Man sagt, reisen diene der Bildung. Beschäftigt man sich allerdings mit Reiseberichten aus den letzten 500 Jahren, bekommt man eher den Eindruck, Reisen diene der Bildung von Stereotypen und Vorurteilen. Seitdem sich die Menschen mit fremden Kulturen auseinander setzten mussten, entstanden in ihren Köpfen Bilder von diesen Kulturen. Teilweise äußerst kuriose, teilweise abwertende aber auch glorifizierende Bilder. Zeitgenössische Reiseberichte sind die einzigen Zeugnisse, die uns heute einen Eindruck von der Welt der Entdeckungsfahrer, und ihrer Vorstellungen und Sichtweisen das Fremde betreffend, vermitteln können. In diesen Berichten findet man nicht ausschließlich negative Fremdbilder, sie sind auch geprägt von großer Faszination für die exotischen Orte und deren Bewohner. In dieser Arbeit sollen Reiseberichte des 15. bis 18. Jahrhunderts auf Stereotypen, Heterostereotypen und Vorurteile untersucht werden. Selbstverständlich bietet diese Arbeit keineswegs den Rahmen, alle Berichte dieser Zeit zu berücksichtigen und auch die hier verwendeten Berichte können nicht vollständig ausgewertet werden. Besondere Beachtung findet die Entwicklung in der Beurteilung des Fremden, vom „barbarischen, unzivilisierten“ zum „edlen Wilden“. Um die Begriffe Stereotyp, Heterostereotyp, Autostereotyp und Vorurteil korrekt auf die Reiseberichte anzuwenden, habe ich mich vorerst mit deren Definition beschäftigt. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden die verschiedenen Formen von Stereotypen erklärt. Zudem wird deren Funktion unter sozialpsychologischen Gesichtspunkten erläutert. Es folgen schließlich eine Abgrenzung der Begriffe Autostereotyp und Heterostereotyp, und die Beschäftigung mit den sprachlichen Formen der Stereotypisierung. Nach einer Einführung, in welcher kurz die Umstände der Entstehung von Reiseberichten erläutert werden, wird anhand von Textstellen aus Reiseberichten des 15. und 16. Jahrhunderts die Stereotypenbildung dieser Zeit untersucht. Die Stereotypisierung bezieht sich vor allem auf Lebensweise, Aussehen und Religion der Fremden. Durch die Betrachtungsweise des Fremden, lässt sich auch immer das Eigenbild der Reisenden ermitteln. Letztendlich beschäftigt sich die Arbeit mit dem Bild des „edlen Wilden“ und den Umständen, die zu dieser „Modeerscheinung“ des 18. Jahrhunderts führten.
Inhalt
1. Einleitung
2. Stereotypen, Heterostereotypen, Vorurteile
2.1 Stereotyp – Begriffserklärung
2.2 Formen von Stereotypen
2.3 Definition
2.4 Das Entstehen stereotyper Denkweisen
2.5 Funktionen der Stereotypisierung
2.6 Autostereotypen/Heterostereotypen
2.7 Vorurteile
3. Sprachliche Formen der Stereotypisierung
4. Stereotypen, Heterostereotypen, Autostereotypen und Vorurteile in der Reiseliteratur
4.1 Einführung
4.2 Stereotypisierung des Fremden im 15. und 16. Jahrhundert
4.2.1 Religion und Missionierung
4.2.2 Vorurteile gegen das Fremde
4.3 Stereotypisierung im 18. Jahrhundert - der „edle Wilde“
5. Schluss
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Man sagt, reisen diene der Bildung. Beschäftigt man sich allerdings mit Reiseberichten aus den letzten 500 Jahren, bekommt man eher den Eindruck, Reisen diene der Bildung von Stereotypen und Vorurteilen. Seitdem sich die Menschen mit fremden Kulturen auseinander setzten mussten, entstanden in ihren Köpfen Bilder von diesen Kulturen. Teilweise äußerst kuriose, teilweise abwertende aber auch glorifizierende Bilder. Zeitgenössische Reiseberichte sind die einzigen Zeugnisse, die uns heute einen Eindruck von der Welt der Entdeckungsfahrer, und ihrer Vorstellungen und Sichtweisen das Fremde betreffend, vermitteln können. In diesen Berichten findet man nicht ausschließlich negative Fremdbilder, sie sind auch geprägt von großer Faszination für die exotischen Orte und deren Bewohner. In dieser Arbeit sollen Reiseberichte des 15. bis 18. Jahrhunderts auf Stereotypen, Heterostereotypen und Vorurteile untersucht werden. Selbstverständlich bietet diese Arbeit keineswegs den Rahmen, alle Berichte dieser Zeit zu berücksichtigen und auch die hier verwendeten Berichte können nicht vollständig ausgewertet werden. Besondere Beachtung findet die Entwicklung in der Beurteilung des Fremden, vom „barbarischen, unzivilisierten“ zum „edlen Wilden“. Um die Begriffe Stereotyp, Heterostereotyp, Autostereotyp und Vorurteil korrekt auf die Reiseberichte anzuwenden, habe ich mich vorerst mit deren Definition beschäftigt. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden die verschiedenen Formen von Stereotypen erklärt. Zudem wird deren Funktion unter sozialpsychologischen Gesichtspunkten erläutert. Es folgen schließlich eine Abgrenzung der Begriffe Autostereotyp und Heterostereotyp, und die Beschäftigung mit den sprachlichen Formen der Stereotypisierung.
Nach einer Einführung, in welcher kurz die Umstände der Entstehung von Reiseberichten erläutert werden, wird anhand von Textstellen aus Reiseberichten des 15. und 16. Jahrhunderts die Stereotypenbildung dieser Zeit untersucht. Die Stereotypisierung bezieht sich vor allem auf Lebensweise, Aussehen und Religion der Fremden. Durch die Betrachtungsweise des Fremden, lässt sich auch immer das Eigenbild der Reisenden ermitteln. Letztendlich beschäftigt sich die Arbeit mit dem Bild des „edlen Wilden“ und den Umständen, die zu dieser „Modeerscheinung“ des 18. Jahrhunderts führten.
2. Stereotypen, Heterostereotypen, Vorurteile
2.1 Stereotyp – Begriffserklärung
Der Begriff des Stereotyps entstammt ursprünglich der Druckersprache. Er wurde zum ersten Mal von Walter Lippmann in seinem Buch „Public Opinion“[1] im Jahre 1922 benutzt und steht seitdem für die feststehenden Bilder in unseren Köpfen. Es ist wenig verwunderlich, dass der Begriff des Stereotyps, im heutigen Sinne, zu dieser Zeit geprägt wurde. Die Propaganda des grade überstandenen ersten Weltkrieges weckte Skepsis bei einigen Intellektuellen und beflügelte sie zu neuem Denken. Daraus entstand die Erkenntnis, dass die Wahrnehmung der Welt nicht der Realität entspricht und man begann sich mit den Mustern menschlichen Denkens und Wahrnehmens zu beschäftigen.
Die Erkenntnis der Existenz von Vorurteilen und Stereotypen führte zu großem Interesse unter Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen. Häufig steckte hinter dem Interesse auch politisches oder soziales Engagement und der Wunsch, Stereotypen mit der Realität zu vergleichen, ihnen jeglichen Wahrheitsgehalt abzusprechen und sie aus den Köpfen der Menschen zu verbannen. Erst später begann die Forschung sich mit dem Entstehen und der Verwendung von Stereotypen zu beschäftigen und untersuchte deren sozialen Funktionen innerhalb von Gesellschaften oder Gruppen.
2.2 Formen von Stereotypen
Die Stereotypisierung betrifft alle Bereiche des menschlichen Lebens. Klaus Roth nennt in seinem Aufsatz „Bilder in den Köpfen“ verschiedene Bereiche der Stereotypisierung.[2] Dazu gehören:
1. Alle Objekte, denen wir im Alltag stereotype Qualitäten zuschreiben.
2. Zustände, Sachverhalte und Institutionen („Krankheit“, „Armut“, „Heimat“, „Familie“, „Herrschaft“, „Behörde“)
3. Historische Ereignisse, die je nach nationaler Perspektive positiv oder negativ bewertet werden.
4. Soziale Stereotypen, die am bekanntesten und am weitesten verbreitet sind. Sie enthalten feste Vorstellungen über einzelne Menschen oder Gruppen und machen sich an bekannten Sozialkategorien fest, z.B. Alter, Geschlecht, Sozialgruppe, Religion, Ethnizität etc. Mit bestimmten Stereotypen z.B. Geschlechts-Stereotypen („typisch Mann/Frau“) oder Alters-Stereotypen („Teenager“, „Alter/Alte“) haben wir alltäglich zu tun. Auch andere Stereotypen sind weit verbreitet: Personenstandsstereotypen („Junggeselle“, „Jungfer“), schichten- und berufsspezifische Stereotypen („Bauer“, „Arbeiter“) oder stereotype Vorstellungen, die Eigenschaften oder das Aussehen betreffen („Held“, „Bärtiger“, „Glatzkopf“). Je nach Nationalität oder regionaler Herkunft spielen ideologische Stereotypen eine große Rolle. So ist bspw. für Südosteuropäer die Unterscheidung zwischen Angehörigen verschiedener Religionen („Orthodoxe“, „Katholiken“, „Lateiner“, „Muslime“, „Juden“) oder politischer Gruppierungen („Kommunisten“, „Faschisten“) besonders wichtig. Fast alle Menschen stereotypisieren die Bewohner anderer Regionen („Bayer“, „Preuße“ etc.).
2.3 Definition
Was aber sind nun Stereotypen? Hermann Bausinger definiert das Wort folgendermaßen:
„Stereotypen sind unkritische Verallgemeinerungen, die gegen Überprüfung abgeschottet, gegen Veränderungen relativ resistent sind. Stereotyp ist der wissenschaftliche Begriff für eine unwissenschaftliche Einstellung.“[3]
Während Bausinger in seiner Definition einen verurteilenden Unterton in Bezug auf Stereotypisierung mitschwingen lässt, definieren die Sozialpsychologen Bergler und Six Stereotypen als
„verfestigte, schematische, objektiv weitgehend unrichtige kognitive Formeln, die zentral entscheidungserleichternde Funktion in Prozessen der Um- und Mitweltbewältigung haben. Stereotype ‚Beurteilungen’ sind damit Voraussetzungen für die Umweltassimilation in das eigene Bezugssystem.“[4]
In dieser Definition liegt bereits eine Begründung für die Verwendung von Stereotypen. Hans Henning Hahn und Eva Hahn äußern in ihrem Aufsatz „Nationale Stereotypen. Plädoyer für eine historische Stereotypenforschung.“[5] Bedenken über die eindeutige Definition des Stereotyps um es nicht zu einem beinahe kognitiven Phänomen werden zu lassen. Sie umreißen den Begriff folgendermaßen:
„Ein Stereotyp stellt eine Aussage dar, und zwar ein (negatives oder positives) Werturteil, das gemeinhin von einer starken Überzeugung getragen wird (oder der Sprecher gibt die starke Überzeugung nur vor, wenn er das Stereotyp gezielt in manipulativer Absicht benutzt, also selbst nicht davon überzeugt ist, daß das Stereotyp zutrifft, ‚wahr ist’). Es wird meist auf Menschen angewandt, und zwar auf menschliche Gruppen, die unterschiedlich definiert sein können: rassisch, ethnisch, national, sozial, politisch, religiös oder konfessionell, beruflich usw.“.
2.4 Das Entstehen stereotyper Denkweisen
In der heutigen Welt ist es kaum mehr möglich von „wahr“, „falsch“ oder „objektiv“ und „subjektiv“ zu sprechen. Man kann allenfalls von unterschiedlichen Wahrnehmungen und Deutungen innerhalb verschiedener Gruppen sprechen. Jedoch ist die Wahrnehmung durch einige, für die Bildung und Bewahrung von Stereotypen ausschlaggebende, Bedingungen geprägt.
Der Mensch nimmt grundsätzlich eher das außergewöhnliche als das normale wahr. Aus diesem Grund bemerken wir auch eher Differenzen als Übereinstimmungen. Grade in der Fremdwahrnehmung ist das ein wichtiger Umstand. Wenn nun also differente Kategorien (Normen, Werte, Verhaltensweisen, Glaubensvorstellungen) aufeinandertreffen, wird die Bewertung stets aus dem eigenen Werte- und Normensystem vorgenommen. Die meisten Menschen bewerten das Fremde also ohne sich des eigenen kulturellen Gepäcks bewusst zu sein. Stereotypen resultieren demnach aus der Erfahrung nicht zueinander passender Kategorien.
Ein weiterer wichtiger Faktor in der Entstehung von stereotypisiertem Denken ist der Hang des Menschen, jeder Eigenschaft das negative/positive Gegenstück zuzuordnen und in die „anderen“ zu projizieren. Hier einige Beispiele für dieses Kategoriendenken: zivilisiert/unzivilisiert, ehrlich/falsch, altmodisch/modern etc.
Es ist besonders schwierig, stereotype Vorstellungen zu widerlegen, da wir häufig nur das sehen, was wir wahrzunehmen gelernt haben. Das bedeutet: im täglichen Leben suchen wir eher nach Hinweisen die unsere Erwartungen bestätigen, als nach welchen die sie widerlegen. Erfahrungen die uns das Gegenteil des Erwarteten zeigen, werden unterdrückt oder ignoriert, bestenfalls als „Ausnahme von der Regel“ erkannt. Durch dieses eingeschränkte Wahrnehmungsvermögen können Stereotypen leicht zur self-fulfilling prophecy werden, wodurch ihre Falsifikation nahezu unmöglich wird.
Des Weiteren entsteht stereotypes Denken durch die unterschiedliche Bewertung von Situationen. Ein Beispiel: Bei der Ursachenklärung in Konfliktsituationen schreiben die meisten Menschen positives Verhalten der Mitglieder der eigenen Gruppe und negatives Verhalten der Mitglieder der fremden Gruppe persönlichen Faktoren zu, während sie im umgekehrten Fall das positive Verhalten der „anderen“ und das eigene negative Verhalten auf situative Faktoren zurückführen.
[...]
[1] Walter Lippmann: Public Opinion. New York 1922 (dt. Die öffentliche Meinung. München 1964.)
[2] Klaus Roth: „Bilder in den Köpfen.“ Stereotypen, Mythen, Identitäten aus ethnologischer Sicht. In: Das Bild vom Anderen. Identitäten, Mythen, und Stereotypen in multiethnischen europäischen Regionen. Hgg. von: Valeria Heuberger, Arnold Suppan, Elisabeth Vyslonzil. Frankfurt a.M. 1998. S. 24f.
[3] Hermann Bausinger: Stereotypie und Wirklichkeit. In: Jahrbuch für Deutsch als Fremdsprache. 14.1988. S. 160
[4] R. Bergleer und B. Six: Stereotype und Vorurteile. In: Handbuch der Psychologie 7/2: Sozialpsychologie. Hgg. von: C.F. Graumann. Göttingen 1972. S. 1371
[5] Hans Henning Hahn, Eva Hahn: Nationale Stereotypen. Plädoyer für eine historische Stereotypenforschung. In: Stereotyp, Identität und Geschichte. Hgg. von Hans Henning Hahn. Frankfurt a.M. 2002. S. 19 f.
- Citar trabajo
- Katina Tomaschewski (Autor), 2006, Stereotypen, Heterostereotypen, Vorurteile - Eine Untersuchung von Reiseberichten des 15. bis 18. Jahrhunderts, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58605
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