Der Aufsatz fasst die Grundgedanken des Begriffs„Über-Ich“ zusammen. Er nimmt Bezug auf Freuds Schrift „Das Ich und das Es“. Es werden die Entstehung und die Auswirkungen des „Über-Ichs“ beschrieben. Darüberhinaus werden die Funktionen, die dem „Über-Ich“ in Freuds Modell der Psyche zukommen, skizziert.
INHALTSVERZEICHNIS
1. Das Ausgangsproblem
2. Ich-Bildung
3. Genese des Über-Ich
4. Wirkungen des Über-Ich
4.1. Gewissen
4.2. In der Analyse
4.3. Gewissensangst
5. Konklusion
6. Literatur
1. Das Ausgangsproblem
Am Beginn des Textes greift Freud auf sein frühes, topologisches Modell der Psyche auf, in welchem er die psychischen Phänomene in Bewusstes, Vorbewusstes und Unbewusstes einteilt. Er setzt sich zunächst mit der philosophischen Kritik an der Annahme des Unbewussten auseinander und wiederholt die Annahme, dass vor allem triebhafte, von Es stammende Regungen unbewusst sein können.
Freud stellt fest, dass in der Analyse beim Versuch seelische Strebungen ins Bewusstsein zu holen in Schwierigkeiten geraten. Ihre Assoziationen versagen, sobald man versucht sich dem Verdrängten anzunähern. Wir stellen also fest, dass man auf einen Widerstand gestoßen ist, der im Patienten wirkt. Die Patienten können diesen nicht angeben oder benennen. Ist also unbewusst und kann auch nicht Teil des Es sein, da er sich ja diesem entgegenstellt:
„Wir haben im Ich selbst etwas gefunden, was auch unbewußt ist, sich gerade so benimmt wie das Verdrängte, das heißt starke Wirkungen äußert, ohne selbst bewusst zu werden, und zu dessen Bewusstmachung es einer besonderen Arbeit bedarf.“[1]
Neben diesem Widerstand in der Analyse, stellt Freud fest, dass es Personen gibt bei denen Selbstkritik und Gewissen unbewusst sind. Selbstkritik und Gewissen sind Funktionen des Über-Ichs. Dieses bezeichnet Freud als eine Differenzierung innerhalb des Ichs, mit einer weniger festen Beziehung zum Bewusstsein, als das eigentliche Ich. Wie kommt es dazu das so?
2. Ich-Bildung
Bevor wir uns der eigentlichen Genese des Über-Ich zuwenden können, müssen wir uns mit einem grundlegenden Mechanismus der Ich-Bildung vertraut machen, der dafür entscheidend ist. Freud hat bei der Melancholie festgestellt, das dort ein aufgegebenes Objekt im Ich wieder aufgerichtet wird. Also eine Objektbesetzung abgelöst wird durch eine Identifizierung. Seine Hypothese ist, dass diese Mechanismus nicht nur bei der Melancholie auftritt, sondern sehr basal ist und allgemein einer der wesentlichen, bei der Bildung des Ich.
Zunächst wird ausgehend vom Es und dessen Bedürfnissen, also erotischen Strebungen ein Objekt besetzt. „Soll oder muss ein solches Sexualobjekt aufgegeben werden, so tritt dafür nicht selten eine Ichveränderung auf“[2]
D.h. das Ich nimmt die Züge des Objekts an und bietet sich dadurch selbst dem Es als Liebesobjekt an. Die Botschaft ist: „Sieh du kannst auch mich lieben, ich bin dem Objekt so ähnlich“[3] Freud spricht in diesem Zusammenhang von einem „sekundäreren Nazismus“. Sekundär, weil die liebe zunächst dem Objekt galt und erst nach Aufgabe des Objekts dem Ich zugeführt wird.
Dieser Mechanismus hilft dem Ich das es zu bemeistern, denn durch die Identifizierung mit dem Objekt findet eine Desexualisierung des ursprünglichen Triebes statt und damit eine Form von Sublimierung.
Freud ist sich unschlüssig, welche Bedeutung dieser Mechanismus einnimmt. Er spekuliert, dass es sich dabei um eine Regression handeln könnte. Evtl. stellt er überhaupt die Bedingung da, unter der das Ich seine Objekte aufgibt.[4]
Fest steht, dass beschriebener Vorgang in frühen Entwicklungsphasen sehr häufig auftritt. Der Charakter des Ichs ist demnach ein Niederschlag der Aufgegebenen Objektbesetzungen.
3.Genese des Über-Ich
Freuds These ist, dass die Einflüsse aufgegebener Objektbesetzungen in frühesten Alter die allgemeinsten und nachhaltigsten sind. Die Identifizierungen finden statt wenn das Ich noch sehr schwach ist und führen die großartigsten Objekte ins ich ein, nämlich die Eltern.
Diese Ich Veränderung führt zur Bildung des Über-Ich bzw. Ich-Ideal. Ihm kommt eine besondere Stellung zu.[5]
Die Bildung des Über-Ich wird durch zwei Faktoren kompliziert:
1. Die dreieckige Anlage der Ödipuskonstellation
2. Die konstitutionelle Bisexualität.
ad 1:
Im einfachen Fall der Positiven Ödipuskomplexes haben wir folgende Situation:
Frühzeitig wird, ausgehend von der Mutterbrust, die Mutter libidinös besetzt. Gleichzeitig findet eine Identifikation mit dem Vater statt. Eine Zeitlang gehen diese beiden Beziehungen nebeneinander her, bis sich die sexuellen Regungen gegenüber der Mutter verstärken. Der Vater steht diesen Regungen im Wege und der kleine Junge entwickelt eine feindselige Einstellung gegen diesen. Der Ödipuskomplex entsteht.
Der normale Ausgang aus dieser konfliktträchtigen Situation ist, dass die Besetzung der Mutter aufgegeben wird, während die Identifikation mit dem Vater verstärkt wird. Beim Mädchen wird analog dazu, die Identifikation mit der Mutter verstärkt.
Dieser Ausgang entspricht nicht den Erwartungen, den hier wird nicht das Aufgegebene Objekt ins Ich eingeführt, sondern die Person die den sexuellen Regungen im Wege stand.[6]
Allerdings gibt es auch die Möglichkeit, das tatsächlich mit dem aufgegebenen Objekt identifiziert sind. Freud äußert sich in diesem Text nicht sehr ausführlich zu den Bedingungen, die zu diesen ungewöhnlichen Ausgang führen. Lediglich die Ausprägung der jeweiligen Geschlechtsanlagen wird als Bedingung genannt.
ad 2.
Der einfache Positive Ödipuskomplex hat laut Freud den Charakter eines Modells, dass in dieser reinen Form in der Praxis selten vorzufinden ist. Wir müssen von einem vollständigen Ödipuskomplex ausgehen Denn bedingt durch die ursprüngliche Bisexuelle Anlage, tritt i.d.R. neben dem Positiven ebenso ein negativer Ödipuskomplex auf. Also beim Jungen eine zärtliche, feminine Einstellung zum Vater und eine feindselige Haltung gegenüber der Mutter. Folglich haben wir zwei Identifizierungen, mit Mutter und Vater.
Das „Über-Ich“ entsteht, wie gezeigt aus der Verdrängung des Ödipuskomplexes und ist dementsprechend Ambivalent und enthält gleichzeitig die Mahnung, „so wie der Vater sollst du sein“ und das Verbot: So wie der Vater darfst du nicht sein, das heißt nicht alles tun, was er tut, manches bleibt ihm vorbehalten“[7]
[...]
[1] Freud, Sigmund (1999): Das Ich und das Es: Gesammelte Werke. Bd. XIII. Frankfurt S. 244
[2] Ebd. S. 257
[3] Ebd. S. 258
[4] Gegen diese Generalisierung spricht das Freud im gleichen Aufsatz eine Skala der Resistenzfähigkeit annimmt. D.h. die Möglichkeit durchaus in Betracht zieht, dass ein Objekt aufgegeben wird, ohne das eine Ichveränderung eintritt, bzw.. eher abgelehnt, anstatt angenommen wird. Ebenso sieht er die Möglichkeit das Objektbesetzung und Identifizierung gleichzeitig auftreten und damit nicht nach dem genannten Modell vor sich gehen.
[5] Wenn ich richtig sehe verwendet Freud in diesem Aufsatz die Begriffe Über-Ich und Ich-Ideal synonym.
[6] Freud benennt dieses Phänomen noch nicht eindeutig. Meiner Meinung nach fasst dies exakt erst Anna Freuds Begriff „Identifikation mit dem Aggressor“ vgl. Freud, Anna (1977): Das Ich und die Abwehrmechanismen. München. S. 85ff.
[7] Freud, Sigmund (1999): Das Ich und das Es: Gesammelte Werke. Bd. XIII. Frankfurt S. 262
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- Matthias Gloser (Author), 2006, Das Ich und das Es - Über-Ich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56721
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