"Die Literaten schrieben, wie ihnen befohlen, oder verstummten."
Mit diesen Worten charakterisiert Günther Rüther die Situation der Schriftsteller in der jungen DDR.
Im Jahre 1963 erschien die Erzählung Der geteilte Himmel, mit der die damals 34 Jahre alte und bis zu diesem Zeitpunkt noch weitgehend unbekannte Autorin Christa Wolf ihren nationalen und internationalen Durchbruch als renommierte Prosaschriftstellerin erlangte.
Hinweise auf die Entstehung dieser Erzählung finden sich in der 1960 verfassten, jedoch erst 1974 publizierten Tagebuchskizze Dienstag, der 27. September 1960, in der Christa Wolf von der Absicht spricht, eine Brigadegeschichte zu schreiben. Weitere Anhaltspunkte, die auf eine Beschäftigung mit dem Stoff bereits vor der Publikation ihres ersten Werkes Moskauer Novelle (1961) hindeuten, bieten das Gespräch mit Anna Seghers, das sie in ihrer Funktion als Redakteurin der Zeitschrift des Schriftstellerverbandes der DDR neue deutsche literatur, im Jahre 1959 geführt hat, sowie die von ihr 1961 verfasste Rezension zu Seghers` Roman Die Entscheidung.
Der geteilte Himmel ist wie viele weitere Werke von Christa Wolf als die Verarbeitung bestimmter eigener biographischer Stationen zu betrachten. In der Zeit von 1959 bis 1962 lebte die Schriftstellerin mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in der Industriestadt Halle und arbeitete dort beim Mitteldeutschen Verlag als freie Lektorin. Gemäß den literaturpolitischen Forderungen des Bitterfelder Weges ging sie in das Waggonbauwerk Ammendorf, wurde dort Mitglied in einer Brigade, übernahm schließlich die Leitung eines Zirkels schreibender Arbeiter und nahm 1959 an der Autorenkonferenz in Bitterfeld teil.
Warum gerade Der geteilte Himmel bei seiner Publikation wie kaum ein anderes Prosawerk jener Zeit in Ost und West großes Aufsehen erregte, und ob diese Erzählung als "[...] typischer Beitrag zur Literatur des Bitterfelder Weges [...]" zu verstehen ist, gilt es nun zu untersuchen. In einem ersten Abschnitt werden zunächst die wichtigsten literaturtheoretischen und zentralen entstehungsgeschichtlichen Hintergründe aufgezeigt, die in enger Verzahnung mit Christa Wolfs bereits kurz angesprochener biographischer Situation zu sehen sind, um dann den literarischen Ort der Erzählung bestimmen zu können. Hierzu ist eine - wenn auch nur überblicksartig - Darstellung der Theorie des Sozialistischen Realismus und der literaturpolitischen Bewegung des Bitterfelder Weges (1959-1964) erforderlich.
[...]
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Literaturtheoretischer und entstehungsgeschichtlicher Kontext der Erzählung Der geteilte Himmel
- Der Sozialistische Realismus
- Die Doktrin
- Merkmale und Grundprinzipien sozialistisch-realistischer Literatur
- Der Bitterfelder Weg - die literaturpolitische Situation zu Christa Wolfs Erzählung Der geteilte Himmel
- Der geteilte Himmel - ein Beispiel sozialistisch-realistischer Literatur?
- Die Struktur der Erzählung
- Die inhaltlich-thematische Ausgestaltung
- Agierende Personen, ihre Charaktere und Funktion
- Graphische Darstellung der Personenkonstellation
- Rita Seidels Wegbegleiter
- Ausgewählte Motive und Symbole in der Erzählung - noch den literaturpolitischen Vorgaben entsprechend?
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit analysiert Christa Wolfs Erzählung „Der geteilte Himmel“ im Kontext des Sozialistischen Realismus und des Bitterfelder Weges. Die Arbeit untersucht, inwiefern Wolfs Werk den literaturpolitischen Vorgaben der Zeit entspricht und welche Bedeutung die Erzählung im Rahmen der DDR-Literatur erlangte.
- Sozialistischer Realismus als dominierende literarische Doktrin in der DDR
- Der Bitterfelder Weg als literaturpolitische Bewegung und seine Auswirkungen auf die Literatur
- Die Einordnung von „Der geteilte Himmel“ in den literarischen Kontext der Zeit
- Die Struktur, Thematik und Personenkonstellation der Erzählung
- Die Rolle von Motiven und Symbolen in „Der geteilte Himmel“
Zusammenfassung der Kapitel
- Einführung: Die Arbeit stellt die Erzählung „Der geteilte Himmel“ von Christa Wolf vor und skizziert ihren historischen und literarischen Kontext. Insbesondere wird die Entstehung der Erzählung im Kontext der literaturpolitischen Situation der frühen DDR beleuchtet.
- Literaturtheoretischer und entstehungsgeschichtlicher Kontext: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den beiden zentralen literarischen Strömungen, die die Entstehung von „Der geteilte Himmel“ beeinflussen: Der Sozialistische Realismus und der Bitterfelder Weg. Die Doktrin des Sozialistischen Realismus und seine Prinzipien werden dargestellt. Des Weiteren wird die literaturpolitische Situation der DDR in den 1960er Jahren unter dem Einfluss des Bitterfelder Weges analysiert.
- Der geteilte Himmel - ein Beispiel sozialistisch-realistischer Literatur?: Dieses Kapitel analysiert „Der geteilte Himmel“ im Detail. Es werden die Struktur der Erzählung, die inhaltliche Thematik, die agierenden Personen, ihre Charaktere und ihre Funktion im Geschehen sowie ausgewählte Motive und Symbole untersucht. Es wird geprüft, inwiefern die Erzählung den Vorgaben des Sozialistischen Realismus und des Bitterfelder Weges entspricht.
Schlüsselwörter
Sozialistischer Realismus, Bitterfelder Weg, Christa Wolf, Der geteilte Himmel, DDR-Literatur, literarische Doktrin, literaturpolitische Situation, Erzählstruktur, Charakterkonstellation, Motive, Symbole.
- Citation du texte
- Klaus Ludwig Hohn (Auteur), 2002, Christa Wolf: "Der geteilte Himmel" im Kontext von Sozialistischem Realismus und Bitterfelder Weg, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5781