Im Zentrum dieser Abhandlung stehen die Überlegungen der japanischen Autoren Ikujiro Nonaka und Hirotaka Takeuchi, wie sie in dem Buch „Die Organisation des Wissens“ dargestellt sind. Die japanischen Autoren regten eine wissenschaftliche Debatte im Bereich Wissensmanagement an, an der sich Wissenschaft und Wirtschaft beteiligten. Der Ansatz berücksichtigt nicht nur kodifiziertes Wissen, sondern auch implizites Wissen im Sinne Michael Polanyis „tacit knowledge“, das in den Unternehmensstrukturen und in den Fähigkeiten der Mitarbeiter verborgen liegt. Es geht darum, diese Wissensbasis zu nutzen und zu erweitern, um zu einem lernenden und wissensgenerierenden Unternehmen zu gelangen. Nach einer Darstellung einiger erkenntnistheoretischer Grundlagen wird der theoretische Ansatz von Nonaka und Takeuchi dargelegt. Beleuchtet werden insbesondere die Voraussetzungen für einen funktionierenden Wissensschaffungsprozess. Auch werden die Dimensionen der Wissensschaffung, also die Typen von Wissen im Unternehmen dargestellt. Die Skizzierung der Wissenschaffungstheorie der japanischen Autoren wird abgeschlossen durch eine Darstellung "Spiralmodells" der Wissensschaffung. Abschließend erfolgt eine Reflexion der japanischen Theorie der lernenden Organisation mit anderen verbreiteten Wissenstheorien, etwa von Peter Senge, von Argyris und Schön oder von Leonhard-Barton.
Inhaltsverzeichnis
1 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
2 Einleitung
3 Hintergrund
4 Klärung und Abgrenzung von Begriffen
4.1 Daten, Information und Wissen
4.2 Epistemologie
4.3 Ontologie
5 Die Wissensschaffungstheorie von Nonaka und Takeuchi
5.1 Voraussetzungen des Wissensschaffungsprozesses
5.1.1 Intention
5.1.2 Autonomie
5.1.3 Fluktuation und kreatives Chaos
5.1.4 Redundanz
5.1.5 Notwendige Vielfalt
5.2 Dimensionen der Wissensschaffung
5.2.1 Epistemologische Dimension
5.2.1.1 Sozialisation
5.2.1.2 Externalisierung
5.2.1.3 Kombination
5.2.1.4 Internalisierung
5.2.2 Ontologische Dimension
5.2.3 Zeitliche Dimension
5.2.3.1 Wissen austauschen
5.2.3.2 Konzepte schaffen
5.2.3.3 Konzepte erklären
5.2.3.4 Einen Archetyp bilden
5.2.3.5 Wissen übertragen
5.3 Das Spiralmodell von Nonaka und Takeuchi
5.4 Zusammenfassung
6 Andere Theorien
6.1 Fünf Disziplinen von Peter Senge
6.2 Theorie des Organisationalen Lernens von Argyris und Schön
6.3 Organisationales ‚Sensemaking‘ von Karl Weick
6.4 Bausteine des Wissensmanagements nach Probst
6.5 Modell von Dorothy Leonard-Barton
6.6 Evoloution der organisatorischen Wissensbasis von Pautzke
7 Abschluß
8 Literaturliste
1 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildungen
Abbildung 1: Fünf-Phasen-Modell der Wissensschaffung im Unternehmen
Abbildung 2: Interaktion der Wissensumwandlung
Abbildung 3: Spiralmodell der Wissensschaffung
Abbildung 4: Spirale der Wissensschaffung in drei Dimensionen
Tabellen
Tabelle 1: Arten von Wissen nach Polanyi
Tabelle 2: Formen der Wissensumwandlung
Tabelle 3: Wissensumwandlungsform und Wissensinhalt
2 Einleitung
Die vorliegende Arbeit wurde im Rahmen des Seminars ‚Wissensmanagement‘ des Instituts für Wirtschaftsinformatik an der Albert-Ludwigs-Universtität Freiburg im Wintersemester 1999/2000 angefertigt. Grundlage des Seminars war das Buch von Ikujiro Nonaka und Hirotaka Takeuchi ‚Die Organisation des Wissens - Wie japanische Unternehmen eine brachliegende Ressource nutzbar machen‘. Das Buch von Nonaka und Takeuchi regte die wissenschaftliche Diskussion im Bereich Wissensmanagement an und erfreute sich großer Resonanz von Wirtschaft und Wissenschaft. Nonaka und Takeuchi gehen in dem Buch auf die Unterschiede japanischer und westlicher Unternehmensphilosophie und Unternehmensführung in Hinblick auf die Wissensschaffung ein, beschreiben ein Modell zur Wissensschaffung in Unternehmen und entwickeln einen Führungsansatz, welcher sich auf die Wissensschaffungsprozesse förderlich auswirken soll. Das Buch enthält reichhaltiges Anschauungsmaterial aus der Praxis.
Die Arbeit stellt keine grundsätzliche Betrachtung der ‚Theorie der Wissensschaffung‘im Allgemeinen dar. Dargestellt wird speziell die Theorie von Nonaka und Takeuchi, danach werden zum Vergleich einige andere Theorien kurz vorgestellt.
3 Hintergrund
Seit jeher war Wissen ein relevanter Faktor nicht nur für Individuen, sondern auch für Organisationen. Das Schlagwort ‚Wissensgesellschaft‘ unterstreicht die zunehmende Wichtigkeit der Ressource ‚Wissen‘ in der Zukunft. Dementsprechend wird auch für Unternehmen in Zukunft ‚Wissen‘ zum entscheidenden Faktor werden, die Anforderungen an Unternehmen im Bereich individuelles- und organisationales Lernen werden steigen, so die aktuelle Diskussion.
Wissensschaffungstheorien wollen organisationale Wissensbasen verändern und verbessern, dies geschieht über Veränderung der Regelsysteme einer Organisation via Lernprozessen. Diese Lernprozesse sind jedoch abhängig von der Unternehmenskultur, diese wiederum ist kulturabhängig.[1] Organisationale Lernmechanismen sind also kulturabhängig und dementsprechend verschiedenartig in den unterschiedlichen Kulturräumen. Auf diese Problematik, insbesondere die Lernhemmnisse in westlichen Unternehmen[2], gehen Nonaka und Takeuchi ganz besonders ein. Sie beschreiben nicht nur ein Modell der Wissensschaffung, sondern auch den kulturellen und weltanschaulichen Hintergrund[3], der die Funktion dieses Modells ermöglicht.
Nonaka und Takeuchi gehen in ihrem Werk vorrangig auf die Bedeutung der Schaffung von neuem Wissen ein, während die meisten Autoren im Bereich Wissensmanagement nur auf die Wissensverarbeitung eingehen. Diesem Tatbestand trägt der englische Titel ‚The Knowledge-Creating Company‘ Rechnung und akzentuiert die Relevanz der Wissensschaffung eher als der in diesem Zusammenhang irreführende deutsche Titel ‚Die Organisation des Wissens‘.
Die Autoren selbst unterstreichen die Wichtigkeit der Schaffung von Wissen gegenüber der Wissensverarbeitung wie folgt:
„Unternehmen stellen sich auf ein unsicheres Umfeld nicht nur durch passive Anpassung ein, sondern auch durch aktives Zusammenwirken. Unternehmen können sich verwandeln. Dennoch werden sie häufig als passiv und statisch betrachtet. Ein Unternehmen, das rasche Veränderungen im Umfeld dynamisch bewältigen will, darf Informationen und Wissen nicht nur effizient verarbeiten, es muß sie selbst hervorbringen. Es muß sich durch die Auflösung des existierenden Wissenssystems und durch die Entwicklung innovativer Denk- und Handlungsmodelle selbst erneuern.“ [Nonaka/Takeuchi (1997), S. 64]
4 Klärung und Abgrenzung von Begriffen
Da in der wissenschaftlichen Diskussion um das Thema Wissen und daher auch zum Thema Wissensmanagement viele der Unterschiede in den Theorien auf unterschiedliche Begriffsdefinitionen zurückgehen, möchte ich einige der hier relevanten Begriffe beschreiben, bevor ich mich der eigentlichen Theorie zuwende.
4.1 Daten, Information und Wissen
Information wird gemeinhin im Sinne von ‚Zeichenfolge mit spezifischer Bedeutung für Sender und Empfänger betrachtet‘. Nonaka und Takeuchi[4] definieren Information als ‚Medium‘ oder ‚Material‘ zur Wissensbildung[5].
Die Definition von ‚Wissen‘ ist Streitfrage seit Anbeginn der Philosophie. Die traditionelle westliche Ansicht über Wissen, bzw. Wahrnehmung oder Erkenntnis ist die, daß das Wahrnehmungssubjekt durch Analyse der äußeren Welt Wissen erwirbt. Die Wissensdefinition von Platon lautet: „Wissen ist die mit ihrer Erklärung verbundene, richtige Vorstellung.“ Diese Definition wird für die folgenden Betrachtungen übernommen, jedoch liegt die Betonung nicht auf der ‚Richtigkeit‘, sondern auf der ‚erklärten Vorstellung‘. Wissen wird als dynamischer, menschlicher Prozeß der Erklärung persönlicher Vorstellungen über die ‚Wahrheit‘ betrachtet und ist Konsequenz bestimmter Einstellungen, Perspektiven und Absichten. Wissen dreht sich um Handeln und ist zweckgerichtet, ist also beziehungsspezifisch.
In der vorliegenden Theorie zur Wissenschaffung wird zwischen implizitem und explizitem Wissen unterschieden. Diese Unterscheidung geht auf Michael Polanyi und sein Buch ‚The Tacit Dimension‘ (1966) bzw. ‚Implizites Wissen‘ (1985) zurück. Michael Polanyi in ‚Implizites Wissen‘:
„daß jeder unserer Gedanken Komponenten umfaßt, die wir nur mittelbar, nebenbei, unterhalb unseres eigentlichen Denkinhalts registrieren - und daß alles Denken aus dieser Unterlage, die gleichsam Teil unseres Körpers ist, hervorgeht.“ [Polanyi (1985), S. 10]
Implizites Wissen, also Wissen mit körperlicher und geistiger Dimension, ist die Grundlage des sogenannten objektiven Wissens. Diese Wissensform steht im Mittelpunkt des Modells der Wissensschaffung der Unternehmung. Es ist Ergebnis eines ‚learning-by-doing‘- Prozesses, der Verinnerlichung auch von Werten und Idealen.
Implizites Wissen beinhaltet technische sowie kognitive Elemente. Die technischen Elemente sind know-how, Fertigkeiten, Fähigkeiten. Die kognitiven Elemente bestehen aus ‚mentalen Modellen‘, wie. z. B. Vorstellungen, Paradigmen, Perspektiven und Überzeugungen, die sich auf Ziele und Visionen der Individuen beziehen. Die Artikulation solcher mentaler Modelle spielt als Wissensmobilisierungsprozeß eine zentrale Rolle bei der Wissensschaffung in Unternehmen.[6]
Explizites Wissen läßt sich, anders als implizites, in formaler, systematischer Sprache weitergeben.
‚Explizites Wissen dreht sich um vergangene Ereignisse oder Dinge von ‚da und damals‘ und zielt auf eine kontextfreie Theorie. Es wird sequentiell erzeugt.‘ [Nonaka/Takeuchi (1997), S. 73]
Explizites Wissen ist der kleiner Teil des gesamten Wissens, der in Form von Zahlen und Sätzen sichtbar wird. Nachfolgende Tabelle soll die Unterscheidung von Wissen in explizites- und implizites Wissen durch Darstellung einiger Gegensätze zwischen den Beiden verdeutlichen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im Modell von Nonaka und Takeuchi werden die beiden Wissensformen nicht als voneinander getrennt oder alternativ gesehen, sonder als einander komplentär.
4.2 Epistemologie
Epistemologie oder Erkenntnistheorie ist die philosophische Auseinandersetzung mit ‚Wissen‘. Im asiatischen Kulturraum ist diese Auseinandersetzung von jeher weniger ausgeprägt als im westlichen. In diesem ist das Werk Descartes wesentlich, der die erkenntnistheoretische Trennung von Subjekt und Objekt, von Körper und Geist zementierte. Die Erklärung von Innovation erfordert eine Annäherung an das Thema ‚Wissen‘, und diese wiederum benötigt ihre eigene Epistemologie. Die von Nonaka und Takeuchi zugrundegelegte Epistemologie weicht stark von der westlichen ab[7], was sich in den Ausführungen zu den Begriffen ‚Information‘ und ‚Wissen‘ zeigt.
4.3 Ontologie
Die Ontologie ist Lehre vom Seienden, und zwar vom Seienden als solchem und von dem, was wesentlich und unmittelbar zu diesem gehört[8]. Die Betrachtung des Seinenden ist immer perspektivenabhängig. Da sich die vorliegende Theorie mit der Wissensschaffung in Unternehmen beschäftigt, wird sie ihre eigene, unternehmensspezifische Ontologie aufweisen: Die Dimension des Seins erstreckt sich vom einzelnen Individuum als kleinste Einheit eines Unternehmens ausgehend über die Gruppe als nächstgrößere Einheit, die Abteilung, das gesamte Unternehmen bis hin zur Interaktion verschiedener Unternehmen.
[...]
[1] Willke (1998), S. 41
[2] Beispielsweise die Nachteile die nachteiligen Auswirkungen auf den Lernprozess der westlichen, hirarchisch aufgebauten Systeme im Verhältnis zu den japanischen, eher heterarchisch aufgebauten Organisationen.
[3] z. B. die Beachtung von ‚körperlichem‘ Wissen, die im westlichen Kulturraum erst durch den Wissenschaftstheoretiker Michael Polanyi unter dem Begriff ‚Tacit knowledge‘, also ‚Implizites Wissen‘ eingeführt wurde.
[4] Nonaka/Takeuchi (1997), S.70
[5] Andere mögliche Definitionen wären ‚Information ist zweckbezogenes Wissen‘ oder ‚Information ist kommunizierbares Wissen‘.
[6] Nonaka/Takeuchi (1997), S. 73
[7] Nonaka/Takeuchi (1997), S. 68
[8] Brugger, W., Philosophisches Wörterbuch (1947)
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