In dieser Arbeit sollen ausgewählte Manufakturstädte der Antike untersucht werden. Anhand der Quellenlage soll in der Folge ermittelt werden, ob diese Städte einem der Idealtypen von Max Weber zugeordnet werden können.
Der bekannte Soziologe lebte von 1864 bis 1920 und entwickelte im Rahmen seines mannigfaltigen Schaffens die Modelle der Konsumenten- und der Produzentenstadt. Diese Modelle sind eng verknüpft mit der umfangreichen Diskussion zwischen Modernismus und Primitivismus in Bezug auf die Wirtschaft im Imperium Romanum.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Grundlegende Merkmale einer Stadt
3. Konsumenten- und Produzentenstadt
4. Beispiele für Manufakturstädte
4.1. Tyros
4.2. Tarsos
4.3. Arretium
4.4. Puteoli
4.5. Alexandria
4.6. Caesarea
4.7. La Graufesenque
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
6.1. Primärquellen
6.2. Sekundärquellen
1. Einleitung
In meiner Seminararbeit werde ich ausgewählte Manufakturstädte der Antike untersuchen. Anhand der Quellenlage soll in der Folge ermittelt werden, ob diese Städte einem der Idealtypen von Max Weber zugeordnet werden können.
Der bekannte Soziologe lebte von 1864 bis 1920 und entwickelte im Rahmen seines mannigfaltigen Schaffens die Modelle der Konsumenten- und der Produzentenstadt. Diese Modelle sind eng verknüpft mit der umfangreichen Diskussion zwischen Modernismus und Primitivismus in Bezug auf die Wirtschaft im Imperium Romanum.
Generell ist die Quellenlage relativ dürftig; Francesco De Martino und Michael Ivanovitch Rostovtzeff sprechen im Punkt der Gewerbeorganisation sogar von einem „desolaten Mangel an Belegen und Quellen“[1]. Es sollte aber dennoch möglich sein, anhand literarischer Quellen und Inschriften zumindest einen grundsätzlichen Einblick zu gewinnen, in wieweit in größeren Städten Gewerbe betrieben wurde und wie diese Produkte über den Export eine gewisse Verbreitung im Imperium Romanum fanden.
2. Grundlegende Merkmale einer Stadt
Bevor ich jedoch näher auf Max Webers Idealtypen eingehe, möchte ich zunächst einige grundlegende Merkmale einer Stadt aufzeigen; Elemente, die für einen Ort notwendig waren, um überhaupt als „Stadt“ zu gelten. Hierbei beziehe ich mich auf Frank Kolb. Er vertritt die Meinung, dass eine politisch-rechtlich orientierte Stadtdefinition, d.h. mit Stadtrecht und Stadtbürgergemeinde nicht allen historischen Epochen gerecht werde. Kolb stellt deshalb mehrere grundlegende Punkte auf, die das äußere Erscheinungsbild und die Funktion der Stadt als zentralen Ort prägen:
1. die topographische und administrative Geschlossenheit der Siedlung,
2. eine Bevölkerungszahl von mehreren tausend Einwohnern als Voraussetzung für
3. eine ausgeprägte Arbeitsteilung und soziale Differenzierung,
4. Mannigfaltigkeit der Bausubstanz,
5. urbaner Lebensstil und
6. die Funktion der Siedlung als Zentralort für ein Umland[2].
Die Punkte eins bis vier gelten für Kolb als unverzichtbar. Hinzu können politisch- administrative wie gerichtliche sowie kultisch-religiöse und kulturelle Zentralortfunktionen kommen. Im Vergleich zwischen den Städten im Imperium Romanum zeigt sich nach Kolb eine „beachtliche Uneinheitlichkeit“, besonders zwischen Ost und West, d.h. zwischen einer „gewachsenen“ Stadt in der klassischen Polis des griechischen Mutterlandes und einer „geplanten“ römischen Provinzialstadt[3]. Dennoch war es den Römern nach einer Quelle von Aelius Aristides[4] gelungen, dies „harmonisch“ zusammen zu fügen.
Zu dieser Thematik äußerte sich Aelius Aristides in seinem Lobpreis auf Rom, 94 wie folgt:
„Nun blühen alle Städte der Griechen unter eurer Führung auf und ihre Weihegeschenke, Kunstwerke und alle Kostbarkeiten, die sie haben, tragen bei zu eurer Ehre wie die Kleinodien in einer Vorstadt. Die Küsten des Meeres und das Binnenland sind reich besetzt mit Städten, die teils neu gegründet, teils unter euch und von euch gefördert wurden.“
Die meisten Städte in der Antike lagen in einer Größenordnung von etwa 5000 bis 20000 Einwohnern[5]. Großstädte wie Alexandria oder Karthago hatten etwa 300000 – 400000 Einwohner, in Rom waren es wohl mindestens doppelt so viele.
In einer Zwischenkategorie lag beispielsweise die Stadt Aquileia mit etwa 100000 Einwohnern; Padua, Lyon, Trier, Gades oder Leptis Magna hatten ca. 50000. Insgesamt vermutet man fast 2000 „Städte“ auf dem Boden des Imperium Romanum[6].
Tertullian[7] gab seine Eindrücke diesbezüglich im Werk „De anima“ (XXX, 3) im 2. Jh. n.Chr. so wieder:
„Omnia iam peruia, omnia nota, omnia negotiosa, solitudines famosas retro fundi amoenissimi oblitterauenint, siluas arua domuerunt, feras pecora fugauerunt, harenae seruntur, saxa panguntur, paludes eliquantur, tantae urbes quantae non casae quondam. Iam nec insulae horrent nec scopuli terrent; ubique domus, ubique populus, ubique respublica, ubique uita.“
In diesen Aussagen liegen relativ klare Züge eines sehr erschlossenen, modernistischen Erscheinungsbildes. Tertullian stellt im besonderen Maße auch die Großstädte (urbes) heraus, welche sich sehr gut entwickelt zu haben scheinen.
Nach diesen einführenden und grundlegenden Merkmalen und Quellen gehe ich nun näher auf Max Webers Idealtypen ein.
3. Konsumenten- und Produzentenstadt
Weber unterscheidet das Modell der Konsumentenstadt von der Produzentenstadt. Beides sind wie bereits erwähnt Idealtypen. Nach Aussagen von Henri Willy Pleket scheint Weber selbst der Ansicht, dass es in der Antike im Sinne des Primitivismus hauptsächlich Konsumentenstädte gegeben habe[8].
Von besonderer Bedeutung für eine Stadt sind für Weber neben der grundsätzlichen Existenz einer größeren geschlossenen Siedlung ökonomische und politisch-administrative Kriterien. So müsse die Bevölkerung den Großteil ihres Alltagsbedarfs auf dem örtlichen Markt befriedigen, d.h. durch Erzeugnisse, welche von Ortsansässigen oder Menschen aus dem näheren Umland produziert wurden. Wesentlich ist somit ein von der Stadt regulierter Markt. Die „höchste Form“ sieht Weber in der Stadtgemeinde mit dem Stadtbürger. Dazu zählen Merkmale wie die Befestigung des Marktes, des eigenen Gerichts, ein Verbandcharakter und eine zumindest teilweise Autonomie.
Weber fordert nicht das gleichzeitige Auftreten aller Elemente. Zumindest eines davon sei jedoch notwendig.
In seinem Modell der Konsumentenstadt sind ein politischer Machthaber mit seinem Haushalt, dem oíkos, bzw. Beamte und besonders Grundherrn von ausschlaggebender Bedeutung für die Erwerbschancen der Produzenten und Händler. Diese produzieren für die städtische Elite und für die Bauern, die außerhalb der Mauern auf städtischem Territorium arbeiten.
Die Stadt lebt quasi „parasitär“ vom Land, wie es Hartmut Galsterer etwas überspitzt ausdrückt[9]: Der Bauer zahlt Pacht bzw. Steuern an den in der Stadt wohnenden Grundherrn. Auch Spenden werden an die städtische Bevölkerung gezahlt, beispielsweise zur Finanzierung öffentlicher Einrichtungen. Produziert wird dabei nur für den lokalen Markt, jedoch nicht für den Export[10], gewissermaßen ein in sich geschlossenes System.
Dem gegenüber stellt Weber die Produzenten- oder Gewerbe- und Handelsstadt, in der sich Gewerbetreibende bzw. Händler niedergelassen haben, die für den Export in andere Regionen arbeiten und produzieren, um überleben zu können[11].
Nach Ansicht der Primitivisten hatten Gewerbetreibende einen niedrigen sozialen Status, der den Entwicklungsstand der Wirtschaftszweige widerspiegelte. Der Umfang der Geschäfte sei bescheiden gewesen und die Produktion vornehmlich für die unmittelbare Umgebung[12]. Außerdem wurden nicht agrarische Tätigkeiten als gering eingeschätzt, weil sie nur eine kleinen Anteil am BSP ausmachten.
[...]
[1] De Martino, S.338
[2] Kolb, S.15
[3] Kolb, S.265
[4] Aelius Aristides (117 – ca. 181 n.Chr.) war griechischer Rhetor und Schriftsteller. Im Jahr 142 kam er auf einer Reise auch nach Rom. Dort hielt er im Frühjahr 143 vor dem Kaiser Antoninus Pius diese Rede auf die Stadt, in der er die römische Herrschaft als segensreich und friedenbringend für den gesamten Mittelmeerraum feierte.
[5] Pleket, S.79ff
[6] Kolb, S.182
[7] Tertullianus (ca. 150 – ca. 230 n.Chr.) war ein bedeutender, jedoch ebenso umstrittener früher Kirchenvater. Er hieß eigentlich Quintus Septimus Florens; sein Beiname Tertullianus bedeutet etwa „dreimal im Käfig“.
[8] Pleket, S.146
[9] Galsterer, S.94
[10] Pleket, S.35
[11] Pleket, S.62
[12] Pleket, S.119
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