Der Begriff Hermeneutik bezeichnet die Lehre vom Verstehen bzw. die Kunst der Interpretation von Texten. Bei solchen wissenschaftlichen Interpretationen können sich verschiedene Probleme ergeben. Ziel der Arbeit ist es, hermeneutische Probleme wissenschaftlichen Arbeitens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts an der Literaturwissenschaft zu Georg Büchner darzustellen. 170 Jahre nach der Entstehung vonDantons Tod(1835) ist Georg Büchner immer noch ein aktueller Autor. Auch heute noch ist die Büchner-Debatte von literaturwissenschaftlicher und auch von politischer Relevanz. So äußerte Erich Fried 1987, 150 Jahre nach Büchners Tod, in seiner Büchner-Preisrede, dass sich Büchner heute vielleicht zur ersten Generation der Baader-Meinhof-Gruppe geschlagen hätte. Auf den folgenden Seiten sollen zunächst hermeneutische Probleme allgemein betrachtet werden, bevor sie dann am Beispiel der Büchner-Forschung verdeutlicht werden.
I N H A L T:
1. Einleitung
2. Probleme der Hermeneutik
2.1. Hermeneutische Differenz
2.2. Verschiedene hermeneutische Ansätze zur literarischen Werksrezeption
3. Hermeneutische Kontroversen der Büchner-Debatte
3.1 Wirkungsgeschichte
3.2 Systemkonformität, Exilrezeption und Ideologiekritik
3.3 Die geistesgeschichtlich orientierte Germanistik
3.4 Werkimmanenz und Geschichtlichkeit
4. Die Faschisierung Büchners- bewusst oder unbewusst?
5. Die Gültigkeit der subjektiven Interpretation
6. Schluss
7. Bibliographie
1. Einleitung
Der Begriff Hermeneutik bezeichnet die Lehre vom Verstehen bzw. die Kunst der Interpretation von Texten. Bei solchen wissenschaftlichen Interpretationen können sich verschiedene Probleme ergeben. Ziel der Arbeit ist es, hermeneutische Probleme wissenschaftlichen Arbeitens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts an der Literaturwissenschaft zu Georg Büchner darzustellen. 170 Jahre nach der Entstehung von Dantons Tod (1835) ist Georg Büchner immer noch ein aktueller Autor. Auch heute noch ist die Büchner-Debatte von literaturwissenschaftlicher und auch von politischer Relevanz. So äußerte Erich Fried 1987, 150 Jahre nach Büchners Tod, in seiner Büchner-Preisrede, dass sich Büchner heute vielleicht zur ersten Generation der Baader-Meinhof-Gruppe geschlagen hätte.[1] Auf den folgenden Seiten sollen zunächst hermeneutische Probleme allgemein betrachtet werden, bevor sie dann am Beispiel der Büchner-Forschung verdeutlicht werden.
2. Probleme der Hermeneutik
2.1 Hermeneutische Differenz
Das Verstehen eines Gegenstands ist immer mit Problemen verbunden: Der Gegenstand ist zunächst fremd und distanziert, und muss erst im Verstehens- bzw. Deutungsakt analysiert werden. Man unterscheidet drei Varianten der hermeneutischen Differenz:[2]
-Linguistische Differenz, z.B. unterschiedliche Sprachzugehörigkeit und Sprachkompetenz.
-Historische Differenz: Die „unaufhebbare Differenz zwischen dem Interpreten und dem Urheber[…], die durch den geschichtlichen Abstand gegeben ist.“[3]. Mit der Zeit entstehen Verständnisprobleme durch sprachliche Veränderungen und sachliche Schwierigkeiten, wie erklärungsbedürftige Fakten, Namen und Zusammenhänge.
-Rhetorische Differenz: Die Benutzung von rhetorischen Mitteln, deren Funktion und Bedeutung man bei einer angemessenen Interpretation mit berücksichtigen muss.
2.2. Verschiedene hermeneutische Ansätze zur literarischen Werksrezeption
Kontrovers diskutiert wird, ob es eine allgemeingültige Interpretation gibt, oder ob jede Interpretation subjektiv zu verstehen ist. Eng damit zusammen hängt auch die Frage, welche Faktoren die Rezeption eines literarischen Werks beeinflussen. Im 19. Jahrhundert war die Hermeneutik von Schleiermacher und Dilthey geprägt. Laut Schleiermacher legt der Rezipient die ursprüngliche Absicht des Autors beim Lesen frei. Interpretation bedeutet hier, sich in den Autor hineinzuversetzen und den einzig möglichen Sinn des Werks aufzudecken.[4] Auch Dilthey glaubte, die historische Distanz durch Einfühlung aufheben zu können: Er betonte, dass der Interpretationsvorgang geschlossen und vom Leser unabhängig sei. Unbeachtet blieb dabei die historische Situation des Werks und des Lesers.[5]
Im 20. Jahrhundert unternahmen Heidegger und vor allem Hans-Georg Gadamer eine Neuorientierung der Hermeneutik: Verstehen wurde nicht mehr durch das konkrete gegenwärtige Verhältnis des Lesers zum Werk bestimmt gesehen, sondern als Teil eines wirkungsgeschichtlichen Geschehens, das sich wandelnde Gegebenheiten berücksichtigen muss (Horizonttheorie)[6]. Die Beiden beschrieben das als hermeneutischen Zirkel: Der Interpret und das zu Interpretierende stehen in einem gegenseitigen Bedingungsgefüge. Um das Ganze zu verstehen, ist es notwendig, die Teile zu verstehen und umgekehrt. Faktoren, die die Rezeption eines Werkes beeinflussen, sind dabei die Untersuchung der Biographie und der Zeitbedingungen des Autors. Am Beispiel Büchners wäre das sein außergewöhnliches politisches Engagement. Zudem ist das Werk des Autors geprägt von den historischen Erfahrungen, auf die er zurückblickt, die wir deshalb berücksichtigen müssen. Bei der systemkonformen Germanistik im Dritten Reich war das nicht gegeben, das Autormilieu wurde vernachlässigt, man konzentrierte sich auf eigene Zeitvorstellungen. Aber auch die Biographie des Rezipienten, die Zeitumstände seiner Epoche und seine eigenen historischen Erkenntnisse prägen den Rezeptionsvorgang. Daher gibt es keine allgemeingültige Interpretation, da jede Deutung von der Persönlichkeit des Lesers abhängig ist. Ein Zusammenspiel dieser Faktoren ist nötig, damit der hermeneutische Zirkel im Gleichgewicht und nicht einseitig belastet ist, wie bei der Büchnerforschung im Dritten Reich. Mit Hilfe dieser Faktoren und bei Berücksichtigung der Wirkungsgeschichte kann die historische Distanz zwischen Autor und Werk und dem Leser verringert werden: Bisherige Analysen des Werks, die verschiedene Aspekte des Textes im Kontext ihrer Zeit betonen können, kann man in die Analyse miteinbeziehen, um die Distanz zu überbrücken und die Entwicklung des Werksverständnisses nachzuvollziehen. „Er [der Abstand] ist ausgefüllt durch die Kontinuität des Herkommens und der Tradition, in deren Lichte uns alle Überlieferung sich zeigt.“[7]
[...]
[1] Vgl. Hauschild: Büchner. PC-Bibliothek: Brockhaus, DUDEN, Meyer und Langenscheidt
[2] Vgl. Vogt: Hermeneutische Differenz.
[3] Gadamer (1960). Zitiert nach Vogt: Wirkungsgeschichte.
[4] Vgl. Microsoft Encarta Enzyklopädie 2003. Artikel Hermeneutik
[5] Ebd.
[6] Ebd.
[7] Gadamer (1960). S. Vogt: Wirkungsgeschichte; s. auch Universität Essen: Auszug aus: Gadamer, Wahrheit und Methode.
- Arbeit zitieren
- Catherina Wirtz (Autor:in), 2005, Hermeneutische Probleme wissenschaftlichen Arbeitens im Blick auf die Literaturwissenschaft zu Georg Büchner in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57002
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