Der Themenkomplex Organisation und Innovation kann aus unterschiedlichster Perspektive untersucht werden. Ich werde mich speziell mit der phänomenologischen Analyse auseinandersetzen und versuchen diese auf den genannten Themenbereich zu übertragen.
Dieser Essay ist inhaltlich in zwei Teilbereiche gegliedert, wobei der erste die theoretischen Grundlagen erfasst und der zweite Teil die Anwendung der Theorie auf Organisationen und Innovation darstellt. Zu Beginn möchte ich die Grundlagen der Phänomenologie anhand des Werkes „Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit“ von Berger und Luckmann darstellen. Anschließend gehe ich näher auf die Rolle des Wissens in der phänomenologischen Analyse ein. Hierbei versuche ich, mit Hilfe der beiden Werke „Strukturen der Lebenswelt I und II“ von Schütz und Luckmann, den subjektiven, sowie den gesellschaftlichen Wissensvorrat zu untersuchen. Im zweiten Teil soll dargestellt werden, wie Innovation aus phänomenologischer Sicht überhaupt entstehen und wirkungsvoll umgesetzt werden kann. Anschließend möchte ich die im zweiten Kapitel genannten Grundlagen, wie subjektive beziehungsweise objektive Wirklichkeit auf Organisationen übertragen, den Zusammenhang von Innovation und Organisation herausarbeiten um daran anschließend die Bedeutung des Wissens für das soziale Handeln in Organisationen zu veranschaulichen.
Gliederung:
1. Fragestellung der Arbeit
2. Grundlagen der Phänomenologie
3. Die Rolle des Wissens
4. Innovation aus phänomenologischer Sicht
5. Verbindung von Organisation und Innovation und soziales Handeln
6. Zusammenfassung
1. Fragestellung der Arbeit
Ausgangspunkt dieser Arbeit sind im Allgemeinen die Probleme bezüglich des ökonomischen Handelns und der Koordination ökonomischer Aktivitäten und im Speziellen Innovationen in der ökonomischen Sphäre. Ältere Ansätze, die sich mit ökonomischen Handeln beschäftigt haben, wie zum Beispiel das neoklassische Paradigma, das besagt, dass ökonomische Aktivitäten durch rational handelnde Akteure, die nach individueller Nutzenmaximierung streben und Märkte gesteuert werden, haben heute keine Erklärungskraft mehr, da „... individual action is influenced by the hold that institutions have on individual decision making.“ (Hollingsworth/Boyer, S. 3) Deshalb soll es hier um die von einigen Autoren beschriebene und viel diskutierte institutionelle Einbettung des ökonomischen Handelns und die daraus resultierenden Folgen für Innovationen gehen. Neben Anderen, wie Whitley (vgl. Whitley), Hollingsworth/Boyer (vgl. Hollingsworth/Boyer) oder Berger (vgl. Berger/Dore), die jeweils unterschiedlichen Bezugsproblemen nachgingen, haben sich auch Peter A. Hall und David Soskice in ihrem Werk: „Varieties of Capitalism. The Institutional Foundations of Comparative Advantage.“ (vgl. Hall/Soskice) mit diesem Konzept beschäftigt. Ich werde im Folgenden kurz ihren Ansatz vorstellen, indem ich auf ihre Unterscheidung von „liberal market economies“ und „coordinated market economies“ eingehe und auf die daraus resultierenden Folgen für Innovationen aufmerksam mache. Anschließend soll es um die von Hall und Soskice herausgearbeitete Unterscheidung zwischen radikalen und inkrementalen Innovationen gehen, die ich im Zusammenhang mit einigen Beispielen, wie das Patentaufkommen, unterschiedliche soziale Sicherungen und Qualifikationen näher untersuchen werde. Danach werde ich auf einige Schwächen des Ansatzes, wie der methodologische Nationalismus, der verfolgte Dualismus, die Vernachlässigung der Dynamik und vor allem die institutionellen Komplementaritäten, aufmerksam machen, die auch mit den zwei Formen der Innovation in Bezug gesetzt werden können. Abschließend soll der Frage nachgegangen werden, ob ökonomisches Handeln und damit Innovationen auf eine Divergenz, eine Konvergenz oder eine Hybridisierung hinauslaufen.
2. Varietes of Capitalism
Bezugsproblem bei Hall und Soskice ist die Koordination auf betrieblicher Ebene. Ihnen zufolge gibt es zwei prinzipielle Formen zur Lösung des Koordinationsproblems: zum einen den Markt und zum anderen nichtmarktliche Arrangements, die entweder in „liberal market economies“ (LME) oder in „coordinated market economies“ (CME) ihren Ausdruck finden. Welche der beiden Fälle vorliegt, hängt von einer bestimmten Konstellation von Institutionen ab, die die strategische Interaktion von Akteuren und Organisationen bedingen und damit Erwartbarkeit und Vertrauen herstellen sollen. Die Autoren konzentrieren sich also „ …on the kinds of institutions that alter the outcomes of strategic interaction.” (Hall/Soskice, S. 5) Die Institutionen, die hierbei eine wichtige Rolle spielen sind: industrielle Beziehungen, Berufsausbildung und Qualifikation, Corporate Governance, zwischenbetriebliche und firmeninterne Beziehungen. Zu den LMEs zählen die Autoren Länder, wie USA, Großbritannien oder Australien zu den CMEs Länder, wie Deutschland, Japan, die Niederlande oder Schweden. Wie gerade erwähnt sind die Ausprägungen der Institutionen je nach Marktprinzip verschieden. In LMEs erfolgen die industriellen Beziehungen vor allem auf Marktbasis. Das heißt Entgelt, Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen werden vor allem im Betrieb zwischen den Arbeitern und dem Management ausgehandelt. Gewerkschaften sind nur sehr gering am diesem Prozess beteiligt. „... trade unions are generally less powerful than in CME’s, ...“ (Hall/Soskice, S. 29) In CMEs, wie zum Beispiel in Deutschland, werden dagegen Verträge auf überbetrieblicher, also zum Beispiel auf Industrieebene (Manteltarifverträge) zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden geschlossen. Bei der Berufsausbildung setzt man in LMEs auf allgemeine Fertigkeiten, die in der Schule erworben werden, während seltene speziellere Weiterbildungen im Betrieb vorgenommen werden. Im Gegensatz dazu herrschen in CMEs, entweder wie in Japan firmenspezifische, oder wie in Deutschland industriespezifische Qualifikationen vor. (vgl. Estevez-Abe, u.a. S. 151f) Finanzierung, also Corporate Governance Strategien, unterscheidet sich in LMEs und CMEs wie folgt: In LMEs wie in der USA, geschieht eine Finanzierung zum größten Teil durch Risikokapital (Venture Capital). Deshalb sind Investitionen nur sehr kurzfristig und feindliche Übernahmen die Regel. In CMEs spielen Hausbanken die größere Rolle, die langfristig Geld investieren, Informationen über die Firma erhalten müssen und damit enge Verbindungen mit dem Unternehmen aufweisen (z.B. Sitz im Aufsichtsrat). Genauso, wie bei den industriellen Beziehungen, funktionieren die zwischenbetrieblichen Beziehungen in LMEs auf Basis des Marktes und auf formalen Verträgen. Diese Beziehungen sind vor allem durch Wettbewerb gekennzeichnet. In CMEs aber herrschen die oben schon angesprochenen nicht-marktlichen Arrangements, wie zum Beispiel regionale oder branchenspezifische Netzwerke vor. Bezüglich der innerbetrieblichen Beziehungen lassen sich ähnliche Aussagen treffen. Versteht man unter den firmeninternen Beziehungen, die Hall und Soskice nicht näher erläuterten, die Arbeitsorganisation, so zeigen sich erhebliche Unterschiede. Maurice und Lane zeigen in unterschiedlichen Arbeiten unter anderem, wie sich die Arbeitsorganisation in Deutschland von der in Großbritannien unterscheidet. In Deutschland, also CME, gibt es höhere Flexibilität, höhere Autonomie, höhere Technizität und eine niedrigere Hierarchisierung. In Großbritannien (LME) dagegen ist die Flexibilität, die Autonomie und die Technizität gering, der Hierarchisierungsgrad dagegen mittel hoch. (vgl. Maurice u.a. S. 70ff, Lane 1989, S.42ff) Diese Konstellationen von Institutionen haben gemäß Hall und Soskice auch unterschiedliche Formen von Innovation zum Ergebnis. Bevor aber auf die Innovationen näher eingegangen wird, möchte ich noch auf einen zentralen Punkt des Ansatzes hinweisen. Sehr wichtig für die Analyse ist das Konzept der institutionellen Komplementaritäten. (vgl. Hall/Soskice, S. 17ff) Institutionelle Komplementaritäten bedeuten wechselseitige Stabilisierungen von Institutionen (Sachzwang). „... two insitutions can be said to be complementary if the presence (or efficiency) of one increases the returns from (or efficiency of) the other.” (Hall/Soskice, S. 17) Beispielsweise könnte man hier den Zusammenhang von Ausbildung und innerbetrieblichen Beziehungen erwähnen, den Maurice und Lane untersucht haben. (vgl. Maurice u.a./Lane) Werden Personen mit firmenspezifischen Qualifikationen, wie zum Beispiel in Deutschland durch das duale Ausbildungssystem, ausgestattet, so sind diese autonomer in Entscheidungen, flexibler bei Arbeitsplatz- oder Aufgabenwechsel. Dies hat zur Folge, dass weniger Hierarchieebenen notwendig sind. Besitzen Personen nur allgemeine Qualifikationen, sind mehr Vorgesetzte notwendig, da die Fähigkeit zum Selbstentscheiden und Handeln nicht in dem Maße vorhanden ist. Ein weiteres Beispiel wäre der Zusammenhang von Finanzierung und zwischenbetrieblichen Beziehungen. Erfolgt die Finanzierung kurzfristig, so sind die Unternehmen gezwungen, sich ständig auf dem Markt zu behaupten, was zu einem dauerhaften Konkurrenzdruck führt und zwischenbetriebliche Zusammenarbeit verhindert. Ist die Finanzierung dagegen langfristig, sind interorganisatorische Kooperationsformen, wie Netzwerke möglich. Auf diese Art können alle fünf institutionellen Bereiche untereinander in Beziehung gesetzt werden. Folgt man dieser Logik, so hat dies zur Folge, dass, wenn eine Institution, aus welchen Gründen auch immer (z.B. exogener Schock) verändert wird, die anderen Institutionen angepasst werden müssen, oder aber das Institutionengeflecht auf kurz oder lang zusammenbricht.
Wie bereits angesprochen, haben die verschiedenen Institutionenkonstellationen und damit die LMEs und CMEs verschiedene Innovationstypen zur Folge. Die beiden Autoren unterscheiden zwischen radikalen Innovationen in LMEs und inkrementalen Innovationen in CMEs. (vgl. Hall/Soskice, S. 28ff) Wie sich diese beiden Innovationstypen unterscheiden, wie sie entstehen und welche Beispiele man jeweils anführen kann, werde ich im folgenden Abschnitt erläutern.
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- Arbeit zitieren
- Carlo Cerbone (Autor:in), 2005, Die Rolle des Wissens in der phänomenologischen Analyse und seine Bedeutung für Organisation und Innovation , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57252
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