Der heute existierende kanadische Föderalismus ist geprägt durch Multinationalität. Auf Grund dessen steht vor allem die Problematik der Integration der Aboriginal People in das politische System Kanadas im Fokus der intergouvernementalen Diskussion. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Frage ob, neben den verfassungsrechtlich formal bestehenden föderalen Ebenen der Bundesregierung und der Provinzregierungen Formen der Aboriginal Governments als mögliche dritte Regierungsebene treten sollen. Durch den Constitution Act von 1982 wurden den Aboriginal People Kanadas wesentliche Rechte zugesprochen und garantiert, die ihr Recht auf Selbstbestimmung und Selbstregierung gewährleisten sollen. Seither bestehen diese Rechte als zentrale Pfeiler der verfassungsmäßigen Ordnung Kanadas (vgl. Abele,
Prince 2003: 135). Die konstitutionelle Verfestigung der Rechte der Ureinwohner stärkte nicht nur ihre Rolle im föderalen System, sondern führte auch zur zunehmenden Verhandlung und Umsetzung von Formen der Selbstregierung, mit denen der verbesserten Integration der Ureinwohner in das politische System Kanadas Rechnung getragen werden soll. Dabei sind Selbstregierungen bzw. Aboriginal Self-Governments Regierungen, die im Rahmen der kanadischen Verfassung durch die Aboriginal People selbst eingesetzt, verwaltet und geführt werden (vgl. Kaufmann et al. 2003: 50). Die Anerkennung dieser Selbstregierungen stellt den kanadischen Föderalismus aber auch unter wachsenden Veränderungs-, Anpassungs- und Reformdruck. Die hier vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie die politische Integration der Aboriginal People in den kanadischen Föderalismus unterstützt, vorangetrieben und gewährleistet werden kann. Der Schwerpunkt liegt, auf der Untersuchung der intergouvernementalen Beziehungen zwischen der Bundesregierung sowie den Provinz- und Territorialregierungen und den Aboriginal People und ob diese Verknüpfungen zur verstärkten Partizipation der Ureinwohner in das föderale System Kanadas beigetragen haben oder ob weiterer Reformbedarf besteht. [...]
Inhalt
1. Einleitung
2. Grundlagen
2.1 Wer sind Aboriginal People?
2.2 Gründe für die besondere Stellung der Aboriginal People im kanadischen Föderalismus
3. Intergouvernementale Beziehungen und ihre Bedeutung für die Stellung der Aboriginal People im föderalen System Kanadas
4. Reformvorschläge für die verbesserte Integration der Aboriginal People im kanadischen Föderalismus
5. Zusammenfassung und Fazit
Anhang
Literatur
1. Einleitung
Der heute existierende kanadische Föderalismus ist geprägt durch Multinationalität. Auf Grund dessen steht vor allem die Problematik der Integration der Aboriginal People in das politische System Kanadas im Fokus der intergouvernementalen Diskussion. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Frage ob, neben den verfassungsrechtlich formal bestehenden föderalen Ebenen der Bundesregierung und der Provinzregierungen Formen der Aboriginal Governments als mögliche dritte Regierungsebene treten sollen.
Durch den Constitution Act von 1982 wurden den Aboriginal People Kanadas wesentliche Rechte zugesprochen und garantiert, die ihr Recht auf Selbstbestimmung und Selbstregierung gewährleisten sollen. Seither bestehen diese Rechte als zentrale Pfeiler der verfassungsmäßigen Ordnung Kanadas (vgl. Abele, Prince 2003: 135). Die konstitutionelle Verfestigung der Rechte der Ureinwohner stärkte nicht nur ihre Rolle im föderalen System, sondern führte auch zur zunehmenden Verhandlung und Umsetzung von Formen der Selbstregierung, mit denen der verbesserten Integration der Ureinwohner in das politische System Kanadas Rechnung getragen werden soll. Dabei sind Selbstregierungen bzw. Aboriginal Self-Governments Regierungen, die im Rahmen der kanadischen Verfassung durch die Aboriginal People selbst eingesetzt, verwaltet und geführt werden (vgl. Kaufmann et al. 2003: 50). Die Anerkennung dieser Selbstregierungen stellt den kanadischen Föderalismus aber auch unter wachsenden Veränderungs-, Anpassungs- und Reformdruck.
Die hier vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie die politische Integration der Aboriginal People in den kanadischen Föderalismus unterstützt, vorangetrieben und gewährleistet werden kann. Der Schwerpunkt liegt, auf der Untersuchung der intergouvernementalen Beziehungen zwischen der Bundesregierung sowie den Provinz- und Territorialregierungen und den Aboriginal People und ob diese Verknüpfungen zur verstärkten Partizipation der Ureinwohner in das föderale System Kanadas beigetragen haben oder ob weiterer Reformbedarf besteht.
Zur Beantwortung dieser Fragestellung werden zunächst einige Grundlagen erklärt. Dazu gehört zum ersten die Definition von Aboriginal People, also wer gehört zur Gruppe der Ureinwohner und welche Besonderheiten gibt es in diesem Zusammenhang und zum zweiten die Darlegung wesentlicher Ursachen für ihre besondere Stellung im kanadischen föderalen System. Damit wird verdeutlicht, warum der Integration der Aboriginal People in das föderale System ein so hoher Stellenwert im politischen Geschehen Kanadas zukommt. Anschließend wird auf die Bedeutung der intergouvernementalen Verflechtungen zwischen der Bundesregierung sowie zwischen den Provinz- und Territorialregierungen und den Aboriginal People eingegangen. Hier steht im Vordergrund, wie sich die bisherigen föderalen Verflechtungsbeziehungen auf die Stellung der Aboriginal People im politischen System Kanadas ausgewirkt haben. Anhand dieser Erläuterungen werden dann Reformvorschläge, die für die verbesserte Integration der Aboriginal People in den kanadischen Föderalismus notwendig sind, abgeleitet und dargestellt. Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung der Ergebnisse und ein Fazit zur behandelten Thematik.
2. Grundlagen
Um die Bedeutung der Ureinwohner als Volksgruppe im kanadischen Föderalismus zu verstehen, muss genau definiert werden wer zur Gruppe der Aboriginal People gehört und welche Ursachen maßgeblich für ihre besondere Stellung im politischen System Kanadas sind.
2.1 Wer sind Aboriginal People?
Gemäß dem Constitution Act, 1982, Sektion 35[1] gehören zur Gruppe der Aboriginal People Kanadas Indianer, Métis[2] und Inuit. Aus historischer und soziologischer Sicht steht der Begriff „Aboriginal People“ für die Bezeichnung von über einer Million Mitglieder von ca. 40 bis 60 verschiedenen Nationen oder Völkern, die jeweils ihre eigene Sprache, Geschichte und kollektive Identität aufweisen (vgl. Abele, Prince 2003: 136).
Die legale und konstitutionelle Definition der Aboriginal People ist weitaus komplexer. Die kanadische Regierung unterscheidet zwischen „status and non-status Indians“ (Abele, Prince 2003: 136). Status besitzen Indianer, die nach den Bestimmungen des Indian Act[3] registriert, also in den Dokumenten des Departments of Indian Affairs aufgelistet sind. Status berechtigt den Träger zur Wahrnehmung bestimmter Rechte und Vorteile. Status Indians sind Nachkommen von Indianern, die Verträge unter dem Indian Act unterzeichnet haben und somit registriert waren, d.h. Status wird vererbt. Viele Ureinwohner verfügen allerdings über keine Statusposition. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen können sie die Nachkommen von Aboriginal People sein, die keine Verträge unter dem Indian Act unterzeichnet haben, zum anderen gaben einige registrierte Indianer ihren Status auf, um Rechte zu erlangen, die in der Vergangenheit von status Indians nicht wahrgenommen werden durften, wie z.B. das Recht zu wählen. Jedoch können nicht nur Indianer in dieser Position sein, auch Métis und Inuit besaßen nie eine Statusposition und erhielten deshalb nicht die Berechtigungen der status Indians (vgl. Abele, Prince 2003: 136 f).
Die Unterscheidung und Klassifizierung der Aboriginal People spielt auch im Folgenden bei der Begründung ihrer besonderen Stellung im kanadischen föderalen System eine wichtige Rolle.
2.2 Gründe für die besondere Stellung der Aboriginal People im kanadischen Föderalismus
Die Notwendigkeit der verbesserten Integration der Aboriginal People in das kanadische politische System ergibt sich aus ihrer besonderen Stellung, die ihnen zum einen auf Grund der historischen Hintergründe zugesprochen wird. Die Beziehungen zwischen den Ureinwohnern und Kanada basierten vor allem auf der Beschließung von Verträgen als Fundament des Zusammenlebens. Anfänglich dienten diese Verträge vornehmlich dem Erhalt des Friedens zwischen den Aboriginal People und den europäischen Siedlern, der Anerkennung der gegenseitigen Unabhängigkeit als Basis der Koexistenz aber auch zur Ausweitung der Kontrolle und Macht der europäischen Siedler über das kanadische Territorium (vgl. Abele, Prince 2003: 139 f). Mit dem Beginn der Kolonialregierung in Kanada wurden Verträge mit den Ureinwohnern geschlossen, mit denen die Aboriginal People in die neue Gesellschaft eingebunden werden sollten. Damit gingen allerdings die Autorität und die traditionellen Regierungsformen der Aboriginal People verloren ( vgl. Department of Indian and Northern Development, NWT Region).
Neben diesen historischen Bedingungen spielen eine Reihe von Forderungen seitens der Aboriginal People eine wichtige Rolle für ihre gesonderte Stellung im politischen System Kanadas. Viele Ureinwohner betrachten die verfassungsmäßige Ordnung Kanadas[4], also die Einteilung in die Ebene der Bundesregierung auf der einen und der Provinzregierungen auf der anderen Seite[5], als eines, den Aboriginal People aufgezwungenes System und fordern deshalb ihre eigene Souveränität und das Recht auf Selbstbestimmung (vgl. Green 2002: 2). Die Bundesregierung trug der Notwendigkeit der Erneuerung der Beziehungen zwischen den Aboriginal People und den kanadischen Regierungen Rechnung, in dem seit 1982 durch den Constitution Act die Rechte der Ureinwohner garantiert und anerkannt werden. Mit ihrer Inherent Right Policy, entwickelt 1995, bestätigte die Zentralregierung Kanadas das Recht der Aboriginal People auf Selbstregierung als inhärent. Das Programm Inherent Right Policy basierte auf der Annahme, dass die Ureinwohner das Recht haben sich unter Berücksichtigung ihrer Kulturen, Identitäten, Sprachen und Gemeinschaften selbst zu regieren (vgl. Kaufmann et al. 2003: 8).
Wie oben bereits erwähnt, spielt aber auch die Zuordnung zu einer bestimmten Gruppe von Ureinwohnern eine entscheidende Rolle für ihre Stellung im kanadischen Föderalismus. Hier steht vor allem die Zuordnung der Verantwortlichkeiten auf die verschiedenen föderalen Ebenen im Vordergrund. So vertritt die Bundesregierung den Standpunkt, dass sie die Verantwortung für die Angelegenheiten der status Indians, hauptsächlich für diejenigen die in Reservaten leben und der Inuit trägt. Non-status Indians, Métis und nicht in Reservaten lebende Indianer fallen demnach in den Verantwortungsbereich der Provinzen (vgl. Abele, Prince 2003: 137 f). Status Indians haben somit Zugang zu einer Reihe zentralstaatlicher Programme und Dienstleistungen, der den non-status Indians nicht ermöglicht wird. Dies beschränkt die Partizipationsmöglichkeiten dieser Aboriginal People im politischen Prozess Kanadas, dahingehend dass ihnen die Nutzung bestimmter Ressourcen verwährt bleibt.
Außerdem können demographische Faktoren die Stellung der Aboriginal People im föderalen System Kanadas beeinflussen. Demographische Unterschiede (z.B. in Größe, Zusammensetzung, Altersverteilung oder geografische Lage) zwischen den verschiedenen Gruppen von Ureinwohnern führen zu unterschiedlichen politischen Ansprüchen und Forderungen, zu variierenden intergouvernementalen Dynamiken und nötigen politischen Initiativen (vgl. Abele, Prince 2002: 221).
Die Darlegungen sind natürlich nicht vollständig, zeigen aber, dass eine Reihe vielfältiger Faktoren die Stellung der Aboriginal People im kanadischen System bestimmt. So spielen historische Hintergründe für die unzureichende Integration der Ureinwohner in den kanadischen Föderalismus genauso eine Rolle wie die institutionelle Zuständigkeitsverteilung zwischen den einzelnen föderalen Ebenen, denn diese bestimmt auch den Zugang zu staatlichen Ressourcen und somit auch die Beteiligung der Aboriginal People am politischen Prozess. Des Weiteren ergeben sich unterschiedliche Erfordernisse für die verschiedenen Gruppen von Aboriginal People, die ergriffen werden müssen, um deren Partizipation am politischen Prozess zu unterstützen, denn die vielen Volksgruppen weisen häufig starke demografische Unterschiede auf. Es zeigt sich also, dass es keine „One fits it all“ Maßnahme gibt die vielen verschiedenen Gruppen der Aboriginal People in den kanadischen Föderalismus zu integrieren. Der Anpassungsdruck, der sich aus der Aboriginal People-Problematik für das kanadische System ergibt, wird somit durch eine Vielzahl komplexer Faktoren beeinflusst.
[...]
[1] Siehe Anhang
[2] Métis sind Nachfahren europäischer Siedler und Frauen indianischer Abstammung. Sie sind vor allem in den Prärien, Northwest Territories, British Columbia, Québec, Ontario und den Atlantikprovinzen ansässig (vgl. Wherrett, Brown 1994: 5).
[3] Der Indian Act (vollständiger Titel: An Act respecting Indians) wurde 1876 geschlossen und beinhaltet die Rechte registrierter Indianer und deren Volksgruppen. Hauptschwerpunkt des Indian Act liegt auf der Regelung von Rechten für Indianer, die in Reservaten wohnhaft sind (vgl. Wikipedia, the free encyclopedia 2005).
[4] gemäß der Constitution von 1867
[5] Die Territorialregierungen werden nicht gesondert aufgeführt, da sie im starken Maß der Zentralregierung unterstellt sind.
- Arbeit zitieren
- Melanie Thiem (Autor:in), 2005, Der Kanadische Föderalismus und Aboriginal People, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58215
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