Schillers Antrittsrede in Jena zum Thema „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?“ (1789) steht im Kontext eines geplanten „universalgeschichtlichen Projekts“, das in weiteren Vorlesungen erläutert wird; alle seine Vorträge zur Universalgeschichte sind thematisch gegliedert und enthalten politische und soziale Problemstellungen. In einem Brief an seinen Freund Körner (1789) berichtet Schiller von seiner Absicht eine Universalhistorie zu verfassen (oder sich zumindest zeit- oder phasenweise damit auseinanderzusetzen): „Eigentlich sollten Kirchengeschichte, Geschichte der Philosophie, Geschichte der Kunst, der Sitten und Geschichte des Handels mit der politischen in Eins zusammengefaßt werden und dieß erst kann Universalhistorie sein. Mein Plan ist es, diesen Weg zu gehen und zwar so früh als möglich dazu Hand ans Werk zu legen.“ (Dann, Otto (Hrsg.): Friedrich Schiller. Historische Schriften und Erzählungen I. Frankfurt/Main 2000, S. 831.)
In diesen Worten spiegelt sich Schillers Überzeugung wider: Nur durch das übergreifende Studium der Geschichte und der Philosophie werde es möglich, Gesamtzusammenhänge zu erschließen.
Gliederung
1) Schillers Inspiration: August Ludwig Schlözer
2) Fragen an Schiller
3) Geschichtsphilosophisches Intermezzo
4) Das Genie und die Weltgeschichte
5) Die Welt und das menschliche Geschlecht
6) Herleitung der Weltgeschichte
7) Enthusiast und Skeptiker
Literatur- und Quellenverzeichnis
1) Schillers Inspiration: August Ludwig Schlözer
„Wir wollen die Revolution des Erdbodens, den wir bewohnen, und des menschlichen Geschlechtes, dem wir angehören, im ganzen übersehen, um den heutigen Zustand von beiden aus Gründen zu erkennen. Wir wollen der Geschichte der Menschheit in Osten und Westen und dies- und jenseits der Linie, ihrer sukzessiven Entstehung, Veredelung und Verschlimmerung auf allen ihren Wegen, von Ländern zu Ländern, von Volke zu Volke, von Zeitalter zu Zeitalter nach ihren Ursachen und Wirkungen, nachspüren; und in dieser Absicht die großen Weltbegebenheiten im Zusammenhange durchdenken. Mit einem Worte: Wir wollen Universalhistorie studieren. [...] Jedes Volk unseres Weltteils hat seine Spezial-Geschichte; die Summe von allen, in ein System geordnet, gibt eine allgemeine europäische Geschichte, die der philosophischen Neugier die Fragen auflöst: Wie ist Europa worden, wodurch ist es zu so einem hohen Grade von Kultur gelangt, wie hat sich dieser kleinste der Weltteile durch Aufklärung, Sitten und Macht über die anderen so emporgeschwungen? – Noch weiter breitet sich die Universalhistorie aus, noch höher abstrahiert sie; sie umfasst alle Weltteile und Zeitalter, und sammelt alle Völker in allen Ländern zusammen. Ihr Gegenstand ist die Welt und das menschliche Geschlecht [...] [Anmerkung:] Einzelne Menschen haben Biographien. Viele, die von einem Stamme entsprossen sind, haben Ethnographien. Die Geschichte aller Menschenkinder, nach ihren allgemeinen Schicksalen, heißt Universalhistorie: Es ist die Geschichte des durchlauchtigen Hauses Adam.“[1]
Man kann behaupten, dass in dieser Definition von Universalgeschichte des Historikers August Ludwig Schlözers aus dem Jahr 1772 wesentliche Inhalte widergegeben werden, die sich Friedrich Schiller 1789 zunutze macht und in seinen Vorlesungen an der Jenaer Universität aufgreift.
Schillers Anliegen ist es jedoch nicht, althergebrachte historische und philosophische Denkweisen fortzuführen, sondern Geschichte in einen übergreifenden Kontext zu stellen und sie neu und anders zu interpretieren.
Schillers Antrittsrede in Jena zum Thema „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?“ (1789) steht hierbei im Kontext eines geplanten „universalgeschichtlichen Projekts“[2], das in weiteren Vorlesungen erläutert wird[3] ; alle seine Vorträge zur Universalgeschichte sind thematisch gegliedert und enthalten politische und soziale Problemstellungen. In einem Brief an seinen Freund Körner (1789) berichtet Schiller von seiner Absicht eine Universalhistorie zu verfassen (oder sich zumindest zeit- oder phasenweise damit auseinanderzusetzen): „Eigentlich sollten Kirchengeschichte, Geschichte der Philosophie, Geschichte der Kunst, der Sitten und Geschichte des Handels mit der politischen in Eins zusammengefaßt werden und dieß erst kann Universalhistorie sein. Mein Plan ist es, diesen Weg zu gehen und zwar so früh als möglich dazu Hand ans Werk zu legen.“[4]
In diesen Worten spiegelt sich Schillers Überzeugung wider: Nur durch das übergreifende Studium der Geschichte und der Philosophie werde es möglich, Gesamtzusammenhänge zu erschließen.
2) Fragen an Schiller
In seiner Antrittsvorlesung „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?“ behandelt Schiller die in der Definition von Schlözer aufgeworfenen Fragen. Dabei geht Schiller systematisch vor; und da es sich um einen mündlichen Vortrag handelt, beginnt und endet die Abhandlung mit einem Adressatenbezug, er wendet sich direkt an die Studenten. Darüber hinaus spricht Schiller über den Sinn und Zweck des Geschichtsstudiums und greift zur Veranschaulichung den Vergleich von „Brotgelehrtem“ und „philosophischem Kopf“ auf. Weiterführend erläutert er den Begriff „Universalgeschichte“, spricht über die Quellen und Methoden von Historikern und schließlich auch vom Wert der Geschichte für Historiker und die, die es werden wollen.
Es wird deutlich, dass sich Schiller mit der Struktur seiner ersten Vorlesung unter anderem an Schlözers eingangs zitierter Definition orientiert.
Schiller greift Begrifflichkeiten wie die Entwicklung der Menschheit, die Unterschiede der Völker Europas und auch den Begriff „Weltgeschichte“ auf und versucht Lösungsansätze für verschiedene geschichtsphilosophische Fragen zu finden. Während Schlözer dem Leser in seiner Definition sagt: „Wir wollen Universalhistorie studieren.“[5], setzt Schiller an einem früheren Punkt an und macht plausibel, wozu Universalgeschichte überhaupt nötig ist und versucht sich in der Konsequenz an der Lösung der Frage, wozu man Universalgeschichte eigentlich studieren soll.[6] Die Lösung bietet für Schiller die „Weltgeschichte“, die den heutigen gesellschaftlichen Zustand erklärt und mit der man „die großen Weltbegebenheiten im Zusammenhange durchdenken“[7] kann.
Nun stellt sich die Frage, wie Friedrich Schiller seinem Ansatz zur „Weltgeschichte“ zur Geltung verhilft, wie er sie herleitet und erklärt. Die Antworten liegen im Text selbst.
Ziel der Arbeit ist also die Herleitung des Begriffes „Weltgeschichte“ in Schillers Vorlesung „Was ist und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?“. In diesem Zusammenhang soll versucht werden, Schillers Abhandlung mit den geschichtsphilosophischen Ansichten Immanuel Kants zu vergleichen und auch Schillers skeptische Seite zum Thema Geschichtsphilosophie („Der Geisterseher“[8] ) zu beleuchten.
[...]
[1] Schlözer, August Ludwig: Vorstellung seiner Universalhistorie. Bd. 1, 1772 § 1. In: Dann, Otto (Hrsg.): Friedrich Schiller. Historische Schriften und Erzählungen I. Frankfurt/Main 2000, S. 838 f.
[2] Dann, Otto (Hrsg.): Friedrich Schiller. Historische Schriften und Erzählungen I. Frankfurt/Main 2000, S. 831
[3] Weitere Vorträge zur Universalgeschichte: „Etwas über die erste Menschengesellschaft“; „Die Sendung des Moses“; „Die Gesetzgebung des Lykurgus und Solon“.
[4] Dann, Otto (Hrsg.): Friedrich Schiller. Historische Schriften und Erzählungen I. Frankfurt/Main 2000, S. 842 f.
[5] Schlözer, August Ludwig: Vorstellung seiner Universalhistorie. Bd. 1, 1772 § 1. In: Dann, Otto (Hrsg.): Friedrich Schiller. Historische Schriften und Erzählungen I. Frankfurt/Main 2000, S. 838 f.
[6] vgl. Dann, Otto (Hrsg.): Friedrich Schiller. Historische Schriften und Erzählungen I. Frankfurt/Main 2000, S. 421
[7] Schlözer, August Ludwig: Vorstellung seiner Universalhistorie. Bd. 1, 1772 § 1. In: Dann, Otto (Hrsg.): Friedrich Schiller. Historische Schriften und Erzählungen I. Frankfurt/Main 2000, S. 838 f.
[8] Schiller, Friedrich; Mayer, Mathias (Hrsg.): Der Geisterseher. Aus den Memoires des Grafen von O**. Stuttgart 1996
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- Manuela Skala (Author), 2006, Friedrich Schiller und die Weltgeschichte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57737
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