Neben dem klassischen Versandhandel werden unter Einsatz neuer Kommunikationstechnologien zunehmend auch grenzüberschreitend elektronisch gestützte Käufe durch den Verbraucher getätigt. So sind die neuen Medien geeignet, jegliche Art von Waren oder Dienstleistungen kostengünstig, bequem und schnell weltweit zu vermarkten. Diese Vertriebsarten, die sich unter dem Begriff Fernabsatz fassen lassen, sind insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass Anbieter und Verbraucher sich nicht physisch begegnen und der Verbraucher die Ware oder Dienstleistung in der Regel nicht vor Vertragsschluss in Augenschein nehmen kann. Damit kommt es hier oftmals zu einem Ungleichgewicht der Verhandlungspositionen zwischen Anbieter und Verbraucher.
Gerade Vertragsschlüsse im Internet werden wegen der Vielseitigkeit und Schnelligkeit des Mediums immer populärer und gewinnen daher mehr und mehr an Bedeutung. Studien sehen ein überproportionales Zuwachspotential in diesem Marktsegment voraus; allein für die Bundesrepublik wird teilweise von einem Umsatzpotential von bis zu sechzig Milliarden DM in den Bereichen des Online- und Teleshopping ausgegangen1. Zwar setzt auch der Vertragsschluss im Internet zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus, die etwa per E-Mail ausgetauscht werden können; die Annahme eines attraktiv ausgestalteten Vertragsangebotes per Mausklick ist jedoch alltäglich geworden. Bedenkt man, dass die Hemmschwelle zu einem solchen rechtsverbindlichen Mausklick durchaus niedriger liegt, als bei sonstigen Arten von Willenserklärungen, steht ähnlich wie beim „Haustürgeschäft“ oder „Teleshopping“ die Frage nach Verbraucherschutz im Raum. Ein solcher Verbraucherschutz müsste eine gleichwertige Verhandlungsposition zwischen Verbraucher und Unternehmer ermöglichen, damit die sich auf Verbraucherseite aus dem Fernkommunikationsmedium ergebenden Nachteile ausgeglichen werden. Einen derartigen Nachteilsausgleich findet man bereits in verschiedenen nationalen Verbraucherschutzregelungen. Hinzu kommt nun das Fernabsatzgesetz, welches in Umsetzung der von der EU verabschiedeten Fernabsatzrichtlinie2 u.a. auch den Verbraucherschutz bei Geschäften im Internet gewährleisten soll. Die vorliegende Arbeit wird sich daher mit der Frage beschäftigen, inwieweit Regelungen des Verbraucherschutzrechts bei Rechtsgeschäften im Internet Anwendung finden.
[...]
Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Einführung
Verbraucherschutz im Internet
A. Internationalität: IPR Kollisionsrecht
I. Art. 29 EGBGB
II. Art. 29a EGBGB
III. Art. 34 EGBGB
B. (Nationaler) Verbraucherschutz
I. Widerrufs- und Rückgaberecht (§§ 361a, b BGB)
II. Fernabsatzgesetz
1. Anwendungsbereich
a) Fernabsatzverträge
aa) Verbraucher
bb) Unternehmer
cc) Fernkommunikationsmittel
dd) Fernabsatz
b) Ausnahmen
aa) Bau- und Verkaufsverträge über Immobilien
bb) Verträge über Lebensmittel und Gegenstände des täglichen Bedarfs
cc) Verträge in den Bereichen von Unterbringung, Beförderung oder Lieferung von
Speisen sowie Freizeitgestaltung
dd) Automatenverträge, Benutzungsverträge an öffentlichen Fernsprechern und
Versteigerungen
c) Günstigkeitsprinzip
2. Regelungen des FernAbsG zum Schutz des Verbrauchers
a) Informationspflichten des Unternehmers
aa) Rechtzeitige Unterrichtung des Verbrauchers
bb) Transparenzgebot
cc) Bestätigung der Informationen auf einem dauerhafter Datenträger
(1) Dauerhafter Datenträger
(a) Papiergebundene Schriftstücke
(b) Elektronische Speichermedien
(c) E-Mail und Webformulare
(2) Besondere Kennzeichnungspflicht; § 2 Abs. 3 S. 2 FernAbsG
dd) Folgen bei Nichtbeachtung der Informationspflichten
b) Widerrufsrecht des Verbrauchers
aa) Widerrufsfrist
bb) Widerrufserklärung
cc) Erlöschen des Widerrufsrechts
dd) Ausnahmen vom Widerrufsrecht
(1) Verderbliche oder auf Kundenwunsch zugeschnittene Ware
(2) Entsiegelte Audio- und Videoaufzeichnungen sowie Software
(3) Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierte
(4) Wett- und Lotteriedienstleistungen, sowie Versteigerungen
ee) Rechtsfolgen des Widerrufs
(1) Rückabwicklung, § 361a BGB
(2) Schadensersatzpflicht
(3) Vergütung für die Nutzung der Sache
(4) Der Widerruf von finanzierten Geschäften
-IV-
(a) Vom Unternehmer finanzierte Geschäfte
(b) Von Dritten finanzierte Geschäfte
ff) Rechtsnatur des Widerrufsrechts
gg) Verhältnis zu anderen Vorschriften
c) Rückgaberecht
aa) Voraussetzungen
bb) Ausübung des Rückgaberechts
3. Unabdingbarkeit, Umgehungsverbot
III. Haustürwiderrufsgesetz
1. Direkte Anwendung
2. Analogie zum Teleshopping
3. „Überrumpelung“
IV. Verbraucherkreditgesetz
1. Fernabsatzhandel, § 8 VerbrKrG
2. Konkurrenzen
V. AGB-Gesetz
VI. Kaufrecht ( §§ 459 II, 463 S. 1 BGB)
VII. Pauschalreiserecht (§§ 651a - 651l BGB)
VIII. Haftung für Gewinnzusagen, § 661a BGB
IX. Haftung bei Kreditkartenmissbrauch, § 676h BGB
X. Wettbewerbsrecht
XI. Spezialgesetzliche Regelungen
1. Fernunterrichtsschutzgesetz
2. Teilzeit-Wohnrechtegesetz
C. Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Einführung
Neben dem klassischen Versandhandel werden unter Einsatz neuer Kommuni- kationstechnologien zunehmend auch grenzüberschreitend elektronisch ge- stützte Käufe durch den Verbraucher getätigt. So sind die neuen Medien ge- eignet, jegliche Art von Waren oder Dienstleistungen kostengünstig, bequem und schnell weltweit zu vermarkten. Diese Vertriebsarten, die sich unter dem Begriff Fernabsatz fassen lassen, sind insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass Anbieter und Verbraucher sich nicht physisch begegnen und der Verbrau- cher die Ware oder Dienstleistung in der Regel nicht vor Vertragsschluss in Augenschein nehmen kann. Damit kommt es hier oftmals zu einem Ungleich- gewicht der Verhandlungspositionen zwischen Anbieter und Verbraucher.
Gerade Vertragsschlüsse im Internet werden wegen der Vielseitigkeit und Schnelligkeit des Mediums immer populärer und gewinnen daher mehr und mehr an Bedeutung. Studien sehen ein überproportionales Zuwachspotential in diesem Marktsegment voraus; allein für die Bundesrepublik wird teilweise von einem Umsatzpotential von bis zu sechzig Milliarden DM in den Bereichen des Online- und Teleshopping ausgegangen1. Zwar setzt auch der Vertrags- schluss im Internet zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus, die etwa per E-Mail ausgetauscht werden können; die Annahme eines attraktiv ausgestalteten Vertragsangebotes per Mausklick ist jedoch alltäglich gewor- den. Bedenkt man, dass die Hemmschwelle zu einem solchen rechtsverbindli- chen Mausklick durchaus niedriger liegt, als bei sonstigen Arten von Willens- erklärungen, steht ähnlich wie beim „Haustürgeschäft“ oder „Teleshopping“ die Frage nach Verbraucherschutz im Raum. Ein solcher Verbraucherschutz müsste eine gleichwertige Verhandlungsposition zwischen Verbraucher und Unternehmer ermöglichen, damit die sich auf Verbraucherseite aus dem Fern- kommunikationsmedium ergebenden Nachteile ausgeglichen werden. Einen derartigen Nachteilsausgleich findet man bereits in verschiedenen nationalen Verbraucherschutzregelungen. Hinzu kommt nun das Fernabsatzgesetz, wel- ches in Umsetzung der von der EU verabschiedeten Fernabsatzrichtlinie2 u.a. auch den Verbraucherschutz bei Geschäften im Internet gewährleisten soll.
Die vorliegende Arbeit wird sich daher mit der Frage beschäftigen, inwieweit Regelungen des Verbraucherschutzrechts bei Rechtsgeschäften im Internet Anwendung finden. Ein Schwerpunkt der Arbeit wird darin liegen, die Be- stimmungen des Fernabsatzgesetzes3 kritisch aufzuzeigen. Wegen der Über- gangsvorschriften innerhalb der aktuellen gesetzlichen Änderungen kann darüber hinaus auch auf eine Darstellung der bisherigen, teilweise umstrittenen Rechtslage nicht verzichtet werden.
Verbraucherschutz im Internet
A. Internationalität: IPR Kollisionsrecht
Der Rechtsverkehr im Internet zeichnet sich vor allem durch seine Internatio- nalität aus. Effektiver (euro-)nationaler Verbraucherschutz bei Verträgen via Internet ist jedoch nur möglich, wenn dieser nicht durch den internationalen Charakter der Vertragsabschlüsse unterlaufen wird.. Grundsätzlich ist daher auch bei Verbraucherverträgen im Internet das anwendbare materielle Recht zu bestimmen. Das für internationale Vertragsabschlüsse geltende Kollisions- recht, welches im Konfliktfall regelt, ob deutsches Recht oder das Recht eines anderen Staates gilt, ist grundsätzlich in den Artt. 27ff. EGBGB geregelt.
I. Art. 29 EGBGB
Die zentrale Norm des Verbraucherschutzes ist Art 29 EGBGB, der unter den Voraussetzungen des Art. 29 I Nr. 1 − 3, II EGBGB eine Sonderanknüpfung an zwingende Verbraucherschutzvorschriften des Staates des gewöhnlichen Aufenthaltes ermöglicht, wenn diese für den Verbraucher günstiger als die sonst zur Anwendung kommenden Vorschriften sind4. Art. 29 I EGBGB erfasst den Fall der Rechtswahl nach Art. 27 EGBGB, Art. 29 II EGBGB den der objektiven Anknüpfung nach Art. 28 EGBGB. In beiden Fällen muss eine Voraussetzung des Art. 29 I Nr. 1 − 3 EGBGB vorliegen.
Gem. Art. 29 I Nr. 1 EGBGB muss dem Vertragsschluss ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung im Staat des Verbrauchers vorausgehen, und die- ser muss in diesem Staat die zum Vertragsschluss erforderlichen Rechtshand- lungen vornehmen. Ein Teil der Literatur nimmt an, dass es sich um gezielt auf den Markt des Verbraucherlandes gerichtete Werbung und Angebote han- deln muss5. Bei Werbung und Angeboten im Internet zielt der Anbieter jedoch nicht auf den Markt eines bestimmten Landes ab, so dass mit dieser Meinung bei Verträgen via Internet der Verbraucherschutz erheblich reduziert würde. Angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten ist diese Auslegung daher zu eng, zumal der Verbraucher im Internet idR kaum herausfinden kann, ob ihn die Werbung nur zufällig oder bestimmungsgemäß erreicht hat6. Folglich ist der Gegenansicht7 zuzustimmen, nach der Art. 29 I Nr. 1 EGBGB schon dann vorliegt, wenn die Webseite eines Anbieters Werbung oder ein Angebot enthält und ein Verbraucher am Bildschirm ein Bestellformular ausfüllt8.
Dagegen liegt Art. 29 I Nr. 2 , 3 EGBGB bei Verträgen via Internet kaum vor. Nr. 2 verlangt, dass der Vertragspartner des Verbrauchers oder sein Vertreter die Bestellung im Verbraucherstaat entgegennehmen. Entgegennahme bedeu- tet Zugang der Willenserklärung des Verbrauchers9. Bei Verträgen via Internet geht dem Anbieter eine Willenserklärung des Verbrauchers zu, wenn sie bei ihm gespeichert wird10. Sie geht also bei grenzüberschreitenden Verträgen via Internet regelmäßig am Sitz des Anbieters und nicht im Verbraucherstaat zu. Art. 29 I Nr. 3 EGBGB betrifft den Fall, dass der Verkäufer den Verbraucher zu einer Reise in einen anderen Staat verleitet, um diesem dort Waren zu ver- kaufen. Dies ist bei Verträgen via Internet kaum vorstellbar, da der Verbrau- cher regelmäßig keine Reise zum Zwecke von Internetgeschäften unternimmt.
Sind die Art. 29 I Nr. 1 - 3 EGBGB gegeben, finden die deutschen Verbrau- cherschutzvorschriften immer dann Anwendung, wenn durch die Anwendung nichtdeutschen Rechts dem Verbraucher in Deutschland Verbraucherschutz entzogen wird. Es bleibt jedoch umstritten11, ob sich die an Territorien an- knüpfenden IPR-Regelungen ohne weiteres auf den Vertragsschluss via Inter- net anwenden lassen. Um einen effektiven Verbraucherschutz im Internet zu gewährleisten, wird zum Teil vertreten, dass man die IPR-Normen so auslegen müsse, dass jedenfalls dem Verbraucher bekannte Regelungen Anwendung finden12. Nach anderer Ansicht könne man eine im internationalen Medium Internet homogene Lösung nur durch supranationale Gesetzeswerke finden13.
II. Art. 29a EGBGB
Im Zuge der Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie wurde Art. 29a EGBGB neu eingefügt. Dieser legt in Absatz 1 Satz 1 eine spezielle ordre public-Klausel fest, welche den Verbraucherschutz auf Grundlage der europäischen Verbrau- cherschutzrichtlinien auf Verträge ausdehnt, die aufgrund einer Rechtswahl nicht dem Recht eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines an- deren Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschafts- raum unterliegen. Dies setzt jedoch voraus, dass der Vertrag einen engen Zu- sammenhang mit dem Gebiet eines dieser Staaten aufweist. Grundlage für die Kollisionsnorm ist die Bestimmung in Art. 12 II FARL, welche die Mitglied- staaten verpflichtet, den Schutz der Richtlinie auch dann sicherzustellen, wenn der Vertrag dem Recht eines Drittstaates unterstellt ist, jedoch einen engen Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsgebiet aufweist. Ein Unterschied zu den bisherigen Sonderkollisionsregeln, etwa in § 12 S. 1 AGBG, § 8 TzWrG, liegt darin, dass diese generell von Verträgen sprechen, die ausländischem Recht unterliegen. In Übereinstimmung mit den Richtlinienvorgaben soll in Zukunft jedoch einschränkend auf das Recht der Nicht-EU-Mitgliedstaaten abgestellt werden. Damit sind deutsche Verbraucherschutzbestimmungen etwa des FernAbsG grundsätzlich dann anwendbar, wenn der Vertrag dem Recht eines Nicht-EU-Mitgliedstaates unterliegt, jedoch einen Bezug zu einem oder mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraums aufweist. Die Son- deranknüpfung in Art. 29a EGBGB betrifft entsprechend den Richtlinienvor- gaben nur den Fall der Rechtswahl nach Art. 27 EGBGB. Ist die in Art. 29a II EGBGB umschriebene Vermutung eines inneren Zusammenhanges gegeben, so ist also gewährleistet, dass der Verbraucher den durch die FARL gewährten Schutz nicht durch die Wahl des Rechts eines Drittstaates verliert.
III. Art. 34 EGBGB
Umstritten ist, ob deutsche Vorschriften über den Verbraucherschutz über Art.
34 EGBGB einer Sonderanknüpfung unterliegen. Ein Teil der Literatur lehnt dies ab14. Eine a. A. hält eine solche Sonderanknüpfung zumindest ergänzend für die von Art. 29 EGBGB nicht erfassten Verträge für möglich15. Da auch bei grenzüberschreitenden Verträgen die nationalen Vorschriften zum Verbraucherschutz nicht umgangen werden sollten, ist diese Meinung vor- zugswürdig. Zudem ist der Art. 29 EGBGB zugrundeliegende Art. 5 EVÜ ein Kompromiss und will den kollisionsrechtlichen Verbraucherschutz nicht ab- schließend regeln16. Auch sollte der Art. 34 EGBGB zugrundeliegende Art. 7 II EVÜ ursprünglich den gesamten kollisionsrechtlichen Verbraucherschutz beinhalten17. Gem. Art. 36 EGBGB ist aber zu berücksichtigen, dass das auf dem EVÜ basierende Recht in den Vertragsstaaten einheitlich ausgelegt wird. Da von den Vertragsstaaten bei Art. 7 II EVÜ über Verbraucherschutz nach- gedacht wurde, liegt jedoch die Anwendung von auf Art. 7 II EVÜ beruhenden verbraucherschützenden Normen nahe. Deshalb sollten sie bei Lücken des Art. 29 EGBGB von Art. 34 EGBGB erfasst werden und auch international zwingend gelten. Sie dürfen nicht schon dadurch ausgeschlossen sein, dass eine dem Art. 29 I Nr. 1-3 EGBGB nur ähnliche Konstellation vorliegt.
B. (Nationaler) Verbraucherschutz
Verbraucherschutz im Internet zeichnet sich insbesondere durch einen Übereilungsschutz aus, der in den einschlägigen nationalen Vorschriften konsequent umgesetzt wurde. Dabei sind die Regelungen geprägt durch die klassischen Schutzinstrumente: Informationspflichten des Unternehmers und ein Widerrufsrecht des Verbrauchers.
I. Widerrufs- und Rückgaberecht (§§ 361a, b BGB)
Eine zentrale Bedeutung für verbraucherschützender Vorschriften kommt der Einführung der allgemeinen Regelung des Widerrufsrechts in den §§ 361a, b BGB zu. Durch die Vereinheitlichung der im Detail bisher unterschiedlichen Widerrufsregelungen des HWiG, VerbrKrG, TzWrG und FernUSG wird hier nicht nur eine äußerliche, sondern auch inhaltliche Abweichung gegenüber der früheren Gesetzeslage bewirkt. So ist das Widerrufsrecht nach § 361a I BGB in konstruktiver Hinsicht nicht mehr als rechtshindernde Einwendung ausges- taltet, die die Willenserklärung des Verbrauchers bis zum Ablauf der Wider- rufsfrist schwebend unwirksam18 sein ließ. Vielmehr soll das Widerrufsrecht nach dem Willen des Gesetzgebers als Gestaltungsrecht wirken, so das eine bereits wirksam gewordene Willenserklärung durch fristgerechten Widerruf ex nunc vernichtet wird. So sprechen die Gesetzesmaterialien eindeutig von einer „schwebenden Wirksamkeit“ des Vertrages19. Die Rückabwicklung erbrachter Leistungen erfolgt jedoch nicht wie etwa bei der Anfechtung nach Bereiche- rungsrecht, sondern nach der Sonderregelung des § 361a II, der im Grundsatz auf das Rücktrittsrecht verweist, allerdings auch eine Reihe bedeutsamer Än- derungen enthält (Einzelheiten im Abschnitt Widerrufsrecht).
II. Fernabsatzgesetz
In Umsetzung der am 20. 5. 1997 verabschiedeten Richtlinie über den Verbraucherschutz im Fernabsatz20 (Fernabsatzrichtlinie) ist nunmehr mit Verzögerung am 30. 6. 2000 das Fernabsatzgesetz mit den vom Vermittlungs- ausschuss vorgeschlagenen Änderungen in Kraft getreten, mit dem Ziel, den Verbraucher vor irreführenden und aggressiven Verkaufsmethoden im Fernab- satz zu schützen und das Recht der Mitgliedstaaten über Vertragsabschlüsse im Fernabsatz im Hinblick auf die Vollendung des Binnenmarktes zu harmo- nisieren21. Das FernAbsG regelt den Verbraucherschutz bei Verträgen über Fernabsatz. Dabei meint Fernabsatz entsprechend der FARL nicht nur die Leistungsabwicklung, sondern auch den Vertragsschluss selbst22. Somit kann man mit dem Begriff Fernabsatz alle Verträge erfassen, die nicht von Ange- sicht zu Angesicht zwischen den Vertragspartnern geschlossen werden. Inso- weit knüpft das FernAbsG an den Anwendungsbereich der dem HWiG zugrunde liegenden Verbraucherschutzrichtlinie an.
Der Verbraucherschutz des FernAbsG basiert auf drei Schutzmechanismen: Zunächst soll der Verbraucher rechtzeitig vor Abschluss des Vertrages im Fernabsatz über bestimmte Essentialia des Vertrages unterrichtet werden müs- sen, wobei er unzweideutig erkennen können muss, dass es sich hier um einen kommerziellen Zweck bzw. Vertragsschluss handelt. Darüber hinaus sieht das Gesetz die beweiskräftige Bestätigung der vor Vertragsschluss gegebenen In- formationen vor. Schließlich wird ein allgemeines Widerrufsrecht normiert.
1. Anwendungsbereich
a) Fernabsatzverträge
Das Gesetz ist grundsätzlich auf alle Fernabsatzverträge anwendbar, also nach § 1 FernAbsG auf Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern, die sich für ihren Abschluss und ihre Anbahnung der gängigen Fernabsatzkom- munikationsmittel bedienen, und die Lieferung von Waren (bewegliche Sa- chen und Wertpapiere) sowie die Erbringung von Dienstleistungen umfassen. Der Begriff des „Verbrauchers“ und des „Unternehmers“, die bisher in vielen Gesetzen verstreut waren - vgl. etwa §§ 1 I VerbrKrG, 24a I AGBG, 414 IV HGB, 1031 V 2 ZPO, Art. 29 I EGBGB sowie sinngemäß §§ 6 Nr. 1 HWiG, 1 I TzWrG - sind nun in §§ 13, 14 BGB legaldefiniert. Inhaltlich entsprechen die Definitionen im wesentlichen denen der bisherigen Sondergesetze.
aa) Verbraucher
Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder einer gewerblichen noch einer selbständigen be- ruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann (§ 13 BGB). Die Beschränkung der Verbrauchereigenschaft auf Rechtsgeschäfte ist nur scheinbar, denn wie die neuen §§ 241a, 661a BGB zeigen, kann die Verbrauchereigenschaft unab- hängig sowohl von einem aktiven Handeln als auch vom Vorliegen eines Rechtsgeschäfts gegeben sein. Vielmehr ist allein darauf abzustellen, ob eine natürliche Person bei dem relevanten Vorgang - Abgabe einer Willenserklä- rung, Entgegennahme einer unbestellten Ware - zu einem gewerblichen oder selbständigen beruflichen Zweck handelt oder nicht. Im Bereich des VerbrKrG galt bisher insoweit eine Erweiterung des Verbraucherbegriffes, als auch Exis- tenzgründungsgeschäfte, die offensichtlich für die aufzunehmende gewerbli- che oder selbständige berufliche Tätigkeit bestimmt sind, vom persönlichen Anwendungsbereich umfasst waren23.
Probleme bei der Zuordnung sind hier lediglich in Fällen denkbar, in denen etwa eine Person unter Benutzung einer Firmen-Email-Adresse Waren für den persönlichen Bedarf bestellt, der Unternehmer sich jedoch auf den Schein der Unternehmensadresse beruft.
bb) Unternehmer
Unternehmer ist nach § 14 I BGB jede natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss des Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit han- delt. Auch hier gilt zum Merkmal des Rechtsgeschäfts das oben gesagte; auch in den Fällen der §§ 241a, 661a BGB ist der Unternehmerbegriff erfüllt, ob- wohl gerade keine Rechtsgeschäfte abgeschlossen werden. Der Begriff der „rechtsfähigen Personengesellschaft“ ist nunmehr in § 14 II BGB statt bisher in § 1059a II BGB definiert, ohne dass sich eine sachliche Änderung ergibt.
cc) Fernkommunikationsmittel
Der Begriff des Fernkommunikationsmittels ist in § 1 II FernAbsG legaldefiniert. Er meint jedes Kommunikationsmittel, das zur Anbahnung und zum Abschluss eines Vertrages zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden kann. Die Regelungen des FernAbsG betreffen damit neben Vertragsschlüssen per E-Mail, Internet, Teleshopping oder Videotext auch den klassischen Versandhandel durch Briefverkehr, Katalogbestellung, Telefon oder Fax, da auch diese Fernkommunikationsmittel darstellen.
dd) Fernabsatz
Ferner ist erforderlich, dass das betreffende Geschäft im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Frag- lich ist jedoch, welche organisatorischen Anforderungen an solch ein Ver- triebssystem zu stellen sind. Da § 1 FernAbsG allein auf den Vertragsschluss abstellt, liegt die Annahme nahe, dass etwa ein Verbraucher, der im Laden
seines Computerhändlers anruft, seine Ware ordert und später vor Ort abholt, sich anschließend auf das Fernabsatzgesetz berufen kann. Da ein telefonisches Angebot nach den allgemeinen Regeln wie ein Antrag unter Anwesenden zu behandeln ist (§ 147 I 2) wäre bei entsprechender Annahme der Vertrag via Fernkommunikationsmittel zustande gekommen (Hier besteht gleichzeitig ein Widerspruch zu § 1 II FernAbsG „ohne gleichzeitige körperliche Anwesen- heit“). Nach der Gesetzesbegründung kann Fernabsatz jedoch nur bedeuten, dass der Vertriebsweg via Fernkommunikationsmittel bewusst organisiert wurde24. Damit greift der Schutz des FernAbsG bei telefonischer Bestellung nur dann, wenn nicht nur im Einzelfall, sondern regelmäßig und vom Unter- nehmer bewusst vorgesehen telefonisch bestellt und die Ware auf dem Post- weg versand wird. Man kann die Anwendung des FernAbsG als Verbraucher also nicht durch die Herstellung körperlicher Abwesenheit beim Vertrags- schluss erzwingen, etwa indem man beim Laden um die Ecke anruft und Wa- ren bestellt, was jedoch von dem betreffenden Laden nicht bewusst als Ver- triebsweg gewählt wurde. Andererseits muss der Schutz durch das FernAbsG wohl dann gewahrt bleiben, wenn sich der Unternehmer gemischter Vertriebs- formen bedient, etwa indem er Fernkommunikationstechniken mit Formen des klassischen Direktvertriebes vermischt. Denn auch in diesem Fall besteht ein Interesse daran, den Nachteil des Verbrauchers auszugleichen, den er dadurch erfährt, dass er die Ware oder Dienstleistung nicht vor dem Vertragsschluss in Augenschein nehmen kann. Zwar könnte man argumentieren, dass der Kunde, der die Wahl hat zwischen Direktvertrieb und fernkommunikativer Bestellung, seinen Nachteil bewusst in Kauf nimmt. Jedoch ist auch hier darauf abzustel- len, dass sich der Unternehmer gezielt auch des Vertriebes via Fernabsatz und seiner Vorteile bedient. Eine Reduzierung des Verbraucherschutzes lässt sich allein aufgrund der Verwendung beider Vertriebsformen kaum begründen.
Zur Erleichterung in der Praxis25 sieht § 1 I vor, dass ein Vertrag, der ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommen ist, stets unter das FernAbsG fällt. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Unternehmer nachweist, dass er kein für den Fernabsatz eingerichtetes Vertriebssystem verwendet, sondern den konkreten Vertrag nur ausnahmsweise mit solchen Mitteln abgeschlossen hat.
b) Ausnahmen
Vom sachlichen Anwendungsbereich ausgenommen sind zunächst solche Ver- träge, die zwischen einzelnen Verbrauchern geschlossen werden. Dies ergibt sich schon aus § 1 I FernAbsG, der nur von Verträgen zwischen Verbraucher und Unternehmer spricht. Damit sind z.B. Verträge im Rahmen einer Kleinan- zeigenbörse im Internet nicht betroffen. Durch die Regelung in § 1 III Nr. 1 - 7 FernAbsG sind ferner eine Vielzahl von Verträgen generell vom Anwen- dungsbereich des Gesetzes ausgenommen. Nicht erfasst werden unter anderem Verträge, die dem FernUSG oder dem TzWrG unterfallen (näheres im Ab- schnitt Spezialgesetzliche Regelungen), ebenso wie Bankgeschäfte, Finanz- und Wertpapierdienstleistungen, Versicherungen sowie deren Vermittlung, also auch das gesamte Online-Banking. Der Verbraucherschutz in diesem Be- reich soll, soweit nicht ohnehin auf nationaler Ebene das VerbrKrG einschlä- gig ist, durch die geplante EG-Richtlinie über den Verbraucherschutz bei Fi- nanzdienstleistungen im Internet26 greifen.
aa) Bau- und Verkaufsverträge über Immobilien
Auch Bau- und Verkaufsverträge über Immobilien und andere Grundstücksge- schäfte mit Ausnahme der Vermietung werden vom Anwendungsbereich des Fernabsatzgesetz nicht umfasst. Die Regelung der Immobilienrechte soll nach der FARL wegen der regelmäßig engen Bindung zu nationalen Eigentums- und Sachenrechten vielmehr den Einzelstaaten überlassen bleiben. Außerdem bestehen für solche Verträge in den nationalen Rechtsordnungen in der Regel schon allgemeine Form- und Schutzvorschriften, die entweder einen Vertrags- abschluss im Wege des Fernabsatzes unmöglich oder einen zusätzlichen Schutz durch Informationspflichten und Widerrufsrechte überflüssig machen. So ist nach deutschem Recht ein Immobiliengeschäft ohnehin an besondere Formvorschriften wie etwa notarielle Beurkundung gebunden, die einen wirk- samen Abschluss unter ausschließlicher Nutzung von Fernabsatzkommunika- tionsmitteln nicht zulassen.
bb) Verträge über Lebensmittel und Gegenstände des täglichen Bedarfs
Zumindest teilweise ausgenommen sind ferner Verträge über die Lieferung von Lebensmitteln, Getränken oder sonstigen Haushaltsgegenständen des täg- lichen Bedarfs, die dem Kunden im Rahmen häufiger und regelmäßiger Fahr- ten geliefert werden. In der Begründung des Gesetzgebers heißt es, dass bei solchen Verträgen über Hauslieferungen Informationen nicht nötig und Wider- rufsrecht meist nicht zweckmäßig sei27. Dies ist jedoch zumindest insoweit fragwürdig, als der Schutz des Verbrauchers hier davon abhängig gemacht wird, was er bestellt und ob es verderblich ist.
[...]
1 Enquete-Kommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“, Bundestagsdrucksache 13/11004 vom 22.6.1998, S. 21.
2 Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, verabschiedet am 17.2.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl. EG Nr. L 144 vom
4.6.1997, S. 19.
3 Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro v. 27.6.2000 (BGBl. I, S. 897).
4 Böhm, S. 121.
5 Palandt-Heldrich, EGBGB 29, Rn. 5.
6 Reithmann/Dageförde-Martiny, Rn. 441.
7 Böhm, S. 111; T. Pfeiffer, NJW 1999, S. 3674 (3685).
8 A. Waldenberger, BB 1996, S. 2365 (2371).
9 Böhm, S. 113; MüKo-Martiny, Art. 29 Rn. 15.
10 Eichhorn, Internet-Recht, S. 71.
11 D. Arnold, CR 1997, S. 526 (527).
12 A. Waldenberger, BB 1996, S. 2365 (2367).
13 Eichhorn, Internet-Recht, S. 77.
14 P. Schlosser, FS Steindorff, S. 1379 (1387).
15 MüKo-Martiny, Art. 29 Rn. 95; Soergel-v.Hoffmann, Art. 34 Rn. 10; BTDrS. 10/503, S. 21 (28).
16 W. Roth, RIW 1994, S. 275 (276).
17 W. Roth, RIW 1994, S. 275 (278).
18 BGH NJW 1996, S. 57 (57).
19 BT-Drs. 14/2658, S. 42.
20 Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl Nr. L. 144/19 v. 4. Juni 1997.
21 BT-Drs. 14/2658, S. 15.
22 D. Arnold, CR 1997, S. 526 (528).
23 Palandt-Putzo, § 1 VerbrKrG, Rn. 4.
24 BT-Drs. 14/2658, S. 30.
25 BT-Drs. 14/2658, S. 31.
26 Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher vom 14.10.1998, ABl. C 385 vom 11.12.1998, S. 10.
27 BT-Drs. 14/2658, S. 33.
- Citation du texte
- Christian Schneider (Auteur), 2001, Verbraucherschutz im Internet, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5713
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