Beschreibungen der einzelnen Tempel Ägyptens gibt es heute in vielfältiger und detaillierter Form. Doch diese Arbeit wird sich mit den Grundstrukturen der Tempel beschäftigen. Mit den typischen Merkmalen, die alle miteinander verbinden. Dabei soll das bereits im Referat Vorgetragene vertieft, an einzelnen Beispielen erläutert und mit Abbildungen veranschaulicht werden. Unter einem Tempel verstehen wir Menschen des 21. Jahrhunderts ein sakrales Bauwerk. Das taten auch die Ägypter, doch für sie war es mehr als das. Sie sahen es als Abbild der Welt, des Kosmos und als Wohnung, für die von ihnen verehrten Götter. Dabei hatte der Tempel zwei Funktionen: Die der Götterwohnung (ḥwt-nr) und die des Wirtschaftsbetriebes (pr). Diese Doppelfunktion wird auch noch in ihrer Bedeutung abgestuft, da die Götterwohnung neben den Gräbern die einzigen Gebäude in Ägypten waren, die aus Stein erbaut wurden. Der Wirtschaftsbetrieb, der die Götterwohnung umgebende Gebäudeteil, wird aus Ziegeln errichtet.1Der Bedeutungsunterschied wird noch deutlicher im Vergleich zu den einfachen Wohnhäusern, die aus Lehm und Holz gefertigt wurden. Wie so vieles im Alten Ägypten geht auch der Tempelbau auf einen Mythos, in diesem Fall den Gründungsmythos zurück. Dieser besagt, dass aus dem Urmeer, dem Nun, eine kleine Lehminsel auftauchte und ein halbgöttliches Wesen ein vom Wasser angetriebenes Stück Schilfrohr in diese hineinsteckte. Auf diesem entstandenen „Pfosten“ ließ sich in der damals herrschenden Dunkelheit ein Falke nieder, wodurch dieser Ort zu einer „heiligen Stätte“ wurde. Um ihn von der profanen Welt abzuschirmen, wurde er mit einem einfachen Schilfzaun eingefriedet. Bei absinkendem Wasser wurde mehr Platz auf der Lehminsel freigegeben und es kamen weitere Kammern vor und neben dem Allerheiligsten, der Götterwohnung, hinzu. Von diesem nun entstandenen Tempel, mehr noch vom Allerheiligsten, erhofften sich die Ägypter die Gegenwart des residierenden Gottes, seine segnenden und vor allem fruchtbringenden und Leben erneuernden Kräfte. [...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Allgemeines
3. Tempelentwicklung
3.1 Vorzeitliche Tempelbauten
3.2 Altes Reich
3.3 Mittleres Reich
3.4 Neues Reich
3.5 3.Zwischenzeit und Spätzeit
3.6 Ptolemäer- und Römerzeit
4. Tempelaufbau
4.1 Pr – Der Äußere Tempelbereich
4.2 ḥw.t-nðr – Die Götterwohnung
5. Dekoration, Bildprogramm und Bedeutung
6. Tempeldeutung nach Jan Assmann
7. Zusammenfassung
8. Abbildungen
8.1 Rekonstruktion des ältesten Tempels in Hierakonpolis
8.2 Frühdynastische Grabanlagen in Abydos
8.3 Totentempel des Chephren
8.4 Totentempel des Mentuhotep
8.5 Rekonstruktion des Tempelbezirks in Medinet Habu
8.6 Tempelquerschnitt
8.7 Grundriss des Horus-Tempel von Edfu
8.8 Chons-Tempel in Karnak
9. Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Beschreibungen der einzelnen Tempel Ägyptens gibt es heute in vielfältiger und detaillierter Form. Doch diese Arbeit wird sich mit den Grundstrukturen der Tempel beschäftigen. Mit den typischen Merkmalen, die alle miteinander verbinden. Dabei soll das bereits im Referat Vorgetragene vertieft, an einzelnen Beispielen erläutert und mit Abbildungen veranschaulicht werden.
2. Allgemeines
Unter einem Tempel verstehen wir Menschen des 21. Jahrhunderts ein sakrales Bauwerk. Das taten auch die Ägypter, doch für sie war es mehr als das. Sie sahen es als Abbild der Welt, des Kosmos und als Wohnung, für die von ihnen verehrten Götter. Dabei hatte der Tempel zwei Funktionen: Die der Götterwohnung (ḥwt-nðr) und die des Wirtschaftsbetriebes (pr). Diese Doppelfunktion wird auch noch in ihrer Bedeutung abgestuft, da die Götterwohnung neben den Gräbern die einzigen Gebäude in Ägypten waren, die aus Stein erbaut wurden. Der Wirtschaftsbetrieb, der die Götterwohnung umgebende Gebäudeteil, wird aus Ziegeln errichtet.[1] Der Bedeutungsunterschied wird noch deutlicher im Vergleich zu den einfachen Wohnhäusern, die aus Lehm und Holz gefertigt wurden.
Wie so vieles im Alten Ägypten geht auch der Tempelbau auf einen Mythos, in diesem Fall den Gründungsmythos zurück. Dieser besagt, dass aus dem Urmeer, dem Nun, eine kleine Lehminsel auftauchte und ein halbgöttliches Wesen ein vom Wasser angetriebenes Stück Schilfrohr in diese hineinsteckte. Auf diesem entstandenen „Pfosten“ ließ sich in der damals herrschenden Dunkelheit ein Falke nieder, wodurch dieser Ort zu einer „heiligen Stätte“ wurde. Um ihn von der profanen Welt abzuschirmen, wurde er mit einem einfachen Schilfzaun eingefriedet. Bei absinkendem Wasser wurde mehr Platz auf der Lehminsel freigegeben und es kamen weitere Kammern vor und neben dem Allerheiligsten, der Götterwohnung, hinzu. Von diesem nun entstandenen Tempel, mehr noch vom Allerheiligsten, erhofften sich die Ägypter die Gegenwart des residierenden Gottes, seine segnenden und vor allem fruchtbringenden und Leben erneuernden Kräfte. Das ist auch der Grund dafür, dass in jedem Tempel das Thema des Urhügels aufgegriffen und realisiert wird. Denn der Ort, an dem sich der Gott niedergelassen hat, liegt höher als der Rest der Welt – genau wie der Platz für das Kultbild des Gottes im Tempel.[2]
Für jede Epoche gibt es eine typische Tempelbauart. Im Alten Reich ist es der Pyramidentempel, der ab König Sahure (5.Dynastie) seine endgültige Form erlangt[3], im
Mittleren und Neuen Reich sind es der Umgangs- und Achsentempel, wobei sich im Neuen
Reich mit dem Felsentempel eine Subform des Achsentempels entwickelt.[4] Ab der
3.Zwischenzeit bis Ende der Spätzeit gab es viele Einflüsse von außerhalb, da Ägypten zu dieser Zeit von fremden Mächten regiert wurde. Daher ist keine klare Linie im Baustil erkennbar. Aber fest steht, dass sich ab Ende der Spätzeit, also ab der 30. Dynastie, der als typisch griechisch-römisch bekannte Baustil entwickelte.[5] Die genauere Betrachtung der Tempelentwicklung erfolgt im nächsten Abschnitt.
3. Tempelentwicklung
3.1 Vorzeitliche Tempelbauten
Der wohl früheste Beweis für religiöse Strukturen in Afrika und möglicher Ausgangspunkt für die Tempelentwicklung liegt ca. 100km westlich von Abu Simbel im heutigen Nabta und ist zwischen 6000 und 6500 Jahre alt. Dort befinden sich an einem im Altertum ausgetrockneten See, Steinstelen, die eine Höhe von bis zu 2,75m haben. Viele von ihnen sind ostwestlich ausgerichtet und scheinen als vertikale Sichtsteine gedient zu haben, die laut Meinung von Richard H. Wilkinson „nach dem Sonnenstand zur Sommersonnenwende ausgerichtet wurden“.[6] Einige von ihnen hätten somit den Beginn der Regenzeit anzeigen können, wenn sie im Sommer und Herbst ins Wasser eingetaucht waren. Neben dieser scheinbar kalendarischen Sternwarte scheint Nabta auch symbolische und zeremonielle Funktionen besessen zu haben. Demzufolge wäre es eine kosmische Uhr, die den zeitlichen Zyklus der Sonne und die Zyklen des Wassers miteinander verband. Allerdings lässt sich nicht mehr feststellen, welche genauen religiösen Funktionen die Steine besaßen und für welche Religion sie standen.
In der Frühzeit gibt es schon bessere Hinweise und Beweise für Vorläufer der Tempel und somit drei vorzeitliche Bautypen. In Hierakonpolis befindet sich wohl das erste bedeutende Beispiel für einen Kulttempel, der als eine Art Heiligtum für Oberäygpten fungierte, der
Pr-wr.[7] Dieser Kulttempel bestand aus einem mit Schilfzaun umgebenem parabolförmigen Hof, der 32m lang und 13m breit war. Am Kopfende des Hofes stand ein hoher Pfahl, der wohl ein Totem, eine Flagge oder einen Falken trug. Wobei Letzteres eher zur Theorie des Gründungsmythos passen würde. Das Eingangstor sowie kleine rechteckige Gebäude befanden sich am Nordende, der eigentliche Schrein am Südende. Vor diesem Schrein standen Holzpfeiler, die 12m hoch waren und einen Durchmesser von 1-1,5m hatten.[8] Zumindest geht das aus Darstellungen der dort gefundenen Siegelabdrucken hervor. Ebenso geht aus Darstellung hervor, dass zur Vorderseite hin der Schrein anstieg, wofür man jedoch den Grund auch heute nicht kennt. Dieter Arnold geht allerdings davon aus, dass der Schrein einem Tierrücken nachempfunden wurde.[9] Der zweite Bautyp und gleichzeitig das unterägyptische Pendant zu Hierakonpolis, der Pr-nsr, befindet sich in Buto (heute Tell el-Farain). Bis heute hat man aber nichts von einem Schrein oder Tempel gefunden. Vermutet wird trotz allem, dass es eine starke Fachwerkkonstruktion mit festen, schilfbehangenen Eckbalken und hohen Seitenpfählen gewesen sein soll, die nicht aus Stein gefertigt werden konnte und es daher nur hölzerne Götterschreine gab. Das Dach war gewölbt und einem heutigen Tonnendach ähnlich.[10] Die als „Götterhütte“ bzw. „Gotteshalle“ zur vergöttlichten Einbalsamierung bezeichnete Sḥ-nðr, ist der dritte Bautyp. Sie besaß geneigte Außenwände und war eingefasst durch einen ägyptische Hohlkehlen- oder Rundstababschluss. Ursprünglich war das Ganze eine Fachwerkkonstruktion mit verstärkten Eckpfosten und eventuell schon mit aus Ziegeln gebautem Kantenschutz.
In Abydos befinden sich mit Mauern umgebene Einfriedungen, die aus der Frühzeit und der Dynastie 0 datieren und sehr wahrscheinlich eine mit Göttern zusammenhängende, sakrale Funktion hatten. Diese Grabanlagen liegen etwa 1,6km von den Gräbern der Könige der 1.Dynastie entfernt und bestehen aus großen, rechteckigen Ziegelmauern, die 122m lang und 65m breit sind.[11] In die Seitenmauern waren Nischen eingelassen und die Ostseite war mit kunstvollen Paneelen dekoriert. Bei diesem als „Palastfassade“ bezeichnetem Baustil geht man davon aus, „dass die Strukturen die Fassadengestaltung des jeweiligen zeitgenössischen Königspalast nachahmen“(Richard H. Wilkinson).[12] Des weiteren wiesen die offenen Höfe möglicherweise Wölbungen auf, die dem heiligen Grabhügel nachempfunden sein können, der in dem bereits geschilderten Gründungsmythos eine besondere Rolle spielt.
3.2 Altes Reich
Im Alten Reich wurde die Pyramidenanlage erweitert und bestand in ihrer voll entwickelten Form aus einem Taltempel und einem meist überdachten Aufweg, über den man in den Totentempel gelangte. In letzterem wurden für den verstorbenen König Opfer und Rituale vollzogen. Im Vergleich zu den Heiligtümern der Götter, die in ihrer Architektur und Ausstattung bescheiden blieben, entwickelten sich die königlichen Totentempel zu immer gewaltigeren und reich dekorierten Anlagen. Doch die Ausrichtung des Tempels war noch variabel, denn in den frühen Pyramiden waren die Totentempel an der Nordseite der
Pyramiden angebracht und besaßen dadurch eine Nord-Süd-Ausrichtung. Erst ab der
4.Dynastie befand sich dieser am Fuß der Ostfassade des Pyramidenoberbaus. Demzufolge waren die Umfassungsmauern von Ost nach West ausgerichtet. Für die meisten späteren Tempel wurde diese dem Nillauf angepasste Ausrichtung zum Standard.[13] Mit dem Totentempel des Chephren etablierten sich dann auch festgelegte Bereiche, die von seinen Nachfolgern übernommen wurden.[14] Zwar trägt jeder Tempel seinen eigenen Charakter, doch im wesentlichen lässt sich der Aufbau jedes Tempels mit nachstehender Abfolge beschreiben: Eingangshalle – Säulenhof – hinterer Tempelbereich mit fünf Schreinen oder Nischen für Königsstatuen – Vorkammern/Magazine – Allerheiligstes.
[...]
[1] Assman, Jan: Ägypten – Theologie und Frömmigkeit einer frühen Hochkultur. 2.Auflage.
Stuttgart: Kohlhammer, 1991 (Urban-Taschenbücher Band 366), Seite 36
[2] Brunner, Hellmut: Grundzüge der altägyptischen Religion. Darmstadt: Wissenschaftliche
Buchgesellschaft, 1983 (Grundzüge Band 50), Seite 85
[3] Sahure: 2496-2483 v. Chr. (nach Jürgen von Beckerath); Arnold, Dieter: Die Tempel Ägyptens –
Götterwohnungen, Kultstätten, Baudenkmäler. Zürich: Artemis & Winkler, 1992, Seite 33
[4] Brunner, Hellmut: Grundzüge der altägyptischen Religion. Darmstadt: Wissenschaftliche
Buchgesellschaft, 1983 (Grundzüge Band 50), Seite 78
[5] Wilkinson, Richard H.: Die Welt der Tempel im alten Ägypten. Darmstadt: Wissenschaftliche
Buchgesellschaft, 2005, Seite 27
[6] a.a.O., Seite 16
[7] siehe 8.1
[8] Wilkinson, Richard H.: Die Welt der Tempel im alten Ägypten. Darmstadt: Wissenschaftliche
Buchgesellschaft, 2005, Seite 17
[9] Arnold, Dieter: Die Tempel Ägyptens – Götterwohnungen, Kultstätten, Baudenkmäler. Zürich:
Artemis & Winkler, 1992, Seite 15
[10] a.a.O., Seite 15
[11] siehe 8.2
[12] Wilkinson, Richard H.: Die Welt der Tempel im alten Ägypten. Darmstadt: Wissenschaftliche
Buchgesellschaft, 2005, Seite 19
[13] Wilkinson, Richard H.: Die Welt der Tempel im alten Ägypten. Darmstadt: Wissenschaftliche
Buchgesellschaft, 2005, Seite 20
[14] siehe 8.3
- Quote paper
- Astrid Gruner (Author), 2006, Grundstrukturen ägyptischer Tempel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58661
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