt zunächst und Altaktionäre erleiden dementsprechend einen Vermögensnachteil. Des Weiteren ent-steht eine Änderung der Stimmrechtsverhältnisse. Insofern der Altaktionär sein Bezugs-recht in Anspruch nimmt, kann er die drohenden Nachteile ausgleichen. Die Frist für die Ausübung des Bezugsrechts beträgt gemäß § 186 Abs. 1 AktG (Aktiengesetz) mindes-tens zwei Wochen. Der Aktionär muss dabei im Hinblick auf die Nutzung entscheiden, ob er das Bezugsrecht in Anspruch nimmt oder es an der Börse veräußert.19 Ein Aus-schluss des Bezugsrechts bedarf den Beschluss einer qualifizierten Mehrheit das bei der Hauptversammlung vertretenen Grundkapitals. Ein Bezugsrechtsauschluss ist insbeson-dere dann zulässig, wenn die Kapitalerhöhung 10% des Grundkapitals nicht übersteigt und der Bezugskurs der neuen Aktien den Börsenpreis der alten Aktien nicht wesentlich unterschreitet.20
Bei der bedingten Kapitalerhöhung handelt es sich um eine zweckgebundene Sonder-form der Kapitalerhöhung. Sie darf zur Einlösung von Aktienbezugsrechten in folgen-den Fällen genutzt werden: Eine bedingte Kapitalerhöhung ist z.B. notwendig bei der Ausgabe bzw. bei der Gewährung von Umtausch- oder Bezugsrechten an Inhabern von Wandelschuldverschreibungen oder Optionsschuldverschreibungen, die in der Zukunft von ihren Rechten aus den Schuldverschreibungen Gebrauch machen können. Ein wei-teres Szenario wäre eine Unternehmensübernahme. Dabei wird den Aktionären der zu übernehmenden Gesellschaft, die aus der bedingten Kapitalerhöhung stammenden Ak-tien angeboten. Des Weiteren kann eine bedingte Kapitalerhöhung bei der Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmern der Gesellschaft im Rahmen der Gewinnbeteiligung der Belegschaft stattfinden.21 Die Wirksamkeit und Umfang der bedingten Kapitalerhöhung ist dementsprechend davon abhängig, in wie weit die Be-zugsberechtigten von ihrem Recht des Bezugs der neuen Aktien Gebrauch machen. Auch diese Form der Kapitalerhöhung bedarf den Beschluss einer qualifizierten Mehr-heit der Hauptversammlung und das Volumen der Kapitalerhöhung darf ebenfalls 50% des bisher gezeichneten Grundkapitals nicht überschreiten. Ein besonderes Charakteris-tikum der bedingten Kapitalerhöhung betrifft den Umstand, dass nicht die Aktionäre des Unternehmens sondern Dritte zum Bezug der neuen Aktien berechtigt sind. Aus diesem Grund ist ein Ausschluss der Bezugsrechte für Altaktionäre zwingend notwendig.22
Aus den Ausführungen ergibt sich zunächst, dass eine Kapitalerhöhung eine nach dem Börsengang durchführbare Eigenkapitalerweiterung darstellt. Oftmals gibt es dafür spe-zielle Gründe, wie z.B. kostenintensive, größere Umstellungen in der Produktion, Er-weiterung der Unternehmenskapazität oder andere Vorhaben. Durch eine Kapitalerhö-hung können sich aber auch Möglichkeiten im Bereich Fremdkapitalbeschaffung erge-ben. Denn eine Einlage zusätzlicher Gelder erhöht die Haftungsbasis und führt zu einer Verbesserung der für die Kreditaufnahme notwendigen Bonität.23
2.1.2 Methoden der Au ßen- und Fremdfinanzierung
In diesem Kapitel geht wie im vorherigen Kapital darum, die Methoden vorzustellen und zu analysieren, welche einem Unternehmen durch einen Börsengang/-notierung zur Verfügung stehen, jedoch mit der Zielsetzung Fremdkapital zu erhalten.
Ein Unternehmen hat die Möglichkeit, sich mit Hilfe von Fremdkapital durch die Aus-gabe von Anleihen, welche auch Schuldverschreibungen oder Obligationen genannt werden, zu finanzieren. Darunter versteht man in der Regel handelbare Wertpapiere mit einem festgelegten Nominalbetrag, die dem Inhaber je nach Art der Anleihe eine feste, variable oder auch keine Verzinsung gewähren. Die Besonderheit liegt darin, dass das Fremdkapital nicht von einer Bank sondern vom Kapitalmarkt zur Verfügung gestellt wird, wodurch eine gesteigerte Unabhängigkeit von Banken in Bezug auf die Fremdka-pitalbeschaffung entsteht.
Der Zeichner der Anleihe erhält die Möglichkeit, diese im Sekundärmarkt weiterzu-veräußern.24 Grundsätzlich ist die Unterbringung von Anleihen an einer Börse nicht zwangsläufig notwendig. Jedoch entsteht durch die Veräußerung an einer Börse der gleiche exklusive Vorteil wie bei der Beteiligungsfinanzierung: Durch das öffentliche Angebot wird eine vergrößerte Anzahl potenzieller Kapitalgeber angesprochen.
Um eine Emission von Anleihen an einer Börse durchzuführen, muss ein Unternehmen nicht zwangsläufig selbst börsennotiert sein, jedoch emissionsfähig in Bezug auf Anlei-hen. Bei einer öffentlichen Platzierung von Anleihen wird dennoch ein Börsengangpro-zess durchlaufen. Der Unterschied liegt allein darin, dass bei einem IPO die Aktien ei-nes Unternehmens gelistet werden und bei der Anleiheemission die Anleihen eines Un-ternehmens. Diese Emissionsfähigkeit eines Unternehmens bezieht sich in diesem Zu-sammenhang auf nicht exakt kodifizierte Anforderungen. Dabei kann grundlegend ge-sagt werden, dass die Ausgabe von Anleihen in der Praxis auf große Unternehmen be-schränkt ist. Hintergrund sind die hohen Ausgabekosten, welche bei einer Emission entstehen, wie z.B. Kosten für das Zulassungsverfahren, Erstellung und Veröffentli-chung des Emissions- bzw. Verkaufsprospekts, externe Bonitätseinschätzung, Veröf-fentlichung der Due Diligence und Legal Opinion bzw. Disclosure Opinion sowie ggf. Übernahmeprovision für das Emissionskonsortium. In der Fachliteratur werden die Kosten einer Anleiheemission mit ca. 4-6% ihres Nennwertes beziffert. Hinzu kommen periodisch anfallende Beträge, wie z.B. Kuponeinlösungsprovisionen, Kosten im Zu-sammenhang mit den Veröffentlichungspflichten und Ratingüberwachung sowie interne Bearbeitungskosten.
Aufgrund der Höhe der Ausgabekosten wird eine Platzierung von Anleihen erst ab ei-nem gewissen Emissionsvolumen rentabel. In der Praxis beläuft sich dieses häufig bei über € 100 Mio. Darüber hinaus werden an den Emittenten Bonitätsanforderungen ge-stellt seitens staatlicher Stellen, Börsen und auf Grund von gesetzlichen Regelungen von institutionellen Kapitalanlegern (Versicherungen, Investmentgesellschaften, Pensi-onsfonds), die in der Regel ausschließlich von Großunternehmen erfüllt werden kön-nen.25
Des Weiteren sind nicht zu unterschätzende Pflichten und Voraussetzungen, ähnlich wie bei einer Aktienemission zu erfüllen, auf welche in Kapitel 3.1 näher eingegangen wird.
Die Emission von Anleihen kann auf zwei verschiedenen Wegen erfolgen: Hierbei ist die Selbstemission zu nennen, was eine eigenständige Emission der Anleihen des Un-ternehmens bedeutet. In diesem Zusammenhang sollte überprüft werden, ob das Unter-nehmen das benötigte Vertriebssystem aufweisen kann. Ferner ist zu beachten, dass das Unternehmen eigenständig dazu in der Lage sein sollte, die Kapitalmarktsituation kor-rekt einzuschätzen und den richtigen Emissionszeitpunkt optimal festzulegen.26 Auf Grund der Komplexität der Prozessschritte, die zeitliche Belastung und die daraus ent-stehende Gefahr der Vernachlässigung des operativen Geschäfts bei einer Selbstemissi-on hat das Unternehmen, die Möglichkeit einem Bankenkonsortium die Gesamtverant-wortung für das Projekt zu übertragen. Dies wird Fremdemission genannt.
Zu den Aufgaben des Bankenkonsortiums und den Emissionsberatern gehört z.B. die Analyse der grundsätzlichen Anleihefähigkeit des Unternehmens, die Erstellung einer mehrjährigen Finanzplanung in Kooperation mit dem Emittenten sowie die Durchfüh-rung einer Bilanz-, Liquiditäts- und Ertragsanalyse, die im Idealfall die gesamte Lauf-zeit der zu emittierenden Anleihe abdeckt. Durch Simulation diverser Szenarien und die Überprüfung der Zins- und Tilgungsfähigkeit unter verschiedensten Konjunkturszenari-en können frühzeitig Defizite in Bereichen, wie z.B. Bilanzierung, Unternehmensorga-nisation, Investor-Relations-Arbeit etc. festgestellt bzw. Verbesserungspotenziale auf-gezeigt werden. Darüber hinaus wählt und involviert das Konsortium alle weiteren not-wendigen Partner wie Kommunikationsagenturen, Rechtsanwälte, Ratingagenturen usw. Sämtliche Mandatsverhandlungen werden dabei vom Konsortium geführt.
Schlussendlich sorgt das Bankenkonsortium für einen reibungslosen Ablauf der Emission, garantiert die vollständige Platzierung und erwirbt im Zweifelsfall offene Positionen selbst. Zuletzt ist noch zu erwähnen, dass bei Mittelstandsanleihen Partner, also ein Konsortium, vorgeschrieben sind. An den Börsen Hamburg und Hannover übernehmen die Börsen selbst die Partnerfunktion.27 Anleihen gibt es in einer Vielzahl an Formen. Tilgungs-, Annuitäten- oder Verlosungsanleihen können hier genannt werden. Jedoch nehmen drei Anleihe-Formen eine herausragende Stellung ein:
Dabei handelt es sich um festverzinsliche Anleihen, variabel verzinsliche Anleihen, welche auch Floating Rate Notes genannt werden und Nullkuponanleihen, auch bekannt als Zerobonds. Festverzinsliche Anleihen stellen die gewöhnlichste Form einer Anleihe dar und sind über die gesamte Laufzeit mit einem fixen Nominalzins versehen. Die meisten Kupons verbriefen konstante, jährlich zu zahlende Zinsverpflichtungen, die prozentual zum Nominalwert der Anleihe festgelegt werden. Im Regelfall werden sie am Ende der Laufzeit gesamtfällig zurückbezahlt.28 Das nominale Emissionsvolumen bezeichnet den Nominalbetrag, den der Emittent am Kapitalmarkt aufnimmt. Um diesen Betrag zu erhalten, muss das Unternehmen die Anleihen bei institutionellen und/oder privaten Anlegern platzieren. Zur Realisierung, wird das Gesamtvolumen in Teilschuld-verschreibungen aufgeteilt. Der Nennwert stellt jeweils den nominalen Betrag dar, auf den die einzelnen Schuldverschreibungen lauten. Festverzinsliche Anleihen haben typi-scherweise Laufzeiten von fünf bis zehn Jahren. In Einzelfällen von bis zu 30 Jahren.29
Die variabel verzinslichen Anleihen sind eine Modifikation der festverzinslichen Anlei-hen. Bei dieser Anleiheform wird der Zinssatz in regelmäßigen Abständen von drei oder sechs Monaten den aktuellen Marktkonditionen angepasst. Als Orientierung hierfür die-nen Referenzzinssätze. Dabei handelt es sich zum einen um den LIBOR (London Interbank Offered Rate), welcher im Kreditvertrag bzw. im Prospekt vereinbart werden kann. Dieser stellt einen Durchschnittszinssatz dar, zu dem sich am Interbankenmarkt Kreditinstitute am Handelsplatz London gegenseitig Geld ausleihen. Zum Anderen kann der EURIBOR ( European Interbank Offered Rate) als Referenzzinssatz genutzt wer-den. Dabei handelt es sich um den durchschnittlichen Zinssatz, zu dem sich eine ausge-wählte Gruppe von Banken einander Kredite in Euro gewähren. Die Verfahrensweise ist somit vom LIBOR abgeleitet.30 Auf den Referenzzinssatz wird eine Kreditrisikoprämie hinzugeschlagen. Die Prämie ist abhängig von der Erwartung über die Ausfallwahr-scheinlichkeit des Emittenten und der erwarteten Recovery Rate bei einem Ausfall. In Abhängigkeit der Kreditqualität des Emittenten kann der Referenzzinssatz auf einen Auf- oder Abschlag korrigiert werden.31 Der Emittent von variabel verzinslichen Anlei-hen hat die Chance, gewisse Vorteile im Vergleich zu den festverzinslichen Anleihen zu erlangen. Jedoch wird die Chance auf einen Vorteil von einem Risiko begleitet. Der Emittent hat die Möglichkeit, von zurückgehenden Zinsen zu profitieren. Es ist also zu empfehlen, die variabel verzinsliche Anleihe vornehmlich in einer Hochzinsphase bei der Erwartung mittelfristig sinkender Zinssätze zu emittieren, um für den Emittenten günstige Marktzinsänderungen relativ schnell an den Anleihegläubiger weitergeben zu können.32 Des Weiteren kommt es zu einer Fristentransformation, da der Emittent trotz langfristiger Laufzeiten, z.B. 8 Jahre, einen kurzfristigen Zinssatz, z.B. 3-Monats-Euribor, zahlt. Zusätzlich weisen variabel verzinsliche Anleihen annähernd kein Zins-änderungsrisiko durch die regelmäßigen Anpassungen an die aktuellen Marktkonditio-nen auf.33 Das Risiko besteht darin, dass sich die Zinsen nicht den Erwartungen entspre-chend entwickeln oder eine Bonitätsverschlechterung sich negativ auf die Kreditrisi-koprämie auswirkt. In der Kapitalmarktpraxis werden variabel verzinsliche Anleihen häufig mit einer Zinsschranke versehen. Insofern diese dem Schutz des Kapitalnehmers dient, handelt es sich um eine Zinsobergrenze, dem so genannten cap. Zinsschranken werden auch zum Kapitalgeberschutz eingesetzt, in Form einer Zinsuntergrenzen auch floor genannt.34 Da derartige Zinsbegrenzungsvereinbarungen eine einseitige Abwäl-zung des Zinsänderungsrisikos auf den Emittenten oder den Inhaber der Anleihe zur Folge haben, wirken Sie sich auf den Preis der Anleihe aus. Eine Kombination aus cap und floor ist ebenfalls möglich und wird collar genannt.
Durch Zinsschranken wird folgerichtig die Variabilität dieser Anleihe-Form auf festge-legte Bereiche eingeschränkt.35 Zuletzt muss erwähnt werden, dass die Laufzeiten vari-abel verzinslicher Anleihen in der Regel zwischen fünf und sieben Jahren liegen. Län-gere Laufzeiten kommen meist nur bei erstklassigen Emittenten vor.
Bei Nullkuponanleihen werden vom Emittenten keine Zahlungen während der Laufzeit geleistet. Es gibt lediglich eine Zahlung seitens des Emittenten und zwar die Rückzah-lung der Anleihe am Ende der Laufzeit. Der Zins als Kompensation des Kapitalgebers für die zeitliche Überlassung des Kapitals sowie für das Bonitätsrisiko wird innerhalb dieser einmaligen Zahlung entrichtet. Dies geschieht dadurch, dass der Ausgabekurs, zu dem die Anleihe erworben werden kann, unter dem Rückzahlungskurs liegt.36 Null-kuponanleihen sind somit keine unverzinslichen Anleihen. Jedoch sind sie nicht mit einem Kupon also einer Nominalverzinsung ausgestattet. Eine Effektivverzinsung findet durch die Differenz zwischen Emissionspreis und dem höheren Rückzahlungskurs statt. Entsprechend handelt es sich bei der Nullkuponanleihe, wie bei der variabel verzinsli-chen Anleihe um eine Spezialform bzw. Modifikation der Festzinsanleihe.37 Nullkupon-anleihen können in zwei verschiedenen Formen angeboten werden. Dabei handelt es sich zum einen um Zuwachsanleihen. Hierbei erfolgt die Ausgabe zu 100% und die Rückzahlung einschließlich Zinsen mit einem entsprechend hohen Aufschlag über 100%. Zum anderen können Nullkuponanleihen als Abzinsungsanleihen ausgegeben werden. Dabei liegt der Ausgabekurs unter pari, während der Rückzahlungskurs bei 100% liegt.38
Für den Emittenten hat die Ausgabe von Nullkuponanleihen Liquiditätsvorteile. Wäh-rend der gesamten Anleihelaufzeit sind keine Zinszahlungen zu leisten. Aus diesem Grund steht dem Emittenten das aufgenommen Kapital bis zu seiner Fälligkeit ohne Liquiditätsabflüsse zur Verfügung. Nullkuponanleihen eignen sich daher insbesondere zur Finanzierung von langfristigen Investitionen mit einem hohen Erlöspotenzial, aus denen in den ersten Jahren keine oder geringe Rückflüsse erwartet werden.
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1 Vgl. Bieg, H. u.a., Finanzierung 2016, S. 78.
2 Vgl. Wöhe, G., Döring, U., Einführung Betriebswirtschaftslehre, 2013, S. 225.
3 Vgl. Sternad, D., Mödritscher, G., Qualitatives Wachstum 2018, S. 7.
4 Vgl. Bieg, H. u.a., Finanzierung 2016, S. 13.
5 Vgl. Pape, U., Grundlagen Finanzierung, 2018, S. 9.
6 Vgl. Löffler, G., Finanzierung, 2019, S. 2.
7 Vgl. Becker, H. P., Investition und Finanzierung, 2013, S. 15-17.
8 Vgl. Pape, U., Grundlagen Finanzierung, 2018, S. 95.
9 Vgl. Pape, U., Grundlagen Finanzierung, 2018, S. 90-91.
10 Vgl. Pape, U., Grundlagen Finanzierung, 2018, S. 93.
11 Vgl. Deutsche Börse AG, Publizitätspflicht, 2019, o.S.
12 Vgl. Wöltje, J., Investition und Finanzierung, 2017, S. 385.
13 Vgl. Schuster, T., Uskova, M., Finanzierung, 2015, S. 64.
14 Vgl. Wöltje, J., Investition und Finanzierung, 2017, S. 386-387.
15 Vgl. Schierenbeck, H., Wöhle, C. B., Grundzüge Betriebswirtschaftslehre, 2016, S. 512.
16 Vgl. Pape, U., Grundlagen Finanzierung, 2018, S. 122.
17 Vgl. Gräfer, H. u.a., Finanzierung, 2014, S. 95.
18 Vgl. Pape, U., Grundlagen Finanzierung, 2018, S. 125.
19 Vgl. Gräfer, H. u.a., Finanzierung, 2014, S. 97-99.
20 Vgl. Schierenbeck, H., Wöhle, C. B., Grundzüge Betriebswirtschaftslehre, 2016, S. 510.
21 Vgl. Wöltje, J., Investition und Finanzierung, 2017, S. 387.
22 Vgl. Pape, U., Grundlagen Finanzierung, 2018, S. 129.
23 Vgl. Bieg, H. u.a., Finanzierung 2016, S. 98.
24 Vgl. Erdmann, G., Krupp, M., Betriebswirtschaftslehre, 2018, S. 509.
25 Vgl. Bieg, H. u.a., Finanzierung 2016, S. 209.
26 Vgl. Gräfer, H. u.a., Finanzierung, 2014, S. 155.
27 Vgl. Hasler, P. T., Unternehmensanleihen, 2014, S. 152-154.
28 Vgl. Hasler, P. T., Unternehmensanleihen, 2014, S. S. 28.
29 Vgl. Pape, U., Grundlagen Finanzierung, 2018, S. 181.
30 Vgl. Spremann, K., Gantenbein, P., Finanzmärkte 2013, S. 127.
31 Vgl. Hasler, P. T., Unternehmensanleihen, 2014, S. 30.
32 Vgl. Bieg, H. u.a., Finanzierung 2016, S. 212.
33 Vgl. Pape, U., Grundlagen Finanzierung, 2018, S. 198.
34 Vgl. Wöhe, G., Döring, U., Einführung Betriebswirtschaftslehre, 2013, S. 552.
35 Vgl. Bieg, H. u.a., Finanzierung 2016, S. 212.
36 Vgl. Spremann, K., Gantenbein, P., Finanzmärkte 2013, S. 125.
37 Vgl. Becker, H. P., Investition und Finanzierung, 2013, S. 213.
38 Vgl. Schierenbeck, H., Wöhle, C. B., Grundzüge Betriebswirtschaftslehre, 2016, S. 521.
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- Anonym,, 2020, Initial Public Offering als Instrument zur Wachstumsfinanzierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/588018
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