Das bürgerliche Trauerspiel entstand im 18. Jahrhundert mit der Emanzipation des Bürgertums und der Auflehnung der Ständeklausel. In Schillers "Kabale und Liebe" werden Standes- und Moralunterschiede zwischen dem Bürgertum und dem Adel thematisiert. Was aber zeichnet dieses Drama als ein bürgerliches Trauerspiel aus? Die Liebesbeziehung des sozial und familiär ungleichen Paares sowie deren Beziehungen mit ihren Eltern werden in dieser Arbeit aufgegriffen und unter dem Aspekt des bürgerlichen Trauerspiels analysiert. Auch die Sprache der Dramenfiguren wird auf ihre Funktion hin untersucht.
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Die Gattung des bürgerlichen Trauerspiels
2.1. Literaturgeschichtliche Entwicklung im Überblick
2.2. Definition des bürgerlichen Trauerspiels
2.3. Intention und Wirkung
3. Die gesellschaftlichen Verhältnisse im 18. Jahrhundert und in „Kabale und Liebe“
3.1. Moral- und Wertvorstellungen am absolutistischen Hof
3.1.1. Machenschaften und Moralität der feudalen Mächte in „Kabale und Liebe“
3.1.2.Ferdinand als Gegner des feudalen Systems
3.2. Darstellung der bürgerlichen Lebenswelt
3.2.1. Typisches Motiv der Vaterbindung
3.2.2. Luise Millerin, das bürgerliche Mädchen
4. Das tragische Geschehen
4.1. Das Scheitern der absoluten Liebe
4.2. Dramatische Sprache der Liebenden
4.3. Die Korruption der bürgerlichen Moral
5. Lebendigkeit der bürgerlichen Sprache in „Kabale und Liebe“
6. Schillers Intentionen in seinem Trauerspiel
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In meiner Hausarbeit stelle ich zuerst das Wesentliche der Gattung ‚bürgerliches Trauerspiel’[1] dar, wobei ich Bezug auf die gesellschaftlichen Verhältnisse des 18. Jahrhunderts nehmen werde.
Es erscheint mir vorteilhaft, die Entstehung dieser Gattung, die mit den damaligen gesellschaftlichen Verhältnissen in Verbindung steht, an den Beginn meiner Ausführungen zu setzten und diese mit der Erläuterung der Gattungsabsicht zu ergänzen.
Dieser Einführung soll der Schwerpunkt meiner Arbeit folgen, und zwar Schillers „Kabale und Liebe“ als bgl. Tr. Die Tatsache, daß „Kabale und Liebe“ als bgl. Tr. gilt, werde ich hier nicht in Frage stellen, sondern, im Gegenteil, voraussetzen.
Zunächst sollen die Moral- und Standesunterschiede zwischen dem Adel und dem Bürgertum dargestellt werden. Das Bürgerliche an dem Trauerspiel wird an einigen der zahlreichen Beispiele veranschaulicht und die tragischen Hauptfiguren, Luise Millerin und Ferdinand, werden charakterisiert. Die Charakterisierung beruht auf der familiären und sozialen Ebene und der Liebesbeziehung des Paares. Im Anschluss soll auch das Tragische des Trauerspiels Aufmerksamkeit finden, wobei kurz auf die Funktion der dramatischen Sprache eingegangen wird. Abschließend soll Schillers Intention mit diesem Trauerspiel erläutert werden.
Die Breite an Material zum Thema der Gattung und besonders zu „Kabale und Liebe“ bedingt, daß der Gebrauch von exemplarischen Zitaten aus dem Primärtext sehr spärlich und meine Ausführungen stark verkürzt sein müssen.
2. Die Gattung des bürgerlichen Trauerspiels
2.1. Literaturgeschichtliche Entwicklung im Überblick
Die Gattungsbezeichnung „bürgerliches Trauerspiel“ taucht in Deutschland erstmals Mitte des 18. Jahrhunderts mit Lessings „Miß Sara Sampson“ (1755), im Untertitel als bgl. Tr. bezeichnet, auf und wird bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts beibehalten. Die grundlegende Bedingung für die Möglichkeit der Entstehung des bgl. Tr. ist die Emanzipation des Bürgertums von den feudal-absolutistischen Systemen[2] und die Aufhebung der Ständeklausel.
Noch vor Lessings bgl. Tr. schrieb George Lillo 1731 „aus dem Selbstbewusstsein des englischen Bürgertums heraus“[3] „The London Merchant“, ein Trauerspiel im bürgerlichen Milieu. Vier Jahrzehnte später wird auch bei Lessing (in: „Emilia Galotti“ (1772)) ein anklägerischer Ton gegenüber dem Absolutismus spürbar. Mit Trauerspielen wie Lenz’„Der Hofmeister“ (1774) und Wagners „Die Kindermörderin“ (1776) trat die junge Sturm und Drang Generation mit verstärktem Protestausdruck der damaligen Gesellschaftsordnung entgegen. Ihr Ideal, wie auch das von Schiller, war Recht und Freiheit der natürlichen, volkstümlichen Menschheit. „Das ästhetische Programm des Sturm und Drang fordert Erneuerung der Kunst durch Berührung mit echten und wahren Menschen aus dem Volke“[4]. Diese Forderung resultierte daraus, daß die Tragödie bis Anfang des 18. Jahrhunderts ausschließlich dem Adel vorbehalten war; Angehörige der Bürgerklasse durften nicht tragisch dargestellt werden.
Die Gattung des bgl. Tr. hat demnach ihren Ursprung im Klassenkonflikt zwischen Bürgertum und Adel, was aber nicht bedeutet, daß dieser Konflikt in allen bgl. Tr. thematisiert wird. Laut Szondi spielt der Klassengegensatz in den meisten Stücken dieser Gattung noch nicht einmal eine Rolle[5]. Im Widerspruch hierzu steht W. Binders Äußerung, daß das bgl. Tr. den Standesgegensatz doch miteinbeziehen würde[6].
Die wohl bekanntesten bgl. Tr. sind „Miß Sara Sampson“, „Emilia Galotti“ von Lessing, „Maria Magdalena“ und , als „Höhepunkt von Schillers Sturm-und-Drang-Zeit“[7], „Kabale und Liebe“. In diesen und weiteren bgl. Tr. wurden die Bürger zur neuen „Trägerschicht poetischer Gestaltung“[8]. So wandte die Dichtung sich der häuslich-privaten, intimeren Sphäre zu und machte die bürgerliche Familie zum Zentrum dramatischer Poesie. Diese Thematik wird im Folgenden näher betrachtet.
2.2. Definition des bürgerlichen Trauerspiels
Das bgl. Tr. kann man als eine Untergattung des Familiendramas bezeichnen. Schauplätze sind meist die Bürgerstube und das Adelshaus. Die patriarchalische Familie mit der sittsamen, heiratsfähigen Tochter und ihrem Ehekandidaten stellt in konstanter Weise das Zentrum dar. Für die Tochter ergibt sich meist ein Konflikt zwischen ihren Liebesansprüchen und ihrer bürgerlich-familiären Wertvorstellung.
Für das Motiv der Liebesbeziehung über Standesgrenzen hinweg scheint das bgl. Tr. eine Vorliebe zu haben. Und auch die Intrigen und die Verknüpfung von Unglück, Schuld und Missverständnis verleihen dem Spiel eine gewisse Dynamik. „[D]ie Bindung des Glücks an den statischen Besitz, [...] die Vorurteile der Eltern und das mangelnde Vertrauen, [...] der Standeshochmut und die verbrecherischen Intrigen“[9] sind die Ursachen des unglücklichen
Geschehens, die überwunden werden sollen.
Die Katastrophe im bgl. Tr., wie auch in der Tragödie, basiert auf einem unausgleichbarem Gegensatz. Den Unterschied des bgl. Tr. zur Tragödie macht die Möglichkeit aus, Schuld durch Sühne als beglichen darzustellen und die Handlung einem moralischem Zweck entsprechend zu
erfinden[10].
„[D]ie Fähigkeit, die tragischen Emotionen zu erregen, [gilt] nicht mehr als Privileg nur des höchsten Standes“[11]: Im bgl. Tr. ist einer vom bürgerlichen Stand der tragische Held. Doch es gibt auch Werke in denen Adeligen diese Rolle zugesprochen wird.
Ein wichtiges Merkmal des bgl. Tr. ist der demokratisch-menschliche Aspekt. Die „Betonung des Menschlich-Mitmenschlichen“[12] steht im Vordergrund und die Äußerung vom bürgerlichen Selbstbewusstsein gegenüber der Aristokratie kommt auf der Bühne zum Austrag.
Die Bezeichnung bürgerlich wird unterschiedlich interpretiert. Guthke beschreibt diese so: „Bürgerlich meint also nicht primär den Stand, sondern die Lebensweise, die Gesinnung. [...] [Und] die Gesinnung des bgl. Tr. [ist] die des Bürgertums der Zeit“[13].
[...]
[1] von nun an wird , bürgerliches Trauerspiel’ als ‚bgl. Tr.’ abgekürzt.
[2] Vgl. Janz: Schillers „Kabale und Liebe“, S. 210.
[3] Burger: Dasein heisst eine Rolle spielen, S. 194.
[4] Riesel: Studien zu Sprache und Stil, S. 22.
[5] Vgl. Szondi: Die Theorie des bürgerlichen Trauerspiels im 18.Jh, S. 18.
[6] Vgl. Binder: Schillers „Kabale und Liebe“. –In: Aufschlüsse, S. 151.
[7] Riesel: Studien zu Sprache und Stil, S. 24.
[8] Hiebel: Missverstehen und Sprachlosigkeit, S. 153.
[9] Günther: Darstellung der sozialen Wirklichkeit, S. 144.
[10] Vgl. Hiebel: Missverstehen und Sprachlosigkeit, S. 132.
[11] Guthke: Das dt. bürgerliche Trauerspiel, S. 11.
[12] Ebd., S. 2.
[13] Ebd., S. 13.
- Quote paper
- Kader Aki (Author), 2003, Schillers 'Kabale und Liebe' als bürgerliches Trauerspiel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57400
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