Nie war das Interesse am Islam so groß wie nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und auch der Begriff des Jihad ist seitdem zu einem medialen Schlagwort geworden. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ist im Kontext der Berichterstattung aber ausschließlich die Rede vom so genannten „Heiligen Krieg“ oder dem „Krieg gegen die Ungläubigen“, also dem Krieg der Moslems gegen die Nichtmoslems. Es klingt fast, als wolle man mit einem einzigen Wort eine ganze Kultur, eine ganze Religion dämonisieren und auf eine kriegerische Mission herunterbrechen. In den Augen vieler Muslime ist das Bild eines militanten Islam die Folge einer verfälschten Darstellung durch die westlichen Medien. Diese Nachrichtenmedien ähneln den Zerrspiegeln auf dem Jahrmarkt, übertreiben sie doch die Militanz der wenigen, während sie gleichzeitig die Friedfertigkeit oder Gleichgültigkeit der vielen vernachlässigen. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Jihad, aber untersucht ihn nicht im Kontext der Moderne, sondern beleuchtet seine Bedeutung bereits in den Anfängen des Islam. Es werden die Spuren zurückverfolgt, die es auf der arabischen Halbinsel zur Entstehung einer neuen, monotheistischen Religion kommen lassen haben und welche Rolle das Konzept des Jihad dabei gespielt hat. Zeitlich einzugrenzen ist diese frühe Zeit in etwa von 600 bis 900 nach Christus. Die zentrale Fragestellung für die vorliegende Arbeit lautet also:Worin besteht das politische Konzept des Jihad in der Entstehung und frühen Zeit des Islam? Zur schrittweisen Beantwortung dieser Fragestellung wird zunächst die Wortbedeutung des Begriffes „Jihad“ untersucht, dabei wird auch der Unterschied zwischen „größerem“ und „kleineren“ Jihad herausgearbeitet. Darauf folgt eine genauere Auseinandersetzung mit der Geschichte Arabiens, ausgehend von vorislamischer Zeit. Weiterführend wird dann die Entstehung und schließlich die Fortdauer und Expansion des Islam betrachtet, immer unter dem Gesichtspunkt der Rolle des Jihad in dieser Entwicklung. Am Ende wird der Schluss gezogen, dass der Jihad für die Entwicklung des Islam in seiner Anfangszeit eine tragende Funktion hatte und gleichsam ein politisches wie rechtliches Konzept darstellte. Als Literatur für diese Arbeit spielten eine zentrale Rolle „Understanding Jihad“ von David Cook sowie „Jihad - The Origin of Holy War in Islam“ von Reuven Firestone. Letzteres diente vor allem der Darstellung der vorislamischen Zeit. [...]
Inhalt
1. Einleitung
2. Der Begriff des Jihad
2.1 Zur Wortbedeutung
2.2 Größerer und kleinerer Jihad
3. Der Jihad in der Entstehung des Islam
3.1 Die Bedeutung der vorislamischen Zeit
3.1.1 Geographie und Population
3.1.2 Die Rolle der Beduinenstämme
3.2 Die Anfänge des Islam
3.3 Die Zeit der frühen Eroberungen
4. Die Ziele des Jihad
5. Schluss
6. Literaturverzeichnis
7. Zusammenfassung/Abstract
1. Einleitung
Nie war das Interesse am Islam so groß wie nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und auch der Begriff des Jihad ist seitdem zu einem medialen Schlagwort geworden. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ist im Kontext der Berichterstattung aber ausschließlich die Rede vom so genannten „Heiligen Krieg“ oder dem „Krieg gegen die Ungläubigen“, also dem Krieg der Moslems gegen die Nichtmoslems. Es klingt fast, als wolle man mit einem einzigen Wort eine ganze Kultur, eine ganze Religion dämonisieren und auf eine kriegerische Mission herunterbrechen. In den Augen vieler Muslime ist das Bild eines militanten Islam die Folge einer verfälschten Darstellung durch die westlichen Medien. Diese Nachrichtenmedien ähneln den Zerrspiegeln auf dem Jahrmarkt, übertreiben sie doch die Militanz der wenigen, während sie gleichzeitig die Friedfertigkeit oder Gleichgültigkeit der vielen vernachlässigen. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Jihad, aber untersucht ihn nicht im Kontext der Moderne, sondern beleuchtet seine Bedeutung bereits in den Anfängen des Islam. Es werden die Spuren zurückverfolgt, die es auf der arabischen Halbinsel zur Entstehung einer neuen, monotheistischen Religion kommen lassen haben und welche Rolle das Konzept des Jihad dabei gespielt hat. Zeitlich einzugrenzen ist diese frühe Zeit in etwa von 600 bis 900 nach Christus. Die zentrale Fragestellung für die vorliegende Arbeit lautet also: Worin besteht das politische Konzept des Jihad in der Entstehung und frühen Zeit des Islam?
Zur schrittweisen Beantwortung dieser Fragestellung wird zunächst die Wortbedeutung des Begriffes „Jihad“ untersucht, dabei wird auch der Unterschied zwischen „größerem“ und „kleineren“ Jihad herausgearbeitet. Darauf folgt eine genauere Auseinandersetzung mit der Geschichte Arabiens, ausgehend von vorislamischer Zeit. Weiterführend wird dann die Entstehung und schließlich die Fortdauer und Expansion des Islam betrachtet, immer unter dem Gesichtspunkt der Rolle des Jihad in dieser Entwicklung. Am Ende wird der Schluss gezogen, dass der Jihad für die Entwicklung des Islam in seiner Anfangszeit eine tragende Funktion hatte und gleichsam ein politisches wie rechtliches Konzept darstellte.
Als Literatur für diese Arbeit spielten eine zentrale Rolle „Understanding Jihad“ von David Cook sowie „Jihad – The Origin of Holy War in Islam“ von Reuven Firestone. Letzteres diente vor allem der Darstellung der vorislamischen Zeit. Auch die Werke „Der Islam – Eine kurze Einführung“ und „A Fury for God“ von Malise Ruthven haben gute Verwendung gefunden.
Einige Anmerkungen zu Schreibweisen und Zitaten: Der Begriff „Jihad“ taucht in der Literatur in unterschiedlichsten Schreibweisen auf. In dieser Arbeit ist die Schreibweise verwendet worden, die sich in der Mehrzahl der Werke gefunden hat. Arabische Begriffe die in der Literatur verwendet werden, wurden in ihrer aus dem arabischen transkribierten Schreibweise belassen und kursiv gedruckt. Zitate aus der hadith -Literatur und dem Koran sind aus der englischsprachigen Literatur entnommen in deren Kontext sie auftauchten.
2. Der Begriff des Jihad
2.1 Zur Wortbedeutung
Als „Heiliger Krieg“ übersetzt, hat der Begriff Jihad in der Berichterstattung der westlichen Nachrichtenmedien einen festen Platz gefunden. Diese Übersetzung ist allerdings eine grundfalsche und in ihrer Form selbst sogar unpräzise. Wäre man wirklich daran interessiert die von den Europäern erfundene Terminologie beizubehalten, so stieße man in ihrer Verwendung schon auf Probleme. In unterschiedlichen Kontexten und Herangehensweisen kann der Begriff Krieg selbst schon verschiedene Definitionen haben. Geht man von einer grob generalisierten Definition aus, so meint man mit dem Begriff die organisierte, zielgerichtete Aktivität einer etablierten Gruppe gegen eine rivalisierende Gruppe unter Anwendung tödlicher Gewalt. (Firestone 1999: S. 14) Das dies aber nicht die letzte Definition sein kann, zeigt schon das Beispiel des kalten Krieges, in dem eigentliche Kampfhandlungen zwischen den rivalisierenden Gruppen nie stattgefunden haben. Krieg heißt also nicht gleichzeitig auch Kampf.
Die etymologische Grundbedeutung des arabischen Wortes Jihad ist „Mühe“ bzw. „sich mühen“, „Anstrengung“ oder schlicht „streben“ für ein determiniertes Ziel. Auch das Aufnehmen außerordentlicher Schmerzen kann darunter fallen. Jihad hat also in seiner Wortbedeutung nicht im geringsten etwas mit Krieg zu tun. (Encyclopaedia of Islam: S. 538, Ruthven 2000: S. 158, Firestone 1999: 16) Der Begriff allerdings ist komplex und vielschichtig. „Kriegsführung mit spirituellem Hintergrund“ ist eine Art der Definition, die sich in einem nunmehr vierzehn Jahrhunderte dauernden und von klassischen muslimischen Juristen und Rechtsgelehrten geführten Diskurs festgeschrieben hat und die auch darauf zurückgeht wie Jihad während der vormodernen Zeit des Islams von Muslims praktiziert wurde. (Cook 2005: S. 2) Diese Definition findet sich auch in der Encyclopaedia of Islam wieder, wo es heißt:
„ In law, according to general doctrine and in historical tradition, the jihad consists of military action with the object of the expansion of Islam and, if need be, of its defence. “ (Encyclopedia of Islam: S. 538) Die klassische Doktrin des Jihad wurde während der Jahrhunderte der Eroberungen ausgearbeitet, als der Glaube einen in der Geschichte der Menschheit vorher nie da gewesenen Expansionsschub trug. Die Lehre war sowohl ein Ausdruck islamischen Triumpfgebahrens, als auch der Versuch die Auswirkungen des Krieges zu begrenzen, also als ein Sittenkodex zu wirken. (Ruthven 2000: S. 159) Hierauf wird weiter unten noch näher eingegangen.
Allerdings beschränkt sich der Gebrauch des Begriffes des Jihad im islamischen Diskurs längst nicht allein auf militärische Angelegenheiten. Die gängige Übersetzung „Heiliger Krieg“, die eng mit der Zeit der mittelalterlichen Kreuzzüge verknüpft ist und deshalb auch von vielen Moslems als zu einengend und christlich abgelehnt wird (Cook 2005: S. 1), führt deshalb in die Irre. In den klassischen Formulierungen kann der gläubige Moslem Jihad, der eine kollektive Verpflichtung darstellt, mit dem Herzen, mit der Zunge und mit dem Schwert unternehmen. (Ruthven 2000: S. 158) Der Jihad des Herzens beispielsweise bezeichnet den Kampf mit der eigenen sündenvollen Neigung und der Jihad der Zunge fordert das Sprechen im Interesse des Guten und Böses zu verbieten. So wird der Prophet Mohammed mit den Worten zitiert „ The best jihad is [speaking] a word of justice to a tyrannical ruler.” (nach Firestone 1999: S. 17)
2.2 Größerer und kleinerer Jihad
Einem bekannten Hadith[1] zufolge unterschied der Prophet zwischen einem kleineren Jihad (al-jihad al-asghar) des Krieges gegen die Polytheisten und dem größeren Jihad(al-jihad al-akbar) gegen das Böse. Im weitesten Sinne ist der größere Jihad der Kampf, in den sich gläubige und tugendhafte Muslime ihr ganzes Leben lang gestellt sehen. (Ruthven 2000: S. 161, Firestone 1999: S. 17) Der Jihad als religiös begründeter Krieg ist auch bekannt als der „Jihad des Schwertes“ (jihad al-sayf). (Firestone 1999: S. 17) Unter den Überlieferungen die erkennen lassen, dass der Jihad auch eine gewaltlose Bedeutung hat ist folgende die am häufigsten zitierte: „A number of fighters came to the Messenger of Allah, and he said: ‚You have done well in coming from the lesser jihad to the greater jihad.’ They said: ‚What is the greater jihad?’ He said: ‘For the servant [of God] to fight his passions.’” (nach Cook 2005: S.35)
[...]
[1] Hadith bedeutet ursprünglich: „Mitteilung“, „Erzählung“. Der Begriff steht auch für historische Nachrichten sowohl profanen als auch religiösen Charakters. Im islamisch-religiösen Gebrauch bezeichnet der Begriff die Überlieferungen der Aussagen von Mohammed, ferner seiner Taten oder seiner stillschweigenden Billigungen oder Ablehnungen von Handlungen, wenn sie in seiner Gegenwart geschahen. Diese Überlieferungen in ihrer Gesamtheit bilden die Sunna des Propheten.
- Arbeit zitieren
- Alexander Köcher (Autor:in), 2006, Das politische Konzept des Jihad in der Entstehung und Frühzeit des Islam, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58673
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