Die Grundstruktur der Bildung entspricht der Grundstruktur der Ironie. Daher die Fragestellung: Welche Bedeutung hat die Ironie, insofern man ihre philosophischen, ästhetischen und rhetorischen Spielarten berücksichtigt, für die Bildung des Menschen?
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Begriff Ironie
2.1. Ironien über Ironien – Versuch über einen „proteusartigen“ Begriff
2.2. Das Problem der Polymorphie
3. Ironie als Methode
3.1. Die sokratische Ironie als Methode?
3.1.1. Subjektive Selbstreflexion und Negativität als Signaturen von Bildung?
3.2. Rhetorische Ironie
4. Fr. Schlegels klassisch-idealistische Bildungsidee und romantische Ironie
4.1. (Früh-)Romantik
4.2. Schlegels ‚Dialektik’
4.3. Schlegels Bildungsbegriff
4.4. Schlegels Ironiebegriff
5. Zum Zusammenhang von Ironie und Bildung bei Fr. Schlegel
5.1. Ironie und Bildung
5.1.1. Die ästhetische Bildungsfunktion der Ironie
5.1.2. Die philosophische Bildungsfunktion der Ironie
6. Die ‚rhetorische’ Bildungsfunktion der Ironie im Anschluss an Fr. Schlegel
6.1. Die ‚rhetorische’ Bildungsfunktion der Ironie
6.1.1. Der bildungstheoretische Gehalt
7. Schlussbemerkung
8. Literaturverzeichnis
9. Kurz gefasster Lebenslauf
10. Erklärung
1. Einleitung
„Ebenso wie die Philosophie mit dem Zweifel, ebenso beginnt ein Leben, das menschenwürdig genannt werden kann, mit der Ironie“[1]
„Ach ja, die Ironie. Hüten Sie sich vor der hier gedeihenden Ironie, Ingenieur! Wo sie nicht ein gerades und klassisches Mittel der Redekunst ist, dem gesunden Sinn keinen Augenblick missverständlich, da wird sie zur Liederlichkeit, zum Hindernis der Zivilisation, zur unsauberen Liebelei mit dem Stillstand, dem Ungeist, dem Laster.“[2] Die Ironie, vor der der kritische Aufklärer Ludovicio Settembrini den erst kurz zuvor auf dem Berghof-Hotel des „Zauberberg“ -Romans angekommenen Hans Castorp warnt, ist jene der geistigen Haltung und nicht die des rhetorischen Mittels. Sie ist dem fortschrittsgläubigen homo humanus Settembrini zutiefst verdächtig, eine schlechte, boshafte Haltung, die dem Fortschritt nur hinderlich sein und problemlos ins Reich der der Aufklärung gegenüberstehenden, selbstgenügsamen Romantik verbannt werden kann.
Ausgangspunkt der nachfolgenden Untersuchungen des facettenreichen Verhältnisses von Ironie und Bildung, in deren Zentrum das frühromantische Denken Friedrich Schlegels (1772-1829)[3] steht, bildet die Fragestellung, welche Bedeutung die Ironie für die Bildung des Menschen haben könnte. Sie eröffnet ein Antwortenspektrum, das es in seinen wechselseitigen Implikationen und seinem inneren Verweisungszusammenhang zu erörtern gilt. So hat die Ironie unter diesem Zugriff neben der bekannten philosophischen (sokratischen), auch eine ästhetische und ‚rhetorische’ Bildungsbedeutung bzw. Bildungsfunktion. Diese Multifunktionalität geht zwar aus Schlegels Werk aufgrund seines aphoristisch-fragmentarischen Charakters nicht dezidiert hervor, sie kann aber mit Rücksicht auf das gesamte Werk, in dem die Ironie kontinuierlich diskutiert wird, ohne dabei unter ständigen Modifikationen ihre unverwechselbare Eigenart aufzugeben, in einem argumentativen Gedankengang dargestellt werden. Schwerpunkt sind die 1797-1800 entstandenen, nach den Veröffentlichungsorganen benannten „Lyceums“- und „Athenäumsfragmente“, in denen sich Schlegel mit dem poetischen Phänomen der Ironie im Rahmen seiner Überlegungen zur Ästhetik beschäftigt.
Diese Arbeit ist in bildungstheoretischer Absicht konzipiert. Es geht also nicht um die Frage, in welcher Weise und unter welchen Umständen die Ironie vom Erzieher instrumentalisiert oder repräsentiert werden sollte, um sie dem Kind bekannt zu machen. Ausgehend von dem in den Theorien des pädagogischen Personalismus und der Transzendentalpädagogik entwickelten rhetorisch-argumentativen bzw. machtausbalancierten, argumentativen Dialogs oder dem pädagogischen Bezug der Reformpädagogik wäre daher gesondert zu zeigen, welchem systematischen Ort die Ironie in beiden, im Dialog und Bezug, zukäme.[4] Als komplexes sprachliches Phänomen wäre es zudem interessant zu untersuchen, was Ironie in der als dialogisch aufgefassten Erziehung und im asymmetrischen Erzieher-Zögling-Verhältnis des pädagogischen Bezugs zu leisten imstande ist.
Geleitet wird die Arbeit überdies von einem metatheoretischen Erkenntnisinteresse, das in einem zweifachen Verständnis von Pädagogik gipfelt: Zum einen im Verständnis der Pädagogik als der Lehre von der Bildung des Menschen durch Erziehung. Zum anderen im Verständnis der Pädagogik als praktischer Wissenschaft, die pädagogische Prinzipien systematisch-historisch begründet und mit diesen Handlungsorientierung für den in konkreter Praxis tätigen Erzieher bietet. Zwischen diesen zwei metatheoretischen Verknüpfungspunkten spannt sich ein Sicherheitsnetz, das den freien Fall in den Sumpf einer zum Scheitern verurteilten Weltverbesserungsambition[5] verhindert. Dieser kann man leichtsinnig erliegen, wenn man dem Thema mehr abgewinnen will als in ihm wesentlich liegt. Neben seiner Begrenzungsfunktion begleitet es stets den systematisch-pädagogischen Grundgedankengang, der erstens zur Klärung dessen beitragen will, was dem Bildungsbegriff in Korrelation mit Ironie zu mehr Evidenz und mehr Berechtigung verhilft – zu mehr Evidenz, weil Ironie ihn mit Gehalt füllt, zu mehr Berechtigung, weil sie ein Ausweis von Bildung und durch jene aus ihrer negativen Konnotation befreit wird – und zweitens dem Ironiebegriff auf eine Weise pädagogische Substanz verleiht, die ihm den Rang eines komplementären Konkretums zum abstrakten Bildungsbegriff sichert. Als Wissenschaft für die Praxis darf Pädagogik daher nicht allein der historischen Synchronizität ihres in Blick genommenen Gegenstandes, hier: Ironie und Bildung bei Schlegel, anheim fallen, sondern muss systematische, nicht nur historische Gedanken, die ihn produktiv weiterentwickeln (wie in an Anschluss an Schlegel bei Kierkegaard, Jean Paul, Bergson und Bollnow), aufnehmen und in den argumentativen Kontext einbetten (was nicht zugleich bedeutet: ihn einebnen). Daher ist das Thema der Arbeit konsequenterweise bewusst offen formuliert und wählt mit Schlegel zugleich einen Mittel - und Bezugs punkt: Es wird in Anschluss an Schlegel und nicht ausschließlich bei Schlegel ausgeführt. Was Schlegels Gedanken zur Ironie, ohne ihn zu verfälschen, philosophisch und bildungsphilosophisch weiterentwickelt, wird in ihn bündig eingegliedert und insgesamt als systematischer, aus historischer Betrachtung erwachsener pädagogischer Gedankengang präsentiert, der einer bewussten und reflexiven pädagogischen Praxis vorarbeitet, die es, prospektiv oder aktuell, immer schon mit Bildung zu tun hat. Dieser Grundgedanke will diese Praxis nicht unter das Primat der Ironie stellen oder einer Hypertrophie der Ironie das Wort reden, sondern einen präreflexiven Beitrag zu deren bewussterem Vollzug leisten.
Der pädagogische Forschungsstand zum Konnex zwischen Ironie und Bildung bei Schlegel ist prekär. Es gibt mit Apfelstedt (1957), Menze (1964), Nakai (1970) und Preising (1974) vier ältere Monographien und mit Korte (1992) eine neuere pädagogische Abhandlung zum Bildungsbegriff des jungen bzw. frühen Schlegel (1796-1805). Zwar thematisieren diese Autoren den Bildungsbegriff Schlegels mehr oder weniger ausführlich unter den Aspekten von Poesie, Philosophie, Moral, Religion, Geschichte und, holzschnittartig, Ironie – Korte will sogar nachweisen, dass Schlegel „eine eigene Bildungstheorie entworfen hat, die dem Gedanken der Bildung in der Jahrhundertwende 1800 einen neuen selbständigen Aspekt hinzufügte und etwa neben der Theorie Humboldts durchaus Bestand hat“[6] – eine aus der Grundstruktur des Ironiebegriffs hervorgehende und diesen zum Zentrum machende bildungstheoretische Fragestellung aber, die über die Bedeutung der Ironie für die ästhetische, philosophische und darüber hinaus ‚rhetorische’ Bildung des Menschen Auskunft geben will, steht – so weit ich sehe – noch aus.
Jenseits der Pädagogik beschäftigt sich freilich auch die germanistische Forschung mit dem Ironiebegriff Schlegels. Geschieht dies im Zusammenhang mit Bildung, dann beschränkend auf die ästhetische Dimension der Bildung (Strohschneider-Kohrs, 1960. Briegleb, 1962. Huge, 1971) oder deren philosophische (Rehme-Iffert, 2001.). Davon abweichend ist es Behler (1972, 1988) gewesen, der zwar die Wichtigkeit der Ironie in ihrer ästhetischen Funktion für den literarischen Bildungsprozess hervorhob, sie aber primär aufgrund ihrer dialektischen Form für die allgemeine Bildung des Menschen herauszustellen suchte, denn „weit über das Dialektische des künstlerischen Schaffensprozesses hinausgehend bezeichnet die Schlegelsche Ironie aber vor allem die vorwärtstreibende Energie in der Bildung des Menschen.“[7] Diese Bemühungen geschehen allerdings nicht vor dem Hintergrund einer bildungstheoretischen Grundlegung, die den Schlegelschen Ironiebegriff in seiner Eigenart und Interdependenz mit der klassisch-idealistischen Bildungsidee zu bestimmen versuchte. Sie sind vielmehr gekennzeichnet von einer im immanenten Zirkel der Schlegelschen Bildungsreflexionen gefangenen Argumentation, die über sie nicht hinausweist. Während also die pädagogische Seite der Forschung mit wissenschaftseigener Prinzipienreflexion und historischer Perspektive auf den Schlegelschen Bildungsbegriff kritisch reflektiert, darüber aber die diesen Begriff mitkonstitutierende Ironie nicht substanziell weiterführt und, wenigstens tendenziell, zu einem Randphänomen degradiert, ist die literaturwissenschaftliche Forschung im Gegensatz dazu von einer durchgängigen ‚Theorielosigkeit’ des Bildungsbegriffs geprägt. Daher ist es primäre Aufgabe dieser Arbeit, die Schwächen beider legitimen Ansätze zu tilgen, indem auf interdisziplinäre Weise einmal der Bildungsbegriff Schlegels hinsichtlich dessen romantischer Ironiekonzeption epochenspezifisch und in systematischer Absicht erörtert, und andererseits die literaturwissenschaftliche Verkürzung auf die ästhetische Funktion der Ironie für die Bildung des Menschen durch das die Ironie implizierende Problemfeld der Philosophie und der ‚Rhetorik’ erweitert wird.
Der Schwerpunkt des Themas liegt auf der Romantik, genauer: hauptsächlich auf dem jungen Friedrich Schlegel[8] (1795-1805)[9]. Warum? Neben quantitativen Zwängen des ein weites Feld eröffnenden Themas gibt es einen Grund sachlicher Natur, der mit der bildungstheoretischen Intention dieser Arbeit unmittelbar zusammenhängt. Wenn wir eine theoretische Begründung des Ironiebegriffs im Bildungsprozess finden und ihn für erzieherische Praxis legitimieren wollen, dann nur in jener Epoche mit der Namensbezeichnung „Deutsche Romantik“, in der die Ironie in Form der (früh)romantischen eine noch nie zuvor erreichte universalisierende Wirkungsmächtigkeit und positive Bewertung erlangte. Verantwortlich für die Universalisierung und durch Potenzierung des Begriffs erreichte Positivität ist das Denken Friedrich Schlegels, der als „Vater“ (Hegel) der romantischen Ironie gilt. In ihm kulminiert die philosophisch-sokratische und klassisch-rhetorische Tradition des Begriffs zu einer das künstlerische, philosophische und das Leben überhaupt umfassenden, gleichwohl fragmentarischen, inkohärenten Theorie der Ironie, die mit ihrem sprachlichen, existentiellen und ontologischen Gehalt eine reflektierende Aufnahme in bildungstheoretische Überlegungen geradezu provoziert. Gleichzeitig erfuhr diese Schlegelsche Theorie der Ironie eine harsche, bisweilen ins Polemische gehende Kritik von Georg Friedrich Wilhelm Hegel und von Sören Kierkegaard, Hegels Kritik wieder aufnehmend und gleichzeitig diese kritisierend. Hegels Ideal ästhetischer Objektivität und Kierkegaards antiästhetische Ethik erlaubten es nicht, eine scheinbar der willkürlichen Subjektivität zuarbeitenden Ironie Geltung einzuräumen. Beide Kritiken werden weder en gros noch en detail Gegenstand dieser Arbeit, weil sie, ‚ideologischen’ Einseitigkeiten verhaftet, dem Schlegelschen Ironiebegriff weder gerecht werden noch ihn im Blick auf dessen Bildungskonzeption erfassen. Diese wäre nicht möglich, wenn Schlegel jene Ironiekonzeption verträte, die ihm Hegel und Kierkegaard zuschreiben.[10]
Als historischer ‚Klebestoff’ der Arbeit, der Antike und Frühromantik (Schlegel) argumentativ und logisch zusammenhält, fungiert folgende heuristische Formulierung: Der qualitativ-bedeutende Wandel der Ironie von einem bewusst eingesetzten Instrument (Mittel) des Sokrates[11] und der Rhetorik zu einer im Zuge des romantischen Denkens der Welt gegenüber geronnenen und den ganzen Menschen umfassenden transzendental-ästhetischen und geistig-philosophischen Haltung, in der sich Ironie und Bildung miteinander verschränken und schließlich identisch werden.
Kapitel 2 der Arbeit führt in die Geschichte des Ironiebegriffs ein. Es erklärt seine etymologische Herkunft aus dem Griechischen[12] und diskutiert seine problembehaftete „proteische“ Verfasstheit, die sich auf die Geschichte des Begriffs entscheidend auswirkt.
Daran anschließend wird die sich in zwei Stränge teilende entwicklungsgeschichtliche Linie in sokratische und rhetorische Ironie thematisiert, in denen die Ironie – so der allgemeine rezeptionsgeschichtliche Tenor – eine Wandlung vom negativen Gebrauch als diffamierendes Schimpfwort zu einer konstruktiv-methodischen Funktion vollzieht. Die Frage, inwieweit sokratische und rhetorische Ironie ‚methodisierbar’ sind, will Kapitel 3 beantworten.
Auf dem Höhepunkt des abendländischen Denkens über Ironie wird diese von Schlegel in seinem frühromantischen Gedanken der Potenzierung gleichsam absorbiert, dadurch des Methodischen entledigt, auf eigentümliche Art zu einer rein geistigen Haltung weiterentwickelt und direkt mit der klassisch-idealistischen Bildungsidee in Verbindung gebracht. Nachdem die das Bildungsdenken Schlegels fundierende dialektische Grundstruktur freigelegt und mit ihr der Bildungsbegriff Schlegels selbst untersucht werden kann, soll dieses dialektische Bildungsdenken mit der geistesgeschichtlich auf Johann Gottlieb Fichtes Subjektivitätstheorie zurückgehenden Grundstruktur der romantischen Ironie in Beziehung und wechselseitig erhellt werden (Kapitel 4). Ausgehend von dieser Grundstruktur ergibt sich ein notwendiger Perspektivismus, der eine Einteilung der Ironie in eine ästhetische Bildungsfunktion für den künstlerisch gestimmten Menschen und in eine philosophische Bildungsfunktion für den philosophisch gestimmten Menschen zulässt (Kapitel 5).
Im Anschluss an Schlegel (Kapitel 6) soll die ‚rhetorische’ Bildungsfunktion der Ironie untersucht werden und zwar nicht im Hinblick auf eine transzendentale oder geistige, sondern auch ins Sittliche hinüberspielende Haltung in einer spezifischen alltäglichen Situation, in der wir uns dann und wann der Ironie bedienen. ‚Rhetorisch’ ist hier bewusst in Anführungsstriche gesetzt, weil Schlegel die klassische Rhetorik und damit auch im Zuge seiner Entwicklung einer „unbestimmten Rhetorik“ die rhetorische Ironie aus ihrer persuasiven Wirkung, ihrem Mittel-Zweck-Konnex herauslöst und zu einer nichtintentionalen, selbstzweckhaften Haltung formiert.
Mit Rücksicht auf diesen Sachverhalt wird dem sprachlich-rhetorischen Grund der Ironie eine neue Aufmerksamkeit zuteil, die durch den Abstraktionsvorgang der romantischen Potenzierung verloren gegangen ist, eine Potenzierung aber, die, wird sie wieder de-potenziert, den verbalen Grund der Ironie, die paradoxale Differenz zwischen Sagen und Meinen also, in einem für die Bildung des Menschen interessanten Licht erscheinen lässt. Schließlich soll dem so in seinem philosophischen Gehalt bestimmten Ironiebegriff sein systematischer Ort in der „Grundstruktur der Bildung“, die wir an Wilhelm von Humboldt exemplarisch vorstellen, zugewiesen werden, um den Schlegelschen Gedanken einer Identität von Ironie und Bildung ein theoretisches Fundament zu verleihen.
2. Der Begriff Ironie
2.1. Ironien über Ironien – Versuch über einen „proteusartigen“ Begriff
„Die Ironie ist ein Versuch zur Versprachlichung der Welt in Form einer gleichzeitigen Gegenrede.“[13]
Diese allgemein-formale (universelle) Definition von Uwe Japp, mit der er sein Buch „Theorie der Ironie“ beschließt, das uns wegen seiner profunden, zugleich grundlegenden Kenntnis zum geschichtstheoretischen Topos Ironie als Folie für die gesamte Arbeit dienen wird, scheint ihren zu behandelnden Gegenstand, die Ironie nämlich, evident bestimmt zu haben, versucht sie doch von deren Vielgestaltigkeit und Wandlungsfähigkeit, die ihr deshalb schon frühzeitig die Bezeichnung „proteusartiger“ Begriff einbrachte[14], zu abstrahieren und ihr auf den „sprachlichen Grund“[15] – nicht auf die sprachliche Ursache – zu gehen. Die daraus notwendig hervorgehende Unhintergehbarkeit des sprachlichen Grundes fundiert ein erkenntnistheoretisches Interesse, das einem Paradigma gilt, welches Japp mit dem Terminus „verbale Ironie“ (oder „Wortironie“[16]) bezeichnet und das sich inhaltlich folgendermaßen konkretisiert: In der verbalen Ironie bzw. in der Ironie als Redeform, in der jemand etwas sagt, aber das Gegenteil oder etwas anderes meint, erblickt Japp den sprachlichen Grund aller Ironien. Alle anderen Ironien, wie die philosophische oder die literarische beispielsweise, entstehen durch Anwendung einer bestimmten Idee auf dieses Paradigma der verbalen Ironie[17]. Auffällig an diesem ist, dass es die Ebene des Meinens ambivalent strukturiert und sich damit von der eindimensionalen Definition der Rhetorik abgrenzt, die die Ironie als eine rein stilistische Figur der guten Rede begreift, in der lediglich das Gegenteil von dem gemeint ist, was gesagt wird.[18] Die Gegenrede, die Welt zu verpsrachlichen sucht, meint also das Gegenteil oder etwas anderes, was sie sagt.
Hinter dem kühnen Wagnis, die Ironie in eine sowohl formale als auch inhaltliche theoretische Aussageformation zu kleiden, steht das überaus anspruchsvolle Bemühen, den seit der griechischen Antike grassierenden Wildwuchs unzähliger Konzepte von Ironien in eine einheitliche, übersichtliche und grundlegende systematische Form zu gießen. Dabei unterscheidet Japp neben diesen beiden theoretischen Aussageformationen zwischen einer Ironie der Verstellung (dissimulatio), die sich in der sokratischen Ironie manifestiert, einer der Anverwandlung (assimilatio), die romantische Ironie genannt wird, und endlich einer des Vorbehalts (reservatio), die sich als spezifisch ‚modern’ ausweist. Als Unterscheidungskriterium dient ihm der Epochenbegriff. Mit ihm lassen sich die eben genannten verschiedenen Arten der Ironie jeweils einer Epoche zuordnen: der griechischen Antike, der Romantik und der Moderne, ohne nun letztere Epoche an dieser Stelle in all ihrer vieldiskutierten Problematik ausloten zu wollen, zumal sich jene nur marginal im Gesichtskreis dieser Arbeit bewegen wird.
Es ist hier nicht der Ort, die von Japp ausführlich behandelten Epochen der Ironie zu referieren. Referenz und Kritik dessen, was vor allem seine unzulässige Ausdehnung der sokratischen Ironie betrifft, werden angebracht, sobald sie sich in den Kontext der hier zu diskutierenden Ironiekonzepte einfügen lassen. Stattdessen skizziert dieses Kapitel die Ursprünge des Wortes Ironie[19], aus denen die Vielgestaltigkeit (Polymorphie) des Begriffs in der griechischen Dichtung und Philosophie hervorgeht, um ausgehend davon in Kapitel 3 das sokratische und rhetorische Methodikkonzept der Ironie zu untersuchen, aus dem die Romantik in der Person Friedrich Schlegels ihre Revision des „alten“ Ironiebegriffs schöpft, der durch ihn eine eigentümliche Umdeutung und Neugestaltung erfährt.
2.2. Das Problem der Polymorphie
In der griechischen Komödie „Die Wolken“ (423 v. Chr.) von Aristophanes taucht der Begriff „Eiron“ zum ersten Mal als negativ konnotiertes, komisches Schimpfwort auf. Während sich der alte Bauer Strepsiades in einer derben Schimpfkanonade negativer Selbstcharakteristik unter anderem als „geschmeidige[r] Heuchler“, (in der englischen Übersetzung von Sommerstein als „a dissembler [dt. Heuchler]“[20]) bezeichnet und damit dem zeitgenössischen griechischen Verständnis von Eiron recht nahe kommt, tritt die fernab jeglicher historischer Authentizität liegende Figur Sokrates in ihrer antagonistischen Funktion innerhalb der Komödie als Erzsophist auf, der durch die Lehre der ungerechten Rede jene sophistische Tugend verbreitet, die befähigt, die schwächere Sache zur stärkeren zu machen und der sich mit diesem Habitus als „protzerischer Scharlatan“[21], als Alazon, gebärdet. In den Aristophanischen „Vögeln“ sieht das ganz anders aus: Wenn in ihnen die Götterbotin Iris ahnungslos ein Tor der neu errichteten Vogelstadt passiert, dann spielt der Vogelstadterbauer Ratefreund auf die sokratische Ironie an, wenn er Iris vorwirft: „Seht, wie sie sich verstellt, als wüsste sie von nichts.“[22] Schon bei Aristophanes entdecken wir also in zweien seiner Werke jene bis in die Moderne reichende Wandlungsfähigkeit, die der die Eigenheit einer Person bezeichnenden Eironeia förmlich einwohnt und die vor allem die auf größte begriffliche Exaktheit abzielende philologische Forschung zu immer neuen Differenzierungs- und Einordnungsversuchen herausforderte.
Seit gut 130 Jahren ist es daher kontinuierliche Aufgabe der klassischen Philologie gewesen, den Ironiebegriff aus seiner „terminologische[n] Verwirrung“[23] zu befreien.[24] Dabei kristallisierten sich zwei sich konträr gegenüberstehende Positionen heraus, die der proteischen Verfasstheit[25] des Begriffs gerecht zu werden versuchten. Die eine, vertreten von Wilhelm Büchner, stellte sich dem Problem, den Begriff nicht exakt bestimmen zu können, indem sie die Ironie (gr. Eironeia) im Anschluss an die Aristoteles-Definition in der „Nikomachischen Ethik“ als „’Kleintuerei’“ und den Ironiker (gr. Eiron) als „’Kleintuer’“[26] bezeichnete, der sich zum Geringeren hin verstellt. Denn Aristoteles stellt in seiner „Ethik“, die das tugendhafte Handeln grundsätzlich in der Mitte zweier unvereinbarer Charakter- bzw. Verhaltensextreme verortet, den auf Profit abzielenden Aufschneider dem hintergründig Bescheidenen gegenüber. Diese „machen, indem sie verkleinern, einen etwas feineren Eindruck. Denn erfahrungsgemäß zielt die Art und Weise, wie sie sich ausdrücken, nicht auf Profit ab, sondern sie haben nur eine Scheu vor dem Hochtrabenden. Und auch für sie ist bezeichnend, daß sie das ablehnen, was als Wert gilt und Ansehen bringt. So pflegte Sokrates es immer zu halten.“[27]
Damit schien der Begriff auf einen grundlegenden Nenner gebracht, an dem man sich leicht orientieren konnte. Verschiedene Motive bedingen nach Büchner die ‚Kleintuerei’, die in der Optik der griechischen Philosophen variierten. Bei Platon ist es das Motiv der Spottlust durch Bloßstellung des sokratischen Gesprächspartners, bei Aristoteles das der bescheidenen Höflichkeit im gesellschaftlichen Umgang, die sich ebenfalls – wie oben gezeigt – Sokrates zum Vorbild nimmt, bei Demosthenes das des Eigennutzes und der Leistungsscheu, bei Ariston-Philodem das der Schmeichelei und schließlich bei Theophrast das der Bequemlichkeit, die allesamt die ‚Kleintuerei’ bedingen. Besonders letzterer hebt sich von der idealisierenden Kennzeichnung des Eiron bei Aristoteles ab, der ihn allein – freilich durch die historisch verbürgte Projektion Sokrates – positiv bewertet. Theophrast schreibt in seinen berühmten „Charakteren“ über den Unaufrichtigen (Eiron): „Denen, die ein Darlehen oder Hilfe erbitten, sagt er, er sei nicht reich, verkauft er, sagt er, er verkaufe nicht, verkauft er nicht, sagt er, er verkaufe. Hat er etwas gehört, leugnet er dies, hat er etwas gesehen, sagt er, er habe nichts gesehen, hat er etwas zugegeben, sagt er, er erinnere sich nicht.“[28] usw.
Leif Bergson verwirft hingegen die Grundbedeutung ‚Kleintuerei`, weil er Büchners Ableitung der Grundbedeutung aus der Aristoteles-Defintion für „zu optimistisch“[29] hält, und kommt schnell zu dem Ergebnis, dass „der erkennbare Gebrauch des Begriffes als ein Produkt der sokratisch-sophistischen Auseinandersetzungen“[30] angesehen werden müsse. Als Kronzeugen dienen ihm Aristophanes und Platon, der in seinem „Staat“ und „Sophistes“ folgende Vorstellung der sokratisch-sophistischen Eironeia entwirft: Entweder ist der Ironiker – in sophistischer Hinsicht – jemand, der sich in betrügerischer Absicht „durch leeres Reden den Schein des Wissens“[31] gibt, oder der sich – in sokratischer Hinsicht – im Akt der Selbstverkleinerung „im Schein des Nichtwissens auftritt.“[32]
Allerdings müsste Bergson, um der fundamentalen Antithese zwischen (sophistischer) Übertreibung und (sokratischer) Untertreibung Rechnung zu tragen, dann zwischen sophistischer Alazoneia und sokratischer Eironeia unterscheiden und sich konsequenterweise von seinem Terminus „sokratisch-sophistischer Eironeia“ verabschieden, wobei wir dann wieder auf jene Grundbedeutung der Ironie zurückfallen, wie sie Büchner im Zusammenhang mit Aristoteles in der kongenialen Repräsentation bei Sokrates erblickte. Zwar kann der über die Rhetorik bis ins Heute vermittelte und gänzlich vom Konzept der griechischen Eironeia verschiedene Gebrauch der Ironie als verbale Ironie, bei der das gegenteilig Gemeinte des Gesagten verstanden werden soll, in ironische Übertreibung oder ironische Untertreibung figurieren, die etymologische Bedeutung des Wortes Eroneia lässt aber ihr Pendant Alazoneia und damit eine Unterscheidung zu, die Theophrast, um einen oben erwähnten Autor aufzugreifen, in seinen Charakteren trifft. Dort wird Eironeia mit „Unaufrichtigkeit“[33] wiedergegeben, während „Prahlerei“[34], Übertreibung, als Alazoneia firmiert.
Trotz der Tatsache, dass „die ‚Bedeutung’ [der Eironeia] vom jeweiligen Zusammenhang, von den Motiven der Eironeia, von der Persönlichkeit des Eirons und von der gesellschaftlichen Umgebung“[35] abhängt, lassen sich nach Bergson zwei Verwendungsweisen des Begriffs bei den Griechen ausfindig machen. Dort, wo über den Eiron im alltäglichen Gebrauch verächtlich gesprochen wird (bei Demosthenes, Theophrast und Ariston-Philodem), findet eine lediglich ethisch-soziale Verwendung des Begriffs statt. Dort, wo ein idealisierter, von Sokrates ausgehender Blick auf den Eiron geworfen wird, eine ethisch-rhetorische (bei Platon, Aristoteles, Anaximenes).[36]
Die Polymorphie der Eironeia im griechischen Verständnis geht also auf die Motive zurück, die sie veranlasst. Darüber hinaus ist festzuhalten, – und dies ist wichtig für den Gedankengang der Arbeit – dass von Anfang an die historische (bei Aristoteles) oder fiktionalisierte (bei Aristophanes bzw. Platon) Person Sokrates im Spiel ist, wenn es darum geht, den originären Ironiker zu bezeichnen. Jedoch ist die auf die Motive Spottsucht (Platon) und Höflichkeit (Aristoteles) zurückgehende Ironie des Sokrates, die als Verstellung (lat. dissimulatio[37]) charakterisiert wird, in ihrem Wesen nicht erfasst, wenn man sie, aus philologischer Sicht, lediglich auf das Nichtwissen des Sokrates bezieht. Genauer muss gefragt werden: Was ist das denn für ein Nichtwissen? Worin besteht die sokratische Ironie, wenn nicht irgendeine oder eine hier und da ausgeübte ironische Bemerkung Sokrates’ gemeint ist, sondern die, welche in nuce eine philosophische genannt werden kann und – den Gedankengang vorausgreifend – werden muss?
3. Ironie als Methode
3.1. Die sokratische Ironie als Methode?
Dieses Kapitel will also versuchen, Antwort auf die Frage zu geben, was die sokratische Ironie ist. Dabei wird der Verfasser – trotz der gebotenen Kürze und eingedenk der Tatsache, dass die dialektische und mäeutische Methode des Sokrates nicht gebührend berücksichtigt werden können – vom Ethos geleitet, sorgfältig von einer allgemein angenommenen Grundstruktur sokratischer Ironie auszugehen, über ein repräsentativ ausgewähltes Beispiel, den „Laches“ von Platon nämlich, diese Grundstruktur im Besonderen zu überprüfen, um hernach jenen systematischen Ort der sokratischen Ironie festzuhalten, die ihr im sokratischen Philosophieren[38] der uns durch Platon überlieferten Dialogen zukommt.
Aus der platonischen „Apologie des Sokrates“ geht bekanntlich hervor, dass das Orakel von Delphi dem Sokrates weissagte, er sei der weiseste unter den lebenden Menschen. Der Orakelspruch, der, historisch betrachtet, Bezug nimmt auf die „Nichtigkeit menschlichen Wissens im Geiste delphischer Religion“[39], wird von Sokrates einer (platonischen) Umdeutung unterzogen. Er, der „den Orakelspruch unangreifbar machen will[40]“, geht nach und nach zu den Politikern, Dichtern und Handwerkern Athens, um herauszufinden, dass diese zwar über ein kunstmäßiges Wissen in ihrem jeweils abgesteckten Fachbereich verfügen, es sich dennoch, ausgehend davon, anmaßen auch über ein allgemein-sittliches Wissen, also über das, was sittliches Handeln im Wesen auszeichnet, Aussagen machen zu können. Damit wird klar: Es ist nicht der je individuelle Vorsprung an technischem Wissen der von Sokrates befragten Bürger, das sein Nichtwissen begründet, sondern sein Wissen darum, dass es hybrid wäre und der göttlichen Vernunft Hohn sprechen würde, von einem begrenzten technischen Wissen auf ein sittliches zu schließen. „Sokrates ist weiser als alle Politiker, Dichter und Handwerker, sofern er nicht wie sie wähnt, mit ihren Kategorien seien die ethischen Normen der Lebensführung bereits gegeben.“[41]
„Die sokratische Ironie ist“ nun, wie Japp richtigerweise erkannt hat, „auf die These vom Wissen des Nichtwissens zu beziehen, ohne die sie nicht zu verstehen ist.“[42] Denn dieses hat Sokrates in den allgemeinen Themen wie Tapferkeit, Besonnenheit, Frömmigkeit usw. abhandelnden platonischen Frühdialogen seinen Gesprächspartner voraus, die gerade glauben, eine Definition dieser Tugenden (gr. aretai) geben zu können. Dass es ein Wissen von diesen Definitionen nicht geben kann, weiß Sokrates. Dies bleibt seinen Zuhörern verborgen. Darin gründet sich die durch Verstellung (dissimulatio) gekennzeichnete sokratische Ironie.
Daran schließt sich jedoch die Frage, ob man von sokratischer Ironie noch sprechen darf, wenn sie nicht erkannt wird, denn eine Ironie, die nicht erkannt wird, fällt in die Kategorie der Lüge, die in vortäuschender Absicht eine Wahrheit verbirgt. „Die Ironie ist darauf angelegt, als eine Form des uneigentlichen Sprechens erkannt zur werden, während die Lüge ihre Eigenschaft als lügnerische Sprachhandlung verleugnet.“[43] Wenn sich die sokratische Ironie stets auf die These vom Wissen des Nichwissens, und zwar auf jenes Wissen vom Nichtwissen der allgemein-sittlichen Wahrheit bezieht, dieses aber für das Gelingen des philosophischen Dialogs unabdingbare Voraussetzung ist, dann stellt sich die Frage, wer denn der Adressat der sokratischen Ironie sein soll, wenn nicht die im Dialog involvierten Gesprächspartner.
Werner Boder, der in seiner Dissertation als einziger, neben Sören Kierkegaards „Über den Begriff der Ironie mit ständiger Rücksicht auf Sokrates“, der sokratischen Ironie eine explizite Untersuchung widmet, sucht einen Ausweg aus diesem Dilemma, indem er eine dritte Person ins Spiel bringt: den Leser. „Opfer der Ironie werden fast alle Partner, je wissender sie sind, um so mehr durch ihren eigenen Mund. Bis zur Unglaubwürdigkeit läßt Platon sie die Ironie übersehen, sie sind als Objekt, nicht aber zugleich auch Adressat der Ironie. Adressat ist vielmehr der Leser; wir entdecken also genuin platonische Züge in dieser Ironie.“[44] Begründet wird dies von Boder damit, dass die von den sokratischen Gesprächspartnern „vorgetragene Bestimmung oder Antwort“[45] in Sokrates’ Elenktik – zu ihr später mehr – widerlegt wird und dadurch dem Rezipienten, der die Ironiesignale erkennt, nicht dem Partner eine ironische Belehrung widerfährt. Hier müsste Boder jedoch einen expliziten (idealen) Leser annehmen, der das oben kurz skizzierte Wesen der sokratischen Ironie von Anfang an durchschaute und die am Ende des Dialoges entstehende Aporie als ewige identifizierte. Zudem übersieht er, dass wirkliche Belehrung, sei sie in diesem Fall auch ironisch, nur fruchten kann, wenn man selbst im Dialog verwickelt ist und nicht als außen stehender Dritter durch das Medium der Schrift von aller dialogischer Erfahrung ausgeschlossen wird:
„Man darf nicht übersehen, daß das Nichtwissen, das Sokrates jeweils im Hinblick auf einen bestimmten Fragekreis eingesteht, stets Ausdruck einer Erfahrung ist. Zu einer ähnlichen Erfahrung will Sokrates seine Partner führen. Diese Erfahrung kann indes jeder immer nur selbst machen. Über sie lässt sich mit Hilfe sprachlicher Formulierungen reden. Sie lässt sich dagegen einem anderen nicht dadurch ersparen, daß man ihm solche Formulierungen mündlich oder schriftlich mitteilt.“[46]
Roland Mugerauer stellt sich in einem Exkurs-Kapitel bewusst in Opposition zu Boder und vertritt die These, dass die sokratische Ironie auf Transparenz hin angelegt sei und als Verstellung erkannt werden solle. „Auch wenn der Gesprächspartner auch einmal Opfer der sokratischen Ironie ist, so ist er doch gleichzeitig stets auch Adressat der Ironie und bekommt die Möglichkeit angeboten, die Ironie als Ironie zu durchschauen und sich ein adäquates Verständnis der ironischen Aussageweisen zu erarbeiten.“[47] Es ist zweifelhaft, ob Sokrates seine Ironie als solche durchschaut wissen will, denn damit gefährdete er die prinzipielle Voraussetzung seines auf Suchen von Wahrheit ausgerichteten Gesprächs. Hinzu kommt: „ein adäquates Verständnis“ erarbeitet sich in der Tat keiner der Partner in Platons Dialogen. Wenn es einem der Unterredner Sokrates’ gelingt, seine Ironie scheinbar zu entlarven, dann unter einem falschen Verständnishorizont dessen, was die sokratische Ironie tatsächlich ausmacht. So gibt, neben Thrasymachos im 1. Buch des „Staats“[48], auch Alkibiades im „Symposion“, das über Definition, Werk und Ziel des Eros disputiert, in jenem Abschnitt Auskunft über das ironische Wesen Sokrates’, in dem er Sokrates mit einem Satyr bzw. Silenen vergleicht: „Denn ihr seht doch, […] daß er in allem unwissend ist und nichts weiß, wie er sich ja immer anstellt; […] Er […] verstellt sich nur gegen die Menschen und treibt Scherz mit ihnen ein Leben lang.“[49] Alkibiades sitzt einem Verständnis der sokratischen Ironie auf, das Platon hier auf das Motiv der rhetorischen Spottsucht zurückführt, bei dem der nicht wissende Sokrates für Alkibiades ein wie auch immer geartetes Wissen verdeckt. Da Sokrates tatsächlich nicht wissend ist, geht Alkibiades’ Beschreibung von Sokrates’ Ironie ins Leere, verkennt er doch die dialogkonstituierende Funktion derselben. Die Beschreibung dürfte daher seinerseits als besondere platonische Ironie anerkannt werden, die wiederum durch jene Ironie zu ergänzen ist, die Platon als literarisches Mittel verwendet. Insgesamt haben wir es also mit drei verschiedenen Weisen der Ironie in Platons Werken zu tun. Eine platonische, die auf die vermeintlich sokratische hinweist, ohne sie in ihrem Wesen zu erfassen, die sokratische und eine Ironie als literarisches Mittel im verbalen Sinn, in der sich der Kontrast, die Diskrepanz zwischen Sagen und Meinen, auftut. Gernot Böhme gibt in seiner erstaunlich luziden Darstellung „Der Typ Sokrates“ ein Beispiel dieser Ironie. Dafür zieht er den „Euthyphron“ heran. Dieser will seinen Vater wegen Totschlags anklagen. Nach Sokrates’ Hinweis, dass nur derjenige über die Rechtmäßigkeit dieser Klage entscheiden könne, „wer schon weit in der Weisheit vorgeschritten ist“[50], erklärt Euthyphron, dass er „genau verstände“, „was Frommes und Ruchloses betrifft“[51]. Darauf erwidert Sokrates, um mit einer Provokation ein Gespräch über die Frömmigkeit zu initiieren, freilich ironisch: „So wird es demnach für mich, du bewunderungswürdiger Euthyphron, wohl das beste sein, daß ich dein Schüler werde […]“[52] Böhme konstatiert richtig: „Das Ironische kommt hier dadurch zustande, daß Sokrates sich dem Euthyphron als der wesentlich ältere entgegensetzt, der trotz seines Alters noch nicht so weise ist, eine so schwierige Frage zu entscheiden. Die Diskrepanz besteht also zwischen dem sozialen Rang des Sprechers, Sokrates, und seiner Frage bzw. später seinem Vorschlag, sich zum Schüler des Euthyphron zu machen.“[53] Die vorangegangene Partikel „Herakles“ zeigt dabei die Ironie an, die, so Böhme, Euthyphron nicht bemerkt, „gleichwohl spürt, um dem direkten Fragesinn zu folgen.“[54] Damit haben wir eine verbale Ironie, nicht aber die sokratische gekennzeichnet, deren existentielles Merkmal es ist, und das steht fest, nicht erkannt zu werden.
Es gilt also festzuhalten: Es ist ein spezifisches Charakteristikum der sokratischen Ironie, dass sie nicht erkannt werden will. Dass sie sich dennoch von der Lüge abgrenzt, ist – im Gegensatz zur Eironeia, die durch ihre überwiegend negativen Motive nah an die Lüge heranrückt – ihrem Fehlen an betrügerischer Intention zuzuschreiben. Gregory Vlastos hat in seinem viel beachteten Buch Socrates – Ironist and moral philosopher die paradigmatische Wende, die Sokrates der Ironie gegeben hat und welche fortan mit ihm in Verbindung gebracht wird, folgendermaßen beschrieben:
“He changes the word not by theorizing about it but by creating something new for it to mean: a new form of life realized in himself which was the very incarnation of είρωυεία in that second of its contemporary uses, as innocent of intentional deceit as is a child’s feigning that the play chips are money, as free from shamming as are honest games, though, unlike games, serious in its mockery (cum gravitate salsum), dead earnest in its playfulness (severe ludens), a previously unknown, unimagined type of personality, so arresting to his contemporaries and so memorable for ever after, that the time would come, centuries after his death, when educated people would hardly be able to think of ironia without its bringing Socrates to mind.”[55]
Diese neu geschaffene Haltung, die für Vlastos in der rhetorischen Verstellung ihren genuinen Ausdruck findet, modifizierte das Wort Eironeia als Schimpfwort in Ironia und machte Sokrates zum Ur-ironiker („arch-ironist“) eben jener Ironie, wie wir sie heute verwenden. Weit gefehlt jedoch, eine Identität zwischen sokratischer und rhetorischer Ironie anzunehmen, sind auf die Differenzierungsmerkmale hinzuweisen, von denen eines die Nichterkennung sokratischer Ironie ist. Nachdem all das ausgegrenzt ist, was sokratische Ironie nicht ist, sind wir nun so weit, die ihre Grundstruktur freizulegen und ihren systematischen Ort im Philosophieren Sokrates’, das immer vom Wissen des Nichtwissens ausgeht, festzusetzen. Japp macht dabei folgenden Versuch:
„Da nun das, was Sokrates sagt, auf die eine oder andere Weise immer auf die Frage nach dem richtigen Wissen hinausläuft, ergibt sich die weitergehende Vermutung, daß die ironische Verstellung an der Herstellung oder vielmehr Herausstellung dieses richtigen Wissens beteiligt sein muß. Deshalb muß dieser Prozeß der Wahrheitsfindung notwendig ein dialogischer sein, denn sich gegenüber selbst zu verstellen wäre offenbar hier wenig sinnvoll. Die ironische Verstellung gilt also den anderen. Da es aber offenbar schwierig ist, diejenigen, die glauben, etwas zu wissen, davon zu überzeugen, daß sie nichts wissen, zielt die ironische Verstellung in einem ersten Schritt darauf, das falsche Wissen der anderen als Scheinwissen zu entlarven und auszuräumen. In einem zweiten Schritt kommt es nun darauf an, gemeinsam mit den anderen (oder dem anderen) das richtige Wissen herausstellen zu lassen oder es jene scheinbar selbständig aus sich herausstellen zu lassen. Der Modus dieser Herausstellung des richtigen Wissens ist bekanntlich das Fragen, das schließlich entweder in die Aporie führt oder zu einer Einsicht, die vorläufig und manchmal auch endgültig befriedigen mag. Hier kommt nun wiederum eine ironische Verstellung ins Spiel, weil der Fragende sich den Anschein gibt oder geben muß, daß auch er die Einsicht, auf die er das Gespräch hinsteuert, noch nicht hat. Er gibt also vor, nicht zu wissen, obwohl er weiß – und dies gilt auch dann, wenn sein Wissen im Wissen des Nichtwissens besteht. Dies eben ist die Ironie des Sokrates in einem weiteren Sinne, der nicht mit dem Wort Ironie, wie Sokrates und Platon es gebrauchen, identisch ist. Mit anderen Worten, dies ist die sokratische Ironie, wie wir sie verstehen, und wie sie vielleicht auch Platon verstanden hat, allerdings ohne dies ausdrücklich zu sagen.“[56]
Auch Japp führt implizit die Unterscheidung zwischen platonischer Ironie, der Wortironie Sokrates’ und der sokratischen Ironie ein, die er auf den Grundbegriff der dissimulatio, der Verstellung zurückführt: Sokrates tut so, als ob er nicht wüsste, dabei weiß er – um sein Nichtwissen. Wenn Japp die sokratische Ironie aus der geistigen Haltung prätendierten Nichtwissens herauslöst und sie erstens an der Destruierung des Scheinwissens und zweitens an der Herausstellung des richtigen Wissens – auch wenn daraus die Aporie resultiert – beteiligen lässt, dann übergeht er dabei die basale Differenz zwischen Prinzip und Methode. Die Methode des Sokrates konstituiert sich in der so genannten Elenktik, die sein Philosophieren ausmacht. Mit diesem ist schon ausgesagt, was Sokrates – im Gegensatz zu den Sophisten – unter echtem Philosophieren versteht: nicht das in der überzeugenden Rede ‚zum Verkauf’ feilgebotene Wissen und Können, sondern „im Zusammenhang mit Sokrates könnte es eine Umschreibung dessen sein, was er sein Interesse an den kursierenden Behauptungen über die höchsten / wichtigsten Dinge genannt hat. Es wäre dann eine andere Sammelbezeichnung für sein Fragen – Prüfen – Überführen, synonym mit dem Skopeίn, also dem umschauhaltenden Erwägen der Haltbarkeit von Wissensbehauptungen, die sich auf einen bestimmten, herausgehobenen Bereich beziehen.“[57] Gerade der für Sokrates geistiges Tun und Schaffen so wichtige Begriff der Elenktik, die sich im Dreischritt Fragen – Prüfen – Überführen zusammenfassen lässt, taucht bei Japp an keiner einzigen Stelle seines Buches auf, erst recht nicht im Kontext des Sokrates’. Daher nimmt es nicht wunder, wenn er plötzlich von einer „limitierenden Ironie“[58], die Scheinwissen destruiert, und einer „mäeutischen Ironie“[59], die das richtige Wissen herausstellt, sprechen kann, was allerdings daran ironisch sein soll, bleibt mir, bei Betrachtung des sprachlichen Grundes der Ironie, schleierhaft. Denn es ist doch zu allererst evident, dass die sokratische Ironie im Prozess der philosophischen Elenktik als deren Ermöglichungsgrund fungiert.
Um dies zu illustrieren, ziehen wir den zu den platonischen Frühdialogen zugehörigen Laches heran, der die Frage thematisiert, was die Tapferkeit sei. Die Wahl begründet der Entschluss, mich der Hypothese Fischers anzuschließen, der annimmt, dass „vor allem in den Frühdialogen etwas von dem eigentümlichen Pragma des historischen Sokrates enthalten und erhalten“[60] ist und damit die ihm zugewiesene sokratische Ironie. In ihnen tritt er als Skeptiker auf, der nichts weiß und dieses Nichtwissen denjenigen voraus hat, die angeben, Wissen zu haben, während er sich in den mittleren und späten platonischen Spätdialogen als doktrinaler Dialektiker exponiert, der über Wissen verfügt und „den wahren Weg aus der Unwissenheit“[61] kennt. Als entsprechende Methode dient ihm die Hebammenkunst. Sie sei – so Fischer – „Eigengut des über Sokrates hinausgegangen Platon.“[62]
Im „Laches“ geht es, nach einem auf das eigentliche Thema zusteuernden Vorgeplänkel, um die aus der Sorge um die richtige Erziehung resultierende Frage, ob es ratsam wäre, die Söhne des Lysimachos und Melesias in die Kunst des Fechtens, und zwar des Fechtens in der ganzen Rüstung, einzuweisen. Zum Disput stoßen die beiden Generäle Nikias und Laches hinzu, die von nun an als Hauptunterredner des Sokrates fungieren. Während Nikias die Fechtkunst unter anderem mit dem Hinweis preist, dass sie im Krieg dreister und tapferer mache, und Laches entgegensetzt, dass sich durch diese Tapferkeit der Krieger als lächerlich erweise, weil man bei ihr von allen Menschen beobachtet werde, lenkt Sokrates den Blick auf die Sache, also auf den Begriff der Tapferkeit selbst, der zuvörderst geklärt (definiert) werden müsse, bevor man jemandem einen Rat darüber zu erteilen wagt, wie dieser Teil der Tugenden erlangt werden könne. Den unverständigen Zuhörern erklärt Sokrates illustrativ: So wie wir vom Sehen, das den Augen als Tugend einwohnt, wissen müssen, was es ist, so müssen wir wissen, was die Tugend der Tapferkeit ist, zu der die Fechtkunst hinführen soll. Sokrates fragt also zunächst: Was ist Tapferkeit?
Laches begeht nun den entscheidenden Fehler, dass er die Definition der Tapferkeit auf einen spezifischen Einzelfall einschränkt: Diejenigen Soldaten, die dem Feind standhielten und nicht fliehen würden, seien doch tapfer zu nennen. Laches’ Antwort zielt auf ein partielles Wissen von der Sache. In der empirischen Wirklichkeit scheint er eine Antwort gefunden zu haben, die sich allerdings nicht verallgemeinern lässt. So ist es für Sokrates ein leichtes, ein Gegenbeispiel anzubringen. Er widerlegt die scheinbare Evidenz der Lachesschen Antwort: Die Lakedaimonier seien bei einer Schlacht gegen die Perser zu erst aus taktischen Gründen geflohen, um hernach erfolgreich anzugreifen.
Was Sokrates nicht minder von seinem Unterredner Laches verlangt, ist der in das Philosophieren freisetzende geistige Akt, von allen empirischen Einzelfällen, bei denen wir so etwas wie tapferes Verhalten vermuten, vollkommen zu abstrahieren, um in einer allgemein gefassten, aus Induktion gewonnenen, gleichsam metaphysischen Definition sagen zu können, was die Tapferkeit in Wahrheit ist, so dass wir sie in allen Situationen, in denen wir dann tatsächlich tapfer handeln, wiedererkennen können.
Deshalb unternimmt Laches einen zweiten Versuch, indem er zuerst eine abstrakte Definition gibt. Nachdem Laches die Tapferkeit eine „gewisse Beharrlichkeit der Seele“[63] nennt, entgegnet Sokrates, dass nicht jede Beharrlichkeit mit Tapferkeit gleichzusetzen sei. Schließlich resümiert er unter Zustimmung Laches’: „Die verständige Beharrlichkeit also wäre nach deiner Rede Taperkeit?“[64] Sokrates macht sich daran, diese Behauptung zu überprüfen, indem er die doch recht abstrakte Vorstellung von Tapferkeit konkretisiert. Hierzu verwendet er wieder das Bild der Schlacht. Die verständig Beharrenden, die über Kenntnis des besseren Standortes in einer Schlacht und der Hilfe sicher sind, können kaum tapferer genannt werden als diejenigen, die schlechter ausgerüstet und geringer in der Anzahl sind. Sokrates widerlegt seinen Gesprächspartner Laches, indem er den Widerspruch seiner Definition entlarvt.
Das regulativ begleitende Grundethos dieses unermüdlichen Fragens dient der selbständigen Einsicht in das gute Leben, in das, was aus eigener denkender Vernunfttätigkeit sittlich geboten wäre. Das sokratische Fragen nach Wahrheit, Besonnenheit, Tapferkeit usw. ist daher immer schon ein Fragen nach dem sittlich richtigen Handeln, nach ethischen Maßstäben, die nicht einem teleologisch geordneten Werthorizont der griechischen Polis entnommen, sondern Ergebnis des eigenen vernunfttätigen, aus dem Menschen selbsttätig hervorgehenden Denkens sind. Denn das, „was dem Menschen“ – wie Hegel meint – „als wahr und richtig gelte, [müsse] er aus seinem eigenen Innern durch Nachdenken schöpfen und bewähren.“[65] Dies schließt jedoch mit ein, dass der „einsichtige“ Unterredner den Aporien entkommen und in die eigene Autonomie fliehen müsste, was jedoch – wie Pfannkuche anhand der im Beispieldialog diskutierten Tapferkeit folgert – zwei Probleme aufwirft.
Die Möglichkeit der Aporie zu entkommen, besteht für Pfannkuche nämlich darin, dass sich das dem gesellschaftlichen Regelbegriff von Tapferkeit in der Polis unterworfene Subjekt selbst als autonom begreifen müsse, um sich im Zuge dieser Emanzipation bewusst zu werden, dass nur genau das wahr ist, was dem autonomen Subjekt evident erscheint. Er gesteht jedoch ein, dass sich daraus ein „doppelter Relativismus“ ergäbe: Zum einen wäre nämlich die Frage, woher das befreite Subjekt die Kriterien für das Wahre hernähme, zum anderen ist nicht zu leugnen, dass die Gesellschaft, hier: die Polis, ein „wesentliche[r] Konstitutionsfaktor für das Wesen des Subjekts [ist] und damit für das, was diesem evident erscheinen wird.“[66] Diesem erreichten oder unerreichten Ergebnis vorgelagert, ist das in der Elenktik aufgehobene Philosophieren der Dialogpartner im Prozess. Für die Grundstruktur der sokratischen Ironie ist folgendes festzuhalten:
[...]
[1] Kierkegaard, Sören: Über den Begriff der Ironie. Mit ständiger Rücksicht auf Sokrates. In: Ders.: Gesammelte Werke und Tagebücher. 31. Abteilung. Unter Mitarbeit von Rose Hirsch. Übersetzt von Emanuel Hirsch. Simmerath 2004 (Erstersch. 1961), S. 4.
[2] Mann, Thomas: Der Zauberberg. 13. Aufl. Frankfurt a. Main 2000, S. 306.
[3] Vgl. in Übersicht zu Werk und Wirkung: Wanning, Berbeli: Friedrich Schlegel zur Einführung. Hamburg 1999.
[4] Vgl. dazu in repräsentativer Übersicht: Böhm, Winfried: Theorie und Praxis. Eine Einführung in das pädagogische Grundproblem. 2. Aufl. Würzburg 1995, S. 111-175. bzw. Heitger, Marian: Beiträge zu eine Pädagogik des Dialogs. Eine Einführung. Wien 1983. Zum pädagogischen Bezug vgl. Nohl, Hermann: Die pädagogische Bewegung in Deutschland und ihre Theorie. 10. Aufl. Frankfurt a. Main 1988, S. 164-176.
[5] Wohin ein Weltverbesserungshabitus führen kann, nämlich in einen isolierenden weltverachtenden Zynismus, zeigt satirisch: Bernhard, Thomas: Der Weltverbesserer. Frankfurt a. Main 1981.
[6] Korte, Petra: Projekt Mensch – „Ein Fragment aus der Zukunft“. Friedrich Schlegels Bildungstheorie. Diss. Münster 1992, S. 17.
[7] Behler, Ernst: Theorie der romantischen Ironie. In: Ders.: Studien zur Romantik und zur idealistischen Philosophie. Paderborn; München; Wien; Zürich 1988, S. 62.
[8] Zukünftig wird nur der Nachname Schlegel verwendet, soweit sein Bruder, August Wilhelm Schlegel, nicht erwähnt wird. Ob der „Verwandschaft, die zwischen den Auffassungen F. Schlegels und Solgers besteht“, bleibt die Behandlung der romantischen Ironie Karl Ferdinand Solgers gänzlich außen vor, der Schlegels Ironie philosophisch zur tragischen weiter entwickelt, die, so Walzel, „zu ehrfurchtsvoller Schau des Göttlichen“ führe. Vgl.: Walzel, Oskar: Methode? Ironie bei Friedrich Schlegel und bei Solger. In: Friedrich Schlegel und die Kunsttheorie seiner Zeit. Hrsg. von Helmut Schanze. Darmstadt 1985, S. 73, 88.
[9] Die Periode umschließen der Beginn der Arbeiten am Aufsatz „Über das Studium der griechischen Poesie“ (1795) und die „Philosophischen Vorlesungen“ in Köln (1804-05).
[10] Vgl. zur Schlegel-Kritik Hegels das Standardwerk: Pöggeler, Otto: Hegels Kritik der Romantik. 2. Aufl. München 1998. Zu Kierkegaards Kritik beispielsweise: Hofe, Gerhard: Die Romantikkritik Sören Kierkegaards. Frankfurt a. Main 1972.
[11] Ob die sokratische Ironie uneingeschränkt als Methode gelten kann, wird sich in Kapitel 4.1 zeigen.
[13] Japp, Uwe: Theorie der Ironie. Frankfurt a. Main 1983, S. 327.
[14] Vgl.: Ribbeck, Otto: Über den Begriff des είρωυ. In: Rheinisches Museum für Philologie 31 (1876), S. 400.
[15] Japp (1983): S. 37.
[16] Ebd., S. 38.
[17] In Anschluss an Japp ließe sich auch von einer nonverbalen Ironie sprechen, die ebenfalls einen Versuch darstellt, in einer Gegen-gebärde Welt zu versprachlichen, allerdings auf der Ebene des kommunikativen Repertoires von Mimik und Gestik: Ein Clown, der vergeblich versucht, das Klavier an den Schemel, statt umgekehrt den Schemel an das Klavier zu rücken, stellt auf nonverbale Weise einen ironischen Kontrast zwischen einer effektiven und umständlichen Handlung her. (Dieses Beispiel, welches ich mit dem Ausdruck nonverbale Ironie auf den Begriff brachte, verdanke ich Winfried Böhm, der es in der mündlichen Prüfung einwarf. Dies kann man wohl dialogische Erkenntnisleistung nennen.)
[18] Vgl. die Ironiedefinition beim römischen Rhetor Quintilianus, Marcus Fabius: Ausbildung des Redners. Zwölf Bücher. Hrsg. und übersetzt von Helmut Rahn. Zweiter Teil. Buch VII-XII. 3. Aufl. Darmstadt 1995, IX 2, 44, S. 288.: „in utroque enim contrarium ei, quod dicitur, intellegendum est.“ (Im Folgenden zitiert mit: Quintilianus, Zweiter Teil, IX 2, 44, S. 288.)
[19] Zu unterscheiden von der Sache der Ironie, die wir in einem literarischen Werk oder der wir der durch Platon vermittelten Philosophie Sokrates’ beilegen, ohne dass sie in ihnen als Wort genannt wird. Vgl. Japp (1983): S. 87-89.
[20] Aristophanes: Die Wolken. Stuttgart (Reclam), V 449, S.32; Ders.: The comedies of Aristophanes. Vol. 3. Clouds. Edited with Translation and Notes by Alan H. Sommerstein. Warminster; Chicago 1982, V 450, S. 51.
[21] Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 4: J-K. Hrsg. von Joachim Ritter und Walfried Gründer. Basel 1976, S. 601.
[22] Ders.: Die Vögel. Stuttgart (Reclam), V. 1211, S. 60.
[23] Japp (1983): S. 32.
[24] Zuerst von Leopold Schmidt 1873, wie Ribbeck in seinem Aufsatz anmerkt.
[25] „Berühmt ist P[roteus] durch die Kunst, sich in tausend Gestalten zu verwandeln.“ In: Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 11. Auflage. Zwickau 2002, S. 392.
[26] Büchner, Wilhelm: Über den Begriff der Eironeia. In: Hermes 76 (1941), S. 341.
[27] Aristoteles: Nikomachische Ethik. Stuttgart (Reclam), S. 114, 1127b 10-30.
[28] Theophrast: Charaktere. Stuttgart (Reclam) 2000, S. 5.
[29] Bergson, Leif: Eiron und Eironeia. In: Hermes 99 (1971), S. 413.
[30] Ebd., S. 410.
[31] Ebd.
[32] Zitiert nach ebd., S. 411.
[33] Theophrast, Charaktere, S. 5.
[34] Ebd., S. 57.
[35] Bergson (1971): S. 414.
[36] Vgl. Ebd., S. 420.
[37] Zu unterscheiden von der simulatio: Der Unterschied zwischen simulatio und dissimulatio ist der zwischen dem So-tun-als-ob und dem So-tun-als-ob-nicht. Während ein Simulant so tut, als ob er krank wäre, tut Sokrates so, als ob er nicht wüsste. Vgl.: Müller, Wolfgang: Ironie, Lüge, Simulation, Dissimulation und verwandte rhetorische Termini. In: Zur Terminologie der Literaturwissenschaft. Hrsg. von Christian Wagenknecht. Stuttgart 1986, S. 195f.
[38] Zum problematischen Verhältnis von platonischer Philosophie (Lehre) und sokratischem Philosophieren vgl. Wieland, Wolfgang : Platon und die Formen des Wissens. 2. Aufl. Göttingen 1999.
[39] Müller, Gerhardt: Das sokratische Wissen des Nichtwissens in den platonischen Dialogen. In: Platonische Studien / Gerhardt Müller. Hrsg. von Andreas Greaser und Dieter Maue. Heidelberg 1986, S. 8.
[40] Platon: Apologie des Sokrates 22a. Stuttgart (Reclam) 2001, S. 21.
[41] Gerhardt (1986): S. 9.
[42] Japp (1983): S. 91-92.
[43] Müller, Wolfgang: Ironie, Lüge, Simulation, Dissimulation und verwandte rhetorische Termini. In: Zur Terminologie der Literaturwissenschaft. Hrsg. von Christian Wagenknecht . Stuttgart 1986, S. 192.
[44] Boder, Werner: Die sokratische Ironie in den platonischen Frühdialogen. Diss. Amsterdam 1973, S. 161.
[45] Ebd., S. 162.
[46] Wieland (1999): S. 63.
[47] Mugerauer, Roland: Sokratische Pädagogik. Ein Beitrag zu der Frage nach dem Proprium des platonisch-sokratischen Dialogs. Marburg 1992, S. 38.
[48] Platon: Politeia 337a. In: Ders.: Sämtliche Werke. Band 2. Übersetzt von Friedrich Schleiermacher. Hrsg. von Ursula Wolf. 30. Aufl. Reinbek bei Hamburg 2004, S. 223. (Im Folgenden zitiert mit: Platon: Politeia 337a, Band 2, S. 223.): „O Herakles, das ist ja jene bekannte Verstellung des Sokrates! Aber das habe ich auch diesen schon vorhergesagt, daß du gewiß nicht würdest antworten wollen, sondern wieder Rückhalt suchen in der Verstellung und eher alles ander tun als antworten, wenn dich einer fragte.“
[49] Ders.: Symposium 216d, Band 2, S. 93.
[50] Ders.: Euthyphron 4b. In: Ders.: Sämtliche Werke. Band 1. Übersetzt von Friedrich Schleiermacher. Hrsg. von Ursula Wolf. 30. Aufl. Reinbek bei Hamburg 2004, S. 251.
[51] Ebd., 4e-5a, S. 252.
[52] Ebd., 5a, S. 253.
[53] Böhme, Gernot: Der Typ Sokrates. Frankfurt a. Main 1988, S. 146.
[54] Ebd., S. 147.
[55] Vlastos, Gregory: Socrates – ironist and moral philosopher. Cambridge 1992, S. 29.
[56] Japp (1983): S. 92-93.
[57] Fischer, Wolfgang: Sokrates pädagogisch. Würzburg 2004, S. 93.
[58] Japp (1983): S. 97.
[59] Ebd., S. 100.
[60] Fischer (2004): S. 58.
[61] Ebd., S. 59.
[62] Ebd., S. 64.
[63] Platon: Laches 192c, Band 1, S. 200.
[64] Ebd., 192d, S. 201.
[65] Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Solgers nachgelassene Schriften und Briefwechsel. In: Ders.: Werke 11. Berliner Schriften 1818-1831. Frankfurt a. Main 1986, S. 256.
[66] Pfannkuche, Walter: Platons Ethik als Theorie des guten Lebens. Freiburg; München 1988, S. 52.
- Citation du texte
- Marcus Erben (Auteur), 2006, Zum Zusammenhang von Ironie und Bildung: Bildungstheoretische Untersuchungen zum romantischen Ironiebegriff bei und im Anschluss an Friedrich Schlegel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56804
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