Der Literaturbericht beschäftigt sich mit Eiko Ikegamis Standardwerk, "The Taming of the Samurai. Honourific Individualism and the Making of Modern Japan", in dem die Professorin für Soziologie an der renomierten Yale Universität, die Entstehung und Entwicklung der Samurai aus einem soziologischen Kontext heraus erzählt. Der Literaturbericht geht ausführlich auf ihre Darstellungen ein und gibt die komplexe Thematik der Entstehung dieser besonderen Kultur, deren gemeinschaftlichen Richtlinien auf einem strengen Kodex zur Regelung von Schuld und Dienst, dem sogenannten Ehrenkodex der Samurai,beruht, anschaulich wieder.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I A Social Approach
1 Honor, State Formation and Social Theories
II Origins In Violence
2 The Coming of the Samurai: Violence and Culture in The Ancient World
3 Vassalage and Honor
4 The Rite of Honorable Death: Warfare and the Samurai Sensibility
III Disintegration and Reorganization
5 Social Reorganization in the Late Medieval Period
6 A Society Organized for War
IV The Paradoxical Nature of Tokugawa State Formation
7 Tokugawa State Formation
8 An Integrated Yet Decentralized State Structure
9 The Tokugawa Neo-Feudal State:
A Comparative Evaluation
V Honor and Violence in Transformation
10 Honor or Order: The State and Samurai Self-Determinism
11 The Vendetta of the Forty-seven Samurai
12 Proceduralization of Honor
VI Honor Polarization in Vassalic Bureaucracy
13 State-Centred Honor and Vassalic Bureaucracy
14 Hagakure: The Cult of Death and Honorific Individuality
15 Confucian and Post-Confucian Samurai
VII Honorific Individualism and Honorifc Collectivism
16 Themes of Control and Change
Epilogue: Honor and Identity
Quellenverzeichnis
Literaturliste
Einleitung
Eiko Ikegami, Professorin der Soziologie an der Yale Universität, hat ihr Buch, in dem sie den Status der Samurai von einem soziologischen Gesichtspunkt erklärt, in sechzehn Kapitel (1-16) untergliedert. Die sechzehn Kapitel wiederum sind noch einmal zu jeweils sieben Hauptthemen (I-VII) zusammengefasst und handeln von der Entstehung einer so genannten Ehrenkultur bis hin zu ihrer Zähmung durch die Tokugawa Regierung.
Die einzelnen Kapitel tragen alle einen eigenständigen Titel, welche ich nicht ins Deutsche übersetzt habe. Auch Orts- bzw. Personennamen sind von mir zum besseren Verständnis, wie im Original belassen, d.h. die japanischen Familiennamen stehen den Vornamen voran.
I. A Social Approach
In der Einleitung beschäftigt sich Ikegami zunächst mit der generellen Begriffserklärung. und gibt dann einen kurzen Einblick, in ihre Vorgehensweise. hierbei stützt sie sich insbesondere auf kulturelle und soziologische Quellen betrachtet an Hand verschiedener Fallbeispiele (Case Studies) die Entwicklung der Samurai in einem soziologischen Kontext.
Im wesentlichen kritisiert Ikegami die fehlende Empathie vgl. WERMKE (2001:265) "Empathie (gr.-engl.): Bereitschaft u. Fähigkeit, sich in die Einstellung anderer Menschen einzufühlen." früherer Historiker. So schreibt sie, (siehe IKEGAMI 1995:9), dass Robert Bellah in seinem Buch Tokugawa Religion (um 1950) versucht, die Geschichte Japans mit seinem christlich-europäischen Hintergrund zu analysieren, ohne jedoch zu begreifen, dass jegliches Handeln der Samurai aus einem ganz anderen Kulturkreis heraus entstanden. Dies ist der Hauptkritikpunkt, den Ikegami in ihrer definiert.
1. Honor, State Formation and Social Theories
In diesem Kapitel weist Ikegami darauf hin, dass das englische Wort honor kaum den vielen verschieden Bedeutungen des Wortes im Japanischen gerecht werden kann. So gibt es z. B. na (Name), haji (Schuld oder Gesicht), chijoku (unehrenhaft), iiji [sic] (Stolz) und sekentei [sic] (Die Erscheinung in der Welt), wie sie auf Seite 17 angegeben werden. Alle umschreiben sie den Begriff der Ehre. Eine gebräuchliche Floskel von damals lautete: mittomonai kara yoshinasai (ebd. 17), was soviel hieß wie “tut es nicht, es könnte einen schlechten Eindruck machen”, und darauf deutete, dass Ehre , wie es auch im Vokabular der heutigen japanischen Sprache zu finden ist, vielmehr die Vermeidung von eigenen Unannehmlichkeiten haji, sowie Peinlichkeiten oder gar Schande bedeutet, als weniger das Rühmen heldenhafter Taten na.
Diese culture of shame, wie Ikegami es nennt, regulierte das Verhältnis in der Gruppe, auf die, wie wir später noch sehen werden, ein jeder angewiesen war, und sorgte für ein relativ reibungslosen Ablauf. An dieser Stelle zitiert sie Ashton Blok, der weitere Beispiele für ähnliche Zusammenspiele bei der sizilianischen Mafia oder in Algerien findet, wobei Ikegami darauf verweist, dass diese wesentlich konfliktgeladener waren als in Japan. Sie unterscheidet zwischen honour culture (Japan) und violent honour culture (Mittelmeerraum).
Wie konnte sich diese culture of honour entwickelen? Ikegami definiert einen komplexen Stil, der über Generationen weitergegeben wurde, und obwohl die Nachkommen diesen Stil nicht immer eins zu eins übernahmen, blieb die Komplexität erhalten. So kam es durchaus vor, das gewisse Symbolismen zwar von Generation zu Generation weitergegeben wurden, jedoch fielen die Interpretationen mit der Zeit anders aus, da Einzelne ihre kollektive oder individuelle Identität mit einbezogen. Und obwohl dieser Prozess langwierig und für die Beteiligten nur selten erkennbar war, änderte sich doch das Verständnis von Ehre.
Die Grundlage für die Entstehung der hierarchischen Strukturen erklärt Ikegami als eine Art Symbiose: Der Fürst, daimyô, wurde von seinen Vasallen geehrt, deren eigenes Ansehen wiederum proportional zu dem des Herrn stieg. Während in Europa zwischen Sklaven oder gefangen genommen Soldaten und deren Herren ein ähnliches Verhältnis existierte, beruhte dies jedoch nicht auf freiwilliger Basis. Zumindest bis zur Tokugawa Zeit wurden die Vasallen, je nach Status ihres Fürsten, mit entsprechend Land für ihre Dienste belohnt und waren somit ökonomisch unabhängig. Dieses Verhältnis wurde go´on to hô kô [sic] - Schuld und Dienst genannt (ebd. 27).
Schuld und Dienst war vor allem eine Frage von gegenseitigem Vertrauen und Effizienz, wie Thomas Hobbes erklärt. Der Vasall bot dem Fürsten seine Stärke und Mut, in der Hoffnung vom Fürsten einmal ausreichend dafür belohnt zu werden. Der Fürst wiederum musste sich, im Falle eines möglichen Angriffs auf den Vasallen verlassen können, und belohnte diesen dementsprechend schon im Voraus dafür. Dabei bezog man sich vor allem auf die Ehre (oder dem Ruf, der dem Samurai voraus eilte). Ohne guten Ruf (hohe Ehre) fand der Samurai keine gute Anstellung, da jedoch dieser Ruf aus dem früheren Schaffen (also eventuellen früheren Anstellungen, oder auch Heldentaten) resultierte, war er gleichzeitig auch Motivation.
Den Ehrenkodex beschreibt Ikegami als eine Art Richtlinie für die Gemeinschaft, mit denen sich der Stand der Samurai von den niederen Rängen, aber auch untereinander hervorzuheben suchte, als auch ein Mittel zur sozialen und hierarchischen Kontrolle, da es weder Polizei noch sonstige infrastrukturelle Mittel zur Erhaltung der Macht gab. Regelverstöße der Samurai führten demnach nicht zur Festnahme, sondern zum Verlust im Ansehen.
Im letzten Absatz erklärt Ikegami wie es zur Entstehung des Feudalismus in Japan kam. Während in feudalistischen Europa der Staat aus dem Streben der Oberschicht heraus entstand, sich von der Monarchie zu lösen, und Gesetze dazu dienten Konflikte zu regeln, führten die vorhandenen Strukturen in Japan genau zum Gegenteil (ebd. 36). In der frühen Neuzeit hatte es zwar Ansätze für demokratische Institutionen gegeben, so waren z.B. die Dörfer relativ autonom, aber es entwickelte sich dennoch keine Demokratie. Ikegami sieht hierfür drei Gründe:
1. Die vertikale Struktur (Hierarchie) auf militärischer Basis.
2. existierten keine horizontalen politischen Bündnisse. Und
3. wurde die Bevölkerung der Nichtsamurai demilitarisiert (mit klaren
Pflichten und Verboten). Denn anders als in Europa, waren die Städte in gewisser Hinsicht unterentwickelt, und die Schicht der Kaufleute war nicht politisch organisiert, was dazu führte, dass sie keine politische Macht inne hatten und somit gar nicht in der Lage waren, diesem Prozess entgegenzuwirken. (ebd. 37)
II. Origins in Violence
2. The Coming of the Samurai: Violence and Culture in the Ancient World
Gegen Ende der Heianzeit tauchen erstmals diverse Gruppen auf, die sich durch Gewalt verdient machen. Sie trugen Namen wie: tsuwamono, mononofu, bushi und saburai (später dann samurai) und arbeiteten für den Adel, z. B. als Steuereintreiber, Diener oder als Beschützer der shôen, dem Grundbesitz. Gewalt wurde als endemisches Mittel genutzt, um der Profession nachgehen zu können. Ab dem 12. Jahrhundert, während der Kamakurazeit vollzog sich ein stetiger Aufstieg des Kriegerstandes und ein daraus folgender Abstieg des Hofadels. Dennoch kam es nicht zu einem Verschmelzen der beiden Gruppen, sie existierten vielmehr nebeneinander, insbesondere was Geschlecht, Kultur und Lebensstil betraf. Ikegami beanstandet deshalb, dass die westliche Bezeichnung Kriegeradel für die Klasse der Samurai nicht zutreffend ist, und allein auf Grund des vererbbaren Charakters, Kriegergeschlecht heißen sollte (ebd. 49).
Gewalt wurde zum wesentlichen Werkzeug der Machterweiterung sowie für deren Legitimierung. Bald entwickelte sich eine eigenständige Samuraikultur, aus der Ehre als bedeutendster Punkt hervorging. Ehre wurde zur Grundlage kollektiver und kultureller Identität. Die Samurai selbst legten die Reziproken für den Begriff der Ehre fest. Er konnte ausschließlich Männern des eigenen Standes zu Teil werden, und bedeutete zunächst, dass der Name des Hauses, nicht aber des Individuums nicht beschmutzt werden durfte.
Die Herausbildung des Samuraistandes sieht Ikegami wie folgt. Nach der Bodenreform Mitte des 8. Jahrhunderts entstanden neue “Gesetze” zur effektiveren Eintreibung der Steuern. Obwohl es vor allem Hofadel und Geistliche waren, die über die finanziellen Mittel, shôen zu erwerben, verfügten, hinderte sie ihr Glauben daran, hart durchzugreifen. Dem zutiefst religiösen Adel, sowie der Geistlichkeit, war es seit Einführung des Buddhismus untersagt, Gewalt anzuwenden. Dadurch waren sie auf die militärische Unterstützung anderer angewiesen. Obwohl die Bauern einen Großteil der damaligen Bevölkerung ausmachten, wird angenommen, dass die frühen Samurai keinem agrarwirtschaftlichem Hintergrund entstammten, sondern sich aus den Reihen der Fischer und Jäger entwickelten, die vor allem im Osten Japans, außerhalb des Einflussbereichs des Kaiserhofs, ansässig waren. Man geht davon aus, dass deren Umgang mit Pferden, Waffen und Schamanismus den kulturellen Hintergrund des Samuraistandes maßgeblich beeinflussten. Auch später noch sind die Brauchtümer der Jäger bei den Samurai wieder zu finden, Jagdspiele und Rituale boten nicht selten einen beliebten Zeitvertreib.
Auch Angehörige des niederen Adels und Provinzbeamte, sowie Mörder und andere Kriminelle entwickeln militärische Kräfte, die sie sich zu Nutzen machten. Da die offiziellen Quellen aus dieser Zeit häufig zwiespältig oder gar unglaubwürdig erscheinen, bedient sich Ikegami vor allem poetischer Quellen, wie dem konjaku monogatori oder dem heike monogatori (ca. 12. Jahrhundert) um die Entstehung der Samuraiklasse zu rekonstruieren. In den damaligen Volksliedern wurden die Samurai zunächst als Barbaren, iteki, oder Schlächter, roji, bezeichnet. Sie wurden als gewalttätige Unruhestifter dargestellt, die, auf Grund ihrer Funktion als Steuereintreiber die Landbevölkerung tyrannisierten. Dabei wurden sie hauptsächlich von den Grossbauern eingesetzt, aber auch vom kaiserlichen Hof in Kyotô.
In anderen Gegenden spricht Ikegami von einer “Samuraiisierung” des niederen Adels, der darauf angewiesen war, selbst militärische Fähigkeiten zu entwickeln, um eigene Ländereien d.h. die Haupteinnahmequelle, zu bewachen. Der wachsende Stand der Samurai suchte schon bald nach neuen Wegen, gemeinsame politische und ökonomische Interessen zu vertreten. So entstand im Laufe des 12. Jh. die erste Militärregierung oder bakufu (Zeltregierung), das sog. Kamakura Shogunat.
Als ie bezeichnete man nicht nur die Wohnhäuser yakata, Übungsplätze, und das umliegende Land, sondern auch sämtliche Mitglieder eines Samurai-Clans bestehend aus den Familienangehörigen, Söldnern und Dienerschaft, (S. 70). Sie waren als einzige in der Lage Gewalt als Mittel einzusetzen, was, neben der allgemeinen sozialen Situation in den Provinzen, zu einer “Machtübernahme“ führte. Ihre physische Überlegenheit, die ihnen als Mittel der Unterdrückung diente und die Grundlage für ihren Stolz bot, verlangte nach Disziplin. Regeln und Symbole wurden entworfen, um einerseits diese Disziplin zu verstärken, andererseits das Verhältnis von Vasallen und Herrn, d.h. hierarchische Strukturen innerhalb der Gruppe, zu regeln. Dieses, an einen strengen Ehrenkodex gebundene Verhalten, ließ, wie Ikegami vermerkt, die Samurai als ehrbare Männer mit Prinzipien erscheinen, obwohl sie größtenteils wohl eher von einfacher und roher Natur waren.
Anders als beim Hofadel, konnten Samurai ihre vererbbaren Stellungen nicht als Selbstverständlichkeit hinnehmen, denn sie mussten ihre Kondition und ihren Mut regelmäßig trainieren, um nicht (z.B. durch Feigheit) an Ansehen zu verlieren. Ikegami nennt als Beispiel das Schicksal des im Kampf schwer verwundeten Yogo (Taira no Koremochi) dem trotz der aussichtslosen Lage nichts anderes übrig blieb, als bis zum Tod zu kämpfen. Eine Flucht, auch wenn sie sein Leben hätte retten können, hätte gleichzeitig einen Verstoß gegen den Ehrenkodex, und somit Verlust seines Ansehens und Status bedeutet.
3. Vassalage and Honor (Vasallität und Ehre)
Zunächst gab es verschiedene Arten von Vasallen. Z.B. als direkte Vasallen des Hofadels mit hohen Status und Einfluss, als Vasallen der shôen-Besitzer oder als Vasallen einflussreicher Samurai. Doch mit Beginn des Kamakura Shogunat transformierte sich der Stand der Samurai zu einer selbstständigen dominanten Macht und konnte sich vollständig vom Hofadel, auch hinsichtlich religiöser Zwänge, loslösen. Die zwei mächtigsten Klans der Minamoto und Taira (genji und heike) lieferten sich ständige Machtkämpfe, bis es schließlich Minamoto no Yoritomo im Jahre 1185 gelang, die erste unabhängige Regierung zu etablieren. Den Sitz seiner “Zeltregierung” verlegte er weit ins Landesinnere, ca. 12 Tage von Kyôto entfernt. Die direkten Vasallen des Shoguns, die sog. gokenin erhielten einen besonderen Status, sowie zusätzliches Land und Privilegien und waren verpflichtet, dem Shogun loyal zu dienen.
[...]
- Arbeit zitieren
- Anonym,, 2004, Literaturbericht über: Ikegami, Eiko: "The Taming of the Samurai. Honourific Individualism and the Making of Modern Japan." Cambridge: Havard University Press, 1995, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57462
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