Zur Zeit leben in Deutschland rund 7,3 Mio. Ausländer, oder anders ausgedrückt, knapp 9 % der Gesamtbevölkerung besitzt keinen deutschen Pass. Dabei ist in der jüngeren Vergangenheit aufgrund von Zuwanderung nicht nur die absolute Zahl der Ausländer gewachsen, auch die ethnische Vielfalt hat sich deutlich vergrößert. Und das nicht nur hierzulande, in den meisten Staaten des westlichen Europas sind, besonders seit dem Ende des „kalten Krieges“, ähnliche Tendenzen zu beobachten. Aber wie lässt sich der neuerliche „Ansturm“ auf die „Festung Europa“ erklären, und aus welchen Herkunftsgebieten stammt die Mehrzahl der außereuropäischen Migranten? Ziel dieser Wanderungen jedenfalls sind in den meisten Fällen die Großstädte, in deren Straßenbild die Einwanderer anderer Kontinente seit einiger Zeit einen festen Platz einnehmen. Mit dieser Arbeit gilt es zu untersuchen, ob sich prägnante Muster der räumlichen Verteilung bestimmter ethnischer Gruppen herausgebildet haben, und inwiefern diese sich in der Stadt in Form von sogenannten ethnischen Kolonien verfestigen konnten. Leben nicht-europäische Minderheiten innerhalb Deutschlands und speziell in Berlin zufällig verstreut im Raum oder existieren Konzentrationen, zumindest Regelmäßigkeiten?
Gliederung
1. Einleitung
2. Ethnische Gruppen bzw. Minoritäten – Begriffsbestimmung und Abgrenzung des Untersuchungsfeldes
3. Neue Migration
3.1 Rahmenbedingungen der neuen „Völkerwanderung“
3.2 Zuwanderung nach Deutschland
4. Räumliche Verteilung außereuropäischer Minoritäten
4.1 Verteilung in Europa
4.2 Verteilung in Deutschland
5. Die Iranische Minderheit in Deutschland
6. Die Vietnamesische Minderheit in Deutschland
7. Ethnische Kolonien und Segregation
8. Außereuropäische Minoritäten in Berlin
8.1 Räumliche Verteilung der Ausländer in Berlin
8.2 Die Iraner in Berlin
8.3 Die Vietnamesen in Berlin
Wohngebiete von Minoritäten außereuropäischer Herkunft
1. Einleitung
Zur Zeit leben in Deutschland rund 7,3 Mio. Ausländer, oder anders ausgedrückt, knapp 9 % der Gesamtbevölkerung besitzt keinen deutschen Pass. Dabei ist in der jüngeren Vergangenheit aufgrund von Zuwanderung nicht nur die absolute Zahl der Ausländer gewachsen, auch die ethnische Vielfalt hat sich deutlich vergrößert (vgl. Kemper, 1997). Und das nicht nur hierzulande, in den meisten Staaten des westlichen Europas sind, besonders seit dem Ende des „kalten Krieges“, ähnliche Tendenzen zu beobachten. Aber wie lässt sich der neuerliche „Ansturm“ auf die „Festung Europa“ erklären, und aus welchen Herkunftsgebieten stammt die Mehrzahl der außereuropäischen Migranten? Ziel dieser Wanderungen jedenfalls sind in den meisten Fällen die Großstädte, in deren Straßenbild die Einwanderer anderer Kontinente seit einiger Zeit einen festen Platz einnehmen. Mit dieser Arbeit gilt es zu untersuchen, ob sich prägnante Muster der räumlichen Verteilung bestimmter ethnischer Gruppen herausgebildet haben, und inwiefern diese sich in der Stadt in Form von sogenannten ethnischen Kolonien verfestigen konnten. Leben nicht-europäische Minderheiten innerhalb Deutschlands und speziell in Berlin zufällig verstreut im Raum oder existieren Konzentrationen, zumindest Regelmäßigkeiten?
2. Ethnische Gruppen bzw. Minoritäten – Begriffsbestimmung und Abgrenzung des Untersuchungsfeldes
Die in Europa lebenden Minoritäten außereuropäischer Herkunft sind als zu betrachtende Bevölkerungsgruppe äußerst heterogen zusammengesetzt, und lassen sich aufgrund ihrer Unterschiede hinsichtlich der Herkunft und der damit zusammenhängenden Kultur nur mühsam als Einheit darstellen. Vielmehr sind diese in unzählige kleinere und größere ethnische Gruppen zu unterteilen. Bereits 1997 lebten annähernd 200 ethnische Minderheiten in Deutschland (vgl. Schmalz-Jacobsen, 1997). Somit lässt sich behaupten, daß nahezu aus jedem Staat der Erde Menschen hier im Land wohnhaft sind.
Dabei wird nach Heckmann eine Ethnie als „eine Gruppe bezeichnet, die tatsächliche oder vermeintliche Gemeinsamkeiten besitzt, entweder aus der Geschichte und Abstammung, in der Sprache, Religion, Sitte oder Kultur, auf deren Grundlage sich eine gewisse kollektive Identität ergibt“ (Kuls/Kemper, 2000, S.65) Diese Identität entsteht nicht automatisch, „sondern aus dem Bewußtsein der Gruppe von sich selbst und durch Urteile bzw. Zuschreibungen der Mehrheitsgesellschaft“, also auch aufgrund von „Stigmatisierungen, fehlender Partizipation und Ausgrenzung“ (Krummacher, 2000). Gerade auch der Begriff einer „ethnischen Minorität“ wird oft automatisch mit benachteiligten und diskriminierten ethnischen Gruppen in Verbindung gebracht (vgl. Kemper, 1997). Wenn im folgenden von „Minoritäten“ die Rede sein wird, dann ist dabei in erster Linie der quantitative Aspekt einer Minderheit gemeint. Des weiteren ist vorweg abzugrenzen um welche Einwanderer es sich hier handeln wird, wenn von „außereuropäischer Herkunft“ gesprochen wird. Davon auszuschließen sind in jedem Falle, aufgrund der kulturellen Nähe und des ähnlich vorhandenen westlichen Entwicklungsstandes, Nordamerikaner und Ausländer des australischen Kontinentes. Weiterhin sollen Personen aus den nordafrikanischen Mittelmeerländern, also den sogenannten Maghreb-Staaten genauso außen vor bleiben, wie die Türken. In beiden Fällen bestehen lang andauernde Migrationsverflechtungen nach Europa, die entweder aus der Tradition kolonialer Vergangenheit oder durch das Anwerben von Gastarbeitern herrühren. Deshalb sollen im folgenden nur Gruppen aus dem subsaharischen Afrika, Lateinamerika und Asien betrachtet werden.
3. Neue Migration
Seit dem Ende der 80er Jahre ist ein erheblicher Anstieg des Zustroms von Immigranten nach West-, Nord- und neuerdings auch Südeuropa zu beobachten. Auch wenn die absolute Anzahl der Einwanderer seit Mitte der 90er Jahre wieder stark rückläufige Tendenzen aufweist, so ist dennoch bis zum heutigen Zeitpunkt von einer neuen Phase der Migration zu sprechen. Diese lässt sich kennzeichnen durch eine wachsende Zahl der Herkunfts- und Zielländer, einher gehend mit dem Bedeutungsverlust traditioneller Herkunftsstaaten zugunsten einer Ausdehnung der Migrationssysteme auf Staaten Osteuropas und etliche Länder der 3.Welt (vgl. Dobritz, 1999). Auch haben sich die Typen der Einwanderung markant verändert. Waren in den 60er und 70er Jahren noch postkoloniale Migrationen aus früheren Kolonien nach Westeuropa und Gastarbeiterwanderungen durch Anwerbung, nicht selten verbunden mit anschließendem Familiennachzug (vgl. Dobritz, 1999) die typischen Migrationsmuster, so handelt es sich bei den neuen Wanderungsgruppen meist um Bürgerkriegs- und politische Flüchtlinge, um legale oder illegale Arbeits- und Asylsuchende, sowie um deutschstämmige Spätaussiedler (vgl. Ibrahim, 1997).
3.1 Rahmenbedingungen der neuen „Völkerwanderung“
Während der Phase des wirtschaftlichen Wachstums der Nachkriegszeit, geprägt von Güterproduktion und fordistischer Massenfabrikation, bestand eine enge Kopplung zwischen den Wanderungen und den ökonomischen Konjunkturzyklen der Zielländer. Migrationen entstanden als Antwort auf eine entsprechende Nachfrage an zusätzlichen Arbeitskräften in der Industrie (vgl. Münz/Ulrich, 1997). Dies war die Zeit der sogenannten „Gastarbeiterwanderung“. Inzwischen hat eine weltweite ökonomische Transformation hin zur Informations- und Dienstleistungsgesellschaft stattgefunden, mit der Folge einer Polarisierung der Nachfragestruktur von Arbeitskräften zugunsten hoch und gering qualifizierter Beschäftigter (vgl. Gans, 1997). Dieser Bedarf speist sich allerdings nur noch in den seltensten Fällen durch direkte Anwerbung seitens der Zielländer. Stattdessen, als Konsequenz der schrankenlosen Globalisierung, also der fortschreitenden Internationalisierung von Finanz- und Sachkapital, natürlichen Ressourcen und Waren, ist nun auch die Arbeitskraft, in Form relativ spontaner Migrationen, im Sog dieser modernen Entwicklung mit eingebunden (vgl. Ibrahim, 1997). Eine wichtige Voraussetzung für heutige Wanderungen bilden zusätzlich ökonomische und soziale Notlagen in einer Vielzahl der Herkunftsländer. Die Verelendung der Massen in der 3. Welt und das wachsende „Nord–Süd-Gefälle“, eng verbunden mit der Bevölkerungsexplosion und den demographischen Ungleichgewichten stellen eine hauptursächliche Triebfeder moderner Migrationen dar. Des weiteren führen vielerorts Bürgerkriege, regionale Konflikte und ökologische Katastrophen, auch dauerhafter Natur, zu Bedingungen die einen Exodus der Betroffenen zur Folge haben. Bei all dem nicht zu vergessen ist die Entwicklung moderner Transportmittel, die natürlich erst eine steigende Mobilität der Menschen möglich macht. Außerdem sorgen elektronische Medien- und Kommunikationssysteme dafür, dass die Kontraste dieser Welt für jeden sichtbar werden (vgl. Ibrahim, 1997).
Einer der wichtigsten Faktoren, ohne den ein derartiges Zusammenwachsen der Welt und die damit verbundenen Migrationswellen wohl kaum in diesem Ausmaß möglich gewesen wären, stellt der gravierende politische Umbruch in Osteuropa dar. Der „Eiserne Vorhang“ ist verschwunden, und damit auch das Symbol für unüberwindbare Grenzen. Der Prozeß der Globalisierung wird dadurch wesentlich beschleunigt. Aber auch in den osteuropäischen Ländern selbst kommt es aufgrund der dramatischen Verschlechterung der ökonomischen und sozialen Lage einer Vielzahl der Menschen zu umfangreichen Auswanderungen.
3.2 Zuwanderung nach Deutschland
Bei der Betrachtung des Wanderungsverhältnisses der letzten Jahrzehnte zwischen Deutschland und dem Ausland (Abb.1) lassen sich deutlich 2 große Zuwanderungswellen erkennen. Bei der ersten in den 60er und 70er Jahren handelt es sich um die bereits angesprochene Gastarbeiterwanderung infolge der Anwerbung von Arbeitskräften aus den mediterranen Staaten Südeuropas. Diese Phase endet 1973 mit dem Anwerbestopp in Verbindung mit der Ölkrise. Zu diesem Zeitpunkt lebten bereits rund 4 Millionen Ausländer in der BRD, die überwiegend aus der Türkei, Jugoslawien, Italien, Griechenland und Spanien stammten (vgl. Kuls/Kemper, 2000). Nach einer längeren Phase in der nicht wenige Gastarbeiter wieder in ihre Heimat zurückkehrten bzw. andere ihre Familienangehörigen nachholten, kommt es seit Ende der 80er Jahre wiederum zu einem deutlichen Anstieg der
Zuwanderung nach Deutschland.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Diese neue Migrationswelle, die seit Mitte der 90er Jahre wieder stark zurückgeht, gilt es nun näher zu analysieren. Insgesamt erreicht Deutschland zwischen 1988 und 1993 ein positives Wanderungssaldo von 3,7 Mio. Migranten. Eine derartige Dimension der Immigration erzielte im Vergleich nur die USA (vgl. Münz/Ulrich, 1997). In Abb.2 wird sichtbar, daß der Großteil der Migranten zwar immer noch aus europäischen Ländern stammt, der Anteil der EU - Staaten aber sehr gering ausfällt. Die Mehrheit der Einwanderer nach Deutschland kommt demzufolge eindeutig aus den ehemals sozialistischen Ostblockstaaten und der Türkei. Ebenfalls signifikant ist der Anstieg der Zuwanderung aus Ländern, die nicht zu Europa gehören. Die absolute Anzahl dieser Gruppe steigt zu Beginn der 90er Jahre auf 320.000 Personen an, und hat sich somit im Vergleich zur jährlichen Zuwanderung bis Mitte der 80er Jahre mehr als verdreifacht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bei genauerer Betrachtung der außereuropäischen Zuwanderung (Abb.3) fällt auf, dass der
allgemeine Zuwachs dieser Gruppe zu einem beträchtlichen Teil durch den geradezu sprunghaften Anstieg der asiatischen Migranten entsteht. Die Anzahl jener Teilgruppe hat sich zu Beginn der 90er Jahre gegenüber dem Zeitraum bis 1984 fast verfünffacht und vereinigt in dieser Zeit ungefähr Zweidrittel aller außereuropäischen Zuwanderer auf sich. Aber auch die Zahl der Migranten aus Amerika und Afrika hat sich erheblich vergrößert. Gerade aus Afrika strömten Anfang der 90er Jahre teilweise bis zu 75.000 Menschen im Jahr
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ein weiteres Indiz einer qualitativ und quantitativ veränderten Zuwanderung nach Deutschland liefert die abrupt steigende Tendenz der Asylbewerber seit 1989 (Tab.1). Nahezu synchron zu den oben dargestellten Zuwanderungswerten erreicht die Zahl der Asylsuchenden 1992 mit knapp 440.000 Antragstellern ihren Höhepunkt. In jenem Jahr stammen rund 64 % der Bewerber aus Europa, hauptsächlich aus dem ehemaligen Jugoslawien und Rumänien, knapp 15 % aus Afrika und etwa 13 % aus Asien (vgl. Ibrahim, 1997). Seit 1994 ist die Anzahl aufgrund eines neuen restriktiven Asylrechtes wieder stark rückläufig.
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- Arbeit zitieren
- Dipl.-Geograph Lars Wagenknecht (Autor:in), 2004, Wohngebiete von Minoritäten außereuropäischer Herkunft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56892
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