Eine politische Bildungsarbeit gegen Rassismus und Ausgrenzung in Deutschland ist nötig. Eine Vielzahl aktueller Ereignisse, Situationsbeschreibungen und Phänomene bestätigen dies: In den letzten beiden Jahrzehnten verfestigten und verbreiteten sich rechte und rechtsextreme Gewalttaten und Tendenzen in Deutschland. Die Politik stand und steht der Entwicklung bisweilen hilflos gegenüber und sucht Lösungen in kurzfristig angelegten Präventions- und Interventionsstrategien oder in der Entpolitisierung des Phänomens als Problem einer kleinen, randständigen Minderheit orientierungssuchender Jugendlicher. Studien und Untersuchungen zahlreicher WissenschaftlerInnen belegen darüber hinaus fast jährlich aufs Neue die Existenz rassistischer Denk- und Handlungsweisen innerhalb der Bevölkerung in Deutschland auf hohem Niveau oder gar ihre Zunahme. Forschungen zeigen immer wieder die Verwobenheit rassistischer Bilder, Mythen und Phantasien im alltäglichen Diskurs unserer Gesellschaft. Seit dem Wiederaufflammen des Nahost-Konflikts nimmt die Zahl antisemitischer Vorfälle in Form von Beschimpfungen, Friedhofsschändungen und Übergriffen deutlich zu. Vielfach verstecken sich antisemitische Denkweisen auch hinter der Kritik an der israelischen Politik. Politiker, nicht nur aus den Reihen der Konservativen und Liberalen, tragen mit rechtspopulistischen Äußerungen und so genannten „Tabubrüchen“ ebenfalls dazu bei, den Antisemitismus zu schüren. Darüber hinaus ist gerade gegenüber Moslems seit den Anschlägen des 11. September 2001 nicht nur ein verstärktes Misstrauen, sondern auch offene Ablehnung, Ausgrenzung und Diskriminierung zu verzeichnen. Diese Beispiele sollen genügen, um die Handlungsrelevanz von Strategien und Praxen gegen Rassismus und Ausgrenzung zu verdeutlichen. Neben vielen anderen politischen und gesellschaftlichen Institutionen und Entscheidungsträgern kommt auch dem Erziehungs-und Bildungssystem die Verantwortung zu, Rassismus und Ausgrenzung demokratische und an Gleichberechtigung orientierte Lern- und Bildungsangebote entgegen zu setzen. Es ist notwendig diese Lernprozesse voran zu bringen, damit in unserer Gesellschaft Menschen aus anderen Herkunftsländern und Kulturkreisen, Flüchtlinge und MigrantInnen als gleichberechtigte Menschen leben können und Anerkennung erfahren. [...]
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Was ist Rassismus?
2.1 Zur Entstehungsgeschichte von „Rasse“ und Rassismus
2.1.1 Die historische Entwicklung des Begriffs „Rasse“
2.1.1.1 Entstehung und Verbreitung des Begriffs „Rasse“
2.1.1.2 „Rasse“ als Weg zur Systematisierung menschlicher Erscheinung
2.1.1.2.1 „Rasse“ als Klassifikationskriterium: Francois Bernier
2.1.1.2.2 „Race“ als „lineage“: von Leibnitz bis Linné
2.1.1.3 „Rasse“ als Schlüsselbegriff der Menschheitsgeschichte
2.1.1.3.1 „Rasse“ als (k)ein Vehikel universellen Fortschritts
2.1.1.3.2 Degeneration der „Rassen“ durch Vermischung: Arthur de Gobineau
2.1.1.4 „Rasse“ als Weg zur „natürlichen“ Auslese
2.1.1.4.1 Adaption der Theorien von Darwin: Sir Francis Galton
2.1.1.4.2 „Rassenbewusstsein“: Houston Stewart Chamberlain
2.1.1.5 Völkischer „Rasse“-Begriff und Antisemitismus im Nationalsozialismus
2.1.1.6 Der Begriff der „Rasse“ nach 1945
2.1.2 Die historische Entwicklung des Begriffs Rassismus
2.1.2.1 Ursprünge des Begriffs Rassismus
2.1.2.2 Etablierung des Begriffs Rassismus nach 1945
2.1.2.3 Die Schwierigkeit des Begriffs in Deutschland
2.2 Zur Begriffsbestimmung von Rassismus
2.2.1 Definitionsansätze moderner Rassismustheoretiker
2.2.1.1 Wertung von (biologischen) Unterschieden: Albert Memmi
2.2.1.2 Rassenkonstruktion als Bedeutungskonstitution: Robert Miles
2.2.1.3 Rassismus ohne „Rassen“ als differentialistischer Rassismus: Etienne Balibar
2.2.2 Rassismus als komplexes Phänomen: das Konzept dieser Arbeit
2.3 Theorien über die Entstehung von Rassismus
2.3.1 Psychologische und psychoanalytische Erklärungsansätze
2.3.1.1 Rassismus als Abspaltung innerer Persönlichkeitsanteile: Erklärungsansätze der Psychoanalyse
2.3.1.2 Rassismus als Problem von Vorurteilen: Erklärungsansätze der Sozialpsychologie
2.3.1.3 Rassismus als Problem der autoritären Charakterstruktur: Erklärungsansatz der Kritischen Theorie
2.3.2 Soziologische Erklärungsansätze
2.3.2.1 Der sozialisationstheoretische Erklärungsansatz: Wilhelm Heitmeyer
2.3.2.2 Rassismus als Teil des Gesellschaftsbildes: Der Ansatz von Even und Hoffmann
2.3.3 Soziobiologischer Erklärungsansatz
2.3.4 Ökonomischer Erklärungsansatz
2.3.5 Diskursanalytischer Erklärungsansatz
2.3.6 Ideologietheoretischer Erklärungsansatz
2.3.7 Vielzahl von Erklärungsansätzen: der Erklärungsansatz dieser Arbeit
2.4 Zwischenfazit: Historische Entwicklung, Definition und Erklärung von Rassismus
3 Pädagogik gegen Rassismus und Ausgrenzung
3.1 Zur Notwendigkeit einer antirassistischen Pädagogik in Deutschland
3.2 Entstehungsgeschichte und Handlungsfelder
3.2.1 Ursprünge einer „anti-racist education“ in Großbritannien
3.2.2 Anfänge einer antirassistischen Pädagogik in Deutschland
3.2.3 Handlungsfelder einer antirassistischen Pädagogik
3.2.4 Exkurs: Interkulturell und/oder Antirassistisch?
3.3 Theorie einer subjektorientierten, antirassistischen Pädagogik
3.3.1 Kritik an antirassistischer Pädagogik als Änderung rassistischer Einstellungen
3.3.2 Der subjektwissenschaftliche Ansatz Klaus Holzkamps
3.4 Zwischenfazit: Zur Situation der antirassistischen Pädagogik in Deutschland
4 Trainingsansätze gegen Rassismus und Ausgrenzung im Vergleich
4.1 Das National Coalition Building Institute (NCBI) Training
4.1.1 Entstehung und Adaption in Deutschland
4.1.1.1 Die Anfänge des Trainings in den USA
4.1.1.2 Die Adaption des Trainings für die deutsche Bildungsarbeit
4.1.2 Ziele und Didaktik
4.1.2.1 Zielsetzungen des Trainings
4.1.2.2 Didaktische Umsetzung der Ziele
4.1.3 Methodische Grundlagen
4.1.4 Praktische Umsetzung im Training
4.1.5 Kritische Würdigung
4.1.5.1 Die Schwachpunkte des Trainings
4.1.5.1.1 Methodisch unreflektiertes Thematisieren von Vorurteilen
4.1.5.1.2 Vernachlässigung der gesellschaftlich-strukturellen Dimension des Rassismus
4.1.5.2 Die Stärke des Trainings: Entwicklung von Verhaltensweisen gegenüber rassistischen Äußerungen
4.2 Das „Braunäugig /Blauäugig“–Training („Blue Eyed“)
4.2.1 Entstehung und Adaption in Deutschland
4.2.1.1 Die Anfänge des Trainings bei Jane Elliott
4.2.1.2 Die Adaption des Trainings für die deutsche Bildungsarbeit
4.2.2 Ziele und Didaktik
4.2.2.1 Zielsetzungen des Trainings
4.2.2.2 Didaktische Umsetzung der Ziele
4.2.3 Methodische Grundlagen
4.2.4 Praktische Umsetzung im Training
4.2.5 Kritische Würdigung
4.2.5.1 Die Schwachpunkte des Trainings
4.2.5.1.1 Starre Konzeption in inhaltlicher und methodischer Hinsicht
4.2.5.1.2 Fehlende Handlungsperspektive
4.2.5.1.3 Autoritäres Lernarrangements des Trainings
4.3 Das Betzavta-Training
4.3.1 Entstehung und Adaption in Deutschland
4.3.1.1 Die Anfänge des Trainings in Israel
4.3.1.2 Die Adaption für die deutsche Bildungsarbeit
4.3.2 Ziele und Didaktik
4.3.2.1 Zielsetzungen des Trainings
4.3.2.2 Didaktische Umsetzung der Ziele
4.3.3 Methodische Grundlagen
4.3.3.1 Kognitiv angelegte Übungen in Einzel- und Kleingruppenarbeit
4.3.3.2 Übungen mit spielerischem Charakter
4.3.4 Praktische Umsetzung im Training
4.3.5 Kritische Würdigung
4.3.5.1 Die Schwachpunkte des Trainings
4.3.5.1.1 Gefahr von Lernbarrieren bei spielerischen Übungen
4.3.5.1.2 Rassismus als Thema ist fakultativ
4.3.5.2 Die Stärken des Trainings
4.3.5.2.1 Übernahme der Lernproblematik durch eigenes Erfahren
4.3.5.2.2 Nicht nur ein „Anti“, sondern ein „Pro“
4.4 Das Anti-Bias-Training
4.4.1 Entstehung und Adaption in Deutschland
4.4.1.1 Die Anfänge des Trainings in Südafrika
4.4.1.2 Die Adaption für die deutsche Bildungsarbeit
4.4.2 Ziele und Didaktik
4.4.2.1 Zielsetzungen des Trainings
4.4.2.2 Didaktische Umsetzung der Ziele
4.4.3 Methodische Grundlagen
4.4.3.1 Methoden des interaktiven Lernens
4.4.3.2 Methoden des selbstgesteuerten Lernens
4.4.4 Praktische Umsetzung im Training
4.4.5 Kritische Würdigung
4.4.5.1 Die Schwachpunkte des Trainings
4.4.5.1.1 Gefahr der breit gefächerten Diskriminationserfahrungen
4.4.5.1.2 Gefahr der Überforderung der Teilnehmenden
4.4.5.2 Die Stärken des Trainings
4.4.5.2.1 Symbiotische Betrachtung verschiedener Ebenen
4.4.5.2.2 Selbstbestimmung durch Selbststeuerung
4.4.5.2.3 Anti-Bias als Lebenseinstellung
4.5 Zwischenfazit: Reflexiver Vergleich der Trainingsansätze
5 Schlussfolgerungen für die politische Bildungsarbeit gegen Rassismus und Ausgrenzung
5.1 „Philosophie“ und Wertorientierung
5.2 Ziele, didaktische Prinzipien und Inhalte
5.2.1 Zielsetzungen einer antirassistischen Bildungsarbeit
5.2.1.1 Sensibilisierung für rassistische Phänomene und Ausgrenzung
5.2.1.2 Entwicklung eines Unrechtsbewusstsein
5.2.1.3 Entwicklung von Handlungsperspektiven
5.2.2 Didaktische Prinzipien einer antirassistischen Bildungsarbeit
5.2.2.1 Erfahrungsorientierung
5.2.2.2 Handlungsorientierung
5.2.3 Inhalte einer antirassistischen Bildungsarbeit
5.3 Grundlegende methodische und praktische Anforderungen
5.3.1 Methodische Umsetzung
5.3.2 Praktische Umsetzung
5.3.2.1 Flexibles Reagieren auf Zeitvorgaben
5.3.2.2 Berücksichtigung der Bedürfnisse der Teilnehmenden
5.3.2.3 Training als Raum des Vertrauens
5.3.2.4 Moral versus Aufklärung
5.4 Grenzen einer antirassistischen Bildungsarbeit
5.4.1 Gefahrenpunkt des quasi therapeutisches Settings
5.4.2 Eingeschränkte Reichweite der Erwachsenenbildung
5.4.3 Schranken durch die bildungspolitische Gesamtsituation
5.4.4 Pädagogische Anstrengungen reichen nicht aus
6 Fazit
7 Anhang
7.1 Interview mit dem Anti-Bias-Trainer Jan Kasiske
7.2 Interview mit der Betzavta-Trainerin Anja Schade
7.3 Interview mit dem Betzavta-Trainer Guido Monreal
7.4 Interview mit der ehemaligen „Blue- Eyed“-Trainerin Samira Yasin
7.5 Interview mit der NCBI-Trainerin Uta Allers
7.6 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
„Jede Debatte über Erziehungsideale ist nichtig und gleichgültig diesem einen gegenüber, dass Auschwitz nicht sich wiederhole. Es war die Barbarei, gegen die alle Erziehung geht.“
Theodor W. Adorno, 1969
„You say culture – and you mean colour;
you say ethnicity – and you mean race.“
Chris Mullard, 1990
Eine politische Bildungsarbeit gegen Rassismus und Ausgrenzung in Deutschland ist nötig. Eine Vielzahl aktueller Ereignisse, Situationsbeschreibungen und Phänomene bestätigen dies: In den letzten beiden Jahrzehnten verfestigten und verbreiteten sich rechte und rechtsextreme Gewalttaten und Tendenzen in Deutschland. Die Politik stand und steht der Entwicklung bisweilen hilflos gegenüber und sucht Lösungen in kurzfristig angelegten Präventions- und Interventionsstrategien oder in der Entpolitisierung des Phänomens als Problem einer kleinen, randständigen Minderheit orientierungssuchender Jugendlicher. Studien und Untersuchungen zahlreicher WissenschaftlerInnen belegen darüber hinaus fast jährlich aufs Neue die Existenz rassistischer Denk- und Handlungsweisen innerhalb der Bevölkerung in Deutschland auf hohem Niveau oder gar ihre Zunahme. Forschungen zeigen immer wieder die Verwobenheit rassistischer Bilder, Mythen und Phantasien im alltäglichen Diskurs unserer Gesellschaft. Seit dem Wiederaufflammen des Nahost-Konflikts nimmt die Zahl antisemitischer Vorfälle in Form von Beschimpfungen, Friedhofsschändungen und Übergriffen deutlich zu. Vielfach verstecken sich antisemitische Denkweisen auch hinter der Kritik an der israelischen Politik. Politiker, nicht nur aus den Reihen der Konservativen und Liberalen, tragen mit rechtspopulistischen Äußerungen und so genannten „Tabubrüchen“ ebenfalls dazu bei, den Antisemitismus zu schüren. Darüber hinaus ist gerade gegenüber Moslems seit den Anschlägen des 11. September 2001 nicht nur ein verstärktes Misstrauen, sondern auch offene Ablehnung, Ausgrenzung und Diskriminierung zu verzeichnen.
Diese Beispiele sollen genügen, um die Handlungsrelevanz von Strategien und Praxen gegen Rassismus und Ausgrenzung zu verdeutlichen. Neben vielen anderen politischen und gesellschaftlichen Institutionen und Entscheidungsträgern kommt auch dem Erziehungs- und Bildungssystem die Verantwortung zu, Rassismus und Ausgrenzung demokratische und an Gleichberechtigung orientierte Lern- und Bildungsangebote entgegen zu setzen. Es ist notwendig diese Lernprozesse voran zu bringen, damit in unserer Gesellschaft Menschen aus anderen Herkunftsländern und Kulturkreisen, Flüchtlinge und MigrantInnen als gleichberechtigte Menschen leben können und Anerkennung erfahren.
Innerhalb der Sozialwissenschaften gibt es seit geraumer Zeit eine Vielzahl wissenschaftlicher Forschungsarbeiten, die sich mit dem Phänomen Rassismus und vor allem mit dem Versuch seiner Erklärung beschäftigen. Forschungen über Anti-Rassismus hingegen sind in den sozialwissenschaftlichen Disziplinen ein blinder Fleck geblieben. Dies trifft weitgehend auch auf die Erziehungswissenschaft zu, in der sich erst seit Ende der 1980er Jahre einzelne Diskussionen um eine antirassistisch ausgerichtete Pädagogik zeigen. Obwohl es heute im Erziehungs- und Bildungswesen einige Konzepte, Ansätze und Strategien einer antirassistischen Pädagogik gibt, fristen sie dennoch im Gegensatz zu ihrer „großen Schwester“, der interkulturellen Pädagogik, ein Randdasein. So gibt es zwar mittlerweile eine große Anzahl praktischer Konzepte und Methoden einer antirassistisch ausgerichteten Pädagogik, aber gerade im theoretischen Bereich fehlt eine fundierte Verankerung. Dies trifft vor allem auch auf eine politische Bildungsarbeit gegen Rassismus zu und schlägt sich in der Literatur nieder, die gerade im Theoriebereich einer politischen Bildung gegen Rassismus und Ausgrenzung dürftig ist.
Es wird mit dieser Arbeit ein Beitrag dazu geleistet, die Randständigkeit einer Pädagogik gegen Rassismus in Richtung auf eine breite Verankerung entsprechender Konzepte und Handlungsansätze zu überwinden. Darüber hinaus sollen verschiedene theoretische Standpunkte gebündelt und weiterentwickelt werden.
Gegenstand der Arbeit ist politische Bildungsarbeit gegen Rassismus und Ausgrenzung im Rahmen der Erwachsenenbildung. Nach einer theoretischen Abhandlung über Entstehung und Definition von Rassismus werden vier verschiedene Trainingsansätze und -formen gegen Rassismus miteinander verglichen und ihre jeweiligen Stärken und Schwächen heraus gearbeitet. In einer Schlussfolgerung werden dann Kriterien für eine Bildungsarbeit gegen Rassismus und Ausgrenzung mit Erwachsenen aufgestellt.
Im zweiten Kapitel erfolgt zunächst eine theoretische Abhandlung darüber, wie der Begriff „Rasse“ im sprachlichen und wissenschaftlichen Feld entstanden ist. Von den Ursprüngen des Begriffs im arabischen und europäischen Raum über die scheinbar wertfreie Verwendung zur Systematisierung menschlicher Erscheinungsbilder wird „Rasse“ – vor allem mit Hilfe der Wissenschaft – das Kriterium zur quasi natürlichen Selektion und in letzter Konsequenz zur Vernichtung von Menschengruppen, wie sie im Nationalsozialismus ihren Höhepunkt gefunden hat. Der Begriff Rassismus entstand im Gegensatz zu seinem Bezugsobjekt, der „Rasse“, erst relativ spät in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts und hatte (vor allem in der Bundesrepublik Deutschland) in der gesellschaftlichen Entwicklung der Nachkriegszeit lange Zeit keinen Platz. Auch hier wird in angemessener Kürze die historische Entwicklung seit der Entstehung des Begriffs nachgezeichnet.
Im weiteren wird ersichtlich, dass Rassismus nicht einheitlich definiert werden kann. Es werden Theorien bekannter Rassismustheoretiker gegenübergestellt, ihre Definitionsansätze diskutiert und eine Rassismusdefinition für diese Arbeit entwickelt.
Darüber hinaus ist es für das Ziel der Arbeit wichtig, verschiedene Erklärungsansätze für die Entstehung von Rassismus aufzuzeigen. Rassismus wird in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen verschieden erklärt: so werden Erklärungsansätze aus der Psychologie, der Soziologie, der Soziobiologie, der Ökonomie und der Diskursanalyse, sowie der Erklärungsansatz des Rassismus als Ideologie kurz skizziert. Im Anschluss wird für diese Arbeit ein Erklärungsansatz bestimmt.
Vor der Darstellung der antirassistischen Trainingsansätze erfolgt in einem dritten Kapitel eine Einordnung der Pädagogik gegen Rassismus in den allgemeinen Kontext der Erziehungswissenschaften. Dabei wird aufgezeigt, warum eine Bildungsarbeit gegen Rassismus überhaupt (pädagogisch) wünschenswert und auch nötig ist. Nach einem kurzen Abriss über die Entstehungsgeschichte der antirassistischen Pädagogik, ihren Anfängen in Großbritannien und ihre Adaption in Deutschland, zeigt ein Überblick die verschiedenen Handlungsbereiche einer solchen Pädagogik. Darüber hinaus soll in einem Exkurs auch eine Abgrenzung der antirassistischen Pädagogik von der interkulturellen Pädagogik erfolgen, denn trotz mancher synonymer Verwendung verbergen sich hinter den beiden Begriffen unterschiedliche Zielsetzungen und Konzeptionen. Abschließend soll in diesem Kapitel die in einschlägiger Literatur oft zitierte Theorie antirassistischer Pädagogik von Klaus Holzkamp als minimale Grundlage für die Darstellung und Bewertung der vier Trainingsansätze vorgestellt werden.
Im vierten Kapitel werden vier Trainingsansätze gegen Rassismus gegenübergestellt: das Anti-Bias-Training, ein Training mit der Zielsetzung, gegen jede Form von Diskriminierung zu agieren; das Betzavta-Training, das seinen Schwerpunkt vor allem auf demokratische Bildung setzt; das „Braunäugig/Blauäugig“-Training, das die gefühlsmäßige Erfahrung von Rassismus in den Mittelpunkt stellt und das Training NCBI, das Vorurteile bekämpft. In der Gegenüberstellung der verschiedenen Trainings ist darzulegen, in welchem historischen Kontext außerhalb Deutschlands sie entstanden sind, wie sie in Deutschland adaptiert wurden und vor allem welche Zielsetzungen sie auf Grundlage welcher Didaktik mit welchen Methoden verfolgen. Dazu und vor allem um in einem nächsten Schritt Stärken und Schwächen der jeweiligen Trainings aufzuzeigen, wurden TrainerInnen interviewt, um Erkenntnisse über die Trainings nicht nur aus sekundären, sondern auch aus primären Quellen zu erhalten.
Aus der Gegenüberstellung der jeweiligen Stärken und Schwächen werden dann im fünften Kapitel schlussfolgernd Kriterien für eine gute und sinnvolle Bildungsarbeit gegen Rassismus und Ausgrenzung mit Erwachsenen im Sinne einer demokratischen und politischen Pädagogik formuliert. Es wird aufgezeigt, was diese Bildungsarbeit leisten muss und welche Ziele sie mit welchen Methoden erreichen kann.
Im sechsten Kapitel werden die Ergebnisse dieser Arbeit in einem kurzen Fazit zusammengefasst und ein Ausblick gegeben.
2 Was ist Rassismus?
2.1 Zur Entstehungsgeschichte von „Rasse“ und Rassismus
2.1.1 Die historische Entwicklung des Begriffs „Rasse“
Der Begriff „Rasse“ ist ein soziohistorisches Konstrukt, dem nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen keine biologische Realität entspricht, die legitimieren könnte, Menschen als „Rassen“ in Gruppen einzuteilen.[1] Dennoch hat „Rasse“ die Geschichte der Menschheit in den letzten Jahrhunderten nachhaltig geprägt und beeinflusst, sie wurde zum Teil der gesellschaftlichen Konstruktion von Realität. Obwohl der Begriff „Rasse“ als wissenschaftliche Kategorie abzulehnen ist, erscheint historisches Wissen über seine Entstehungsgeschichte nötig, da sich noch im heutigen Rassismus Elemente des historischen „Rasse“-Denkens wieder finden lassen. In diesem Kapitel wird die Entstehung des Begriffs „Rasse“ im europäischen Raum in seinen entscheidenden Entwicklungsschritten skizziert. Das Ziel dieses Kapitels liegt nicht darin, sich durch die Darstellung der historischen Entwicklung einer Definition von „Rasse“ anzunähern, sondern vielmehr darin, die Wandelbarkeit seiner Bedeutungsinhalte und damit seine willkürliche Verwendung aufzuzeigen.
2.1.1.1 Entstehung und Verbreitung des Begriffs „Rasse“
Über den etymologischen Ursprung des Begriffs gibt es unterschiedliche – zum Teil stark voneinander abweichende - wissenschaftliche Meinungen. Fest steht jedoch, dass es bereits im 13. Jahrhundert in den romanischen Sprachen vereinzelt entsprechende Formen gab, so beispielsweise das spanische „raza“, das portugiesische „raca“, das italienische „razza“ und das französische „race“.[2] Eine Hypothese über eine noch weiter zurückgehende Etymologie stellt Immanuel Geiss auf: Der realhistorische Zusammenhang legt seines Erachtens eine Ableitung aus dem Arabischen „ras“ (Kopf, Haupt eines Clans oder Stamms, im weiteren Sinne auch Abstammung) nahe.[3] Für diesen Ursprung des Wortes spricht auch, dass im spanischen und portugiesischen Raum das Wort zuerst verwendet wurde und gerade die iberische Halbinsel seit der arabisch-berberischen Eroberung im achten Jahrhundert in intensive Berührung mit Arabern und Berbern kam[4]. Die etymologische Bedeutung des Wortes verweist in allen zuvor aufgeführten romanischen Sprachen in Richtung einer „Zugehörigkeit zu und die Abstammung von einer Familie, einem Haus, im Sinne von ‚edlem Geschlecht‘ bis hin zum Synonym für ‚Herrscherhaus‘“.[5] Obwohl das Wort damit noch nicht in der Bedeutung des modernen, naturwissenschaftlichen Begriffs eines (pseudowissenschaftlichen) Kriteriums zur Einteilung von Menschengruppen verwendet wurde, verbirgt sich dahinter die Vorstellung einer langen Ahnenreihe mit hervorragenden Qualitäten und edler Abstammung. Im spanischen Raum bekommt „raza“ noch eine andere Konnotation: es wird zum Synonym für reine Abstammung, die Voraussetzung war, um öffentliche Ämter auszuüben. Damit wird „raza“ „zumindest nominell das entscheidende Kriterium der spanischen Gesellschaft“[6]. Es verdeutlicht auch den aufkommenden Antijudaismus, denn reine Abstammung bedeutete, auf drei Generationen keine jüdischen oder maurischen Vorfahren zu haben.[7]
Der frühe „Rasse“-Begriff wurde im europäischen Raum ebenfalls von der Adelsdiskussion in Frankreich im 16. Jahrhundert geprägt. Nach Colette Guillaumin ist der Begriff „Rasse“ sogar „(...) bis zu einem gewissen Grad eine aristokratische Erfindung.“[8] „Race“ wurde beim alten französischen Geburtsadel zur Bezeichnung der aristokratischen Abstammungslinie ersten Grades verwendet und vor allem dazu gebraucht, über diese Demonstration der erblichen Zusammengehörigkeit das Eindringen des aufsteigenden Amtsadels in den eigenen Stand zu verhindern und ihm die damit verbundene privilegierte Position vorzuenthalten. Obwohl „Rasse“ in seiner vorwissenschaftlichen Bedeutung bis zu diesem Zeitpunkt im Sinne von „Abstammung“ verwendet wurde und der so bezeichneten Gruppe keine unveränderlichen Charakter- und Verhaltenseigenschaften zuschrieb, wurde er dennoch zu einem Politikum, das Ausschluss- und umgekehrt auch Einschließungsmechanismen beinhaltete und einer Gruppe von Personen Privilegien sichern half.
2.1.1.2 „Rasse“ als Weg zur Systematisierung menschlicher Erscheinung
2.1.1.2.1 „Rasse“ als Klassifikationskriterium: Francois Bernier
Nach der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus (1451-1506) im Jahre 1492 nahmen die Reise- und Erfahrungsberichte von Forschungsreisenden stark zu, so dass das Beobachtungsmaterial über Menschen aus fremden Erdteilen rasch anstieg. Es wuchs der Bedarf, diese Beobachtungen zu ordnen und zwei zentrale Fragestellungen zu beantworten: Wo ist der Ursprung der Menschheit und wie lassen sich die Differenzen zwischen den Menschen erklären.[9] Der Mensch wurde zum Studienobjekt. Das 17. Jahrhundert war sodann die Entstehungsphase des wissenschaftlichen Denkens, das sich in der Zeit vor allem durch Systematisierung und Klassifizierung von Natur und Mensch auszeichnete. 1687 stellte der französische Arzt und Forschungsreisende Francois Bernier (1620-1688) ein Kategorisierungssystem auf, mit dem er große Menschengruppen als „race“ oder „espèce“, also im Sinne von Art oder Gattung, einteilte.[10] Neu war in diesem System nicht nur die Aufteilung der gesamten Erdbevölkerung in fünf Gruppen, die er geographisch ordnete, sondern auch die Einteilung nach somatischen Gesichtspunkten. Bernier teilte die Menschen nach Form und Zustand von Haaren, Nasen oder Ohren ein und machte „Rasse“ somit zu einem anthropologischen Kriterium „(...) noch ohne wertende Abstufungen, ohne rassistische Absicht“[11].
2.1.1.2.2 „Race“ als „lineage“: von Leibnitz bis Linné
Berniers Kategorisierungssystem der „races“ wurde von verschiedenen Naturwissenschaftlern und Philosophen aufgegriffen und abgewandelt: Gottfried Wilhelm Leibnitz (1646-1716) teilte beispielsweise 1697 die Erdregionen nach dem Kriterium der Sprache ein. George Louis Leclerc, Comte de Buffon (1707-1788), schrieb die Naturgeschichte der Menschheit und unterteilte diese in einzelne Stämme oder „Rassen“. Der schwedische Arzt Carl von Linné (1707-1778) ordnete 1735 verschiedene Menschengruppen in die Systema naturae.[12][13]
Den genannten Kategorisierungssystemen sind zwei Merkmale gemeinsam: Sie alle sind erstens geprägt von dem vorherrschenden Ordnungssystem der Zeit, in der die Bibel als Autorität die menschlichen Angelegenheiten regelte. Es existierte der Glaube an die Monogenese, also an die Vorstellung, dass alle Menschen von einem Urpaar abstammen und sich beispielsweise nur durch Umwelteinflüsse unterschiedlich entwickelt hätten. „Race“ wird als „lineage“ im Sinne einer monolinearen Abstammung verwendet, die damit zunächst alle Menschengruppen als eine Spezies mit verschiedenen Unterarten bewertet.
Zweitens verzichteten die genannten Naturwissenschaftler und Philosophen darauf, den verschiedenen „Rassen“ soziale oder kulturelle Eigenschaften oder Charakterzüge zu zuordnen. Lediglich Carl von Linné fügte den Menschengruppen in der zehnten Auflage seines Werks Systema naturae geistig-kulturelle Eigenschaften hinzu, wobei festzuhalten ist, dass zu diesem Zeitpunkt Weißen bereits positive („durch Gesetz regierte Europäer“) und Schwarzen negative Eigenschaften („der Afrikaner mit boshafter, fauler und lässiger Gemütsart“) zugeschrieben wurden.[14]
2.1.1.3 „Rasse“ als Schlüsselbegriff der Menschheitsgeschichte
2.1.1.3.1 „Rasse“ als (k)ein Vehikel universellen Fortschritts
Aufklärung und Entstehung der Moderne wurden von Säkularisierung und dem Abschied vom Glauben an eine monolineare Abstammung begleitet. Der Gedanke der Polygenese, also des getrennten Ursprungs verschiedener Menschengruppen und daran geknüpfter fundamentaler Unterschiede, beeinflusste auch die „Rassen“-Theoretiker. Doch nicht nur diese Veränderungen hatten einen entscheidenden Einfluss auf die Weiterentwicklung der „Rasse“-Konzeptionen. Auch andere historische Rahmenbedingungen trugen zum Aufstieg des Rassismus bei. Die im 18. und 19. Jahrhundert erfolgte Industrialisierung und die beginnende Kolonialisierung, verbunden mit der Ausbeutung von Rohstoffen und Arbeitskräften der so genannten Neuen Welt, beeinflussten das Denken in Naturwissenschaft und Philosophie. Der Begriff „Rasse“ wurde aus seiner Funktion als Klassifikationskriterium herausgelöst und in den Kontext der gesamten Menschheitsgeschichte gestellt.[15]
In dem Werk Geschichte der Menschheit des Göttinger Kulturhistorikers Christoph Meiners (1747-1810) wurde „Rasse“ zum Grundbegriff der Entwicklung der Menschheitsgeschichte. In seiner Unterscheidung der kaukasischen (Germanen, Romanen, Semiten) und der mongolischen „Rasse“ hatte er in dem Begriff „Rasse“ „(...) eine Typus-Einheit von ‚Körper‘ und ‚Geist‘ sowie ‚Charakter‘ und ‚Sitten‘ gesehen und die stammesgeschichtlich entstandenen Großgruppen ihren gradweise verschiedenen Erbanlagen entsprechend für größere oder geringere Leistungen im Erringen von ‚Kulturstufen‘ (...)“[16] für fähig befunden. Aus den unterschiedlichen Anlagen zur kulturellen und geistigen Entwicklung schlussfolgerte Meiners nicht nur die Ungleichwertigkeit beider „Rassen“, sondern auch ein Überlegenheitsgefühl für die kaukasische „Rasse“ und damit für die „europäischen Nationen“,[17] denn Meiners stellte mit seinem „Rasse“-Begriff nicht nur den Bezug zu Fortschritt und kultureller Entwicklung her, sondern auch zur Nation, was eine zentrale Veränderung der Begrifflichkeit beinhaltete. Aufgegriffen wurde diese Konzeption 1848 durch den Historiker Georg Friedrich Kolb (1808-1884). Obwohl auch Kolb die Überlegenheit der kaukasischen „Rasse“ betonte, führte sie bei ihm nicht zur Überlegenheit der europäischen Nationen.
„Die Rasseneigenschaften der ‚Kaukasier‘ ermöglichen deren Suprematie auf der ganzen Erde – jedoch nicht zur Unterdrückung, sondern zur kulturellen Entwicklung der anderen, die nach Befreiung von ihrem ‚Stabilitätswesen‘, d.h. ihrer Fortschrittsfeindlichkeit, danach streben (...) in selbsteigener Entwicklung fortzuschreiten.“[18]
„Rassen“-Ungleichheit ist damit nicht nur das Mittel einer einseitigen kulturellen Entwicklung seitens der Europäer, sondern kann durch die Lernfähigkeit der „rückständigen Rassen“ zu einem Vehikel für universellen, kulturellen Fortschritt werden. Christoph Meiners und Georg Friedrich Kolbs unterschiedliche Positionen skizzieren die beiden vorherrschenden Denkströmungen Mitte des 19. Jahrhunderts sehr deutlich: auf der einen Seite der Glaube an die Überlegenheit der europäischen Nationen, begründet mit „höherwertigen“ geistigen und kulturellen Eigenschaften und Charakterzügen, sowie andererseits der Glaube, dass gerade diese Überlegenheit dazu beitragen würde, den „minderwertigen“ Menschengruppen zu kulturellem und geistigem Fortschritt zu verhelfen.
2.1.1.3.2 Degeneration der „Rassen“ durch Vermischung: Arthur de Gobineau
Anfang des 19. Jahrhunderts gab es eine Vielzahl von „Rasse“-Theorien mit sich zum Teil überschneidenden und widersprechenden Systemen und Klassifizierungen, da fast jeder Autor eigene Kriterien zur Einteilung von Menschengruppen anwendete.[19] Im gleichen Zeitraum entdeckten Wissenschaftler der aufkommenden Linguistik die indoeuropäischen Sprachenfamilien im Gegensatz zu den semitischen Sprachen, in denen bislang das Hebräische als Ur-Sprache galt.[20] Die Entdeckung der Verwandtschaft von Sanskrit, gotischer und keltischer Sprache führte zu dem fatalen Umkehrschluss einer gemeinsamen „rassischen“ Abstammung. Mit dieser Gleichsetzung von Sprache und „Rasse“ wurde der arische Mythos geschaffen. Er basierte auf der Unterscheidung zwischen indogermanischen und semitischen Sprachen, die bei vielen Wissenschaftlern zu einer Gleichsetzung von Indogermanen mit Ariern und so zu einer Unterscheidung zwischen Ariern und Semiten führte.[21]
Eine theoretische Verarbeitung und Festigung fand der Arier-Mythos mit dem französischen Diplomaten Arthur de Gobineau (1816-1882). In seinem mehrbändigen Werk Essay sur l’inégalité des races humaines (1853/55) „verband er erstmals die bisher weitgehend getrennten Hauptstränge des Rassismus – den Anti-Judaismus kurz vor seiner Metamorphose zum modernen Antisemitismus und den Anti-Negrismus.“[22] Ausgangspunkt Gobineaus sind die drei ungleichen „Rassen“ Gelbe, Schwarze und Weiße, wobei eine Hierarchisierung bereits fest geschrieben ist: „C’est là ce que nous apprend l’Histoire. Elle nous montre que toute civilisation découle de la race blanche, qu’aucune ne peut exister sans le concours de cette race (...)“[23]. Die weiße, an anderen Stelle auch „arisch“ genannte, „Rasse“ sei Ursprung jeglicher Zivilisation und übernähme somit die Führungsrolle in der Menschheitsgeschichte. Dennoch lebe sie heute nicht mehr in ihrer reinen Form, da eine „mélange du sang“[24], eine Vermischung mit anderen Gruppen, stattfand. Diese Vermischung könne zwar anfänglich noch höhere „Rassen“ hervorbringen, ab einem bestimmten Punkt jedoch führe jede weitere Vermischung zur „dégénération“[25], zum Untergang. Daraus schlussfolgerte Gobineau, dass die weiße „Rasse“ ab diesem Punkt für sich, das bedeutet „rein“, bleiben müsse, um zu überleben. Langfristig jedoch sah er die Degeneration, auch für die „arische Rasse“ als unvermeidbar an – ein Ausdruck für seine pessimistische Sicht. Seine Theorie hatte einschneidende Wirkung für die weitere Entwicklung von „Rasse“-Konzeptionen, da der Gedanke an eine „Reinhaltung der Rasse“ zur Verhinderung von Degeneration „später zur ‚Rassenhygiene‘, bewussten Selektion und Manipulation zur ‚Rettung‘ der ‚höheren‘ Rasse und Vernichtung ‚minderwertiger‘ Rassen (führte, A.d.V.).“[26]
2.1.1.4 „Rasse“ als Weg zur „natürlichen“ Auslese
2.1.1.4.1 Adaption der Theorien von Darwin: Sir Francis Galton
Eine wesentliche ideologische und wissenschaftliche Stütze des aufkommenden Rassismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stellten die Theorien des englischen Naturforschers Charles Darwin (1809-1882) dar. Seine Evolutionslehre, dargelegt in dem Werk The Origins of Species by Natural Selection (1859), umfasste folgende zentrale Aussagen[27]: die Organismen im Tier- und Pflanzenreich reproduzieren sich exponentiell, wobei die Arten in einem ständigen Konkurrenzkampf um die begrenzten (Umwelt-)Ressourcen stehen. In diesem „struggle for life“ haben die effektiver an das Umfeld angepassten Organismen die besseren Überlebenschancen: die zweckmäßig Angepassten überleben, die Ungeeigneten scheitern. Evolution geschieht über natürliche Selektion. Merkmale, die dem Organismus helfen, in der Umwelt zu überleben, werden genetisch weitergegeben und führen zur Veränderung des Erbguts. Die Variabilität der Arten entsteht durch natürliche Selektion.
Diese Darwinschen Prinzipien wurden – jedoch nicht von Darwin selbst – auf die Gesellschaft übertragen. Seine Theorie der „Natural Selection“ und des „Survival of the Fittest“ wurde von verschiedenen „Rassen“-Theoretikern übernommen und mit dem „Recht des Stärkeren“ ergänzt.[28] Darwin verlieh somit der von Gobineau vorgebrachten Rettung der so genannten „höheren Rassen“ – synonym für die „arischen Rasse“ – eine wissenschaftliche Grundlage: „Der Darwinismus forderte nicht nur die Visionen von Rassenkämpfen, er führte auch ganz direkt zur Begründung der Rassenerbpflege (Eugenik).“[29] Als Begründer der Erbgesundheitslehre gilt der Brite Sir Francis Galton (1822-1911). Seine zentralen Aussagen basierten auf den Theorien Darwins: „Der Wert der Erbgesundheit bestimmte darum die Qualität der Rasse“ und von der sich als „Rasse“ definierenden Gruppe „(...) konnte natürliche Auslese jederzeit zur Verbesserung (der „Rasse“, A.d.V.) benutzt werden“[30].
Der Kampf ums Überleben stünde darüber hinaus in Verbindung mit der Erhaltung der von Generation zu Generation übertragenen, angeborenen körperlichen und geistigen Eigenschaften. Der so durch den Sozialdarwinismus geprägte Rassismus des späten 19. Jahrhunderts entwickelte rasch „nationale“ Varianten, die sich in ihren Vorstellungen gegenseitig beeinflussten. Deutsche Vordenker von Sozialdarwinismus und Rassenhygiene waren beispielsweise der Zoologe Ernst Haeckel (1834-1919) und der Arzt Alfred Ploetz (1860-1940), einer der bedeutenden „Rassenhygieniker“ auf deutschem Gebiet.[31]
2.1.1.4.2 „Rassenbewusstsein“: Houston Stewart Chamberlain
Beeinflusst von den Gedanken Gobineaus und den weitreichenden Interpretationen der darwinschen Evolutionsprinzipien entwickelte der britischstämmige Wahldeutsche Houston Stewart Chamberlain (1855-1927), Schwiegersohn Richard Wagners, in seinen Grundlagen des 19. Jahrhunderts (1899) „die Theorie von der Überlegenheit der arischen ‚Rasse‘, deren Hauptbestandteil die Deutschen bilden (...)“[32]. Chamberlain war somit einer der ersten Theoretiker, der die „arische Rasse“ explizit mit den Deutschen gleichsetzte. Neu war in seinem Werk auch, dass er sich in der Einteilung der „Rassen“ weitgehend von somatischen Unterscheidungskriterien löste und vor allem kulturelle und psychologische Kriterien zur Unterscheidung heranzog: „Rasse ist nicht ein Urphänomen, sondern sie wird erzeugt: physiologisch durch charakteristische Blutmischung, gefolgt von Inzucht; psychisch durch den Einfluss, welchen lang anhaltende, historisch-geographische Bedingungen auf jene besondere, physiologische Anlage ausüben.“[33] Der „Germane“ ist für Chamberlain „(...) die Seele unserer Kultur. (...) Blicken wir heute umher, wir sehen, dass die Bedeutung einer jeden Nation als lebendige Kraft von dem Verhältnis des echt germanischen Blutes in ihrer Bevölkerung abhängt.“[34] Die Weltherrschaft sei, so Chamberlain, umkämpft von zwei „Rassen“, die für ihn gleichermaßen „Gut“ und „Böse“ verkörpern: „‚Juda‘ macht den ‚Germanen‘ die legitime Weltherrschaft streitig, indem es selbst die Weltherrschaft anstrebt.“[35] Chamberlain definierte somit nicht nur die jüdischen Menschen explizit zu einer „Rasse“, sondern stellte sie den „Germanen“ auch antagonistisch als das Böse gegenüber. Weiterhin führte er neue Elemente wie „Rassenbewusstsein“ und „Rassenseele“ in den Begriff ein und hob ihn damit bis zu einem gewissen Grad ins Mystische. Die Verknüpfung der beiden Elemente „Kampf gegen die Juden um die Weltherrschaft“ und „Rassenseele“ – verbunden mit einem Rückbezug zu Gobineau – wird in folgendem Gedanken Chamberlains deutlich:
„Der Sieg über die Juden würde zu keiner sozialen und wirtschaftlichen Veränderung führen, sondern zu einer Revolution des Geistes, und die arische Rassenseele würde dann die Welt beherrschen. Eine neue Kultur würde entstehen, die der gegenwärtigen Degeneration ein Ende setzen würde.“[36]
Dieser Gedanke lässt sehr gut erkennen, was das Werk Chamberlains für die Nationalsozialisten als theoretische Grundlage interessant und ihn zu einem frühen Apologeten des nationalsozialistischen Gedankenguts machte.
2.1.1.5 Völkischer „Rasse“-Begriff und Antisemitismus im Nationalsozialismus
Mit dem Nationalsozialismus wurde das Denken in Kategorien von „Rasse“ zur offiziellen Staatsdoktrin und zur Begründung eines millionenfachen Massenmords. Die „arische Rasse“ erhielt nach den Vorgaben Hitlers absolute Vorrangstellung und wurde zum Motor jeglichen Handelns. Bereits in seinem Agitationsbuch Mein Kampf (1925) legte Hitler (1889-1945) zentrale Aufgaben fest: Um die Vormachtstellung der „arischen Rasse“ zu sichern, müssten sowohl „Rassesinn“ und „Rassegefühl“ durch Erziehung und Bildung hergestellt, als auch die „Menschenauslese“ im „völkischen Staat“ vorangetrieben werden.[37] Das nationalsozialistische Erziehungsverständnis sah Erziehung funktional zur politischen Auslese und als Instrument der Herrschaftssicherung. Obwohl es keine partei- oder staatsoffizielle Doktrin einer nationalsozialistischen Pädagogik gab, war die Pädagogik, neben anderen gesellschaftlichen Akteuren, eine zentrale Stütze des faschistischen Systems mit einer wesentlichen Aufgabe: der Erziehung zum faschistischen Staat mittels der Verbreitung eines „(...) Raster(s), das jeden und jede nach rassistischen Kriterien als ‚wertvoll‘ oder ‚minderwertig‘ einstufte, verbunden mit dem hybriden Bewusstsein, selbst zur ‚wertvollen Herrenrasse‘ zu gehören (...)“[38]. Beteiligt waren an der Erziehung neben Einrichtungen der NSDAP wie Jugendverbänden, außerschulischen Eliteschulen und Fortbildungsstätten die herkömmlichen Erziehungseinrichtungen des Schulwesens, der Hochschule, der Erwachsenenbildung. Sicherlich wurden auch die Einrichtungen des Erziehungssystems nach der Machtergreifung durch Zwang, über Gesetze und Erlasse gleichgeschaltet und Teile der (politisch unliebsamen) Pädagogenschaft aus ihren Positionen vertrieben. Aber neben den exponierten pädagogischen Akteuren wie Ernst Krieck (1882-1947), der die Schaffung eines „völkischen Erziehungsstaates“ zum Ideal erhob, oder Baldur von Schirach (1907-1974), der die Vollendung eines „volksgemeinschaftlichen Jugendstaates“ anstrebte[39], gab es auch teils eine hohe Zustimmung in der Pädagogenschaft zum Nationalsozialismus. Hier ist vor allem auf einige Repräsentanten der geisteswissenschaftlichen Pädagogik hinzuweisen. Eduard Spranger (1882-1963) und Wilhelm Flitner (1889-1990) begrüßten die Machtergreifung und sahen Chancen, ihre Ideen der nationalkonservativen Volksgemeinschaft zu verwirklichen.[40]
Die Erziehungswissenschaft, die sich nicht mehr nur auf das Jugendalter beschränken, sondern alle Generationen erfassen sollte, beteiligte sich im Nationalsozialismus nach den Vorgaben Adolf Hitlers daran, den „‚Siegeszug der besten Rasse‘ (zu verwirklichen) (...). Die beste ‚Rasse‘ ist die der ‚Arier‘. Sie ist der eigentliche ‚Kulturbegründer‘, der ‚Urtyp dessen‘, ‚was wir unter Mensch verstehen‘, die ‚geniale Rasse‘ schlechthin.“[41] Den Gegensatz zu dieser „genialen Rasse“ fand der Nationalsozialismus in der Verengung des Rassismus auf die Juden und Jüdinnen: „Er (die Juden als „der Teufel“, A.d.V.) ist keine Religionsgemeinschaft, sondern ‚Volk‘, sogar ‚Rasse‘, eine wahre ‚Pest‘, mit dem Traum der eigenen ‚Weltherrschaft‘, so dass ‚in unserem Volke die Personifikation des Teufels als Sinnbild alles Bösen die leibhaftige Gestalt des Juden annimmt‘.“[42] Um die Existenz Deutschlands zu sichern, sei nicht nur die Schaffung von „Lebensraum“ durch verheerende Kriegszüge nötig, sondern auch die „(...) Unterwerfung ‚minderwertiger‘ Völker und die Vernichtung ‚niederer‘ ‚Rassen‘, vor allem der Juden.“[43] Dieser Vernichtungswille führte, zusammen mit der im Namen von „Rassenreinheit“ durchgeführten Euthanasie, in der extremsten Steigerung des „Rassedenkens“ in den Mord von Millionen von Menschen.
2.1.1.6 Der Begriff der „Rasse“ nach 1945
1951 gab die UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) eine Erklärung zum wissenschaftlichen Standpunkt der „Rassen“-Forschung ab. In dieser Erklärung wurde festgehalten, dass genetische Differenzen kein zentraler Faktor für das Erbringen kultureller Leistung darstellen, dass Persönlichkeit und Charaktereigenschaften „rasselos“ sind und die Existenz von „Rassen“ vom wissenschaftlichen Standpunkt her nicht zu rechtfertigen ist.[44] Die Diskussionen im Vorfeld der Deklaration belegen jedoch, dass diese Schlussfolgerungen keineswegs mit der in der Erklärung gezeigten Eindeutigkeit gezogen wurden. Gerade den an der Ausarbeitung der Deklaration beteiligten Anthropologen und Genetikern fiel es schwer, auf die Verwendung des Begriffs „Rasse“ zur Kennzeichnung und Einteilung von Menschengruppen zu verzichten.[45] Hier zeigte sich, dass die Ablehnung des Begriffs nicht unbedingt auf Einsicht von PolitikerInnen oder gemeinsam geteilten Forschungserkenntnissen von WissenschaftlerInnen fußte, sondern auch und vor allem politischen Motiven geschuldet war, nachdem nach 1945 im Ganzen ersichtlich war, welche Grausamkeiten im Namen der nationalsozialistischen „Rassenideologie“ durchgeführt wurden. Dennoch war mit der Deklaration, der noch weitere folgen sollten, der politisch motivierte Abschied vom „Rasse“-Begriff eingeleitet.[46]
Auch im Forschungsfeld der Genetik haben WissenschaftlerInnen in den letzten 50 Jahren mit Hilfe von Untersuchungen menschlicher Gene durch Verfahren der Immunologie und Proteinchemie festgestellt, dass „(...) keines dieser Gene perfekt eine ‚rassische‘ Gruppe von einer anderen trennt.“[47] Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass es im genetischen Bauplan kein Gen gibt, dass in einer bestimmten Form zu 100% bei der einen geographisch eingeteilten Menschengruppe und in anderer Form nur bei einer geographisch anderen Menschengruppe auftritt. Somit steht fest: „Jegliche Verwendung von Rassekategorien muss ihre Rechtfertigung aus anderen Quellen als der Biologie beziehen.“[48]
2.1.2 Die historische Entwicklung des Begriffs Rassismus
2.1.2.1 Ursprünge des Begriffs Rassismus
Die Phänomene, die mit dem Begriff Rassismus verbunden sind, existieren seit der Entstehung der Moderne[49], das Wort Rassismus selbst ist jedoch eine relativ junge Sprachschöpfung. Eine exakte Datierung der Entstehung des Begriffs ist nicht möglich. Sicher ist aber, dass er im englischen Sprachraum als „racism“ in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts zuerst aufgetaucht war. Rassismus war der Name eines Buches, dass der Deutsche Magnus Hirschfeld bereits 1933/34 verfasste, aber erst einige Jahre später in Großbritannien publizierte.[50] Hirschfeld benutzte Rassismus zunächst als politischen Kampfbegriff, mit dem er sich gegen die Propaganda der „Rassenideologie“ und die nationalsozialistische Politik wendete. Darüber hinaus versuchte er aber auch, die Theorien über „Rasse“ des 19. Jahrhunderts als pseudowissenschaftlich zu widerlegen. Hirschfeld gab jedoch in seinem Werk Rassismus keine explizite Definition dessen, was formal mit diesem Begriff verbunden war. In den späten 30er und frühen 40er Jahren des 20. Jahrhunderts entstand vor allem im englischsprachigen Raum eine intensive Debatte über Rassismus. Einigkeit bestand bei den AutorInnen in der Erkenntnis, dass eine Ausgrenzung von Menschen auf Grundlage „rassischer“ Kriterien keine Legitimation besäße und dies als „racism“, als Rassismus, zu bezeichnen sei. Nur selten wurde aber der „Rasse“-Diskurs gänzlich verworfen, denn viele AutorInnen hielten an der Kategorie zur Systematisierung menschlicher Erscheinung fest.[51]
2.1.2.2 Etablierung des Begriffs Rassismus nach 1945
Die Diskussion um den Begriff Rassismus entwickelte in den Jahrzehnten nach 1945 zwei Stränge. Zum einen erfolgte in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen eine Auseinandersetzung mit den „Rasse“-Theorien und vor allem mit dem im Nationalsozialismus praktizierten Rassismus. Heute gibt es gerade auch im englisch- und französischsprachigen Raum eine Vielzahl von RassismustheoretikerInnen, die das Phänomen des Rassismus in seinen historischen und sozialwissenschaftlichen Ausprägungen erforschen. Zum anderen wurde der Begriff Rassismus auf Ausgrenzungsmechanismen und -ideologien in verschiedenen Ländern angewandt. So rückte beispielsweise die alltägliche und strukturelle Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung in den USA als Rassismus in das Blickfeld der Öffentlichkeit. In Südafrika wurden die Diskriminierungspraktiken des Apartheidregimes mit dem Begriff Rassismus bezeichnet.[52] Auch viele ehemalige Kolonialstaaten wie Frankreich, Großbritannien oder die Niederlande sahen sich nach 1945 zu Debatten über innergesellschaftlichen Rassismus gezwungen, da im Zusammenhang mit den antikolonialen Befreiungskämpfen gerade Rassismus zum Instrument der Kritik an den Kolonialmächten wurde. Es kamen im Zuge der Dekolonialisation viele BewohnerInnen der ehemaligen Kolonien in die „Mutterländer“, was die Diskussion über Rassismus voran trieb.[53]
2.1.2.3 Die Schwierigkeit des Begriffs in Deutschland
Einen anderen Verlauf machte die Verwendung des Begriffs Rassismus in der Bundesrepublik Deutschland. Obwohl er in Nachbarländern wie Frankreich gängig war, spielte Rassismus als Begriff in den wissenschaftlichen und öffentlichen Debatten der Bundesrepublik Deutschland eher eine marginale Rolle. Rassismus war begrifflich tabuisiert. „In Germany the word Rassismus had too many associations with the Nazi era to be acceptable (...)“[54]. Tatsächlich schien dem Begriff immer die Konnotation der „rassisch“ begründeten Vernichtungspolitik der NationalsozialistInnen und die Gräueltaten des so genannten Dritten Reichs anzuhaften. Da Deutschland aber einen zumindest vordergründig proklamierten radikalen Bruch mit dem Naziregime vollzogen hatte, obwohl die Aufarbeitung der Vergangenheit genauso wie die Thematisierung von personellen oder inhaltlichen Kontinuitäten in Politik, Justiz, Wissenschaft und Gesellschaft kaum verwirklicht war, konnte es in dieser Logik folgerichtig auch keinen Rassismus mehr geben. „Aber auch in der Bundesrepublik lockert sich ein Nachkriegstabu: der Rassismus-Begriff wird vermehrt benutzt.“[55] Vor allem seit dem deutlichen Anstieg von physischer Gewalt gegen Flüchtlinge und anders aussehende Menschen Anfang der 1990er Jahre findet die Bezeichnung Rassismus sowohl im wissenschaftlichen als auch im öffentlichen Raum eine breitere Verwendung.[56] Dennoch bleibt anzumerken, dass in Diskussionen über Anfeindungen, Diskriminierung und Gewalt gegenüber den genannten Personen vorzugsweise das Wort „Ausländerfeindlichkeit" oder „Fremdenfeindlichkeit“ statt Rassismus verwendet wird.[57] Die negative Konnotation sowie die Scheu vor dem Wort Rassismus scheinen weiterhin Bestand zu haben.
2.2 Zur Begriffsbestimmung von Rassismus
Was verbirgt sich nun hinter dem Phänomen Rassismus? Welches Verhalten kann als rassistisch bezeichnet werden? Rassistische Zuschreibungen scheinen sich je nach historisch-sozialer und gesellschaftspolitischer Situation zu unterscheiden: Die Diskriminierung der Schwarzen in den USA unterschied sich beispielsweise vom Apartheidregime in Südafrika. Dennoch ist es möglich, Kernelemente und Grundzüge des Rassismus auszumachen und ihn als sozialwissenschaftliche Kategorie zu definieren. Dabei ist darauf zu achten, dass eine sinnvolle Rassismusdefinition weder zu eng noch zu weit gesteckt sein darf, da ein inflationärer Gebrauch die Erklärungskraft verringert.[58] Im folgenden Kapitel sollen zunächst die Grundgedanken einiger ausgewählter Rassismustheoretiker dargestellt werden. Dies ermöglicht anschließend, eine eigene Definition von Rassismus zu skizzieren.
2.2.1 Definitionsansätze moderner Rassismustheoretiker
2.2.1.1 Wertung von (biologischen) Unterschieden: Albert Memmi
Ein Definitionsansatz, der sehr oft herangezogen wird, um das Phänomen Rassismus zu bestimmen, ist die Definition des aus Tunesien stammenden Honorarprofessors für Kultursoziologie an der Pariser Universität Sorbonne, Albert Memmi. Er begreift Rassismus als Festlegung und Instrumentalisierung von realen oder imaginären Unterschieden im Dienst der Rechtfertigung von Herrschaft, aggressivem Verhalten und der Durchsetzung von Interessen. Weit gefasst versteht Memmi Rassismus als die „(...) verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Vorteil des Anklägers und zum Nachteil seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen“[59]. Dabei ist ihm wichtig zu betonen, dass es „(...) Herrschaft an sich (ist), die den Rassismus benutzt“[60]. Um diese Begriffsbestimmung noch zu präzisieren, bezieht Memmi Rassismus im strengen Wortsinn ausschließlich auf den biologischen Gehalt: „Der Begriff Rassismus passt genau für die biologische Bedeutung, und ich schlage vor, ihn zukünftig ausschließlich für den Rassismus im biologischen Wortsinne zu gebrauchen“[61]. Der so verstandene Rassismusbegriff bei Memmi enthält zwar zentrale Elemente, die für eine Definition von Rassismus wichtig sind, so beispielsweise die Verabsolutierung von realen oder imaginären Unterschieden. Dennoch stellt diese Begriffsbestimmung keine überzeugende analytische Definition dar, da sie das Spezifische des Rassismus gegenüber anderen Ausgrenzungsformen nicht exakt erfasst. Denn nach Memmis Definition würde auch sexistisches oder behindertenfeindliches Verhalten unter den so gewählten Begriff fallen, weil auch im Sexismus eine Verabsolutierung und Bewertung von realen und fiktiven (biologischen) Unterschieden zum Nachteil des „Opfers“ statt findet. Weiterhin trifft Memmi keine Aussage darüber, ob die im Rassismus vorgenommenen Wertungen positiv oder negativ sind. Auch hier sollte eine analytische Präzision erfolgen. Darüber hinaus stellt er zwar in einem Interview fest, dass Rassismus sich „(...) in der Gegenwart also nicht mehr auf biologische oder soziobiologische, sondern auf ethnische, kulturelle und religiöse Unterschiede“[62] bezieht. Dem kann er aber mit seiner Begriffsbestimmung nicht Rechnung tragen.
Ebenso steht bei ihm der individuelle, vom Einzelnen ausgehende Rassismus stark im Vordergrund, gesellschaftliche Strukturen und Mechanismen finden jedoch keine Beachtung. Es gilt also, nach einer differenzierteren Begriffsbestimmung zu suchen.
2.2.1.2 Rassenkonstruktion als Bedeutungskonstitution: Robert Miles
Robert Miles, ehemaliger Professor für Soziologie an der Universität Glasgow, stellt in seiner Definition von Rassismus weniger den individuellen Aspekt in den Vordergrund, sondern wendet den Begriff nur auf ideologische Phänomene an und versucht „(...) Rassismus durch seinen ideologischen Gehalt, nicht durch seine Funktion zu definieren“[63]. Mit einer Begriffsbestimmung können seiner Ansicht nach kein historisch konkreter Gehalt, sondern nur allgemeine ideologische Merkmale bestimmt werden. Der ideologische Gehalt des Phänomens Rassismus zeichnet sich nach Miles zunächst durch eine „Bedeutungskonstitution“ aus. Eine Gruppe von Menschen wird anhand eines „oder mehrerer biologischer Merkmale“ als „Kollektivgruppe“ in der Weise definiert, „(...) dass ihr ein naturgegebener, unwandelbarer Ursprung und Status und von daher eine ihr innewohnende Differenz anderen Gruppen gegenüber zugeschrieben werden“[64]. Das Anderssein der Gruppe erscheint als eine ihr inhärente Tatsache, soziale Verhältnisse werden naturalisiert. Es erfolgt eine „racialisation“, eine „Rassenkonstruktion“ als ein „(...) Prozess der Grenzziehung zwischen verschiedenen Gruppen, wobei bestimmte Personen, primär mit Bezug auf (angenommene) angeborene (gewöhnlich phänotypische) Merkmale innerhalb dieser Grenzen verortet werden“[65]. Darüber hinaus wird die so gekennzeichnete Gruppe mit zusätzlichen, negativ bewerteten sozialen, kulturellen oder biologischen Merkmalen besetzt. Erst mit dieser zusätzlichen Zuschreibung von negativen Merkmalen und Eigenschaften spricht Miles von Rassismus. Weiterhin können sich die Merkmale, die zu Bedeutungsträgern werden, historisch verändern und sich auch nicht sichtbare, reale oder fiktive Merkmale zu Bedeutungsträgern einer „Rassenkonstruktion“ entwickeln.[66]
Nach Miles ist Rassismus eine „Ideologie der Aus- und Eingrenzung“.[67] Obwohl Miles hier von Rassismus als Ideologie der Aus- und Eingrenzung spricht, möchte er sich in seiner Begriffsbestimmung nur auf das ideologische Phänomen beziehen und Rassismus im Interesse theoretischer Genauigkeit konkret von der Ausgrenzungspraxis trennen.[68] Es ist Miles zwar in seiner These zuzustimmen, dass Ausschließungspraxen verschiedene Ursachen haben können und nicht zwangsläufig das Ergebnis von Rassismus sind, dennoch erscheint diese Trennung zwischen Ideologie und Praxis wenig sinnvoll. Ideologien werden durch Menschen umgesetzt, indem ihr Verhalten durch ideologische Theorien bis zu einem gewissen Grad beeinflussbar ist. Ferner scheint mit solch einer Unterscheidung die begriffliche Genauigkeit zu verschwinden, wenn der Begriff Rassismus sich nur auf die Ebene der Ideologie beschränkt, aber seine praktischen Auswirkungen, z. B. als Abwertung oder Ausgrenzung von Menschen, mit einem anderen Begriff bezeichnet werden. Der Begriff sollte den Gesamtprozess der Abwertung von Andersheit und Ausgrenzung von bestimmten Menschengruppen erfassen. Dennoch ist Miles Begriffsbestimmung von Rassismus wesentlich differenzierter als die von Memmi. Miles löst sich von der unbedingten Wertung biologischer Merkmale, bezieht auch soziokulturelle Merkmale mit ein, und gesteht den Merkmalen geschichtliche Variationsmöglichkeiten zu.
2.2.1.3 Rassismus ohne „Rassen“ als differentialistischer Rassismus: Etienne Balibar
Für den französischen Philosoph Etienne Balibar ist Rassismus zunächst ein „gesellschaftliches Verhältnis“[69]. Rassistische Erscheinung „(...) hat keine festen Grenzen, sie ist ein Moment der Entwicklung, das je nach (...) historischen Umständen und Kräfteverhältnissen in der Gesellschaftsformation einen anderen Platz im Spektrum möglicher Rassismen einnehmen kann.“[70] Balibar sieht den Rassismus abhängig vom historischen, politischen und soziokulturellen Kontext einer Gesellschaft.[71] Um historische Entwicklungswege des Rassismus nachzuzeichnen, bedient sich Balibar verschiedener Unterscheidungsformen des Rassismus: theoretischer (als Doktrin) und spontaner Rassismus (als Vorurteil), nach außen und nach innen gerichteter Rassismus (zum Beispiel gegen minorisierte Gruppen im nationalen Raum) oder ausschließender (als Ausrottung, Eliminierung) und einschließender Rassismus (verbunden mit Unterdrückung, Ausbeutung).[72] Mit dieser systematischen Unterscheidung verdeutlicht Etienne Balibar, dass es keinen invarianten Typus von Rassismus gibt, der allgemeine, überhistorische Gültigkeit besitzen würde.
Balibars Werk ist aber vor allem durch seine Begriffsbestimmung des gegenwärtigen Rassismus bedeutsam. Für ihn stellt der heutige Rassismus einen „Rassismus ohne Rassen“ oder einen „Neorassismus“ dar. Es ist für ihn eine Form von Rassismus, „(...) dessen vorherrschendes Thema nicht mehr die biologische Vererbung, sondern die Unaufhebbarkeit der kulturellen Differenzen ist; eines Rassismus, der – jedenfalls auf den ersten Blick – nicht mehr die Überlegenheit bestimmter Gruppen oder Völker postuliert, sondern sich darauf beschränkt, die Schädlichkeit der Grenzverwischung und die Unvereinbarkeit der Lebensweisen und Traditionen zu behaupten“[73]. Das zentrale Kennzeichen dieses kulturellen Rassismus stellt das Verwerfen des Begriffs „Rasse“ zugunsten der Begriffe Ethnizität oder Kultur dar.[74] Balibar schließt mit einer solchen Definition an den französischen Politologen Pierre-André Taguieff an, der diese Erscheinungsform einen „racisme differentialiste, sur des bases culturalistes“[75] nannte. Taguieff betonte ebenfalls die Transformation des Begriffs „Rasse“ zu Ethnizität und den Wandel der Zuschreibung eines genetischen Mangels, wie er in den „Rasse“-Theorien vor 1945 postuliert wurde, hin zur Zuschreibung von Kulturdefiziten. Kultur wird im differentialistischen Rassismus nach 1945 zum quasi natürlichen Merkmal, denn „(...) auch die Kultur (kann) durchaus als eine solche Natur fungieren, ganz besonders als eine Art und Weise, Individuen und Gruppen a priori in eine Ursprungsgeschichte, eine Genealogie einzuschließen (...)“[76].
Somit wird menschliches Verhalten nicht durch die Zugehörigkeit zu einer „Rasse“ determiniert, sondern der Mensch ist unveränderlich durch seinen kulturellen Ursprung bestimmt. Balibar verdeutlicht somit eine zentrale These der aktuellen Forschung, nämlich, dass die Kategorie „(...) ‚Kultur‘ mittlerweile einen ‚Rasseersatz‘ darstellt und dass sich der neue Rassismus durch ‚Kulturalismus‘ – statt wie bisher durch Biologismus – auszeichnet (...).“[77] Publikationen und Schriften der so genannten Neuen Rechten im gesamten europäischen Raum verdeutlichen, dass diese Entwicklung auch für Deutschland Gültigkeit besitzt.[78]
2.2.2 Rassismus als komplexes Phänomen: das Konzept dieser Arbeit
Rassismus stellt für die Autorin ein komplexes Phänomen dar, so dass nicht ein Wesen oder eine Erscheinungsform von Rassismus ausgemacht werden kann. Statt dessen spielen verschiedene ideologische Diskurse[79] eine Rolle, die dem Rassismus unterschiedliche Formen geben. In diesen Diskursen ist zwischen biologistischen und kulturalistischen Argumentationssträngen zu unterscheiden. Die biologistischen Stränge speisen sich aus den historischen „Rasse“-Theorien, die auch heute noch im kollektiven Gedächtnis verwurzelt sind. Die kulturalistischen Argumentationslinien gründen sich demgegenüber auf kulturelle und ethnische Unterschiede, was von der Rassismusforschung als „Neorassismus“ oder „differentialistischer Rassismus“ bezeichnet wird.
Gemeinsam ist beiden Argumentationslinien zunächst die Konstitution einer Gruppe aufgrund von phänotypischen, kulturellen oder sozialen Merkmalen als quasi natürliche Herkunftsgemeinschaft oder Abstammungsgruppe. Zusätzlich werden dieser Gruppe negative, reale und/oder fiktive, biologische, kulturelle und/oder soziale Eigenschaften zugeschrieben, was diese Gruppe wesensmäßig anders macht und der eigenen Gruppe gegenüber als nicht gleichwertig, als „minderwertig“ einstuft. Verbunden damit sind Ausgrenzungsmechanismen gegenüber dieser Gruppe bzw. die Macht, diese Ausgrenzungsmechanismen gegenüber der so definierten Gruppe durchzusetzen.
Angelehnt an die niederländische Rassismusforscherin Philomena Essed wird weiterhin zwischen Rassismus auf der Mikroebene und in Makrostrukturen unterschieden. Rassismus auf der Mikroebene zeigt sich in der Gesamtheit von Haltungen, Überzeugungen, Einstellungen, Stereotypen, Vorurteilen und Abwertungen, die keineswegs nur in offener und extremer Form, sondern auch subtil, unauffällig und verdeckt auftreten, alltäglich oft unbewusst reproduziert werden und häufig unhinterfragt bleiben. Dies wird von AutorInnen als „Alltagsrassismus“[80] (Rudolf Leiprecht), „Alltäglicher Rassismus“[81] (Philomena Essed), „Informeller Rassismus“[82] (Stephen Castles) oder als „individueller Rassismus“[83] (Anja Meulenbelt) bezeichnet. Dennoch darf der Blick auf die Makroebene nicht versperrt bleiben: „Es stellt sich in zunehmendem Maße heraus, dass der gegenwärtige Rassismus ein strukturelles Phänomen ist, d. h. in den Strukturen unserer Gesellschaft verankert ist.“[84] In diesem Sinn wird nach Robert Miles Rassismus auf der Makroebene in dieser Arbeit als „institutioneller Rassismus“ definiert. Darunter sind alle institutionalisierten Formen von Ausgrenzung, alle Strukturen wie Gesetze, politische Bestimmungen oder administrative Praktiken gefasst, die Formen der systematischen Ausschließung von ethnisch oder phänotypisch definierten Gruppen beinhalten. Diese Formen basieren jedoch zusätzlich, wie Miles dies definierte, historisch oder aktuell auf einem rassistischen Diskurs.[85] Rassismus tritt nicht als einheitliches Phänomen auf, sondern stellt sich sowohl als Ideologie, Struktur sowie Denk- und Handlungsweise – beeinflusst durch die jeweilige historische und gesellschaftspolitische Situation – dar. Doch wie entsteht Rassismus – welche Erklärungen gibt es dafür?
2.3 Theorien über die Entstehung von Rassismus
Wie entsteht Rassismus, welche Faktoren sind dabei relevant? Die Antworten darauf sind vielfältig und je nach wissenschaftlicher Fachrichtung und je nach Standpunkt gänzlich verschieden. Da von den Erklärungsmodellen Ziele und Methoden der Strategien gegen Rassismus und ihre politische und pädagogische Umsetzung abhängen, werden nun im nächsten Kapitel ausgewählte Theorien für das Entstehen von Rassismus dargestellt und in ihren zentralen Aussagen kritisch hinterfragt. Im Anschluss daran wird der in dieser Arbeit favorisierte Erklärungsansatz für das Entstehen von Rassismus herausgearbeitet.
2.3.1 Psychologische und psychoanalytische Erklärungsansätze
2.3.1.1 Rassismus als Abspaltung innerer Persönlichkeitsanteile: Erklärungsansätze der Psychoanalyse
Psychoanalytische Erklärungsmuster basieren alle mehr oder weniger auf dem Freudschen Modell, „(...) nach welchem das Ich eine Art Dreifrontenkrieg gegen das Über-Ich, das Es und die Realität zu führen hat (...)“[86]. Sie gehen auf die zentralen Thesen Sigmund Freuds (1856-1939) zurück, nach denen die Welt für die Individuen in ein „Innen“ und ein „Außen“ getrennt ist, die kindliche Entwicklung sich in psychosexuellen Phasen vollzieht und unbewusste Vorgänge des Ichs sich in Projektion, Abwehr und Abspaltungstendenzen verwirklichen. Rassistische Erscheinungsformen werden nun mit unterschiedlichen Argumentationslinien erklärt. Zunächst gibt es Erklärungsmodelle, die der Beziehung des Ichs zu seiner äußeren Realität eine zentrale Rolle zuweisen. Rassismus wird in den Modellen verstanden als „(...) Antwort auf bedrohliche Verschiebungen in der äußeren Realität“[87]. Unter bedrohlichen Verschiebungen werden dabei anomische und labilisierende Phänomene in der gesellschaftlichen Entwicklung gefasst, die sich in realen Konkurrenzverhältnissen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt oder gesellschaftlichen Absturzgefahren manifestieren können. Rassismus entsteht, weil das Individuum dazu tendiert, die Bedingtheit der „Realangst in den Konkurrenzverhältnissen“ nicht auf abstrakte, ökonomische oder gesellschaftliche Strukturen zurück zu führen, sondern „die Bedrohung zu personalisieren“ als „Angst vor Fremden“, so dass ein „Potpourri von Realangst und neurotischer Angst“ entsteht.[88]
Eine weitere Richtung rückt das Verhältnis von Ich und Es in das Zentrum der Betrachtung: „Im Konflikt des Ich mit dem Es werden Juden, Ausländer und Fremde auf vielfältige Weise zu Containern für ungeliebte libidinöse, aggressive und narzisstische Regungen.“[89] Als Beispiele sieht Ottomeyer die „Projektion der oralen Gier“ in dem Bild des Ausländers, der in der „sozialen Hängematte“ liegt und „auf unsere Kosten“ lebt.[90] Auch der Bezug zur analen Thematik, dem Säuberungswahn, wird in dem Bild des „Ausbrennen eines Schädlings und Krankheitserregers“, wie er im Nationalsozialismus geprägt wurde, hergestellt.[91] In dieser psychoanalytischen Betrachtungsweise kommt Rassismus quasi die Funktion eines Ventils für verdrängte und unterbewusste libidinöse oder narzisstische Empfindungen zu, die in den Stadien der psycho-sexuellen Entwicklung des Kindes als orale, anale und ödipale Thematik geprägt wurden.
In psychoanalytischen Erklärungsmustern wird das Entstehen von Rassismus als bewusste oder unbewusste Projektion von irgendwie gearteten Ängsten, abgespalteten Persönlichkeitsanteilen oder verdrängten Bedürfnissen begründet. Rassismus wird somit zu einem höchst irrationalen Phänomen, für das der Mensch selbst keine Verantwortung mehr trägt. Rassismus entsteht mit quasi unvermeidbarer Konsequenz. Man kann ihm weder politisch noch pädagogisch begegnen, da sein Ursprung in das Unbewusste des Individuums verlagert wird. Die gesellschaftliche Bedingtheit menschlichen Lebens und die Interaktion mit anderen Menschen werden in der Psychoanalyse ausgeblendet.
Obwohl es sinnvoll ist, die subjektive Konstruktion von Fremdheit zu betonen, erfährt dieser Aspekt dort seine Grenze, wo die Konstruktion verabsolutiert wird. Damit wird es relativ, wer zum Opfer der Projektion gemacht wird. Es könnte alle Menschen gleichermaßen treffen. Dies widerspricht jedoch der Realität, denn die Projektionen treffen bestimmte Gruppen und haben je nach Gruppe durchaus unterschiedliche Inhalte. Die psychoanalytischen Erklärungsmuster sind deshalb zur Erklärung für das Entstehen von Rassismus nicht hinreichend tragfähig.
2.3.1.2 Rassismus als Problem von Vorurteilen: Erklärungsansätze der Sozialpsychologie
Die Vorurteilsforschung ist ein in der Psychologie weit ausdifferenziertes und gut analysiertes Forschungsfeld zur Erklärung von abwertenden und rassistischen Denk- und Handlungsmustern. Sie entstand vor allem im angelsächsischen Raum nach 1945 im wissenschaftlichen Konsens des Zweifels an der natürlichen Hierarchie der „Rassen“. Die Vorurteilsforschung brach mit dem (wissenschaftlichen) Paradigma der selbstverständlichen Überlegenheit bestimmter Menschengruppen und deutete Rassismus statt dessen als Phänomen individueller Einstellungen und Wahrnehmungen der Menschen.[92] In den letzten Jahrzehnten hat sich die Vorurteilsforschung so stark ausdifferenziert, dass es schwierig ist, sie in all ihren Facetten und Komponenten darzustellen. Dennoch lassen sich einige zentrale Erklärungsrichtungen ausmachen. Es kann festgestellt werden, dass Vorurteile „(...) durch persönlichkeits- bzw. gruppenspezifische Prozesse ausgelöst werden und dabei auch anerzogen (zumindest durch den sozialen Status bestimmt) sind“[93]. Differenzierter stellt Georg Auernheimer die Erklärungsansätze der Vorurteilsforschung dar.[94] Er unterscheidet erstens psychodynamische Ansätze, in denen Vorurteile zur Abwehr gesellschaftlich verursachter Unsicherheit und zur Erhöhung des eigenen Selbstwertgefühls beitragen. Zweitens definiert Auernheimer kognitive Ansätze, in denen Vorurteile als Reduktion von Komplexität aufgrund eines Mangels an Kapazität zur Informationsverarbeitung entstehen. Drittens gibt es aber auch lernpsychologische Ansätze, die davon ausgehen, dass Vorurteile sozial und kulturell erlernt werden, und viertens sozialpsychologische Ansätze, in denen die Bildung von Vorurteilen mit Gruppen- und Konkurrenzsituationen zusammenhängt.
Eine umfassende Theorie, die viele der oben genannten Aspekte enthält, ist das Werk von Gordon W. Allport (1897-1967) Die Natur des Vorurteils (1954)[95]. Obwohl Allport zwar das Entstehen von Vorurteilen weitgehend individualpsychologisch begründet und es als „Problem der Persönlichkeitsbildung und -entwicklung“[96] definiert, lässt er auch Aspekte des sozialen und kulturellen Lernens nicht außer acht. Er begreift seinen Grundbegriff des „ethnischen Vorurteils“ als „(...) Antipathie, die sich auf eine fehlerhafte und starre Verallgemeinerung gründet. Sie kann ausgedrückt oder auch nur gefühlt werden. Sie kann sich gegen eine Gruppe als Ganze richten oder gegen ein Individuum, weil es Mitglied dieser Gruppe ist.“[97] Vorurteile beruhen nach Allport auf Verallgemeinerungen über Menschen, die nicht Teil der eigenen Gruppe (definiert nach Kriterien wie Religion, Ethnie, Nation) sind und als Fremdgruppe durch „Schlüsselreize“ oder „zentrale Symbole“ bestimmt werden.[98] Erst dann werden der Gruppe negative Eigenschaften zugeschrieben, wobei der emotionale Aspekt des negativen Urteils die Resistenz desselben verstärkt.[99] Allport fällt es jedoch schwer zu begründen, wann und warum Vorurteile zu bestimmtem Handeln oder Verhalten führen. Seine vage Formulierung, dass Vorurteile „sich irgendwann und irgendwo auch in Handlung“[100] ausdrücken, kann auch die konkrete Beschreibung des Verhaltens als Formen von Verleumdung, Vermeidung, Diskriminierung, Gewaltanwendung und Vernichtung nicht näher bestimmen.[101]
Es gilt zu fragen, ob Vorurteile als Generalisierungen, die komplexe Gruppierungen in einfache Kategorien reduzieren, meist negative Urteile enthalten und zur Abwertung von Fremdgruppen führen, das Entstehen von Rassismus ursächlich begründen können. Die Vorurteilsforschung kann zwar die lebensweltliche Reproduktion erklären, gibt aber infolge mehrerer Kritikpunkte keine schlüssige Erklärung für das Entstehen von Rassismus: Rassismus ist, wie bereits dargestellt wurde, ein komplexes Phänomen, das nicht nur individuell, sondern auch strukturell und ideologisch auf verschiedenen Ebenen in Erscheinung tritt. Die Vorurteilsforschung kann den ideologischen Charakter nicht erklären und hat, trotz der teilweisen Berücksichtigung sozialisationsrelevanter Faktoren, kaum gesellschaftstheoretische Fundierung. Auch die Aspekte gesellschaftlicher Machtverteilung bleiben unberücksichtigt, obwohl gerade diese eine entscheidende Rolle spielen: Zum Beispiel haben Vorurteile von Flüchtlingen gegenüber der Polizei eine andere Auswirkung als Vorurteile von Unternehmern gegenüber AsylbewerberInnen, die eine Arbeit suchen. Sicherlich äußert sich Rassismus auf der individuellen Ebene als Vorurteil, aber diese an der Vorurteilsforschung zu kritisierenden Punkte – die unzureichende Erklärungskraft, die Vernachlässigung gesellschaftlicher Bedingungen und die nicht vorhandene Berücksichtigung von Machtfaktoren – lassen die Vorurteilsforschung als unzureichend erscheinen, um die Entstehung von Rassismus in seiner Komplexität erklären zu können.
2.3.1.3 Rassismus als Problem der autoritären Charakterstruktur:
Erklärungsansatz der Kritischen Theorie
Ein in den letzten Jahrzehnten viel rezipiertes Erklärungsmuster für das Entstehen von antisemitischen und rassistischen Vorurteilen ist das Konzept der autoritären Persönlichkeit. In den Studien zum autoritären Charakter dokumentierten Vertreter des Frankfurter Instituts für Sozialforschung in den 1940er und 1950er Jahren die Wechselwirkung zwischen gesellschaftlichen Verhältnissen, Ideologien und psychischen Dispositionen der Individuen.[102][103] In ihrem Modell verbanden Adorno und andere Befunde aus der Vorurteilsforschung und der Psychoanalyse mit einem gesellschaftstheoretischen und ideologiekritischen Ansatz. Angesichts des breit akzeptierten Faschismus erforschten die Wissenschaftler in ihren Studien, ob es einen Zusammenhang zwischen der Anfälligkeit für Faschismus und individuellen Persönlichkeitsmerkmalen gäbe. Im Zentrum stand die Frage, warum manche Menschen empfänglicher für totalitäre Ideologien sind als andere und wie das potenziell faschistische Individuum zu charakterisieren ist.[104] Die Forscher entwickelten mittels Fragekataloge ein Schema von Skalen, das die Einstellungskomplexe Antisemitismus, Ethnozentrismus und politisch-ökonomischer Konservatismus umfasste. Als zentrales Ergebnis gilt die Entwicklung der F-Skala des Faschismus, in der sich Einstellungen der anderen Skalen verdichten und mit der, so die Autoren, präfaschistische Tendenzen gemessen werden könnten.
Verantwortlich für die unterschiedliche Empfänglichkeit von Menschen für Ideologien sowie für antisemitische und rassistische Vorurteile galt eine autoritäre Charakterstruktur. Diese ist unter anderem gekennzeichnet durch eine „Bindung an die konventionellen Werte des Mittelstands“, eine „autoritäre Unterwürfigkeit“, durch „autoritäre Aggression“ und ein „Denken in Dimensionen wie Herrschaft – Unterwerfung, stark – schwach, Führer – Gefolgschaft“.[105][106] Die autoritäre Persönlichkeit ist demnach geprägt von einer rigiden Orientierung an Normen und Autoritäten. Sie sucht nach Ordnungsvorstellungen und Führungsfiguren, denen sie sich unterwerfen kann und fordert nicht nur die eigene Unterwerfung, sondern auch die anderer Personen. Die Entstehung des autoritären Charakters wird von den Autoren psychoanalytisch begründet, wobei die elterliche, spätbürgerliche Erziehung eine entscheidende Rolle spielt: Die in der modernen Gesellschaft untergegangene väterliche Autorität verhindere eine vernünftige Verinnerlichung von Autorität und verlange eine „sadomasochistischen Lösung“ des „Ödipuskomplex“.[107] Beim Individuum „nimmt dessen Haltung gegenüber der Autorität und ihrer psychologischen Instanz, dem Über-Ich, einen irrationalen Zug an“[108]. Das Individuum könne sich deshalb nur sozial in die Gesellschaft integrieren, „(...) wenn es an Gehorsam und Unterordnung Gefallen findet (...)“[109]. Die Unterwerfung unter Ideologien fungiere dabei als Ersatz für das Über-Ich. Das Individuum buckele als „braver Untertan“ aber nicht nur nach oben, sondern tritt auch nach unten. Die, gegen die nach unten getreten wird, sind nach Auffassung der Autoren die „Sündenböcke“, gesellschaftlich definiert in historisch gewachsenen Stereotypen, gegen die sich die sadistische Aggression entlädt.[110] So ließe sich der aggressive Antisemitismus erklären.
Obwohl die Ergebnisse der Studien zum autoritären Charakter gerade durch ihr komplexes Zusammenspiel von sozialpsychologischen, psychoanalytischen und gesellschaftskritischen Variablen beeindrucken, muss gefragt werden, ob sie ein sinnvolles Erklärungsmodell sein können, um das Entstehen von Rassismus zu begründen. Entscheidend dürften dazu zwei Fragestellungen sein: Sind die Grundlagen dieser Studie heute noch gültig und kann die Studie Rassismus kausal und allgemeingültig erklären? Das zentrale Begründungsmoment der Autoren liegt in den Auswirkungen der spätbürgerlichen, autoritären Erziehung auf die Psyche und damit auf die Herausbildung von Charakterstrukturen. Da diese Form der autoritären Erziehung für die heutige Gesellschaft aber nicht mehr gültig ist, weil sich die bürgerliche Familie der damaligen Zeit genauso wie die streng patriarchalische Erziehung aufgelöst haben, müssten die Studien zum autoritären Charakter angesichts moderner Familienentwürfe in heutiger Zeit eine Neuauflage erfahren, um sie als Erklärungsmodell einbeziehen zu können. Ferner wird ein Strukturzusammenhang zwischen Autoritarismus und Empfänglichkeit für faschistische Ideologien nachgewiesen, der aber nur für eine bestimmte Zeit galt und deshalb nicht verallgemeinert werden kann. Somit ist das Erklärungsmodell der autoritären Persönlichkeit als kausales Modell für das Entstehen von Rassismus nicht genügend aussagekräftig.
2.3.2 Soziologische Erklärungsansätze
2.3.2.1 Der sozialisationstheoretische Erklärungsansatz: Wilhelm Heitmeyer
Anfang der 1990er Jahre wurde angesichts der vehement zu Tage tretenden rassistischen (Jugend-)Gewalt gegenüber Flüchtlingen und anders aussehenden Menschen ein Erklärungsansatz formuliert, der die Entstehung rechtsextremer Orientierung und die damit verbundene offensive rassistische Gewalt als Desintegrationsphänomen der modernen Risikogesellschaft begründet. Der berühmteste Vertreter dieses sozialisationstheoretischen Begründungsansatz ist Wilhelm Heitmeyer, der in seiner Bielefelder Rechtsextremismus-Studie auf eine Dauer von fünf Jahren mit 31 männlichen, westdeutschen Jugendlichen im Alter von 17-21 Jahren eine Langzeitstudie zur Erfassung rechtsextremer Orientierungen durchführte.[111] Heitmeyer griff in seiner Studie auf das Konzept des Soziologen Ulrich Beck zurück, der Deutschland seit Mitte der 80er Jahre im Übergang von einer Industriegesellschaft zu einer „Risikogesellschaft“ sah. Diese „Risikogesellschaft" ist gekennzeichnet durch eine stark zunehmende Enttraditionalisierung, durch Zerfall der traditionellen sozialen Milieus sowie durch eine damit einhergehende Pluralisierung von Lebensstilen und einer Individualisierung menschlichen Lebens. Dies beinhaltet für den Einzelnen zwar einerseits ein Mehr an Entscheidungsmöglichkeit zur Gestaltung des Lebens, aber andererseits auch ein Mehr an nötiger Verantwortungsübernahme, Unsicherheit und Unruhe. Diese Entwicklung führt dazu, dass „(...) die Menschen aus traditionellen Bindungen und Versorgungsbezügen herausgelöst sowie auf sich selbst und ihr individuelles Schicksal mit allen Risiken, Chancen und Widersprüchen verwiesen wurden und werden.“[112] Die mit der Modernisierung einhergehenden Individualisierungsschübe haben nach Heitmeyer Desintegrationsprozesse und gesellschaftliche Kontinuitätsbrüche zur Folge, die vor allem bei Jugendlichen zu Vereinzelungserfahrungen, Ohnmachtgefühlen und Handlungsunsicherheit führen. An diese Unsicherheiten knüpfen nun rechtsextreme Konzepte mit ihren rassistischen Einstellungen und scheinbaren Stabilitätsversprechen an: Zugehörigkeitsprinzipien wie „Nation, Hautfarbe, ‚Rasse‘“ gewinnen an Bedeutung, „die einem keiner nehmen“ kann und die „unabhängig von individuellen Leistungs- und Konkurrenzprinzipien" ihre vermeintliche Gültigkeit besitzen.[113] Nach Heitmeyer findet eine „Instrumentalisierung“ als Abwertung anderer Menschen statt. Rassismus als Ideologie der Ungleichwertigkeit, gepaart mit einer Akzeptanz von Gewalt als subjektivem Lösungsmittel, ist zentrales Merkmal des Rechtsextremismus und entsteht aufgrund sozioökonomischer Alltagserfahrungen, die sich in individuellen Einstellungen niederschlagen.
Ähnlich argumentierte auch bereits der Politikwissenschaftler Hajo Funke in seinen Untersuchungen zum Wahlerfolg der Republikaner Ende der 1980er Jahre. Auch er begründet den Erfolg rechtsextremer Parteien mit Hinweis auf soziale Missstände, fehlende Perspektiven und die desolate Situation der Zukurzgekommenen: „Sie sehen für sich keine Verbesserungsperspektiven und ihre Aufstiegs- und Veränderungsperspektiven gelten als nicht veränderbar. Subjektiv sehen sie sich bedroht und durch Ordnung, Sauberkeit und Nationalstolz sicher.“[114] Entscheidend ist also weniger die reale Bedrohungssituation als die subjektiven Bedrohungsgefühle, die von den Menschen wahrgenommen werden.
Die Thesen, die Heitmeyer und Funke aufstellten, sind von einigen ForscherInnen hinterfragt und widerlegt worden. Die Studie von Held, Horn, Leiprecht und Marvakis aus dem Jahr 1991 beispielsweise widerspricht sehr deutlich der zentralen These Heitmeyers, dass vor allem Desintegrationsphänomene für das Entstehen von rassistischen und rechtsextremen Einstellungen verantwortlich seien.[115] Ein wichtiges Ergebnis dieser Tübinger Studie beinhaltet die Existenz eines „Wohlstandschauvinismus“ oder eines „Rassismus der Leistungsgesellschaft“. Die AutorInnen stellten fest, dass es keinen Zusammenhang zwischen Desintegration und rassistischen Einstellungen gibt und sich Rassismus vielmehr auch bei den Nicht-Benachteiligten und den Modernisierungsgewinnern zeigt: „Es sind durchaus die Gewinner des Modernisierungsprozesses, die Tüchtigen, die Erfolgreichen, (...) die zu rechten Orientierungsmustern neigen“[116]. Mit diesen Ergebnissen wird die Aussagekraft der Heitmeyerschen Forschung als Erklärungsansatz reduziert. Die Desintegrationsphänomene der modernen Gesellschaft können Rassismus nicht ursächlichen erklären.
2.3.2.2 Rassismus als Teil des Gesellschaftsbildes: Der Ansatz von Even und Hoffmann
In ihrem Werk Soziologie der Ausländerfeindlichkeit interpretieren Lutz Hoffmann und Herbert Even „Ausländerfeindlichkeit“ als Abwehrreaktion der InländerInnen gegenüber einem sich abzeichnenden, durch die Anwesenheit von ausländischen Menschen hervorgerufenen Wandel ihrer Gesellschaft. Die Ausländerfeindlichkeit beruht nicht auf Vorurteilen, sondern speist sich aus dem „Gesellschaftsbild“ der InländerInnen, also aus selbstverständlich akzeptierten und geteilten Ideen, in denen eine „Beteiligung der Ausländer an dieser Gesellschaft (...) nicht vorgesehen“ ist.[117] Die Autoren gehen davon aus, dass dem deutschen Gesellschaftsbild die Vorstellung inhärent ist, dass zur Gesellschaft ausschließlich Deutsche gehören. Durch die Anwesenheit von ausländischen Menschen verändert sich nun die Gesellschaft in qualitativer Sicht so wesentlich, dass die Realität nicht mehr mit dem herrschenden Gesellschaftsbild übereinstimmt. Die AusländerInnen werden zu einem Bestandteil Deutschlands, sie erwerben eine „Statuspassage“, nämlich den sozialen Status und die gleichen Rechte wie die InländerInnen, ohne jedoch ihre nicht-deutsche Identität aufzugeben, also die „Identitätspassage“ zu erwerben.[118] So werden die ausländischen Menschen zwar in praktisch-technischen und formellen Gebieten zu InländerInnen, aber nicht im normativen und persönlichen Bereich im Sinne einer soziokulturellen Anpassung: „Sie werden Bürger, aber keine Deutsche.“[119] In der Auseinandersetzung mit diesem Widerspruch zwischen Gesellschaftsbild und Realität gibt es zwei Lösungswege: der eine liegt in der Erweiterung der kollektiven Identität und in der Akzeptanz Deutschlands als multikulturelles Land, der andere liegt in der Rück-Veränderung der Realität, um die gefährdete kollektive Identität zu stabilisieren. Dies manifestiert sich als Ausländerfeindlichkeit, welche die Vorstellung beinhaltet, „(...) dass die Ausländer legitimerweise nicht in vollem Umfang an den Rechten der Inländer partizipieren, sondern einen ihnen eigentümlichen Status verminderter Rechte innehaben“ sollten[120].
Auch dieser Erklärungsansatz ist kritisch zu hinterfragen.[121] Zunächst ist anzumerken, dass die beiden Autoren von der Existenz eines kollektiven deutschen Gesellschaftsbildes ausgehen. Sie definieren jedoch nicht, wie das Gesellschaftsbild entstand, von welchen Faktoren es beeinflusst wird und welcher Funktionsweise es unterliegt. Darüber hinaus ist in Frage zu stellen, ob eine kollektive Identität der Deutschen als starre, normative und monokulturelle Wesenseinheit überhaupt existiert. Auch hier wird außer acht gelassen, dass unsere Gesellschaft aus vielen verschiedenen Gruppen besteht, die selbst wenn man sie nur auf den ‚Inländerstatus' beschränkt, in ihren Normen, Wertvorstellungen und kulturellen Praxen durchaus heterogen sind. Weiterhin berücksichtigen die Autoren nicht, dass nicht nur durch die AusländerInnen, die als GastarbeiterInnen oder Flüchtlinge nach Deutschland kamen und kommen, die kollektive Identität der Deutschen – vorausgesetzt sie existiert – und das gesellschaftliche Erscheinungsbild verändert wird. Diese Veränderungen vollziehen sich beispielsweise auch durch ökonomische Importe aus anderen Kulturkreisen, wie etwa der Import der US-amerikanischen Fastfood-Kultur in all ihren Varianten. Auch dies hat das Erscheinungsbild der Gesellschaft zentral verändert, erzeugte aber keine ablehnende Haltung unter den Menschen. Das Fremde, welches das Gesellschaftsbild verändert, führt also nicht immer zu dessen Korrektur, sondern gilt unter bestimmten Umständen sogar als Eigenes. Das Spezifische der Ausländerfeindlichkeit wird somit nicht begründet. Die genannten Kritikpunkte machen die Thesen von Even und Hoffmann als Ganzes angreifbar.
2.3.3 Soziobiologischer Erklärungsansatz
In der soziobiologischen Begründung für das Entstehen von Rassismus lässt sich die „(...) Fremdenablehnung als Manifestierung einer angeborenen Bereitschaft – ‚Xenophobie‘ – postulieren“[122]. Als Ursache von Rassismus gilt also ein quasi natürliches, weil angeborenes und somit im Erbgut verankertes Verhalten. Rassismus als „spontane und natürliche Antwort“ auf „verschiedene Merkmale“ von Fremden wird zu einer „Reiz-Reaktions-Handlung“.[123] Diese Argumentation, die vor allem von dem Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt verfochten wird, stützt sich auf angeblich angeborene Verhaltensweisen, die bei Menschen und Tieren zu beobachten seien. Zu diesen „natürlichen“ Grundlagen gehören die angeborene Fremdenfurcht, wie sie beim „Fremdeln“ des Kleinkindes zu sehen ist, die Neigung zu Aggressivität auf Außenseiter bei Tieren und die Reaktion auf gruppenfremde Eindringlinge, die zu einer relativen Abgeschlossenheit von einzelnen Tiergruppen führt.[124] Nach Eibl-Eibesfeldt ist der Rückschluss von tierischem Verhalten auf das menschliche zulässig, weil sich verschiedene Kulturen zueinander wie „biologische Arten“ verhalten.[125]
Dieses soziobiologische Erklärungsmuster ist in seinen zentralen Aussagen und Voraussetzungen zu kritisieren und als „wichtigste Variante des Neorassismus“, nämlich der „Behauptung von der ‚Abgeschlossenheit der Kulturen und der angeborenen Xenophobie‘“[126] zu entlarven. Die von der Verhaltensforschung angeführten natürlichen Grundlagen der Xenophobie sind keineswegs derart universell, wie es postuliert wird. Gerade anthropologische Untersuchungen zur Fremdenfurcht des Kleinkindes belegen, dass dies eben kein universelles Verhalten ist, sondern in seinem Auftreten abhängt von der Häufigkeit des Zusammentreffens der Kinder mit anderen Menschen, von der Stellung in der Geschwisterreihe, vom Geschlecht und von der Art der Beziehung des Fremden zu den Eltern.[127] Dies belegt, dass ein solches Merkmal, das nur bei einigen Menschen und dort auch nicht beständig, sondern in Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren auftritt, kein universelles Merkmal sein kann. Auch das aggressive Verhalten im Tierreich auf Eindringlinge und Gruppenfremde ist, wie Forschungen zeigen, so nicht gegeben: „Bei einigen Tieren tritt sie (die Xenophobie, A.d.V.) auf, bei anderen fehlt sie ganz, und in manchen Fällen variiert dieses Verhalten innerhalb derselben Art in extremer Weise – in Abhängigkeit von den sozialen Bedingungen.“[128] Davon abgesehen ist eine Übertragung von tierischem auf menschliches Verhalten nicht zulässig, da menschliches Handeln und Verhalten nicht durch biologische Reize oder Instinkte determiniert ist, sondern durch kulturelle, soziale und gesellschaftliche Faktoren. Die „Natur“ ist für das Entstehen von Rassismus ein unzulängliches Erklärungsmuster.
2.3.4 Ökonomischer Erklärungsansatz
Das Entstehen von Rassismus wird von einigen AutorInnen auch mit ökonomischen Argumenten erklärt. So stellt zum Beispiel Werner Ruf die These auf, dass „hinter der Ausländerfeindlichkeit ein harter und realer ökonomischer Hintergrund steht“[129]. In seinem Aufsatz Ökonomie und Rassismus setzt er das Entstehen von Rassismus in Beziehung zur Etablierung der bürgerlich-kapitalistischen Produktionsweise. Seiner These nach ist Rassismus unmittelbar mit der kapitalistischen Ökonomie verbunden und lässt sich als Ideologie direkt aus dem Kapitalismus ableiten.[130] Dies belegt Ruf zunächst anhand der Sklaverei in den amerikanischen Kolonien und Plantagen. Die Entmenschlichung der schwarzen Bevölkerung mittels der wissenschaftlichen Einteilung und Abwertung von Menschengruppen gab der Sklaverei über ihre „rassische Definition“ eine scheinbare Legitimation.[131] Nach Ansicht des Autors steigerte die rassisch begründete Ausbeutung der Arbeitskraft der Sklaven die ökonomische Profitmaximierung in den westlichen Ländern immens und steht in direkter Beziehung zur kapitalistischen Entwicklung der westlichen Gesellschaften. Weiterhin sieht Ruf seine These am Beispiel der Arbeitskraftentwicklung in den so genannten Dritte-Welt-Ländern bestätigt. Im Zuge der Profitrealisierung wird heutzutage von den westlichen Industrienationen dorthin ausgewichen, wo die Arbeitskräfte billiger als im eigenen Land bzw. von dort billiger zu beziehen sind. Dies steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Rassismus: „Fest steht für den Rassisten, dass die Billig-Arbeitskräfte den Schritt zum mitteleuropäischen Kulturmenschen allesamt noch nicht geschafft haben“[132]. Die Konstruktion von Menschen als nicht gleichwertig zueinander hat weiterhin Bestand, erfolgt aber nun kulturell begründet. Im Resultat ändert sich jedoch nichts an der Tatsache, dass die rassistische Argumentation dazu beiträgt, die ökonomische Profitmaximierung über eine Aufspaltung des Lohnsystems in „pigment- oder kulturgebundene“ Löhne zu realisieren.[133] Weiterhin liegt die direkte Beziehung zwischen dem Entstehen von Rassismus und ökonomischen Interessen darin, dass der „wirtschaftliche Kampf“ mit dem Kampf um die „Eigenart synonym gesetzt“ wird und somit eine „zentrale Komponente völkischer Ideologie“ aufweist.[134]
[...]
[1] Aus diesem Grund wird in dieser Arbeit der Begriff „Rasse“ in Anführungszeichen gesetzt. Die Existenz von wie auch immer gearteten menschlichen „Rassen“ wird abgelehnt. Die Historie zeigt auf, dass der Begriff „Rasse“ ab dem 19. Jahrhundert dazu diente, menschlichen Gruppen einen Status von Über- bzw. Unterlegenheit zuzuweisen. Die Entwicklung des Begriffs „Rasse“ wird hier nur skizzenhaft dargestellt.
[2] Conze, Werner: Rasse, in: Brunner, Otto; Conze, Werner; Koselleck Reinhardt (Hrsg.): Geschichtliche Grundbegriffe: Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Band 5, Stuttgart 1984, S. 135-178., S. 137.
[3] Geiss, Imanuel: Geschichte des Rassismus, Frankfurt am Main 1988, S. 16.
[4] Neben dieser etymologischen Herleitung des Wortes „Rasse“ finden sich bei Conze, Werner, a.a.O. noch weitere Ableitungen, beispielsweise vom lateinischen Wort „radix“ (Wurzel) oder aus dem Germanischen, nach dem Wort „reiza“ (Genealogische „Linie“). Vgl. dazu Conze, Werner, a.a.O., S. 137.
[5] Ebenda.
[6] Terkessidis, Mark: Psychologie des Rassismus, Opladen 1998, S. 85.
[7] Geiss ( Geiss, Imanuel, a.a.O., S. 116ff) stellt klar, dass das Kriterium, „Jude zu sein“ in der spanischen Gesellschaft nicht als unveränderliches Kriterium angesehen wurde. 1492 wurden die Juden im spanischen Raum aufgefordert, sich unter Zwang taufen zu lassen oder das Land zu verlassen. Dem widerspricht Conze, der mit dem Zwangsbekehrungsedikt die Juden als „Rasse“ ins europäische Bewusstsein gerückt sieht. Vgl. dazu: Conze, Werner, a.a.O., S. 140.
[8] Guillaumin, Colette: Zur Bedeutung des Begriffs „Rasse“, in: Institut für Migrations- und Rassismusforschung e.V.: Rassismus und Migration in Europa, Hamburg 1992, S. 77-87, S. 81.
[9] Siehe dazu:Terkessidis, Mark, a.a.O., S.89.
[10] Einen guten Überblick über die Systematisierung menschlicher Erscheinungsformen im 17. und 18. Jahrhundert liefern Conze, Werner, a.a.O., S. 142ff und Mosse, George L.: Rassismus. Ein Krankheitssymptom in der europäischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Königstein 1978, S. 9ff.
[11] Geiss, Imanuel, a.a.O., S. 148.
[12] Banton, Michael: Racial Theories, Cambridge 1998, S.17. Banton skizziert den Einfluss der Vorstellungen von Monogenese und Polygenese im 16. und 17. Jahrhundert auf den Begriff „Rasse“.
[13] Eine ausführliche Darstellung der Werke der benannten Wissenschaftler und Philosophen findet sich in: Conze, Werner, a.a.O., S. 143ff. Darüber hinaus sei darauf hingewiesen, dass die Systema naturae zunächst lediglich Pflanzen kategorisierte und erst später auf Tiere und Menschen ausgeweitet wurde.
[14] Eine detaillierte Darstellung der Entwicklung des Werks von Carl von Linné findet sich in: Conze, Werner, a.a.O., S. 145f.
[15] Geiss, Imanuel, a.a.O., S. 161f.
[16] Conze, Werner, a.a.O., S. 151.
[17] Meiners, Christoph: Grundriß der Geschichte der Menschheit, Lemgo 1785, S. 21f, zitiert nach: Conze, Werner, a.a.O., S. 152. Christoph Meiners griff mit seiner Systematisierung der Menschengruppen auf die Arbeiten des Göttinger Anthropologen Johann Gottfried Blumenbach zurück, der die Existenz einer kaukasischen „Rasse“ zehn Jahre vor Meiners postulierte. Blumenbach nahm eine wertende Abstufung der Menschheit nach ästhetischen Gesichtspunkten vor. Vgl. hierzu: Geisen, Thomas: Antirassistisches Geschichtsbuch: Quellen des Rassismus im kollektiven Gedächtnis der Deutschen, Frankfurt 1996, S. 17.
[18] Conze, Werner, a.a.O., S.155f.
[19] Eine Übersicht über die Willkürlichkeit der Einteilung von Menschengruppen in „Rassen“ stellt Immanuel Geiss in einem Schaubild über „Rassenkonzepte“ zusammen: Geiss, Imanuel, a.a.O., S. 142ff.
[20] Geisen, Thomas, a.a.O., S. 20f.
[21] Der Fund des indischen Sanskrits Ende des 18. Jahrhunderts hatte zu einer allgemeinen Bewunderung der altindischen Kultur geführt. Mit der Entdeckung der Sprachverwandtschaft der späteren indogermanischen Sprachen schlussfolgerte nun beispielsweise der Romantiker Friedrich Schlegel einerseits, dass der Ursprung aller Kultur in Indien liege, und andererseits, dass die Sprachenverwandtschaft auch auf eine gemeinsame „rassische“ Abstammung schließen lässt. Da der Sanskrit die Sprache der obersten indischen Kaste darstellte, deren Ahnen die Arier waren, wurde die Verwandtschaft der indoeuropäischen Sprachen mit „arischer Rasse“ gleichgesetzt. Dieser „arische Mythos“ breitete sich nicht nur in Deutschland aus, sondern auch in anderen europäischen Ländern wie Frankreich oder England und in den USA. Vgl. zur Entstehung des arischen Mythos: Geiss, Imanuel, a.a.O., S. 162ff.
[22] Ebenda, S. 168.
[23] Gobineau, Arthur de: L’Inégalité des Races, Paris 1984, 11853/55, S. 215. Übersetzt bedeutet das Zitat: „Das lehrt uns die Geschichte. Sie zeigt uns, dass jegliche Zivilisation von der weißen Rasse abstammt, dass keine einzige existieren würde ohne die Beihilfe dieser Rasse...“.
[24] Ebenda, S. 44.
[25] Ebenda, S. 41.
[26] Geiss, Imanuel, a.a.O., S. 169.
[27] Vgl. dazu: Geisen, Thomas, a.a.O., S. 27.
[28] Dies entspricht nicht der Intention Darwins, da dem englischen Wort „fit“ nicht die Bedeutung „stark“ entspricht, sondern „(gut) angepasst“. Siehe hierzu auch: Oxford English Dictionary, wo „fit“ unter anderem mit „well adapted for“ oder „to live in harmony with“, jedoch nie mit „strong“, im Sinne von „stark“ assoziiert wird. Hornby: Oxford Advanced Learner’s Dictionary of current English, Fourth Edition, Oxford 1989, S. 461.
[29] Mosse, George L., a.a.O., S. 70.
[30] Eine ausführliche Darstellung des Werk von Sir Francis Galton befindet sich in: Ebenda, S. 71ff.
[31] Meier-Mesquita, Cintia: Rassismus und antirassistische Erziehung, Freiburg 1999, S. 38ff.
[32] Geisen, Thomas, a.a.O., S. 25f.
[33] Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts, München 1922, S. 376.
[34] Ebenda, S. 282.
[35] Geiss, Imanuel, a.a.O., S. 173.
[36] Mosse, George L., a.a.O., S. 100.
[37] Hitler, Adolf: Mein Kampf, zitiert nach: Gamm, Hans-Jochen: Führung und Verführung, Pädagogik des Nationalsozialismus, München 1990, S. 58f.
[38] Keim, Wolfgang: Erziehung unter der Nazi-Diktatur, Band II, Kriegsvorbereitung, Krieg und Holocaust, Darmstadt 1997, S. 3.
[39] Eine sehr detaillierte Darstellung der exponiertesten pädagogischen Akteure des Nationalsozialismus liefert Hermann Giesecke. Er stellt die Ideen von Ernst Krieck, Alfred Bäumler und Baldur von Schirach in ihren Konzepten und ihrer praktischen Umsetzung dar. Vgl. dazu: Giesecke, Hermann: Hitlers Pädagogen. Theorie und Praxis nationalsozialistischer Erziehung, Weinheim und München 1993.
[40] Olbrich, Josef: Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland, Bonn 2001, S. 222. Ein anderer geisteswissenschaftlicher Pädagoge, der auch in verschiedenen Aufsätzen Adolf Hitler verherrlichte, ist Theodor Wilhelm. Er gab zwischen 1933-1945 zusammen mit Alfred Bäumler die Internationale Zeitschrift für Erziehung heraus. Vgl. dazu: Keim, Wolfgang (Hrsg.): Pädagogen und Pädagogik im Nationalsozialismus – Ein unerledigtes Problem der Erziehungswissenschaft, Frankfurt am Main 1988, S. 23.
[41] Geiss, Imanuel, a.a.O., S. 281.
[42] Ebenda, S. 282.
[43] Ebenda, S. 283.
[44] Einen Überblick über die Diskussionen zur Verfassung der Deklaration liefern: Weingart, Peter; Kroll, Jürgen; Bayertz, Kurt: Rasse, Blut und Gene: Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene in Deutschland, München 1995, S. 602 ff.
[45] Dass es vor allem den GenetikerInnen und AnthropologInnen schwer fiel, auf „Rasse“ als Begriff zu verzichten, zeigte sich daran, dass in der erste Deklaration, hauptsächlich von SozialwissenschaftlerInnen verfasst, einige Formulierungen auf argen Widerstand der zuerst genannten Gruppe stießen. Auf Druck der Anthropologen und Genetiker wurde eine zweite Deklaration verfasst, die wiederum, nun von der anderen Seite, auf viel Kritik und Widerstand stieß. Letztendlich wurde 1951 die Deklaration verabschiedet, welche aber nur bei 23 von 80 beteiligten WissenschaftlerInnen auf volle Zustimmung stieß, 26 stimmten im Grundsatz zu, 31 WissenschaftlerInnen hatten (aus den unterschiedlichsten Motiven) Einwände oder substanzielle Kritik. Vgl. dazu Weingart, Peter; Kroll, Jürgen; Bayertz, Kurt, a.a.O., S. 605ff.
[46] Dies gilt vor allem für den deutschsprachigen Raum. Im englischsprachigen Raum findet der Begriff „race“ dagegen eine breite Verwendung im politisch-öffentlichen und gesellschaftlichen Diskurs: als Gesetzesbegriff („race relations act“), in den Sozialwissenschaften („race relations“) oder in der Alltagssprache („race riots“). Der Begriff „race“ hat einerseits eher eine kulturelle Bedeutung und ist weniger geschichtlich belastet als in Deutschland. Andererseits wird er auch klar als politischer Agitationsbegriff von diskriminierten Gruppen verwendet. Vgl. dazu: Leiprecht, Rudolf: Alltagsrassismus. Eine Untersuchung bei Jugendlichen in Deutschland und den Niederlanden, Münster 2001, S. 30 und Bielefeld, Ulrich (Hrsg.): Das Eigene und das Fremde. Neuer Rassismus in der Alten Welt? Hamburg 1998, S. 17f.
[47] Lewontin, Richard C.; Rose, Steven; Kamin, Leon J.: Die Gene sind es nicht...Biologie, Ideologie und menschliche Natur, München und Weinheim 1988, S. 99.
[48] Ebenda, S. 102.
[49] Über die Entstehung des Rassismus bestehen unterschiedliche Ansichten: Viele Autoren verbinden mit Rassismus das aus dem „Rasse“-Denken der Moderne (auf Grundlage von Industrialisierung und Kolonialisierung) hervorgegangene Gedankengut und Verhalten, so beispielsweise Miles, Robert: Rassismus. Einführung in die Geschichte und Theorie eines Begriffs, Hamburg 1991, S. 63 oder Banton, Michael, a.a.O., S.171. Im Gegensatz dazu bezeichnet Geiss dieses als „modernen Rassismus“, dem er „proto-rassistische“ Dispositionen (Xenophobie, Endogamie, Blutreinheit, etc.) gegenüberstellt (Geiss, Imanuel, a.a.O., S.48). Diesen Proto-Rassismus gab es bereits in der weiteren Vorgeschichte des Rassismus, die Geiss in dem Zeitraum von 1500 v. Chr. bis 1492 ansiedelt. Vgl. dazu: Geiss, Imanuel, a.a.O., S. 19f. Diese Zeiteinteilung in einen weiten und engen Rassismus nach Geiss birgt natürlich die Gefahr, dass das Phänomen des Rassismus verwässert wird und seine Spezifik verloren geht.
[50] Vgl. Miles, Robert: Rassismus..., a.a.O., S. 58f.
[51] Ebenda.
[52] Geiss, Imanuel, a.a.O., S. 296ff.
[53] Ebenda, S. 315ff.
[54] Banton, Michael, a.a.O., S. 160.
[55] Bielefeld, Ulrich (Hrsg.), a.a.O., S. 12.
[56] Es ist anzumerken, dass in Wissenschaft, Politik und Medien offener mit dem Begriff umgegangen wird. Gerade im Bereich der Wissenschaft ist seit den späten 80er Jahren ein gesteigertes Interesse an der Thematik in Psychologie, Soziologie, Erziehungswissenschaft und Politikwissenschaft feststellbar.
[57] Es soll nicht bestritten werden, dass in bestimmten Situationen der Begriff Fremdenfeindlichkeit durchaus angebracht ist. Dennoch ist er im Zusammenhang mit Phänomenen des Rassismus eher verfälschend. Auch der Begriff „Ausländerfeindlichkeit“ suggeriert, dass AusländerInnen per se Leidtragende von Rassismus werden. Dies ist nicht der Fall, denn es sind bestimmte Menschengruppen mit einem spezifischen phänotypischen Erscheinungsbild oder kulturellen Hintergrund, die von Rassismus betroffen sind.
[58] Es macht wenig Sinn, eine Aussage wie die folgende zu treffen: „Die Musterung ist der nächste Fall hierzulande praktizierten Rassismus.“ (Huisken, Freerk: Ausländerfeinde und Ausländerfreunde. Eine Streitschrift gegen den geächteten wie den geachteten Rassismus, Hamburg 1987, S. 58). Der Autor ist sich zwar dessen bewusst, dass dies für gewöhnlich nicht als Rassismus bezeichnet wird. Er will aber Rassismus derart weit definieren, dass „ (...) auf Naturbesonderheiten als Grund für die Zuweisung von gesellschaftlichen Zwecken verwiesen (...)“ wird (Ebenda, S. 59). Mit einer solch weiten Definition von Rassismus verschwimmt das Phänomen in beliebiger Ungenauigkeit.
[59] Memmi, Albert: Rassismus, Hamburg 1992, S. 103.
[60] Vgl. dazu ein Interview mit Albert Memmi in: Burgmer, Christoph (Hrsg.): Rassismus in der Diskussion, Berlin 1997, S. 47.
[61] Memmi, Albert, a.a.O., S. 121.
[62] Burgmer, Christoph (Hrsg.), a.a.O., S. 50.
[63] Leiprecht, Rudolf: „...da baut sich ja in uns ein Hass auf...“. Zur subjektiven Funktionalität von Rassismus und Ethnozentrismus bei abhängig beschäftigten Jugendlichen, Hamburg 1990, S. 111.
[64] Miles, Robert: Rassismus, a.a.O., S. 105.
[65] Miles, Robert: Bedeutungskonstitution und der Begriff des Rassismus, in: Räthzel, Nora: Theorien über Rassismus, Hamburg 2000, S.17-33, S. 21.
[66] Miles, Robert: Rassismus, a.a.O., S. 105ff.
[67] Ebenda, S. 106.
[68] Miles, Robert: Bedeutungskonstitution, a.a.O., S. 22f.
[69] Balibar, Etienne: Rassismus und Nationalismus, in: Ders.; Wallerstein, Immanuel: Rasse – Klasse – Nation: ambivalente Identitäten; Hamburg/Berlin 1990, S. 49-86, S. 54.
[70] Ebenda, S. 52.
[71] Damit knüpft Balibar an die Definition von Stuart Hall an, der es für sinnvoll hält, aufgrund der historisch verschiedenen Ausprägungen des Rassismus nicht von Rassismus sondern von „Rassismen“ zu sprechen. Vgl. dazu: Hall, Stuart: Rassismus als ideologischer Diskurs, in: Räthzel, Nora (Hrsg.): Theorien über Rassismus, Hamburg 2000, S. 7-16, S. 11.
[72] Vgl. die Unterscheidungsformen von Rassismus in: Balibar, Etienne: Rassismus und Nationalismus..., a.a.O., S. 50f. Neben den oben bereits aufgeführten Kategorien unterscheidet Balibar Rassismus noch als selbst- und fremdbezogenen Rassismus, im Sinne einer Zuordnung zu überlegenen und „minderwertigen“ Kollektivgruppen und institutionellen Rassismus (durch staatliche Institutionen ausgeübt) versus soziologischem Rassismus, wo Rassismus als gesellschaftliche Bewegung fassbar ist.
[73] Balibar, Etienne: Gibt es einen „Neo“-Rassismus? in: Ders.; Wallerstein, Immanuel: Rasse – Klasse – Nation: ambivalente Identitäten; Hamburg/Berlin 1990, S. 23-38, S. 28.
[74] Ebenda, S. 28f.
[75] Taguieff, Pierre-André zitiert in: Terkessidis, Mark, a.a.O., S. 102.
[76] Balibar, Etienne: Gibt es, a.a.O., S. 30.
[77] Cinar, Dilek: Alter Rassismus im neuen Europa? Anmerkungen zur Novität des Neo-Rassismus, in: Kossek, Brigitte (Hrsg.): Gegen-Rassismen. Konstruktionen – Interaktionen - Interventionen, Hamburg 1999, S. 55-72, S. 61.
[78] Einen Überblick über den Diskurs der „Neuen Rechten“ in den letzten Jahren liefert: Müller Jost: Rassismus und Nationalismus der „Neuen Rechten“ in der Bundesrepublik. Die Aktualisierung der „Konservativen Revolution“ im Kontext des Neo-Rassismus, in: Das Argument 195, Hamburg 1992, S. 723-731. Müller stellt heraus: „Das zentrale Thema der ‚Neuen Rechten‘, die ‚nationale Identität‘, ist hier als ‚Kulturrelativismus‘, als Differenz der ‚kulturellen Identitäten‘ der Völker konzipiert (...).“ (S. 727).
[79] Diskurs wird angelehnt an Teun van Dijk verstanden als „ (...) eine Form des Sprachgebrauchs und der Kommunikation (...), als soziale Bedeutung und Aktion und als eine sozio-kulturelle, politische und ideologische Praxis, die gesellschaftliche Systeme und Strukturen bestimmt.“ (Vgl. die Bestimmung von „Diskurs“ bei: Dijk, Teun A. van: Rassismus heute. Der Diskurs der Elite und seine Funktion für die Reproduktion des Rassismus, Duisburg 1991, S. 10.)
[80] Leiprecht, Rudolf: Alltagsrassismus..., a.a.O., S. 2.
[81] Essed, Philomena: Die Niederländer als Alltagsproblem – Einige Anmerkungen zum Charakter des Weißen Rassismus, in: Essed, Philomena; Mullard, Chris: Antirassistische Erziehung. Grundlagen und Überlegungen für eine antirassistische Erziehungstheorie, Felsberg 1991, S. 11-44, S. 33.
[82] Bielefeld, Ulrich (Hrsg.), a.a.O., S. 140.
[83] Meulenbelt, Anja: Scheidelinien. Über Sexismus, Rassismus und Klassismus, Reinbek 1988, S. 156.
[84] Essinger, Helmut; Pommerin, Gabriele: Interkulturelles Lernen – Auf dem Weg zu einer antirassistischen Erziehung, in: Essinger, Helmut; Ucar Ali: Erziehung: Interkulturell - Politisch - Antirassistisch. Von der interkulturellen zur antirassistischen Erziehung, Felsberg 1993, S. 78-83, S. 241.
[85] Vgl. dazu: Miles, Robert: Rassismus..., a.a.O., S. 113ff. Ein deutsches Beispiel für einen derart gefassten institutionellen Rassismus stellt beispielsweise die Asyl- und Ausländergesetzgebung dar. Debatten um diese Gesetze sind oft begleitet von rassistischen Diskursen auf politischer Ebene und beinhalten in der Praxis Ausschlussmechanismen. Dies sind die beiden zentralen Kriterien für institutionellen Rassismus.
[86] Ottomeyer, Klaus: Psychoanalytische Erklärungsansätze zum Rassismus. Möglichkeiten und Grenzen, in: Mecheril, Paul; Teo, Thomas (Hrsg.): Psychologie und Rassismus, Hamburg 1997, S. 111-131, S. 112. Eine differenzierte Darstellung der Freudschen Psychoanalyse mit ihren zentralen Hypothesen und ihren mannigfachen Widersprüchlichkeiten ist im Rahmen der Arbeit nicht möglich.
[87] Ebenda, S. 113f.
[88] Ebenda.
[89] Ebenda, S. 120.
[90] Ebenda, S. 121.
[91] Ebenda, S. 123.
[92] Vgl. zur Entstehung der Vorurteilsforschung: Terkessidis, Mark, a.a.O., S. 18. Im Gegensatz zu Terkessidis datiert Rommelspacher das Entstehen auf die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts. Vgl. dazu: Rommelspacher, Birgit, Psychologische Erklärungsmuster zum Rassismus, in: Mecheril, Paul; Teo, Thomas (Hrsg.): Psychologie und Rassismus, Hamburg 1997, S. 153-172, S. 157.
[93] Dorsch, Friedrich; Häcker, Hartmut; Stapf, Kurt H. (Hrsg.): Dorsch Psychologisches Wörterbuch, Bern und Göttingen 1994, S. 861.
[94] Vgl. die differenziert dargestellten Erklärungsansätze für das Entstehen von Vorurteilen in: Auernheimer, Georg: Einführung in die interkulturelle Erziehung, Darmstadt 1996, S. 140ff.
[95] Das Werk erschien 1954 im angloamerikanischen Sprachraum unter dem Titel Nature of Prejudice.
[96] Allport, Gordon W.: Die Natur des Vorurteils, Köln 1971, S. 54. Allport verortet das Entstehen von Vorurteilen auf zwei Ebenen: einerseits auf der Ebene der Sozialisation, wo Kinder Vorurteile übernehmen sowie sie, abhängig von der Atmosphäre ihres Aufwachsens, selbst entwickeln und andererseits auf der Ebene psychodynamischer Prozesse, in denen Vorurteile auf Frustrationen basieren können, die mittels einer Aggressionsverschiebung auf sog. Sündenböcke projiziert werden. Allport, Gordon W., a.a.O., S. 250ff.
[97] Allport, Gordon W., a.a.O., S. 23.
[98] Ebenda, S. 148.
[99] Ebenda, S. 136.
[100] Allport, Gordon W., a.a.O., S. 28. Nicht nur Allport fällt es schwer, die Umsetzung von Vorurteilen in Handlungen zu begründen. Es existiert in der Vorurteilsforschung „das zentrale Problem der Relation von Einstellung und Verhalten“ (Dorsch, Friedrich; Häcker, Hartmut; Stapf, Kurt H. (Hrsg.), a.a.O., S. 861).
[101] Ebenda, S. 62.
[102] Obwohl die Kritische Theorie vor allem eine Gesellschaftstheorie ist, die in den unterschiedlichsten Fachgebieten rezipiert wird, soll der Erklärungsansatz der autoritären Persönlichkeit in die psychologischen Erklärungsmodelle eingeordnet werden, da hier vor allem die sozialpsychologischen und psychoanalytischen Argumentationen eine Rolle spielen.
[103] Das Frankfurter Institut für Sozialforschung, deren berühmteste Vertreter Max Horkheimer und Theodor W. Adorno sind, emigrierte in der Zeit des Nationalsozialismus in die USA, um dort ihre gesellschaftskritische Arbeit fort zu führen.
[104] Zu den Zielsetzungen der von Adorno, Frenkel-Brunswik, Sandford und Levinson hervorgebrachten Studie vgl. Adorno, Theodor W.: Studien zum autoritären Charakter, Frankfurt am Main 1973, S. 6. Die Autoren der Studie befragten in einem Fragebogen mehrere hundert Menschen aus der bürgerlichen amerikanischen Mittelschicht nach ihren Einstellungen zu Familie, Alltag, Sexualität, Kindererziehung, etc.
[105] Vgl. zur Bedeutung der einzelnen Skalen Adorno, Theodor W.: Studien..., a.a.O., S. 18ff.
[106] Die neun Variablen der autoritären Persönlichkeit stellen sich wie folgt dar: 1. Konventionalismus, 2. Autoritäre Unterwürfigkeit, 3. Autoritäre Aggression 4. Anti-Intrazeption 5. Aberglaube und Stereotypie 6. Machtdenken und ‚Kraftmeierei‘ 7. Destruktivität und Zynismus 8. Projektivität 9. Sexualität. Vgl. dazu: Adorno, Theodor W.: Studien..., a.a.O., S. 45.
[107] Ebenda, S. 323.
[108] Ebenda.
[109] Ebenda.
[110] Vgl. dazu bei Adorno den Zusammenhang von Stereotypie und funktionalem Charakter des Antisemitismus: Adorno, Theodor W.: Studien..., a.a.O., S. 115. Macht man den „Sündenbock“ zum zentralen Charakteristikum, so kann aber die kritische Theorie an dieser Stelle nicht schlüssig beweisen, warum die Gruppe des Sündenbocks nicht beliebig ist. Schließlich sind verschiedene Gruppen mit historisch gewachsenen Stereotypen belegt, z. B. auch die „Gruppe“ der Frauen.
[111] Vgl. dazu ausführlich: Heitmeyer, Wilhelm: Die Bielefelder Rechtsextremismus-Studie. Erste Langzeituntersuchung zur politischen Sozialisation männlicher Jugendlicher, Weinheim 1992, S. 16f. Obwohl Heitmeyer explizit die Entstehung des jugendlichen Rechtsextremismus erforscht, sollen die Ergebnisse unter diesem Kapitel der soziologischen Erklärungsansätze für das Entstehen von Rassismus herangezogen werden. Denn der Rechtsextremismus stellt eine Erscheinungsform des Rassismus dar und beinhaltet, wie Heitmeyer in seinen Studien aufzeigt, als zentrales Moment eine ausgrenzende, rassistische Ideologie der Ungleichwertigkeit. Ferner ist er kein bloßes Jugendphänomen.
[112] Eine ausführliche Darstellung des Konzepts der „Risikogesellschaft“ von Beck und seine Übernahme durch Heitmeyer findet sich in: Heitmeyer, Wilhelm: Rechtsextremismus. „Warum handeln Menschen gegen ihre eigenen Interessen?“ Analyse des Rechtsextremismus und Didaktikkonzept für Lehrer allgemeinbildender Schulen. Beiheft zum ‚ran-Handbuch für Jugendliche, Köln 1991, S. 10ff.
[113] Ebenda, S. 16.
[114] Funke, Hajo: ...und wieder ist der ‘deutsche Lebensraum’ bedroht. Nach den Wahlen in Berlin: Anmerkungen zu gesellschaftlichen und politischen Voraussetzungen des Aufstiegs der ‚Republikaner‘, in: Frankfurter Rundschau, 6. April 1989, S. 6.
[115] Die Ergebnisse der Studie werden zahlreich rezipiert: Vgl. Ahlheim, Klaus: Wider den sozialpädagogischen Gestus – Rechtsextremismus als Herausforderung an die Pädagogik, in: Jansen, Mechthild M.; Prokop, Ulrike (Hrsg.): Fremdenangst und Fremdenfeindlichkeit, Frankfurt am Main 1993, S. 219-233, S. 226 ‚Wohlstandschauvinismus‘ bedeutet, dass der erworbene Status der eigenen Tüchtigkeit zugeschrieben wird. In der Forderung „Sollen die Ausländer doch erst mal so tüchtig sein wie wir, dann bräuchten sie nicht zu uns kommen“ wird dies zum Maßstab. Vgl. dazu: Wahl, Klaus: Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus, Gewalt. Eine Synopse wissenschaftlicher Untersuchungen und Erklärungsansätze, in: DJI (Hrsg.): Gewalt gegen Fremde. Rechtsradikale, Skinheads und Mitläufer, München 1995, S. 11-74, S. 40f.
[116] Ahlheim, Klaus, a.a.O., S. 226.
[117] Hoffmann, Lutz; Even, Herbert: Soziologie der Ausländerfeindlichkeit: zwischen nationaler Identität und multikultureller Gesellschaft, Weinheim und Basel 1984, S. 30f.
[118] Ebenda, S. 79.
[119] Ebenda, S. 120.
[120] Ebenda, S. 26.
[121] Einige Diskussionsansätze zur kritischen Reflexion der „Soziologie der Ausländerfeindlichkeit“ von Hoffmann/Even finden sich in: Kalpaka, Annita; Räthzel, Nora (Hrsg.): Die Schwierigkeit, nicht rassistisch zu sein, Berlin 1986, S. 18ff.
[122] Tsiakalos, Georgios: Ausländerfeindlichkeit. Tatsachen und Erklärungsversuche, München 1983, S. 34.
[123] Ebenda.
[124] Vgl. ausführlich zu den scheinbar natürlichen Grundlagen der Xenophobie: Tsiakalos, Georgios: Interkulturelle Beziehungen: steht ihnen die ‘Natur’ entgegen? In: Foitzik, Andreas; Leiprecht, Rudolf; Marvakis, Athanasios; Seid, Uwe (Hrsg.): „Ein Herrenvolk von Untertanen“, Rassismus - Nationalismus - Sexismus, Duisburg 1992, S. 35-56, S. 39ff.
[125] Ebenda, S. 35.
[126] Tsiakalos, Georgios: Interkulturelle..., a.a.O., S. 39. Nicht nur Tsiakalos teilt die Meinung, dass die Naturalisierung der Abwehr von Fremden ein zentrales Zeichen des Neorassismus darstellt. Diese These lässt sich auch bei Cinar, Dilek, a.a.O., S. 59f finden.
[127] Vgl. zur Kritik der Universalität der Fremdenfurcht bei Kleinkindern: Tsiakalos, Georgios: Ausländerfeindlichkeit, a.a.O., S. 35f.
[128] Tsiakalos, Georgios: Interkulturelle..., a.a.O., S. 45.
[129] Ruf, Werner: Ökonomie und Rassismus, in: Autrata, Otger; Kaschuba, Gerrit; Leiprecht, Rudolf; Wolf, Cornelia: Theorien über Rassismus, Hamburg 1989, S. 63-84, S. 82.
[130] Ebenda, S. 71f.
[131] Ebenda, S. 69.
[132] Ebenda, S. 78.
[133] Ebenda, S. 82.
[134] Ebenda, S. 81.
- Citar trabajo
- Bettina Dettendorfer (Autor), 2003, Politische Bildung gegen Rassismus und Ausgrenzung. Ein Vergleich ausgewählter antirassistischer Trainingsansätze - Schlussfolgerungen für die politische Bildungsarbeit, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58329
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