Mit dem praktischen Gebrauch des Täter-Opfer-Ausgleichs hat eine neue Strafrechtskultur begonnen. Er steht unter anderem als Symbol für Frieden und Gerechtigkeit und gibt Hoffnung, dass unsere Gesellschaft noch zum Umdenken bereit ist. Er ist ein Appell an die Vernunft der Menschen für eine bessere Strafgerichtsbarkeit. Jedoch hat der Weg des Umdenkens immer Hürden, über die es heißt hinwegzugehen bzw. zu überwinden. Besser wäre es natürlich, wenn wir es schaffen könnten, diese Hürden völlig von unserem Weg zu räumen. Um dies in Angriff zu nehmen, muss sich jeder selber fragen, ob er für diese neue Strafrechtskultur ist oder ob er bei den alten Prinzipien unserer Gesellschaft bleiben will. Diese Arbeit kann daher nur einen Einblick in die Vielfältigkeit des Täter-Opfer-Ausgleichs geben. Sie soll die grundlegenden Informationen über den Begriff, die geschichtliche Entwicklung, die Voraussetzungen und die Ziele des Täter-Opfer-Ausgleichs vermitteln. Aber auch die Gefahren und Risiken wird diese Arbeit aufgreifen, um zu verdeutlichen, dass wir nicht auf unserem Weg stehen bleiben dürfen, nur weil wir Erfolge zu verzeichnen hatten. Die noch vorhandenen Bedenken zeigen auf, dass wir weiter an dieser Sanktionsalternative arbeiten müssen.
Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffserklärung
3. geschichtliche Entwicklung in Deutschland
4. rechtliche Verankerung
a) Jugendstrafrecht
b) Erwachsenstrafrecht
5. Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleich
a) Rahmenbedingungen für den Täter-Opfer-Ausgleich
b) Deliktsgruppen
c) Beteiligte
aa) das Opfer
bb) der Täter
cc) die Justiz
dd) die Einrichtungen / Vermittler
d) Ablauf des Täter-Opfer-Ausgleichs in einer Ausgleichsstelle
1. Vorphase (Kontaktaufnahme)
2. Vermittlung zwischen des Beteiligten
3. nach Abschluss durch die Einrichtung
6. Ziele
a) allgemeine Ziele des Täter-Opfer-Ausgleichs
b) für das Opfer
c) für den Täter
d) für die Justiz
7. Gefahren, Risiken, Kritik
Anlage 1 Gesetzestexte
Anlage 2 Schaubilder
Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Mit dem praktischen Gebrauch des Täter-Opfer-Ausgleichs hat eine neue Strafrechtskultur begonnen. Er steht unter anderem als Symbol für Frieden und Gerechtigkeit und gibt Hoffnung, dass unsere Gesellschaft noch zum Umdenken bereit ist. Er ist ein Appell an die Vernunft der Menschen für eine bessere Strafgerichtsbarkeit. Jedoch hat der Weg des Umdenkens immer Hürden, über die es heißt hinwegzugehen bzw. zu überwinden. Besser wäre es natürlich, wenn wir es schaffen könnten, diese Hürden völlig von unserem Weg zu räumen.
Um dies in Angriff zu nehmen, muss sich jeder selber fragen, ob er für diese neue Strafrechtskultur ist oder ob er bei den alten Prinzipien unserer Gesellschaft bleiben will.
Diese Arbeit kann daher nur einen Einblick in die Vielfältigkeit des Täter-Opfer-Ausgleichs geben. Sie soll die grundlegenden Informationen über den Begriff, die geschichtliche Entwicklung, die Voraussetzungen und die Ziele des Täter-Opfer-Ausgleichs vermitteln. Aber auch die Gefahren und Risiken wird diese Arbeit aufgreifen, um zu verdeutlichen, dass wir nicht auf unserem Weg stehen bleiben dürfen, nur weil wir Erfolge zu verzeichnen hatten. Die noch vorhandenen Bedenken zeigen auf, dass wir weiter an dieser Sanktionsalternative arbeiten müssen.
2. Begriffserklärung
Unter dem Begriff des Täter-Opfer-Ausgleich versteht man den „kommunikativen Prozess“[1]zwischen Täter und Opfer. Dabei wird versucht einen Ausgleich für den durch die Tat verursachten Schadens zu finden.[2]Zentrum des Täter-Opfer-Ausgleichs ist demnach die Wiedergutmachung des Schadens durch den Täter im Beisein eines neutralen Vermittlers[3]. Da die Betroffenen selbst definieren, was sie für angemessen halten, kann die Wiedergutmachung im Rahmen einer bloßen Entschuldigung bis hin zu einem finanziellen Ausgleich reichen. Erfordern es die Umstände oder wünscht es sich das Opfer, kann ein solcher Ausgleich auch durch symbolische Wiedergutmachungsleistungen erfolgen.[4]Darüber hinaus steht es dem Geschädigten jedoch frei, sich weitergehende Ansprüche vorzubehalten.[5]
Der Täter-Opfer-Ausgleich kann nicht nur bei einem materiellen Schaden in Betracht gezogen werden, sondern auch bei einem immateriellen Schaden, da es im Täter-Opfer-Ausgleich in erster Linie auf die Aussöhnung zwischen Täter und Opfer ankommt.[6]
Dem Täter wird also die Möglichkeit eingeräumt, durch konstruktive Leistung seine Schuldgefühle abzubauen und vor allem Verantwortung für seine Tat zu übernehmen. Dabei dient die unmittelbare Erfahrung der Unrechtsfolgen beim Opfer der Prävention vor der Wiederholung von Straftaten.[7]
Vor allem das Opfer kann diese Art von Sanktionierung am besten nachvollziehen, denn ihm ist mehr an der Wiedergutmachung seines erlittenen Schadens gelegen, als an einer Bestrafung des Täters.
Da im klassischen Strafrecht die Opferinteressen bei der Reaktion auf Kriminalität stark zurückgedrängt wurden, geht es im Ausgleich zwischen Täter und Opfer nicht nur um die Belange des Täters, seine Tat zu erklären, sondern eben – und vor allem – um das Opfer selbst.[8]Daher sollen im Idealfall die vielschichtigen Opferinteressen (Aussprache, Konfrontation mit dem Täter, Schadensregulierung usw.) in einem Prozess abgehandelt werden.
3. geschichtliche Entwicklung in Deutschland
Die Geschichte des Täter-Opfer-Ausgleichs geht weiter zurück, als seine gesetzliche Verankerung vermuten lässt. Der Grundgedanke dessen – die Schadenswiedergutmachung, „Kristalisationskern“ des Täter-Opfer-Ausgleich[10]– lässt sich schon im alten Talionsprinzip „Auge um Auge – Zahn um Zahn“ wieder finden. Dieses Prinzip stellte keinen Racheaufruf dar, sondern vielmehr die Aufforderung die Maßlosigkeit der Rache auf ein angemessenes Verhältnis von Unrechtstat und Folge zu begrenzen. Somit kann dies als der biblische Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angesehen werden.[9]
Auch im Germanischen Recht galt der Grundsatz, dass der Täter und die Sippe das Recht hatten, die Rache „abzukaufen“.[11]Der Rechtsfriede wurde demnach durch ein Sühnevertrag im Rahmen eines Kompositionssystems (Bußgeldkatalog) wiederhergestellt. Indem jedoch die Obrigkeit die Strafgewalt übernahm und damit Straf- und Zivilrecht getrennt wurden, geriet diese „natürliche“ Sanktion der Schadenswiedergutmachung mehr und mehr in den Hintergrund. Die Wiederentdeckung und Etablierung in unserem Strafrecht begann erst Mitte der 80iger Jahre.[12]Zwar wurde das Prinzip des Täter-Opfer-Ausgleichs vereinzelt von der Jugendgerichtshilfe, von Sozialdiensten und in Schulen praktiziert. Doch erst mit der Fallarbeit am Reutlinger Modellprojekt „Handschlag“[13]im Jahre 1985 begann das Umdenken in der Justiz. Von nun an sollte der Täter-Opfer-Ausgleich nicht nur gelegentlich durchgeführt werden, sondern möglichst in allen geeigneten Fällen. Hauptaugenmerk war dabei nicht nur die reine materielle Schadenswiedergutmachung, sondern das Stattfinden der Ausgleichbemühungen auf Konfliktebene. Die Vorreiter dieser Modelle wollten die Betroffenen nicht nur auf der Basis des „gesunden Menschenverstands“ vermitteln, sondern eine professionell qualifizierte Arbeit leisten und dafür Standards entwickeln.[14]
In den Jahren 1984 bis 1986 fanden die Beratungen, die Verabschiedung und das Inkrafttreten des ersten Opferschutzgesetzes statt, welches eine rudimentäre Regelung zum Täter-Opfer-Ausgleich mit sich brachte.[15]Seitdem wurden die Modellversuche zum einen durch das Bundesjustiz- und das Bundesjugendministerium und auf Landesebene, als auch zum anderen durch lokale und bundesweite Stiftungen unterstützt.[16]So wurde 1992 ein TOA-Servicebüro gegründet, welches vom Bund gefördert wurde.
Die theoretische Auseinandersetzung mit dieser Sanktionsalternative begann jedoch schon Anfang der 80iger Jahre.[17]Bereits 1980 konzipierte Christian Pfeiffer im Zentralblatt für Jugendrecht ein Modellprojekt Jugendgerichtshilfe mit seinem Arbeitsschwerpunkt
„Der Ausgleich zwischen Täter und Opfer“[18]. Der Arbeitskreis „Täter-Opfer-Ausgleich“ bei der Deutschen Bewährungshilfe lotete 1983/1984 die Möglichkeiten des Täter-Opfer-Ausgleich aus und erstellte eine Broschüre, welche maßgebend für alle wurde.[19]
In der gleichen Zeit beschäftigten sich bei den Jugendgerichtstagen eigene Arbeitsgruppen mit dem Täter-Opfer-Ausgleich. Eine der vielen Pioniere, die Kölner Jugendrichterin Ruth Herz, berichtet unter anderem auf dem Bielefelder Symposium anlässlich eines längeren USA-Aufenthaltes, von den dort bereits erfolgreich arbeitenden Mediationsprojekten[20]und brachte damit viele konzeptionelle Ideen in die vorherrschende Diskussion ein.[21]
Obwohl sich der Täter-Opfer-Ausgleich in den Jahren 1984 bis 1986 in der Kriminologie und Strafwissenschaft etabliert hat, ist „der genaue ‚Geburtstag’ des Täter-Opfer-Ausgleichs in der Bundesrepublik […] unbekannt, das Jahr 1985 als Beginn systematisches TOA – Praxis gleichwohl ein guter Schätzwert“.[22]
1989 zog man auf dem Bonner Symposium eine Zwischenbilanz über das bisher erreichte und das nun kommende. Nächster Schritt in der Diskussion um den Täter-Opfer-Ausgleich war die rechtliche Verankerung im Jugendstrafrecht. 1989 wurde der Täter-Opfer-Ausgleich in den Regierungsentwurf zum 1.JGGÄndG[23], welches 1990 in Kraft getreten ist, mit aufgenommen. Obwohl an sich im Jugendstrafrecht nicht mehr so viele Projekte gestartet wurden, begann man 1991 auch im Erwachsenstrafrecht mit Modellversuchen (in Nürnberg und Hannover) und plante in den neuen Bundesländern[24]die ersten Projekte. Auf dem 59.Juristentag 1992 wurden Vorschläge zur rechtlichen Verankerung des Täter-Opfer-Ausgleichs im allgemeinen Strafrecht laut, welche jedoch erst 1994 mit der Einführung des § 46a StGB in die Tat umgesetzt werden konnten.[25]
4. rechtliche Verankerung
Wie bereits deutlich geworden ist, kann man die rechtliche Verankerung des Täter-Opfer-Ausgleichs seit 1990 im Jugendstrafrecht und seit 1994 im allgemeinen Strafrecht finden.
a) Jugendstrafrecht
Im dem sich das Jugendstrafrecht in der Ausrichtung der Sanktionen primär auf den Täter und seine Person bezieht, will es auch den jugendlichen Straftäter zu einem Leben ohne Straftaten erziehen.
Bei einer so täterorientierten Betrachtungsweise kann die Wiedergutmachung, wie sie der Täter-Opfer-Ausgleich fordert, mehr zur Geltung kommen.
[...]
[1]BGHST 48, 134 (142 f.); BGH, NStZ 2000, 205;
zum Ganzen:Franke, NStZ 2003, 410 (412 f.).
[2]Kindhäuser, LPK – StGB, § 46a, Rdn.2; vgl:Kilchling, NStZ 1996, 309 (310).
[3]Pfeiffer, ZRP 1992, 338 (341);Brauns, S.311 f. – siehe unter 5. c) dd) (S.14 f.).
[4]Vgl.:Bannenberg, S.209;Walter, 63 (66);Brauns, S.316 f.;
sieheAnlage II: Schaubild 41.
[5]OLG Köln, NStZ-RR 2004, 71 (72).
[6]Kühl, StGB, § 46a, Rdn.2.
[7]Ostendorf, JGG, § 15, Rdn.2 m.w.N..
[8]Dazu ausführlich siehe unter 6. (S.18 f).
[9] Ausführliche Chronologie der Entwicklung bei:Schreckling, S.111 f..
[10]Vgl. Kaiser, Krimi., § 49, S.462 m.w.N..
[11]Vgl. statt vieler:Hellmer, AcP 155 [1956], 527 (529 ff.).
[12]Vgl.:Pfeiffer, ZRP 1992, 338 (339).
[13]Ausführlich hierzu:Kuhn/Rössner, ZRP 1987, 267 (268 f.).
[14]Mit praxisorientierter Begleitforschung:Schreckling, S.87 ff..
[15]1986 Einführung des § 46 Abs.2 StGB: Für die Strafzumessung kommt
besonders das Bemühen des Täters, den Schaden wieder gut zumachen, und
das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, in
Betracht. – vgl.:Kuhn/Rössner, ZRP 1987, 267 (267),
Schreckling/Piepow, ZRP 1989, 10 (11);
ausführlich: Schönke/Schröder–Stree, StGB24.Aufl. (1991), § 46, Rdn.40 ff..
[16]Schreckling, S.88 mit Beispielen auf S.111.
[17]Schreckling, S.88 f. m.w.N..
[18]Vgl. Pfeiffer, ZfJ 1980, 384 – 395.
[19]Vgl.:Rössner/Wulf, „Opferbezogene Strafrechtspflege“, 1983 –
mit Leitgedanken und Handlungsvorschlägen für Praxis und Gesetzgebung.
[20]So auch in Australien u. Neuseeland: vgl. Matt, MschKrim.1997, 255 (257 ff.).
[21]Vgl.:Herz: TOA in der Jugendgerichtsbarkeit.
[22]Schreckling, S.89.
[23]Erstes Änderungsgesetz zum Jugendgerichtsgesetz.
[24]Ab 1993 konnte hier eine vermehrte Gründung beobachtet werden. –
zum Ganzen:Steffens, S.227 ff.
[25]Des Weiteren wurden ab 1991 Rundverfügungen zum Täter-Opfer-Ausgleich erlassen – Schleswig-Holstein (1991); Rheinland-Pfalz (1992); Hamburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen (1994).
- Citation du texte
- Dorothea Hänel (Auteur), 2006, "Vielfalt statt Einheit - Legitimation und Funktion strafrechtlicher Rechtsfolgen" Täter-Opfer-Ausgleich im Jugend- und Erwachsenenstrafrecht als Reaktion auf Kriminalität, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56750
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